Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 545/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 545/20

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:100222B30Wpat545.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 013 013.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 unter Mitwirkung des Richters Merzbach als Vorsitzendem sowie des Richters Dr. Meiser und der Richterin Dr. Weitzel
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Zeichen
2
Brillenmann
3
ist am 29. Mai 2015 u.a. für folgende Waren
4
„Klasse 3: Reinigungslösungen für Brillengläser; mit Reinigungsmitteln imprägnierte Brillenputztücher;
5
Klasse 9: Brillen; Brillenetuis; Brillenbügel; Brillenhalter; Brillenketten; Brillengläser; Brillenbänder; Brillenbeutel; Brillenschnüre; Brillenkordeln; Brillengestelle; Brillenfassungen; Teile für Brillen; Nasenauflagen für Brillen; Brillengläser mit Antireflexbeschichtung; korrigierende Brillen und Kontaktlinsen; Brillen, Sonnenbrillen und Kontaktlinsen; Kontaktlinsen; Kontaktlinsenetuis; Kontaktlinsenbehälter; Kontaktlinsenrohlinge; farbige Kontaktlinsen; kosmetische Kontaktlinsen; Tragebehältnisse für Kontaktlinsen; angepasste Behälter für Kontaktlinsen“
6
zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
7
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Mai 2020 teilweise, nämlich im Umfang der o. g. Waren, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
8
Zur Begründung ist ausgeführt, das Anmeldezeichen sei sprachüblich aus einfachen Wörtern der deutschen Sprache gebildet und reihe sich problemlos in ähnlich gebildete Wortzusammensetzungen (wie „Gasmann, Eiermann, Dönermann, Heizungsmann“) ein. Im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren werde Brillenmann unmittelbar als Sachhinweis auf einen Fachmann in Bezug auf Brillen, Brillenzubehör sowie auf „Optiker-typische Angebote“ (wie u.a. Kontaktlinsen, Etuis etc.) verstanden. Daher sei das Zeichen geeignet, werbemäßig verkürzt auf die mögliche Bestimmung und Eignung der relevanten Waren hinzuweisen.
9
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders.
10
Er macht geltend, dass das Anmeldezeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge und ihm auch kein Freihaltungsbedürfnis entgegenstehe. Bei dem Zeichen Brillenmann handele es sich um ein lexikalisch nicht nachweisbares Fantasie- und Kunstwort, das keinen unmittelbaren Begriffsinhalt aufweise und dessen Sinn sich dem Verkehr gerade nicht auf Anhieb erschließe.
11
Die Fundstellen der Markenstelle seien nicht geeignet, ein beschreibendes Verständnis des Begriffs Brillenmann zu belegen. So beziehe sich ein Teil der Treffer einer Google-Recherche auf den Namen einer Musikgruppe, die mit Brillen und Brillenzubehör nichts zu tun habe. Der andere Teil der Treffer führe fast ausnahmslos zu der B… GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die B… Verwaltungsgesellschaft mbH mit dem Anmelder als alleinigem Gesellschafter und seiner Ehefrau als Geschäftsführerin sei.
12
Auch die dem Anmelder mit der Terminsladung übersandten Recherche-ergebnisse des Senats beinhalteten nur vereinzelt gebliebene Verwendungen des Begriffs Brillenmann als Synonym für „Optiker“. Sie seien nicht geeignet, die Annahme zu stützen, bei dem Begriff handele es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom angesprochenen Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, und erst recht belegten sie nicht, dass es sich um eine für die beschwerdegegenständlichen Waren gebräuchliche Sachangabe handele.
13
Die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens für die beschwerdegegenständlichen Waren ergebe sich ferner unter Berücksichtigung der MICRO COTTON Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Teilurteil vom 3.11.2016 – I ZR 101/15). Sowohl bei „MICRO COTTON“ bzw „Microcotton“ als auch bei dem verfahrensgegenständlichen Zeichen Brillenmann handele es sich um Kunst- bzw. Fantasiewörter mit einem eigenschöpferischen Gehalt, die Unschärfen aufwiesen und deshalb nicht geeignet sind, die Eigenschaften eines Produkts fest und eindeutig zu umreißen. Das gelte für das Anmeldezeichen sogar in noch stärkerem Maße. Denn das irgendjemand den Begriff Brillenmann zur Beschreibung des Verwendungszwecks, der Beschaffenheit oder der Eigenschaften auch nur eines der von der Anmeldung beanspruchten Erzeugnisse verwende, sei nach der Lebenserfahrung noch unwahrscheinlicher als die Verwendung der Begriffe „MICRO COTTON“ bzw „Microcotton“ für Baumwollarten aus einer bestimmten Faserbeschaffenheit.
14
Der Verkehr werde das Kunst- und Fantasiewort Brillenmann nicht als Synonym für Brillen, Brillenfassungen, Kontaktlinsen, Brillenetuis oder Zubehör wie Reinigungslösungen oder Brillenputztücher verstehen, sondern das Anmeldezeichen im vorliegenden  Warenzusammenhang immer nur mit der B… GmbH & Co. KG in Verbindung bringen.
15
Überdies habe es die Markenstelle entgegen den #darferdas?-Entscheidungen (BGH GRUR 2018, 932 – #darferdas? I; BGH GRUR 2020, 411 – #darferdas? II) unterlassen, bei der Prüfung der Unterscheidungskraft auf die branchenbedingt wahrscheinlichsten Verwendungsformen des Anmeldezeichens einzugehen. Brillen würden branchentypisch auf den Brillenbügeln und damit am Produkt selbst mit der jeweiligen Marke gekennzeichnet. Dort erfülle das Zeichen Brillenmann aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eindeutig eine auf die betriebliche Herkunft hinweisende Funktion. Dasselbe gelte für die weiteren beschwerdegegenständlichen Waren einschließlich des beanspruchten Brillen- und Kontaktlinsenzubehörs, wenn das Zeichen Brillenmann auf den entsprechenden Behältnissen oder Verpackungen angebracht sei.
16
Schließlich sei auf die Voreintragungen DE30319205, DE30360517 sowie DE30628396 zu verweisen, wobei die Wort-/Bildmarken mit dem jeweils prägenden Wortbestandteilen „Der Türenmann“ bzw. „TÜRENMANN“ unbeanstandet eingetragen worden seien.
17
Der Anmelder beantragt,
18
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Mai 2020 insoweit aufzuheben, als die Markenanmeldung zurückgewiesen worden ist.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.
II.
20
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wortmarke Brillenmann in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 Marken).
21
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-​Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) – OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-​Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) – Langenscheidt-​Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).
22
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) – Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) – Stadtwerke Bremen; 2014, 1204 (Nr. 12) – Düsseldorf Congress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) – Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) – DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) – TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).
23
2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke
24
in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren keine Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.
25
a) Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich um eine aus zwei einfachen, allgemein geläufigen Wörtern der deutschen Sprache sprachregelgerecht gebildete Wortkombination. Diese reiht sich, wie es bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, zudem ohne Weiteres in ähnlich gebildete Wortzusammensetzungen aus dem Bestandteil „-mann“ und einem vorangestellten Bezugswort, welches die angebotenen Waren bezeichnet, ein (zB „Milchmann“, „Eiermann“, „Dönermann“, „Gasmann“).
26
Ausgehend hiervon erschließt sich das Anmeldezeichen, wenn die beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 3 und 9 mit ihm gekennzeichnet werden, den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als individualisierendes, auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisendes Zeichen, sondern vielmehr auf Anhieb als Sachhinweis darauf, dass es sich um von einem Optiker („Brillenmann“) angebotene Waren handelt.
27
In diesem Sinne, als Synonym für einen (beliebigen, nicht individualisierten) Optiker, wird Brillenmann auch seit langem verwendet, wie es die dem Anmelder zur Verfügung gestellten Rechercheergebnisse des Senats belegen:
28
– „https://forum.mods.de“ (20.3.2008): „Der Brillenmann meinte nur, dass es allerhöchste Zeit wird und mit meinen vorherigen Werten (-1,x) nichts mehr zu tun hat (…)“.
29
– www.forum-ddr-grenze.de: (01.07.2010): „Die Antwort ist das umwerfende Eingeständnis, seine Brille von Anfang an bei diesem Brillenmann zu kaufen.“
30
– Blog.der-reiseberater.com (veröffentlicht am 3. Januar 2014), „02.01.14 Nur noch 5“, „(…) War noch mal beim Brillenmann und hab noch eine gekauft.“
31
– REHAkids, 11.09.2014: „(…) bei uns kann man brillenversicherungen direkt beim brillenmann abschließen.“
32
– https://portugalforum.org, „Augenoptiker / Das Portugalforum“ (20.04.2015): „entweder billigkauf in nächstem sehhilfe-outlet oder für ein paar $$ mehr beim einheimischen brillenmann im bairro (…).“
33
– https:/stillen-und-tragen.de (17.2.2016), Kinderbrille, „Unser Brillenmann ist glücklicherweise mit uns befreundet.“
34
– diabetes-forum.de (1.4.2017): „Die Abweichung zwischen den Werten des Augenarztes und des Brillenmanns war auch so gering so dass man den als Meßdifferenz betrachten kann (…). …Der Brillenmann, nennen wir ihn mal Optiker, hat so einen Kasten, mit dem er automatisch die Sehstärke ermittelt.“
35
– www.kretaforum.info (13.5.2017), „Unser erster Reisebericht über Kreta und überhaupt“, „Die Lesegläser sind hammermäßig und die besorgt der Brillenmann…“
36
– Gleitsichtbrille / Vielfliegertreff (21.5.2017): „Ich bitte um zielführende Hinweise, am Dienstag ist Termin beim Brillenmann.“
37
– Forum, Das Wochenmagazin (16.12.2016): „Der Ein-Dollar-Brillen-Mann“.
38
Die Fundstellen, die zum Teil auch schon deutlich vor dem Anmeldezeitpunkt datieren, widerlegen zugleich die Behauptung des Anmelders, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um ein von ihm neu geschaffenes Fantasiewort. Dabei kann dahinstehen, dass in rechtlicher Hinsicht die fehlende lexikalische Nachweisbarkeit und vermeintliche Neuheit einer Marke für sich gesehen ohnehin nicht die hinreichende Unterscheidungskraft begründen können (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 173 mwN).
39
b) Sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren betreffen Brillen, Kontaktlinsen, ergänzendes (Brillen- und Kontaktlinsen-)Zubehör sowie für Brillengläser bestimmte Reinigungsmittel, im Einzelnen:
40
„Klasse 3: Reinigungslösungen für Brillengläser; mit Reinigungsmitteln imprägnierte Brillenputztücher;
41
Klasse 9: Brillen; Brillenetuis; Brillenbügel; Brillenhalter; Brillenketten; Brillengläser; Brillenbänder; Brillenbeutel; Brillenschnüre; Brillenkordeln; Brillengestelle; Brillenfassungen; Teile für Brillen; Nasenauflagen für Brillen; Brillengläser mit Antireflexbeschichtung; korrigierende Brillen und Kontaktlinsen; Brillen, Sonnenbrillen und Kontaktlinsen; Kontaktlinsen; Kontaktlinsenetuis; Kontaktlinsenbehälter; Kontaktlinsenrohlinge; farbige Kontaktlinsen; kosmetische Kontaktlinsen; Tragebehältnisse für Kontaktlinsen; angepasste Behälter für Kontaktlinsen“.
42
Somit handelt es sich bei allen beschwerdegegenständlichen Waren um solche Waren, die typischerweise von Optikern angeboten werden (vgl. schon BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 532/10 – Aktive Optiker). Ausgehend hiervon erschöpft sich das Anmeldezeichen in Bezug auf alle zurückgewiesenen Waren in einem Sachhinweis darauf, dass es sich der Art nach um typische, von einem beliebigen Optiker angebotene Waren handelt (BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 532/10 – Aktive Optiker). Die Bezeichnung Brillenmann erlaubt dagegen keine individuelle Zuordnung, wie es für eine Marke erforderlich ist, und entbehrt daher für alle beschwerdegegenständlichen Waren jeder Unterscheidungskraft.
43
3. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beschwerde gehen insgesamt fehl.
44
a) Der vom Anmelder in Bezug genommenen MICRO COTTON Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Teilurteil vom 3.11.2016 – I ZR 101/15 = GRUR 2017, 520) liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, und die Grundsätze dieser Rechtsprechung lassen sich nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen. Soweit der BGH (a. a. O., GRUR 2017, 520 Rn. 32) ausgeführt hat, dass es sich bei „Microcotton“ um den Fall eines in der maßgeblichen Sprache nicht vorhandenen Fantasie- und Kunstworts ohne unmittelbare Wortbedeutung und mit eigenschöpferischem Gehalt handele, treffen diese Erwägungen auf das verfahrensgegenständliche Anmeldezeichen offensichtlich nicht zu. Denn das aus einfachsten Wörtern der deutschen Sprache gebildete Zeichen Brillenmann ist auch in seiner Gesamtheit kein Fantasie- und Kunstwort, sondern ein nachweislich im deutschen Sprachgebrauch verwendetes Wort, dem im vorliegenden Warenzusammenhang auch eine unmittelbar erkennbare Wortbedeutung – im Sinne von Optiker – zukommt. Werden die beschwerdegegenständlichen Waren (Brillen, Sonnenbrillen, Kontaktlinsen und entsprechendes Zubehör, Reinigungsmittel für Brillengläser) mit Brillenmann gekennzeichnet, wird das angesprochene Publikum ohne jegliche gedankliche Zwischenschritte darauf schließen, dass diese Waren von einem Optiker angeboten werden. Dagegen sind in Bezug auf „Microcotton“ gerade eine Reihe solcher Gedankenschritte bzw. die Assoziierung eines neuen Begriffsinhalts, der von der bloßen Aneinanderreihung der Wortbestandteile erheblich abweicht (BGH, a. a. O., GRUR 2017, 520 Rn. 32), erforderlich, um überhaupt zu einem Bedeutungsgehalt zu gelangen. Die Grundsätze der MICRO COTTON Entscheidung lassen sich daher nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.
45
b) Die Feststellung, dass der Verkehr dem Anmeldezeichen Brillenmann im vorliegenden Warenzusammenhang keine herkunftsidentifizierende Funktion beimisst, gilt entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen auch bei allen nach der Rechtsprechung zu berücksichtigenden Verwendungsformen.
46
Nach dem aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2018, 932) ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, geprüft werden (EuGH, GRUR2019, 1194 Rn. 33–AS/DPMA [#darferdas?]). Sind in der maßgeblichen Branche mehrere Verwendungsarten praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen Verwendungsarten berücksichtigt werden, um zu klären, ob der Durchschnittsverbraucher der erfassten Waren oder Dienstleistungen das Zeichen als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahrnehmen kann (EuGH, a. a. O., Rn. 25 – AS/DPMA [#darferdas?]; BGH GRUR 2020, 411 – #darferdas? II ).
47
Unberührt von dieser Rechtsprechung bleibt jedoch der Grundsatz, wonach die Unterscheidungskraft eines Zeichens hinsichtlich aller Verwendungsmöglichkeiten zu verneinen ist, bei denen der Verkehr das Zeichen wegen seiner besonderen Nähe zu den relevanten Waren unabhängig von der konkreten Präsentation nur in einem beschreibenden Sinn auffasst (Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 159). Auch insoweit gelten die Prinzipien für die markenrechtliche Beurteilung mehrdeutiger Zeichen, wonach Angaben, die als Information über Art oder Eigenschaft der betroffenen Waren zu verstehen sind, gerade deshalb nicht (auch) als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft aufgefasst werden dürfen (Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 159). Anders als bei dem den höchstrichterlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Zeichen “#darferdas?”, das in einer verknappten Form ein Diskussionsthema benennt bzw. eine Aufforderung zu einer Diskussion beinhaltet und daher grundsätzlich als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sein kann, handelt es sich bei dem Zeichen Brillenmann im vorliegenden Warenzusammenhang wegen seines Charakters als Sachhinweis um ein von Haus aus schutzunfähiges Zeichen, das grundsätzlich nicht wegen einer speziellen Art seiner Verbindung mit den relevanten Waren die Eintragungsfähigkeit zu erlangen vermag (vgl. u. a. BPatG, PAVIS PROMA 25 W (pat) 29/19 – MÄDELSABEND; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 160). Denn unabhängig von der Verwendungsart wird der angesprochene Verkehr der Bezeichnung Brillenmann stets einen sachlich-beschreibenden Hinweis auf Waren, die ihrer Art nach von einem Optiker angeboten werden können, entnehmen, was einem betriebskennzeichnenden Verständnis entgegenwirkt (vgl. BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 29/19 – MÄDELSABEND; BPatG 25 (W) pat 561/19 – Glücksherzen, juris).
48
c) Soweit der Anmelder vorträgt, dass die angemeldete Bezeichnung vom Verkehrnur mit der B… GmbH & Co. KG in Verbindung gebracht werde, kann demnur Bedeutung zukommen, wenn zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG der Nachweis geführt wird, dass sich die Bezeichnung Brillenmann im Verkehr infolge ihrer Benutzung als Marke für die relevanten Waren durchgesetzt hat. Für eine Verkehrsdurchsetzung liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Insoweit ist zunächst eine (Anfangs-)Glaubhaftmachung (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 810) der Verkehrsdurchsetzung erforderlich, die einen schlüssigen Sachvortrag dazu verlangt, in welcher Form, für welche Waren, von wem, in welchem Gebiet und Umfang sowie seit wann die Angabe im Verkehr nach Art einer Marke eingesetzt worden ist (vgl. zu den Anforderungen insoweit Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 667, 806, 809, jeweils m.w.N.). Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
49
d) Schließlich kann sich der Anmelder zur Ausräumung des Schutzhindernisses nicht auf eine seiner Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken grundsätzlich kein Schutzgewährungsanspruch herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. z.B. EuGH GRUR 2009, 667, Nr. 18 – Bild.t.-Online.de; BGH GRUR 2012, 276, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).
50
4. Die Marke kann in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb insoweit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
51
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
52
5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. Weder war über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Entgegen dem Vorbringen des Anmelders weicht die Entscheidung des Senats auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Dies gilt insbesondere für die von dem Anmelder in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs MICRO  COTTON  (BGH, Teilurteil vom 3.11.2016 – I ZR 101/15 = GRUR 2017, 520), deren Einzelfallerwägungen sich wie dargelegt nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen lassen. Dasselbe gilt aus den dargelegten Gründen für die höchstrichterlichen Entscheidungen in Bezug auf das Zeichen „#darferdas?“, denen ebenso ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde liegt. Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist daher nicht gegeben.

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