Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 48/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 48/20

Datum:
26.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:260821B30Wpat48.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des Richters Merzbach und der Richterin Dr. Weitzel
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die angegriffene Wort-/Bildmarke 30 2018 026 271
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
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ist am 5. November 2018 angemeldet und am 21. November 2018 für die Waren
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„Klasse 09: Sensoren“
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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eintragen worden.
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Mit am 22. Februar 2019 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller die Nichtigerklärung und Löschung dieser Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beantragt.
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Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag, der ihr am 7. März 2019 zugestellt worden war, mit am 29. April 2019 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz widersprochen und beantragt, die Kosten des Löschungsverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
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Mit Beschluss vom 16. Oktober 2020 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Wort-/Bildmarke 30 2018 026 271 sowie den Kostenantrag der Markeninhaberin zurückgewiesen und den Gegenstandswert auf 50.000 Euro festgesetzt.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass der zulässige Nichtigkeitsantrag in der Sache unbegründet sei. Allerdings ergebe sich die schutzbegründende Wirkung nicht aus dem Wortelement WIEGAND
SENSOR
. Die maßgeblichen Verkehrskreise, hier Fachkreise sowie fachkundige Laien, verstünden das Wort nämlich als Sachinformation im Hinblick auf bereits zum Anmeldezeitpunkt der Marke bekannte „Wiegand-Sensoren“ bzw. nach dem „Wiegand-Effekt“ funktionierende Sensoren. Auch der grafischen Ausgestaltung des für sich genommen nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteils komme keine schutzbegründende Wirkung zu, da Binnengroßschreibung, Schriftart und farbliche Kontraste (hier Abstufungen in schwarz/grau) werbeübliche Gestaltungsmittel seien.
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Jedoch verleihe das Bildelement, das aus zwei in regelmäßiger Zackenform gebildeten Linien bestehe und ebenfalls in schwarz/grau-Abstufung gehalten sei, der angegriffenen Marke ein besonderes Gepräge, welches einen über die bloße Zusammenfügung von Bild- und Wortelementen hinausgehenden Gesamteindruck vermittele. Die Auffassung des Antragstellers, bei dem Bildelement handele es sich erkennbar um eine der Herzschlagkurve ähnliche und damit die beanspruchten Waren beschreibende Messkurve, gehe fehl. Abgesehen davon würden Wiegand-Sensoren in verschiedensten Geräten verbaut, die völlig unterschiedliche Messkurven darstellten. Eine Herzschlagkurve unterstreiche daher nicht den beschreibenden Charakter des Wortelements. Auch sei in dem Bildelement keine stilisierte Spule oder Umwicklung erkennbar. Es seien deshalb mehrere gedankliche Zwischenschritte erforderlich, um dem Bildelement eine beschreibende Bedeutung für die beanspruchten (Wiegand-)Sensoren beizumessen. Insgesamt könne der Marke deshalb nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr.1 MarkenG abgesprochen werden.
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Da sich der Schutzumfang auf die schutzbegründende grafische Ausgestaltung der Wort-/Bildmarke beschränke, sei auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu verneinen. Weitere Schutzhindernisse, insbesondere ein von dem Antragsteller angedeuteter Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG, seien nicht ersichtlich.
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Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung und Löschungsanordnung hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, die angegriffene Marke weise in ihrer Gesamtheit einen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt auf, der von den maßgeblichen Verkehrskreisen ohne weiteres und ohne Unklarheit als solcher erfasst werde.
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Wie die Markenabteilung zu Recht festgestellt habe, richteten sich die beanspruchten Sensoren überwiegend an Fachkreise sowie an fachkundige Verbraucher. Diesen Abnehmern sei die Bezeichnung „Wiegand-Sensor“ für nach dem Wiegand-Effekt funktionierende und nach dem Erfinder John Wiegand benannte Sensoren als alternative Bezeichnung für „Impulsdrahtsensoren“ bekannt. Wie bei anderen Sensoren handele es sich um ein technisches Bauteil, das bestimmte Eigenschaften und/oder die stoffliche Beschaffenheit seiner Umgebung erfassen könne. Ein Wiegand-Sensor sei ein magnetischer Sensor, der einen punktuellen Impuls, einen sogenannten Wiegand-Impuls, erzeuge. Charakteristisch sei, dass die Wiegand-Drähte, die in den Sensoren verbaut seien, eine Hysteresekurve mit zwei ausgeprägten Sprungstellen aufwiesen. Bei dem Bildelement der angegriffenen Marke sei auffällig, dass jede Linie Höhepunkte aufweise, die den Höhepunkt eines punktuellen Impulses darstellen können. Für Fachkundige stellten die Linien eine Abbildung von Wellen, verursacht durch Impulssprünge, dar, welche wiederum durch einen Wiegand-Sensor erzeugt würden. Diese Impulsmesslinien bzw. -wellen könne man mit den Herzschlagkurven vergleichen, welche bei der EKG-Messung entstünden. Der beschreibende Charakter des Bildelements sei für das fachkundige Publikum ohne weiteres erkennbar.
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Selbst wenn man dies anders sähe, verleihe das vorgenannte Bildelement dem Gesamtzeichen keine schutzbegründende Wirkung, weil es sich um einen einfach gehaltenen grafischen Bestandteil handele. Die beiden ineinander verflochtenen Linien erschöpften sich in einem in Wirtschaft und Werbung häufig verwendeten Zickzack-Muster welches als bloß dekoratives Element wahrgenommen werde. Das gelte umso mehr, als die beanspruchten Sensoren in einem Sektor angeboten würden, in dem Darstellungen von Linien und Messkurven typisch seien. Deshalb sei der Grafik auch der Charakter eines Piktogramms zuzuschreiben, mit welchem lediglich die Funktionsweise der (Wiegand-)Sensoren veranschaulicht werde. Aufgrund des eindeutigen Bezugs des Bildelements zu den beanspruchten Sensoren liege dessen beschreibende Bedeutung insbesondere für das fachkundige Publikum auf der Hand.
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Die grafische Ausgestaltung reiche insofern nicht aus, um der Gesamtmarke einen schutzbegründenden Charakter zu verleihen. Sie sei bezüglich der Beschaffenheit und der Bestimmung der betroffenen Waren „Sensoren“ ausschließlich beschreibend. So habe auch das EUIPO mit Beschluss vom 27. Januar 2020 bezüglich der mit der angegriffenen Marke identischen Unionsmarke 017 980 435 und am 16. Oktober 2020 bezüglich der Schutzerstreckung der identischen international registrierten Marke 1 457 307 entschieden. Zwar entfalteten diese Entscheidungen keine Bindungswirkung, stützten aber die Argumentation des Beschwerdeführers.
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Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2020 aufzuheben sowie die Marke 30 2018 026 271 für nichtig zu erklären und zu löschen.
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Seinen mit Schriftsatz vom 25. Februar 2021 gestellten weiteren Antrag, der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
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Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
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Im Amtsverfahren hat sie zur Sache im Wesentlichen geltend gemacht, es sei bereits zweifelhaft, ob dem Wortelement jegliche Unterscheidungskraft fehle, da WIEGAND
SENSORder Name allein ihrer Produktreihe sei. Die entsprechenden Sensoren seien nicht unter einer Art Gattungsbezeichnung namens
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„Wiegandsensor“ bekannt, sondern würden als „Impulsdrahtsensoren“ gehandelt. Jedenfalls verleihe das Bildelement dem Gesamtzeichen Unterscheidungskraft, da sich aus ihm kein beschreibender Hinweis auf die beanspruchten Sensoren ergebe. Der für einen Impulsdrahtsensor charakteristische Impulsdraht könne verschiedenste Formen haben, mit denen das Bildelement keine Gemeinsamkeiten habe. Auch entspreche das wellenförmige Bildelement mit einheitlicher Amplitude nicht den für Impulsdrähte typischen kurzen Impulsen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.Der Eintragung der streitgegenständlichen Marke  steht und stand im Zeitpunkt der Anmeldung weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat daher zu Recht den Antrag auf Löschung der Markeneintragung wegen Nichtigkeit zurückgewiesen (§ 50 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG).
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A. Der Antrag auf Löschung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG ist nach dem 14. Januar 2019 gestellt worden – nämlich am 22. Februar 2019 -, so dass § 50 MarkenG in seiner neuen Fassung anzuwenden ist, vgl. § 158 Abs. 8 MarkenG.Dem auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG gestützten und auch ansonsten zulässigen Löschungsantrag des Beschwerdeführers hat die Markeninhaberin rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des hier im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung noch anzuwendenden § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a.F. widersprochen, so dass die Voraussetzungen zur Durchführung des Löschungsverfahrens gemäß § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG a. F. vorliegen.B. Gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Ist die Marke entgegen §§ 3, 7 und 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 13 MarkenG eingetragen worden, so kann die Eintragung nach § 50 Abs. 2 MarkenG nur für nichtig erklärt und gelöscht werden, wenn das Schutzhindernis im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit noch besteht. Bei der im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren vorzunehmenden Prüfung eines der Eintragung entgegenstehenden Schutzhindernisses ist danach – ebenso wie im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Abs. 1 MarkenG) – auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und nicht auf denjenigen der Entscheidung über den Eintragungsantrag abzustellen. Im Nichtigkeitsverfahren ist außerdem zu prüfen, ob die angegriffene Marke im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde schutzunfähig ist.Für die Nichtigkeitsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Nichtigerklärung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Ist eine solche Feststellung auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rn. 18 – smartbook; BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix).
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C. In Beachtung dieser Grundsätze fehlt es an den Voraussetzungen für die Löschung der Wort-/Bildmarke   nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG. Insbesondere ist die Marke unterscheidungskräftig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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1. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 66 Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Zeichen besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn.86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey! GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2014, 1204 Rn.16 – DüsseldorfCongress ; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR !).
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Bei der Beurteilung mehrteiliger Kombinationsmarken kommt es dabei nicht auf die Schutzfähigkeit der Markenteile, sondern auf die Schutzfähigkeit der Marke in ihrer Gesamtheit an. Deshalb darf aus einer fehlenden Unterscheidungskraft einzelner Markenbestandteile nicht ohne weiteres die Schutzunfähigkeit der Gesamtmarke hergeleitet werden. Dieser Grundsatz schließt jedoch eine zunächst getrennte Prüfung der einzelnen Bestandteile nicht aus (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage § 8 Rn. 232). Es ist dabei nicht notwendig, dass beim Zusammentreffen schutzfähiger und schutzunfähiger Bestandteile der Marke der schutzfähige Teil dominiert oder den Gesamteindruck prägt (Ströbele, aaO., § 8 Rn. 235).
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2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.a) Die angegriffene Marke beansprucht „Sensoren“. Damit werden, wie die Markenabteilung zutreffend ausgeführt hat und wovon auch der Antragsteller ausgeht, überwiegend Fachkreise und fachkundige Endverbraucher angesprochen.
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b) Die angegriffene Marke setzt sich aus dem in schwarz/grau gehaltenen Wortelement WIEGAND
SENSOR und dem die Farbgestaltung der Wortmarke aufgreifenden grafischen Bestandteil zusammen, der aus in regelmäßiger Zackenform gebildeten und ineinander verschachtelten Linien besteht.
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Wie bereits die Markenabteilung zutreffend ausgeführt hat, ist das Wortelement der Marke im Hinblick auf die beanspruchten „Sensoren“ nicht unterscheidungskräftig und damit nicht geeignet, die Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu begründen. Der Bestandteil WIEGAND
SENSOR ist dem angesprochenen Verkehr als Sachinformation im Hinblick auf bereits zum Anmeldezeitpunkt der Marke bekannte „Wiegand-Sensoren“ bzw. nach dem
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„Wiegand-Effekt“ funktionierende Sensoren geläufig und verständlich. Auch die grafische Ausgestaltung verleiht dem für sich genommen nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteil keine schutzbegründende Wirkung, weil Binnengroßschreibung, Schriftart und farbliche Kontraste (hier Abstufungen in schwarz/grau) werbeübliche Gestaltungsmittel sind.
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Erfolglos macht die Markeninhaberin geltend, WIEGAND
SENSOR bezeichne ihre eigene Produktlinie und werde somit als Herkunftshinweis verstanden. Wie die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Hinweis auf die von dem Antragsteller mit Schriftsätzen vom 22. Februar 2019 und vom 25. Juni 2019 vorgelegten Unterlagen zu Recht ausgeführt hat, wurde der Begriff „Wiegand-Sensor“ neben der Bezeichnung „Impulsdrahtsensor“ bereits zum Anmeldezeitpunkt auch von anderen Anbietern als Bezeichnung von Sensoren, die sich den sogenannten „Wiegand-Effekt“ zunutze machen, verwendet.
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c) Allerdings reicht das Bildelement aus, um dem Gesamtzeichen das notwendige Minimum an Unterscheidungskraft zu verleihen. Es weist charakteristische Merkmale auf, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rn. 73, 74 – BioID; BPatG, 30 W (pat) 533/17 – PatientenverfügungPlus). Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich weder um ein rein dekoratives Hervorhebungsmittel noch um eine beschreibende Sachangabe, denen eine schutzbegründende Wirkung abzusprechen wäre. Das Bildelement nimmt im Gesamtzeichen vielmehr einen erheblichen Raum ein und ist mit über ein Mindestmaß deutlich hinausgehender Kreativität gestaltet.
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aa) Die Eigenart des Bildelements entfällt nicht, wenn man zugunsten des Anmelders davon ausgeht, es handele sich um eine Messkurve, ähnlich einer Herzschlagkurve.
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So beschreibt das Bildelement die beanspruchten „Sensoren“ nicht unmittelbar. Eine Messkurve wird nämlich erst durch ein Gerät oder ein Messsystem, in das ein Sensor verbaut ist, sichtbar. Der Antragsteller selbst führt als Beleg dafür, dass das Bildelement eine Messkurve darstelle, Abbildungen von mittels Oszilloskopen dargestellten Messkurven sowie grafische Darstellungen von Wiegand-Impulsen an.
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Auch ein enger beschreibender Bezug ist zu verneinen. Der beteiligte Verkehr erkennt nämlich in dem Bildelement nicht unmittelbar und ohne weiteres eine auf (Wiegand-)Sensoren bezogene Messkurve.
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Zum einen hängt die mittels z. B. eines Oszilloskops dargestellte Messkurve von den Einstellungen des Oszilloskops selbst ab. So kann das gleiche Signal bei entsprechender Einstellung des Oszilloskops als Welle, als horizontale Linie sowie in verschiedenen anderen Formen erscheinen. Die jeweils sichtbar gemachte Messkurve hängt ferner vom jeweiligen Sensortyp selbst ab, sowie davon, was der Sensor messen soll, also dessen Eingangsgröße. Diese Tatsachen sind dem beteiligten fachkundigen Verkehr bekannt, so dass er nicht ohne weitere gedankliche Schritte zu dem Schluss kommen wird, das Bildelement stelle die Messkurve eines (Wiegand-)Sensors dar.
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Darüber hinaus handelt es sich bei einem Wiegand-Sensor – und darauf wird der Verkehr das beschwerdegegenständliche Zeichen wegen des Wortelements WIEGAND
SENSORbeziehen – um einen Impulsdrahtsensor. Dem fachkundigen Verkehr ist das typische Aussehen eines Impuls-Messsignals bekannt. Ein Impuls zeichnet sich dadurch aus, dass das Signal nach dem Impuls auf seine Basislinie zurückkehrt. Wie mit dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, wird mit Impuls ein einmaliger Vorgang bezeichnet, dessen Werte nur innerhalb einer beschränkten Zeitspanne merklich von null abweichen. Hingegen wird ein Puls in der Elektrotechnik als periodischer Vorgang definiert, der aus einer sich kontinuierlich wiederholenden Folge von gleichen Impulsen besteht.
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Zwischen der grafischen Abbildung eines derartigen typischen Impulssignals im Sinne der Elektrotechnik und dem Bildelement der Marke ist keine Ähnlichkeit zu erkennen, (wie folgende Beispiele für Impulsformen (Oben: Unipolarer Rechteckimpuls; links ideal, rechts real; Unten links: Bipolarer Impuls (Wechselimpuls); Unten rechts: Schwingungsimpuls bzw. Pulsburst) zeigen:
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Insbesondere besteht keine Ähnlichkeit zu einem durch einen Wiegand-Sensor erzeugten speziellen Impuls-Signal, denn es fehlt sowohl an der gezackten Form, als auch an dem periodischen Schwanken (Quelle: https://www.scanatron.com/leistungen/wiegand-sensoren/wiegand-drehgeber/):
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Bei dieser Sachlage wird der vorliegend angesprochene fachlich versierte Verkehr
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nicht ohne weitere gedankliche Schritte zu dem Schluss kommen, das Bildelement beschreibe die Messkurve eines Wiegand-Sensors unmittelbar oder es bestehe ein enger beschreibender Bezug.
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 bb) Auch das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft aufgrund einer beschreibenden Sachangabe des Bildelements    „als Wiegand-Drähte“ scheidet aus.Entgegen der Ansicht des Antragstellers erkennen die angesprochenen fachkundigen Verkehrskreise in dem Bildelement keine stilisierte Spule oder Umwicklung. Sie sind nämlich mit den einschlägigen und etablierten Symbolen im Bereich der Elektrotechnik, zu denen Sensoren zu rechnen sind, vertraut.
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Keines der einschlägigen Symbole für Spulen und/oder Umwicklungen aus dem Bereich der Elektrotechnik weist, wie mit dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, irgendeine Ähnlichkeit zu dem Bildelement auf. Dies ist im Folgenden beispielhaft illustriert (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Spule_(Elektrotechnik) sowie https://elektricks.com/elektro-symbole-widerstaende-spulen-und-kondensatoren/):
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Ausgehend von den beteiligten Verkehrskreisen scheidet somit eine unmittelbar beschreibende Sachangabe im Hinblick auf eine Spule oder Umwicklung als wesentlicher Bestandteil eines Sensors aus, da die Fachkreise ein Symbol in ihrer dem Fach eigenen Symbol-Fachsprache lesen, wovon das Bildelement weit entfernt ist.
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Auch ein enger beschreibender Bezug liegt nicht vor. Der beteiligte Verkehr erkennt nämlich auch aufgrund der folgenden drei Merkmale des Bildelements nicht ohne weiteres eine Spule oder Umwicklung:
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– ein Kern, welcher von den beiden gezackten Linien „umwickelt“ ist, ist nicht ersichtlich;
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– die beiden Farben müssten als zwei unterschiedliche Drähte angesehen werden, was im Widerspruch zu einem Wiegand-Sensor steht, der lediglich von einem Draht umwickelt ist;
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– die unteren Zacken der Linien enden nicht auf einer Höhenlinie, was gegen ein Verständnis als gleichmäßige Umwicklung mit einem Draht spricht.
52
Diese Merkmale des Bildelements weichen erheblich von einer zu erwartenden stilisierten Gestaltung einer Umwicklung eines Wiegand-Sensors ab, denn es wäre zu erwarten, dass ein mit einem Draht gleichmäßig umwickelter Kern zu erkennen wäre (vgl. als Anlage zum Schriftsatz des Antragstellers vom 22. Februar 2019 eingereichter Beleg, https://de.wikipedia.org/wiki/Wiegand-Sensor):
53
cc) Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann die erforderliche Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke die erforderliche Unterscheidungskraft auch nicht deswegen abgesprochen werden, weil das Bildelement vom maßgeblichen Verkehr lediglich als „W“ und damit als Abkürzung des darunter angeordneten Wortelements WIEGAND
SENSORverstanden wird und dieser dem Bildelement deshalb eine beschreibende Bedeutung beimisst.
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Aufgrund der vielfältigen Deutungsmöglichkeiten ist bereits zweifelhaft, ob der Verkehr das Bildelement ohne weiteres als Abkürzung eines Wortes erkennt. Zwar hat die Markeninhaberin im Amtsverfahren selbst ausgeführt, das grafische Element bilde den Buchstaben „W“ ab, welches u.a. für den Erfinder „Wiegand“ stehe. Allerdings ist nicht ersichtlich und geht auch aus dem Parteivorbringen nicht hervor, welche Bestandteile des Bildelements das
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„W“ bilden. Dass das Bildelement als Ganzes, also beide gezackten Linien zusammengenommen, ein „W“ bildet, scheidet offenkundig aus.
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Allerdings ist unter Berücksichtigung des Gesamtzeichens und dessen farblicher Ausgestaltung in Erwägung zu ziehen, dass die dunklere der beiden gezackten Linien ein „W“ und die hellere der beiden Linien ein „S“ darstellt, wodurch der Wortbestandteil WIEGAND
SENSORabgekürzt wäre. Ebenso erscheint möglich, dass der Betrachter des Zeichens in den zwei miteinander verwobenen Linien zwei miteinander verschlungene „W“ erkennt.
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Jedoch führt keine dieser Betrachtungsweisen dazu, dass der angesprochene Verkehr in den beiden gezackten Linien des Bildelements unmittelbar und ohne weitere gedankliche Zwischenschritte ein „W“ oder ein „W“ und ein „S“ oder zwei „W“ erkennt, denn er müsste stets verschiedene Teilelemente des Bildelements gedanklich weglassen, hinzufügen oder optisch verschieben, um zu einem solchen Schluss zu kommen.
58
dd) Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei dem Bildelement auch nicht um ein schutzunfähiges Piktogramm. Die Unterscheidungskraft fehlt nämlich lediglich einfachen, in ihrer beschreibenden Aussage unzweideutig erkennbaren, versinnbildlichten zeichnerischen Darstellungen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 341). Eine Anlehnung an ein im Zusammenhang mit Wiegand-Sensoren bereits geläufiges Piktogramm, wie von dem Antragsteller angedeutet, ist – wie ausgeführt – nicht ersichtlich. Von dem Antragsteller ist ein solches auch nicht vorgelegt worden. Unzweideutigkeit kann ebenfalls nicht bejaht werden, was sich bereits aufgrund der vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des Bildelements ergibt.
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3. Aus den vorstehenden Gründen scheidet auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Die angegriffene Marke ist nämlich nicht für eine zeichenmäßige Verwendung des Wortbestandteils in jedweder Form geschützt, sondern nur in der konkreten grafischen Gestaltung .4. Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat daher den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung zu Recht zurückgewiesen.
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D. Zur Auferlegung von Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.


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