Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 583/20

Aktenzeichen  29 W (pat) 583/20

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:300322B29Wpat583.20.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 112 008.6
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 30. März 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Akintche und Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildgestaltung
2
ist am 13. September 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Kataloge, Prospekte, Plakate und Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
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Klasse 35: Organisation von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung bei der Durchführung und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen; organisatorische Dienstleistungen für Messeteilnehmer; Organisation von Messen und Ausstellungen für gewerbliche Zwecke; Präsentation von Unternehmen und deren Produkten und Dienstleistungen zu Werbezwecken sowie Verkaufsförderung für Dritte und Vermittlung von Wirtschaftskontakten, auch im Internet; Vermietung von Standflächen für Messestände und von Messeständen einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungsgegenstände [Werbeausrüstung]; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verbreitung von Werbeanzeigen; Vorführung von Waren und Dienstleistungen zu Werbezwecken; Aktualisierung von Werbematerial; Vermietung von Werbematerial und Werbeflächen; Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Entwurf und Entwicklung von Werbekonzepten und Entwurf und Entwicklung sowie Durchführung von Werbekampagnen für Dritte, auch online und per E-Mail; Marketing [Absatzforschung]; Marktforschung und Marktanalyse; Erteilung von Auskünften in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte [Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen]; Organisation und Veranstaltung von Produktpräsentationen; Veröffentlichung und Herausgabe von Katalogen und Prospekten für Werbe- und Präsentationszwecke; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Onlinewerbung in einem Computernetzwerk; Telemarketing; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien; Sponsorensuche und Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von Sponsoring; kaufmännische Dienstleistungen und Verbraucherinformationsdienste, nämlich Vermittlungsdienst-leistungen, Organisieren von Geschäftskontakten, kaufmännische Bewertungsdienste, Vorbereitung von Wettbewerben, Agenturgeschäfte, Verhandlungs- und Vermittlungsdienste auch im Internet, Bestelldienste, Preisvergleichsdienste, Beschaffungsdienste für Dritte; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen;
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Klasse 38: Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk; Bereitstellen von Plattformen und Portalen im Internet [soweit in Klasse 38 enthalten]; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Telekonferenzdienstleistungen; Vermietung von Zugriffszeit auf globale Computernetzwerke; Verschaffung des Zugriffs zu Datenbanken; Kommunikationsdienste mittels Telefon; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Übermittlung digitaler Dateien; Telekommunikation mittels Plattformen im Internet zum Austausch von Daten und Informationen aller Art;
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Klasse 41: Organisation und Veranstaltung von Konferenzen und Sonderschauen für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke; Organisation und Veranstaltung von Kongressen, Symposien und von Wettbewerben für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke; Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften; Organisation und Durchführung von Seminaren und Workshops [Ausbildung]; Organisation und Durchführung von Ausstellungen für kulturelle, Unterrichts- oder Bildungszwecke; Unterhaltung; Organisation und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Organisation und Durchführung von Musikdarbietungen; Party-Planung [Unterhaltung]; Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Organisation und Veranstaltung von Bällen; Organisation und Veranstaltung von Konzerten und Unterhaltungsshows; Desktop-Publishing [Erstellen von Publikationen mit dem Computer]; Layoutgestaltung [außer für Werbezwecke]; Online-Bereitstellen von elektronischen, nicht herunterladbaren Publikationen; Dienstleistungen eines Verlages, insbesondere Entwurf und Verfassen von Texten [ausgenommen Werbetexte]; Veröffentlichung von Verlagsdruckerzeugnissen, auch über das Internet.
7
Mit Beschluss vom 6. August 2020 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
8
Zur Begründung ist ausgeführt, das Anmeldezeichen genüge den Anforderungen an die erforderliche Unterscheidungskraft nicht. Es setze sich aus den Wortbestandteilen HALAL (in arabischer und lateinischer Schrift) und HANNOVER zusammen. Der Begriff „Halal“ stamme aus dem Arabischen und bedeute „nach islamischem Glauben erlaubt“. Als dritte der fünf Kategorien menschlicher Handlungen in der islamischen Rechtswissenschaft stehe er zwischen „haram“, verbotenen, und „fard“, pflichtmäßigen Handlungen. Hannover sei die Hauptstadt des Landes Niedersachsen und habe etwa 524.000 Einwohner. Die Wortfolge HALAL HANNOVER gebe in schlagwortartiger Weise einen (unmittelbar) beschreibenden Hinweis auf Art und Ausrichtung der Waren und Dienstleistungen bzw. darauf, in welchem Rahmen und auf welchem Themengebiet diese angeboten und/oder erbracht würden.
9
Auf Messeveranstaltungen präsentierten Aussteller in der Regel ihre Produkte bzw. Produktneuerungen, Dienstleistungen und Beratungsangebote rund um ein bestimmtes Messethema. Vielfach rundeten verschiedene Präsentationen und Workshops im Showbereich das Angebotsspektrum ab. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Wortfolge „HALAL HANNOVER“ im hier relevanten Umfang als bloßen sachbezogenen Hinweis. Der beschreibende Charakter eines Veranstaltungsnamens betreffe dabei nicht nur die Durchführung der Veranstaltung, sondern umfasse auch die hierfür eingesetzten Hilfsmittel und -leistungen. Selbst wenn die Angabe die betroffenen Waren und Dienstleistungen oder einen Teil davon nicht unmittelbar beschreibe, so werde zumindest ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt. Da bereits das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehle, könne dahingestellt bleiben, ob auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung entgegenstehe.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. August 2020 aufzuheben.
12
Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde nicht begründet. Im Amtsverfahren hat sie geltend gemacht, dass sich bei der gebotenen differenzierten Betrachtung die vorgebrachten Schutzhindernisse jedenfalls nicht gegenüber allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen bejahen ließen. Der Begriff „halal“ beziehe sich im Kern lediglich auf die Speisevorschriften des Islam. Darüberhinausgehende Waren oder Dienstleistungen könnten durch den Begriff „halal“ nicht beschrieben werden. Es erscheine auch fernliegend, dass die beanspruchten Dienstleistungen derart erbringbar seien, dass sie entweder nach islamischem Recht erlaubt oder verboten sein könnten, weswegen auch ein enger beschreibender Bezug nicht gegeben sei. Wenn man mit der Markenstelle annehme, dass die entscheidungserheblichen Verkehrskreise den Begriff „halal“ kennen würden, bedeute dies zwangsläufig, dass von einem beschreibenden Verständnis nur im Zusammenhang mit Lebensmitteln und gastronomischen Dienstleistungen ausgegangen werden könne; solche würden aber nicht beansprucht. Schon die Wortbestandteile „HALAL HANNOVER“ seien somit für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend, da diese nicht „halal“ sein könnten.
13
Der Senat hat zusammen mit der Terminladung vom 13. Januar 2022 unter Beifügung von Recherchebelegen (Bl. 15-40 d. A.) darauf hingewiesen, dass die angemeldete Wort-/Bildgestaltung vorbehaltlich einer Beschwerdebegründung
14
nicht für schutzfähig erachtet werde. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 28. Februar 2022 ihren Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg.
17
Die angemeldete Wort-/Bildgestaltung ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Dem Anmeldezeichen fehlt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas?, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?, a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rn. 8 – #darferdas?, GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas?, a. a. O. Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne Weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Besteht eine Marke aus mehreren Elementen – wie im vorliegenden Fall aus Wortbestandteilen und einer grafischen Ausgestaltung -, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH a. a. O. Rn. 9 – DüsseldorfCongress). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops). Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es schließlich zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2006, 229 – BioID).
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Diesen vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen nicht. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen als Sachangabe, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.
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a)Die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen aus der Klasse 35 richten sich in erster Linie an Fachkreise bzw. den Fachhandel im Bereich von Waren und Dienstleistungen, die nach Halal-Geboten produziert und erbracht werden, sowie an Unternehmensinhaber oder Angehörige der unternehmerischen Führungsebene. Die Verbraucherinformationsdienste der Klasse 35 sowie die übrigen Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 16, 38 und 41 werden auch vom Endverbraucher nachgefragt.
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b) Bei den Wortbestandteilen des Anmeldezeichens „HALAL“ und „HANNOVER“ handelt es sich um eine schlagwortartige, nicht unterscheidungskräftige Aussage in inhaltlich-thematischer Hinsicht verbunden mit einer geografischen Angabe.
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aa) Das Wort „Halal“ stammt aus dem Arabischen, ist ein Schlüsselbegriff im Koran und bedeutet „nach islamischem Glauben erlaubt“. Es ist in dieser Bedeutung bereits im DUDEN erfasst (vgl. DUDEN Online unter www.duden.de); der durchschnittlich informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher wird daher um die Bedeutung des Begriffs „Halal“ wissen. Wenngleich der Begriff vornehmlich im Zusammenhang mit den islamischen Speisevorschriften verwendet wird, bezeichnet er – anders als die Anmelderin geltend macht – alle Dinge und Handlungen, die nach islamischem Recht zulässig sind.
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So finden sich beispielsweise in den der Beschwerdeführerin vorab übermittelten Rechercheunterlagen folgende Erläuterungen:
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– „Halal leben – …das Wort „halal“ benutzen wir im Alltag oft nur für Lebensmittel, die den Geboten des Islam entsprechen. Doch sehen wir den Islam als Ganzes, dann beschränkt sich halal nicht nur auf unser Essen. Alles in unserem Leben sollte halal sein…“;
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– „Der Rat des Propheten über Halal-Leben und Halal-Essen…“;
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– „…Ich liebe meine Halal-Lebensweise!…“.
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Die übrigen übersandten Rechercheergebnisse belegen ergänzend zu denen der Markenstelle, dass der Begriff „Halal“ vielfach als Themenangabe u. a. für Konferenzen, Fachtagungen, Schulungen, Kurse etc. verwendet wird. Den Schluss auf eine übliche Themenangabe lässt im Übrigen ohne weiteres auch die Berichterstattung über die von der Beschwerdeführerin geplante (pandemiebedingt aber bisher nicht stattgefundene) Messeveranstaltung zu. So finden sich im Internet hierzu folgende Ausführungen:
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– „Die europäische
Halal-Industrie
trifft sich … auf der „Halal Hannover“. Dann zeigen nationale und internationale Aussteller ihre neuesten Produkte und Dienstleistungen. Zielgruppe der Fachmesse sind Besucher aus dem Groß- und Einzelhandel, Supermärkte, Gastronomen, Imbisse, Caterer, Lebensmittelchemiker, Qualitätsmanager sowie Verbraucher. Bei der Erstveranstaltung konzentriert sich die Messe auf die Bereiche Lebensmittel und Getränke, Zulieferer und Kosmetik. Auf dem parallel stattfindenden internationalen Kongress werden politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Halal-Themen
diskutiert. In einer Reihe von Vorträgen werden Themen zu Zertifizierung, Produktion und Marketing von
Halal-Lebensmitteln
,
Halal-Tourismus und Logistik
angeboten. Geplant ist zudem eine gastronomische Sonderfläche „Die Dönertheke“, auf der die Besucher die Möglichkeit haben,
halal-konforme
Speisen und Getränke zu probieren.“
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– „Die Messe …ist eine Messe für
Halal-Produkte
und Plattform für Hersteller, Großhändler und Dienstleister. Zahlreiche Aussteller präsentieren sich … und stellen ihre neuesten Produkte und Services zu den Themen Nahrungsmittel und Getränke, sowie Kosmetikprodukte und auch Tourismus und Reisen vor. Zudem lädt eine gastronomische Sonderfläche Fachbesucher und Verbraucher zu einer kulinarischen Reise ein. Im begleitenden Konferenzprogramm der
Halal-Messe
werden internationale Experten politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen diskutieren, unter anderem Tierwohl und Tierschutz. Ebenso stehen Themen wie die Zertifizierung von entsprechenden Produkten sowie Produktion und Marketing von Lebensmitteln auf der Agenda. Der Kongress soll auch dazu beitragen, Aufklärungsarbeit zu leisten und Vorurteile in der öffentlichen Wahrnehmung abzubauen. Die HALAL HANNOVER ist an allen drei Veranstaltungstagen für das Fachpublikum geöffnet. Am Samstag und Sonntag können auch interessierte Verbraucher die Veranstaltung besuchen.“
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Der unter der Themenangabe „HALAL“ befindliche Wortbestandteil „HANNOVER“ benennt schließlich die Hauptstadt des Landes Niedersachsen.
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bb) Die Gesamtbezeichnung vermittelt dem Verkehr keinen anderen Eindruck als die Summe ihrer Bestandteile. Die Wortbestandteile des Anmeldezeichens erschöpfen sich in einem schlagwortartigen sachlichen Hinweis auf Waren und Dienstleistungen (irgend)eines Anbieters im Zusammenhang mit dem Thema HALAL, die in der Region Hannover erbracht werden oder für diese bestimmt sind. Insofern weisen sie im vorliegenden Waren- und Dienstleistungskontext entweder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf oder sie stellen einen engen beschreibenden Bezug zu diesen her.
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(1) Bezüglich der in Klasse 35 auf Messen und Ausstellungen ausgerichteten Dienstleistungen „Organisation von Messen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung bei der Durchführung und Veranstaltung von Messen und Ausstellungen;
organisatorische Dienstleistungen für Messeteilnehmer; Organisation von Messen und Ausstellungen für gewerbliche Zwecke“, die sich mit dem Gegenstand und Thema Halal-Produkte bzw. halal-konformes Leben befassen können, stellt „HALAL HANNOVER“ eine schlagwortartige Inhalts- und Themenangabe verbunden mit einer Ortsangabe dar (vgl. zu themenbezogenen Angaben: BPatG, Beschluss vom 25.02.2015, 29 W (pat) 54/14 – Produkte suchen Produzenten; Beschluss vom 11.09.2013, 29 W (pat) 544/12 – WoMenPower; Beschluss vom 08.02.2012, 29 W (pat) 535/10 – MicroNanoTec).
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Die Dienstleistung „Vermietung von Standflächen für Messestände und von
Messeständen einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungsgegenstände (Werbeausrüstung)“ der Klasse 35 steht im unmittelbaren funktionellen Zusammenhang mit der Veranstaltung einer Messe, für die das Zeichen eine Inhaltsangabe enthält, und ist üblicherweise ein wesentlicher Service von Messegesellschaften, der auch eine ihrer Haupteinnahmequellen ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 11.09.2013, 29 W (pat) 544/12 – WoMenPower).
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Im Rahmen von Messe- oder sonstigen gewerblichen Veranstaltungen werden typischerweise Werbebroschüren, Programme, Prospekte sowie weiteres Informationsmaterial über das Messethema herausgegeben, so dass ein enger sachlicher Zusammenhang zu den Waren der Klasse 16 „Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Kataloge, Prospekte, Plakate und Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“ besteht. Unabhängig von einer bestimmten Veranstaltung eignet sich die Aussage „HALAL HANNOVER“ zudem allgemein als Inhaltshinweis, denn insofern kann es sich um Broschüren handeln, die die Halal-Vorschriften darstellen und erläutern sowie Adressen von (halal-zertifizierten) Herstellern, Händlern oder sonstigen Dienstleistern auf diesem Markt in Hannover auflisten. Auf solche Informationen und Daten können sich auch die Dienstleistungen der Klasse 35 „Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken“ beziehen, so dass auch diesbezüglich eine Sachaussage im Vordergrund steht.
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Gleiches gilt für die Dienstleistungen der Klasse 38 „Kommunikationsdienste mittels Telefon; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals“. Denn im Rahmen von Messeveranstaltungen und Ausstellungen werden beispielsweise Vernetzungs- und Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbanken bzw. die Nutzung von interaktiven Messeplanern zur Information und Navigation für Besucher und Aussteller ermöglicht. So können Messeteilnehmer z. B. über ihr Smartphone oder über
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aufgestellte Terminals auf alle Informationen betreffend die Aussteller und deren Messestände zugreifen oder es können von den Ausstellern Produktbilder, PDF-Dateien, Animationen und Videos problemlos zum Download angeboten werden.
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Ebenfalls in einem engen sachlichen Zusammenhang zu solchen Veranstaltungen steht die Dienstleistung der Klasse 35 „Veröffentlichung und Herausgabe von Katalogen und Prospekten für Werbe- und Präsentationszwecke“, denn regelmäßig werden von den Veranstaltern auch Messezeitschriften oder -kataloge herausgegeben, in denen sich der Besucher über die Themen und Schwerpunkte der Messe sowie die Aussteller und deren Sortimente informieren kann.
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(2) Ein sachbezogenes Verständnis der Angabe „HALAL HANNOVER“ als Hinweis auf (irgend-)einen in Hannover ansässigen Anbieter mit Schwerpunkt im Bereich des Halal-Markts ergibt sich auch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35 „Präsentation von Unternehmen und deren Produkten und Dienstleistungen zu Werbezwecken sowie Verkaufsförderung für Dritte und Vermittlung von Wirtschaftskontakten, auch im Internet;
Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verbreitung von Werbeanzeigen; Vorführung von Waren und Dienstleistungen zu Werbezwecken; Aktualisierung von Werbematerial; Vermietung von Werbematerial und Werbeflächen; Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Entwurf und Entwicklung von Werbekonzepten und Entwurf und Entwicklung sowie Durchführung von Werbekampagnen für Dritte, auch online und per E-Mail; Marketing (Absatzforschung); Marktforschung und Marktanalyse; Organisation und Veranstaltung von Produktpräsentationen; Veröffentlichung und Herausgabe von Katalogen und Prospekten für Werbe- und Präsentationszwecke; Onlinewerbung in einem Computernetzwerk; Telemarketing; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien“. So werben Dienstleister bereits unter dem Stichwort „Halal-Marketing“ mit ihren entsprechenden (auch sprachlichen) Kompetenzen und ihrer Nähe zum Halal-Markt bzw. zu Muslimen als Zielgruppe. Die Werbung und Vermarktungsstrategien können auf die Besonderheiten des Halal-Markts und die Bedürfnisse der muslimischen Verbraucher, mithin auf islamkonforme Produkte und Leistungen ausgerichtet sein, die Forschungs- und Analyseleistungen den Halal-Markt zum Gegenstand haben. Des Weiteren kann die „Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten“ die Vorgaben der Halal-Vorschriften und deren Umsetzungsmöglichkeiten für Geschäftsleute – unter gleichzeitiger Einhaltung deutscher Gesetze – betreffen. Spezifische Kenntnisse des Halal-Markts spielen für die Dienstleistungen „Erteilung von Auskünften in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Sponsorensuche und Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von Sponsoring; kaufmännische Dienstleistungen und Verbraucherinformationsdienste, nämlich Vermittlungsdienstleistungen, Organisieren von Geschäftskontakten, kaufmännische Bewertungsdienste, Vorbereitung von Wettbewerben, Agenturgeschäfte, Verhandlungs- und Vermittlungsdienste auch im Internet, Bestelldienste, Preisvergleichsdienste, Beschaffungsdienste für Dritte; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen“ ebenfalls eine wichtige Rolle und werden von Anbietern entsprechend herausgestellt.
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(3) Eine lediglich sachbezogene Angabe über Inhalt und Thema sowie Ort ergibt sich ferner für die in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen „Organisation und Veranstaltung von Konferenzen und Sonderschauen für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke; Organisation und Veranstaltung von Kongressen, Symposien und von Wettbewerben für kulturelle, Unterrichts- und Bildungszwecke; Organisation und Durchführung von Seminaren und Workshops (Ausbildung); Organisation und Durchführung von Ausstellungen für kulturelle, Unterrichts- oder Bildungszwecke“, was nicht zuletzt die übersandten Rechercheergebnisse belegen.
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(4) Für die im Zusammenhang mit Unterhaltung stehenden Dienstleistungen der Klasse 41 „Unterhaltung; Organisation und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Organisation und Durchführung von Musikdarbietungen; Party-Planung (Unterhaltung); Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Organisation und Veranstaltung von Bällen; Organisation und Veranstaltung von Konzerten und Unterhaltungsshows“ gibt die Bezeichnung „HALAL HANNOVER“ einen Hinweis auf deren Ort und Ausrichtung bzw. die Veranstaltungsbedingungen. So können diese Veranstaltungen unter Einhaltung der religiösen Vorschriften – beispielsweise ohne die Ausgabe von Alkohol, alkoholhaltigen Lebensmitteln und Schweinefleisch – geplant, angeboten und durchgeführt werden.
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(5) Da die Bezeichnung „HALAL HANNOVER“ geeignet ist, den weiten Themenbereich der „Halal“-Lebensweise abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften für den Raum Hannover oder mit Bezug zu diesem zu umschreiben, ergibt sich auch in Bezug auf die Dienstleistungen, die zur Entstehung der Druckschrift bzw. der Publikation führen, nämlich die Dienstleistungen der Klasse 41 „Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften; Desktop-Publishing (Erstellen von Publikationen mit dem Computer); Layoutgestaltung (außer für Werbezwecke); Online-Bereitstellen von elektronischen, nicht herunterladbaren Publikationen; Dienstleistungen eines Verlages, insbesondere Entwurf und Verfassen von Texten (ausgenommen Werbetexte); Veröffentlichung von Verlagsdruckerzeugnissen, auch über das Internet“ ein beschreibender Begriffsinhalt (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 522 Rn. 17 – Deutschlands schönste Seiten).
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(6) Schließlich fasst das angesprochene Publikum für die in Klasse 38 beanspruchten Telekommunikationsdienstleistungen „Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk; Bereitstellen von Plattformen und Portalen im Internet (soweit in Klasse 38 enthalten); Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Vermietung von Zugriffszeit auf globale Computernetzwerke; Verschaffung des Zugriffs zu Datenbanken; Übermittlung digitaler Dateien;
Telekonferenzdienstleistungen;
Telekommunikation mittels Plattformen im Internet zum Austausch von Daten und Informationen aller Art“ die Angabe „Halal Hannover“ ebenfalls wegen seines thematischen und örtlichen Bezugs nur als Sachangabe auf. Denn zu den Telekommunikationsdienstleistungen in Klasse 38 gehört neben der rein technischen Komponente auch die inhaltliche Bereitstellung und Übermittlung von Informationen. Zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung besteht ein so enger Bezug, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht mehr trennt (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 22 – TOOOR!, BPatG 30 W (pat) 548/14 – DRIVE & TRACK; BPatG 29 W (pat) 223/04 – Dating TV; 29 W (pat) 59/10 – dress-for-less; 27 W (pat) 525/14 – Therapie.TV; 29 W (pat) 525/13 – The European; 26 W (pat) 72/14 – Shopping Compass). Bei den Daten und Informationen, die mittels der Dienstleistungen der Klasse 38 ausgetauscht bzw. auf die auf diese Weise zugegriffen werden kann, können es sich um solche zu Halal-Vorschriften, entsprechenden Geschäften und sonstigen halal-konformen Angeboten im Raum Hannover handeln. Dies kann auch Thema von Online-Konferenzen sein.
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Die Wortbestandteile des Anmeldezeichens geben daher einen bloßen sachbezogenen Hinweis auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
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cc) An diesem rein sachbezogenen Verständnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Begriff HALAL in der angemeldeten Wort-/Bildgestaltung nicht nur in lateinischer Schrift, sondern zusätzlich in arabischen Schriftzeichen enthalten ist. Denn es sind relevante inländische Verkehrskreise vorhanden, die den beschreibenden Begriff „halal“ in der arabischen Schreibweise erkennen.
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Bei fremdsprachigen Begriffen und Schriftzeichen kommt es darauf an, ob die beteiligten Verkehrskreise in dem Land, in dem die Eintragung beantragt wird, im Stande sind, die Bedeutung des fremdsprachigen Wortes zu erkennen, wobei gleichermaßen auf die Durchschnittsverbraucher als auch auf die Fachkreise abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 428 Rn. 26 u. 32 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]). Sowohl das Verständnis der Endabnehmer als auch der Kenntnisstand der Fachkreise kann dabei jeweils allein von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 208, 209 und 585, 586 unter Hinweis auf EuGH a a. O. – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN])
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(1) Im Jahr 2020 lebten rund 5,5 Mio. Muslime in Deutschland (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung im September 2019 dürfte die Zahl hiervon nur unwesentlich abweichen). Damit zählt der Islam zu den verbreitetsten Religionen in Deutschland (vgl. Statistikportal „statista“ unter de.statista.com, „Entwicklung der Anzahl der Muslime in Deutschland von 1945 bis 2020“). Halal-Produkte liegen nicht zuletzt wegen dieses inländischen Wachstumspotenzials im Trend. Auf der Kölner allgemeinen Nahrungs- und Genussmittelausstellung 2019 gehörten Lebensmittel, die nach halal-Kriterien produziert werden, mit einer Vielzahl von entsprechenden Ausstellern zu den wichtigsten Branchentrends (vgl. de.statista.com unter „Statistiken zum globalen Halal-Markt“). Um muslimisch lebenden Menschen in Deutschland bzw. Europa dabei zu helfen, sich nach dem Halal-Gebot zu ernähren und/oder danach zu leben, werden schon seit langem von verschiedenen Prüf- und Zertifizierungsstellen Halal-Zertifizierungen angeboten. Die vergebenen Siegel enthalten im Übrigen überwiegend den Begriff „Halal“ auch in arabischen Schriftzeichen.
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(2) Soweit die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen vom allgemeinen Publikum nachgefragt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der deutschsprachige Endverbraucher in den arabischen Schriftzeichen ohne weiteres den Begriff „halal“ zu erkennen vermag, wenngleich wegen der konkreten Anordnung über dem Begriff „HALAL“ eine dahingehende Vermutung nahezuliegen scheint. Allerdings dürfte es sich bei denjenigen Verbrauchern, die Waren und Dienstleistungen mit Halal-Konformität nachfragen, im Wesentlichen um gläubige Muslime handeln. Muslimische Verbraucher arabischer Herkunft besitzen aber jedenfalls Grundkenntnisse des Arabischen. Andere Angehörige des Islam – unabhängig von der Herkunft – kennen zumindest den Zentralbegriff „Halal“ aus dem Koran auch in arabischen Schriftzeichen.
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Zwar kommt innerhalb ein und desselben Verkehrskreises eine gespaltene Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGH GRUR 2013, 631, Rn. 64 – AMARULA/Marulablu). Ausnahmsweise kann aber die Bildung und Berücksichtigung verschiedener Verkehrskreise gerechtfertigt sein, sofern solche sich objektiv voneinander abgrenzen lassen. Dies gilt zumindest dann, wenn der betreffende (fremdsprachige) Verkehrskreis nach den gegebenen Verhältnissen des Marktes für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eine selbständige Bedeutung hat (vgl. zur Frage der gespaltenen Verkehrsauffassung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sowie bei der rechtserhaltenden Benutzung: BGH GRUR 2015, 587, Nr. 23 ff. – PINAR; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; s. zuletzt für das Anmeldeverfahren BPatG, Beschluss vom 30.09.2021, 30 W (pat) 509/20 – GUSTUL ROMANIEI). Den Fragen, ob sich die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen nicht nur an muslimische Verbraucher richten, sondern auch an deutschsprachige Verbraucher, und ob im Hinblick auf die oben dargestellten Marktgegebenheiten vorliegend beide Endverbraucherkreise klar und objektiv nach ihrer Religion und Sprache abgrenzbar sind und daher eine gespaltene Verkehrsauffassung angenommen werden kann – wofür durchaus Einiges spricht -, braucht vorliegend nicht abschließend nachgegangen zu werden.
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(3) Denn jedenfalls verfügt das Fachpublikum auf dem Halal-Markt über entsprechende Spezialkenntnisse. Auch Anbieter, deren Geschäftstätigkeit bereits auf Produkte und Leistungen gemäß den islamischen Vorschriften ausgerichtet und gegebenenfalls schon halal-zertifiziert ist, besitzen zumindest gewisse Arabischkenntnisse und erkennen die Schriftzeichen in ihrer Bedeutung. Soweit es sich um ein unternehmerisches Publikum handelt, das sich den Halal-Markt bzw. den muslimischen Verbraucherkreis als Zielmarkt erst noch erschließen will, ist davon auszugehen, dass diese sich entsprechend beraten und informieren lassen und ihnen die Bedeutung des zentralen Begriffs des Islam dadurch nahegebracht wird.
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Die fachkundigen Kreise werden daher um die Bedeutung der Schriftzeichen als „HALAL“ wissen. Dieses beschreibende Verständnis der Fachkreise ist nach ständiger Rechtsprechung für sich genommen ausreichend.
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Mit Blick auf den beschreibenden Gehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt den Wortbestandteilen des Anmeldezeichens damit die erforderliche Unterscheidungskraft.
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c) Auch die grafische Gestaltung des Anmeldezeichens vermag die Schutzfähigkeit nicht zu begründen.
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Bei der Schriftgestaltung und ihrer zentralen, untereinander angeordneten Platzierung in einer quadratischen Umrandung handelt es sich um einfache, werbeübliche Elemente, durch die das Eintragungshindernis nicht überwunden wird (vgl. hierzu BGH GRUR 2014, 1204 – ; BPatG, Beschluss vom 12.10.2010, 27 W (pat) 256/09 – ; Beschluss vom 15.08.2006, 25 W (pat) 68/04 – ).
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Wegen seiner unauffälligen quadratischen Gestaltung und der mit den Wortbestandteilen verbundenen Sachaussage wird der angesprochene Verkehr das Gesamtzeichen nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen verstehen.
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Das Anmeldezeichen verfügt damit nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft.
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2. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
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3. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Anmelderin hat ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022 zurückgenommen. Eine mündliche Verhandlung war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 3 MarkenG.


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