Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 541/20

Aktenzeichen  28 W (pat) 541/20

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:010222B28Wpat541.20.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 115 158.5
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 1.  Februar 2022 unter Mitwirkung der Richter Schödel, der Richterin Kriener sowie der Richterin kraft Auftrags Berner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wort-/Bildzeichen (gold, schwarz, rot, weiß)
2
ist am 21. November 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
3
Klasse 8: Messerschmiedewaren; Taschenmesser mit Mehrzweckfunktionen; Essbesteck;
4
Klasse 9: Aufgezeichnete und herunterladbare Medien, Computersoftware, leere digitale oder analoge Aufzeichnungs- und Speichermedien;
5
Klasse 16: Papier- und Pappwaren, nämlich Poster, Plakate, Schilder; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
6
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kochgeschirr und Tafelgeschirr, ausgenommen Messer, Gabeln und Löffel; Glaswaren, Porzellan und Steingut;
7
Klasse 25: Oberbekleidungsstücke für Damen, Herren und Kinder, insbesondere Krawatten, Halstücher, Mützen, Schirmmützen, T-Shirts, Pullover, Outdoorjacken, Fleecejacken, Windjacken und Regenjacken;
8
Klasse 28: Spiele; Spielwaren und Spielzeug; Miniaturen zum Spielen; Schiffe [maßstabsgetreue Modelle];
9
Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Gewürze;
10
Klasse 33: Alkoholische Getränke, insbesondere Gin und Rum;
11
Klasse 41: Sportliche und kulturelle Aktivitäten; Unterhaltung; Organisation und Veranstaltung von Ausstellungen für Bildungszwecke.
12
Die Anmeldung wird beim DPMA unter der Nummer 30 2019 115 158.5 geführt.
13
Die Markenstelle für Klasse 41 des DPMA hat die Anmeldung mit Beschluss vom 23. April 2020 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG
§§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich das Anmeldezeichen als geografische Herkunftsbezeichnung für die beanspruchten Waren eigne. Die Industrie- und Gewerbestruktur der Stadt und Region Peking lasse es möglich erscheinen, dass sich Mitbewerber einschlägiger Branchen dort bereits angesiedelt hätten oder zukünftig ansiedelten. In und um Peking existierten bereits Herstellungs- oder Leistungsunternehmen aus dem vorliegend relevanten Warensektor wie beispielsweise elektrotechnische und elektronische, Textil-, Nahrungsmittel- und Papierindustrie sowie Betriebe zur handwerklichen Produktion von Porzellan oder Kupfergeschirr. Das Anmeldezeichen habe vor diesem Hintergrund für die beanspruchten Waren bereits zum Anmeldezeitpunkt eine geografische Angabe dargestellt, die von den Mitbewerbern des Anmelders zur freien Bezeichnung des Herstellungs- und Ursprungsortes ihrer Waren benötigten. Für die beanspruchten inhaltsbezogenen Waren wie “Papier- und Pappwaren, nämlich Poster, Plakate, Schilder; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel” sowie die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 sei das Anmeldezeichen zudem geeignet, auf den möglichen Inhalt, das Thema und den Gegenstand dieser Waren und Dienstleistungen beschreibend hinzuweisen. Auch die grafische Gestaltung des in Rede stehenden Zeichens sei nicht geeignet, dessen Schutzfähigkeit zu begründen. An den bildlichen Überschuss seien umso höhere Anforderungen zu stellen, je deutlicher der beschreibende Charakter des angemeldeten Zeichens selbst hervortrete. Diese Anforderungen erfülle das Anmeldezeichen nicht. Da sich das Anmeldezeichen in einer geografischen Angabe erschöpfe, mangele es ihm auch an jeglicher Unterscheidungskraft.
14
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde, mit der er sinngemäß beantragt,
15
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des DPMA vom 23. April 2020 aufzuheben.
16
Zur Begründung führt er aus, der Verkehr werde, sofern ihm das angemeldete Zeichen auf einem T-Shirt oder einer Tasse begegne, nicht annehmen, dass diese Waren aus Peking stammten. Dies gelte selbst dann, wenn dem Verkehr bekannt wäre, dass in der Volksrepublik China eine Vielzahl von Waren produziert werde. Es könne nicht angenommen werden, dass Peking für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen gegenüber anderen Regionen der Volksrepublik China eine hervorgehobene Stellung habe. Der Großraum Peking sei zudem nicht für eine besondere Qualität von Produkten aus der Volksrepublik China bekannt. Zudem sei die Prüfung der Schutzfähigkeit eines angemeldeten Zeichens nicht auf den Wortbestandteil zu beschränken. Selbst wenn das Wort “Peking” als rein geografische Angabe freihaltebedürftig sei, gelte dies nicht für die konkrete grafische Ausgestaltung des Anmeldezeichens. Die Buchstaben des Wortes “PEKING” wiesen eine signifikante Schrägstellung nach links auf. Dieses Stilmittel komme in europäischen Schriften selten vor. Daneben sei der Buchstabe “G” in dem in Rede stehenden Zeichen in einer besonderen Schrifttypografie gehalten. Auffällig seien zudem der rote und weiße Unterstrich des Zeichens. Das Anmeldezeichen erhalte durch die Anordnung des Begriffes “PEKING” und die Farbgestaltung eine hinreichend ästhetische Gestaltung in der Art eines Logos. Wegen seiner konkreten grafischen Gestaltung könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Anmeldezeichen zugunsten der Mitbewerber einem Freihaltebedürfnis unterliege. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfielen nur Zeichen dieser Norm, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen und Angaben bestehen. Darauf, ob das Wort “PEKING” in Alleinstellung einem Freihaltebedürfnis unterliege, komme es nicht an. Zumindest seien in der Vergangenheit bereits Marken mit vergleichbarer Grafik in das Register eingetragen worden.
17
Der Senat hat dem Anmelder mit schriftlichem Hinweis vom 19. Juli 2021 (einschließlich Rechercheunterlagen als Anlagen 1 bis 4, Blatt 33 bis 60 der Gerichtsakte) mitgeteilt, dass die Beschwerde nach seiner vorläufigen Auffassung keine Aussicht auf Erfolg habe.
18
Der Anmelder beschränkte daraufhin mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 hilfsweise das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt (Änderungen/Ergänzungen vom Anmelder unterstrichen bzw. durch Streichung kenntlich gemacht):
19
Klasse 8: Messerschmiedewaren; Taschenmesser mit Mehrzweckfunktionen; Essbesteck;
20
Klasse 9: Aufgezeichnete und herunterladbare Medien, Computersoftware, leere digitale oder analoge Aufzeichnungs- und Speichermedien (alle Waren über Schiffe);
21
Klasse 16: Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) (alle Waren über Schiffe);
22
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kochgeschirr und Tafelgeschirr, ausgenommen Messer, Gabeln und Löffel; Glaswaren, Porzellan und Steingut (alle Waren aus Peking);
23
Klasse 25: Oberbekleidungsstücke für Damen, Herren und Kinder, insbesondere Krawatten, Halstücher, Mützen, Schirmmützen, T-Shirts, Pullover, Outdoorjacken, Fleecejacken, Windjacken und Regenjacken;
24
Klasse 28: Spiele; Spielwaren und Spielzeug; Miniaturen zum Spielen; Schiffe (maßstabsgetreue Modelle);
25
Klasse 30: Kaffee; Tee; Kakao; und Kaffee-Ersatzmittel; Gewürze;
26
Klasse 33: Alkoholische Getränke, insbesondere Gin und Rum;
27
Klasse 41: Sportliche und kulturelle Aktivitäten; Unterhaltung; Organisation und Veranstaltung von Ausstellungen für Bildungszwecke (alle Dienstleistungen in Bezug auf Schiffe).
28
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
29
Die gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
30
1. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens als Marke steht in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt (§37 Abs.1 MarkenG).
31
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2011, 1035, Rdnr. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186, Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Bei einer geografischen Herkunftsangabe besteht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie vom Verkehr als solche und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rdnr. 31 Chiemsee). Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verbraucherkreise, die als Abnehmer oder Interessenten der Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen, für die die Marke geschützt ist (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 29 – Chiemsee; BGH a. a. O. – Stadtwerke Bremen; BPatG 26 W (pat) 576/16 – DelmeStrom).
32
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert keinen weiteren Nachweis, dass und in welchem Umfang das fragliche Zeichen bereits im Verkehr bekannt ist oder bereits tatsächlich zur Beschreibung der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen verwendet wird. Vielmehr genügt es, dass es zu diesen Zwecken verwendet werden kann (vgl. EuGH a. a. O., Rdnr. 30 – Windsurfing Chiemsee; GRUR 2004, 146, Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Rdnr. 98 – Postkantoor; GRUR 2010, 534 – PRANAHAUS). Insoweit ist im Rahmen einer realitätsbezogenen Prognose unter Berücksichtigung zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen zu untersuchen, ob eine beschreibende Verwendung vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist, also bei realitätsbezogener Betrachtungsweise ernsthaft in Betracht kommt (EuGH, a. a. O. Rdnr. 31-34 – Chiemsee; BGH, GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; BPatG GRUR 2009, 491, 494 f. – Vierlinden; GRUR 2011 918, 919 – STUBENGASSE MÜNSTER). Dafür kommt es darauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist (EuGH a. a. O. – Chiemsee). Während nach früherer deutscher Spruchpraxis besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendbarkeit als geografische Herkunftsangabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr nach der Rechtsprechung des EuGH umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Angabe über die geografische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu dienen (EuGH a. a. O. Rdnr. 33, 37 – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist somit nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können (BPatG GRUR 2006, 509BPatG GRUR 2006, 509, 510 – PORTLAND). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder BPatG GRUR 2006, 509, 510 – PORTLAND). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für nahezu alle Waren benötigt werden, (vgl. BPatG 27 W (pat) 518/10BPatG 27 W (pat) 518/10 – Madrid; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rdnr. 521). BPatG 27 W (pat) 518/10 – Madrid; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rdnr. 521). Eine Markeneintragung kommt deshalb bei solchen Ortsangaben nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine beschreibende Verwendung als Herkunftsangabe als völlig unwahrscheinlich erscheinen lassen.
33
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt das Anmeldezeichen ausschließlich eine zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen geeignete Angabe dar.
34
b) Die beanspruchten Waren richten sich an die breiten, allgemeinen Verkehrskreise der Verbraucher sowie den jeweiligen Fachhandel. Die Dienstleistungen der Klasse 41 werden ebenso überwiegend von Verbrauchern nachgefragt.
35
c) Das in der Anmeldemarke enthaltene Wort “PEKING” benennt die Hauptstadt der Volksrepublik China, deren Kernstadt 7,7 Millionen Einwohner (2007) verzeichnet. Der Ballungsraum einschließlich der Vororte umfasst 11,8 Millionen Einwohner (2007). Peking ist das zweitgrößte Industriezentrum der Volksrepublik China und belegte laut einer Studie aus dem Jahr 2014 mit einem Bruttoinlandsprodukt von 506,1 Milliarden US-Dollar Platz 11 der wirtschaftsstärksten Metropolregionen weltweit. In der Provinz Peking sind über zwei Millionen Arbeiter in der Industrie beschäftigt, insbesondere in der Maschinenfabrikation, der Eisen- und Stahlfabrikation und in der Herstellung von Motorfahrzeugen, petrochemischen Produkten, Bekleidung, Konserven, Baumwoll- und Synthetikstoffen, Farben, Papier, Schmiermitteln und elektronischen Produkten. In der Landwirtschaft sind über 900.000 Menschen tätig (vgl. Wikipedia, Suchbegriff “Peking”, Version vom 1. November 2019; s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis). Die Volksrepublik China war 2020 zum fünften Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner. Im Jahr 2020 belief sich das bilaterale Handelsvolumen auf 212,1 Milliarden Euro und im Jahr 2019 auf 205,6 Milliarden Euro (vgl. Auszug aus den Internetseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, “China – Wirtschaftliche Beziehungen”, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).
36
Es ist daher davon auszugehen, dass sämtliche beanspruchte Waren und Dienstleistungen bereits im Anmeldezeitpunkt, dem 21. November 2019, in der Stadt oder Region Peking hergestellt oder angeboten werden können. Ungeachtet der Frage eines sich daraus ergebenden aktuellen Freihaltungsbedürfnisses kann jedenfalls angesichts der Bedeutung von Peking als Hauptstadt, seiner Infrastruktur sowie seiner verkehrsgünstigen Lage (großer internationaler Flughafen, Eisenbahnverbindungen) bei einer realistischen Prognose die Ansiedlung von Unternehmen, die Hersteller bzw. Anbieter der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sind, in Zukunft ohne Weiteres erwartet werden. Daher ist der Wortbestandteil “PEKING” des Anmeldezeichens als geografische Angabe im Sinne eines Herkunfts- bzw. Vertriebsorts geeignet und seine beschreibende Verwendung vor dem Hintergrund der Größe, der wirtschaftlichen Bedeutung und des vorgenannten großen Handelsvolumens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China für die genannten Waren wahrscheinlich.
37
Die Herstellung von Metallwaren der Klasse 8, von Haushaltswaren der Klasse 21, von Bekleidungsstücken der Klasse 25 sowie von Spielwaren der Klasse 28 stellen keine besonderen Anforderungen an die Geografie, Geologie, Infrastruktur oder die vorhandenen Arbeitskräfte am Herstellungsort. Es handelt sich vielmehr um Waren, die jedermann täglich verwendet, so dass davon auszugehen ist, dass sie in einer so bedeutenden Metropolregion wie Peking allein für den dortigen Bedarf bereits hergestellt werden. Dies gilt in gleicher Weise für die beanspruchten Genussmittel in Klasse 30 und 33.
38
Hinsichtlich der beanspruchten Waren “aufgezeichnete und herunterladbare Medien” der Klasse 9, “Papier- und Pappwaren, nämlich Poster, Plakate, Schilder; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)” der Klasse 16 und der Dienstleistungen der Klasse 41 stellt der Wortbestandteil “PEKING” des Anmeldezeichens zudem eine Inhaltsangabe dar. Die vorgenannten Waren können sich inhaltlich auf Peking beziehen, z. B. in Form von Bildbänden über Peking oder Postern und Fotos mit Abbildungen von Peking. Auch die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 können sich thematisch mit Peking befassen (vgl. Pressemitteilung der Staatlichen Museen zu Berlin vom 1. April 2011 über die Ausstellung “Die Kunst der Aufklärung” in Peking/China; Ausstellung “Peking – Beiping – Bejing” im Nürnberger Museum Industriekultur im Jahr 2008; s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis). Darüber hinaus kommt das Wort “PEKING” insoweit auch als geografische Angabe im Sinne eines Herkunfts- bzw. Vertriebsorts in Frage.
39
d) Die grafische Ausgestaltung des Anmeldezeichens vermag einen über die sachliche Aussage als geografische Herkunftsangabe hinausgehenden schutzfähigen Gesamteindruck nicht zu bewirken.
40
Beim Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es darauf an, ob die grafische Ausgestaltung trotz beschreibender Bestandteile einen Überschuss aufweist, auf den objektiv der Schutz des Anmeldezeichens bezogen und beschränkt werden kann. Es muss (objektiv) rechtlich möglich sein, ihn als schutzfähigen “Überschuss” gegenüber der Sachaussage als solcher zu bewerten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass an den erforderlichen “Überschuss” umso größere Anforderungen zu stellen sind, je deutlicher der beschreibende Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt. Einfache und gebräuchliche Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds erfüllen diese Anforderungen in der Regel nicht (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 607 und 613; BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK; GRUR 2008, 710 Rdnr. 20 – VISAGE; GRUR 2009, 954 Rdnr. 16 – Kinder III; GRUR 2010, 640 Rdnr. 17 – hey!; GRUR 2014, 483 Rdnr. 19 – Test).
41
Die grafische Ausgestaltung des Zeichenbestandteils “PEKING” erschöpft sich in einer nach links geneigten kursiven Schriftart und einer einfachen Blockschrift. Es ist schon zweifelhaft, ob der Verkehr die Schrägstellung als solche überhaupt wahrnimmt. Darüber hinaus sind die angesprochenen Verkehrskreise an werbeübliche Schriftstile wie Kursiv- oder Fettschriften oder deren Kombination gewöhnt. In der Schrägstellung der Schrift wird der angesprochene Verkehr keinen Überschuss gegenüber der Sachaussage erkennen, auch wenn diese weniger gebräuchlich nach links geneigt ist. In dem Buchstaben “G” des Wortbestandteils des in Frage stehenden Zeichens kann der Senat keine besondere Schrifttypographie erkennen, die die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens begründen könnte. Vielmehr reiht sich der Schriftstil dieses Buchstabens ohne Weiteres in die verwendete, gängige Blockschrift der übrigen Buchstaben des Wortbestandteils ein.
42
Auch die farbige Ausgestaltung des Anmeldezeichens und die übrigen grafischen Elemente entfalten keine schutzbegründende Wirkung. Der starke Kontrast des in goldener Farbe gehaltenen Wortes “PEKING” auf schwarzem, rechteckigem Hintergrund bringt den die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Wortbestandteil besonders zur Geltung. Eine rechteckige Unterlegung stellt ein einfaches und grundlegendes Stilmittel dar, an das sich der Verkehr durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat und das er deshalb nicht als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrnehmen wird (BPatG 30 W (pat) 508/16 – suisse-print). Die übrigen verwendeten Farben und Anordnungen der grafischen Formen des Anmeldezeichens haben ebenfalls einen rein dekorativen, den Wortbestandteil hervorhebenden Charakter. Der insbesondere durch die Signalfarbe Rot ausgestaltete Unterstrich erschöpft sich als rein dekoratives Hervorhebungsmittel für den dadurch unterstrichenen Wortbestandteil “PEKING” (vgl. BPatG 26 W (pat) 544/16 – Schloss).
43
Insgesamt verschmelzen der Wortbestandteil, die Grafikelemente und die farbliche Ausgestaltung des Anmeldezeichens nicht zu einer Kombination, die vom beschreibenden Charakter des Wortbestandteils bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen wegführt.
44
e) Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wird auch nicht durch das mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 hilfsweise eingeschränkte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ausgeräumt. Unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen innerprozessual bedingten Einschränkung (vgl. dazu Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 39 Rdnr. 7) können die mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 nur noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens führen. Der Zusatz “(alle Waren aus Peking)” unterstreicht nur den beschreibenden Charakter des Anmeldezeichens im Sinne einer geografischen Herkunftsangabe und ist nicht geeignet, auf die Herkunft dieser Waren aus einem bestimmten Betrieb (in Peking) hinzuweisen. Die Einschränkung “(alle Waren über Schiffe)” bzw. “(alle Dienstleistungen in Bezug auf Schiffe)” ist dem Inhalt und Umfang nach unklar und besitzt keine für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres nachvollziehbare und damit rechtlich relevante Reduzierung, die dem Gebot der Rechtssicherheit entspricht.
45
g) Der Anmelder kann sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen.
46
Die Marken … (i…), … (m…) und IR … (S…) sind gelöscht bzw. ihr Schutz für das Bundesgebiet erloschen. Aus einer gelöschten Eintragung können keine Rechte hergeleitet werden (BPatG 26 W (pat) 67/13 – BWnet). Bei den Unionsmarken … und … handelt es sich um Bildmarken ohne jeglichen Wortbestandteil, so dass sie nicht mit dem Anmeldezeichen vergleichbar sind. Möglicherweise vergleichbar sind die Marken … (S…), … (R…) und … (D…). Bei ihnen kann es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder um Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann (BPatG 26 W (pat) 67/13 – BWnet).
47
2. Da das angemeldete Zeichen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig ist, kann dahingestellt bleiben, ob seiner Eintragung auch das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft entgegensteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).


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