Patent- und Markenrecht

4 Ni 11/20

Aktenzeichen  4 Ni 11/20

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:021220U4Ni11.20.0
Spruchkörper:
4. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent DE 10 2008 005 655
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 2. Dezember 2020 durch die Vorsitzende Richterin Grote-Bittner sowie die Richterin Kopacek, die Richter Dr.-Ing. Krüger, Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Ausfelder und die Richterin Dipl.-Ing. Univ. Schenk
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2008 005 655 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 250.000,– Euro festgesetzt.

Tatbestand

1
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Patents 10 2008 005 655. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 23. Januar 2008 angemeldeten und am 16. Januar 2014 veröffentlichten Patents mit der Bezeichnung „Verbindungsleitung zwischen Einzelfeuerstätte und Schornstein“.
2
Das Streitpatent, das vollumfänglich angegriffen wird, umfasst in seiner erteilten Fassung 24 Ansprüche mit einem Hauptanspruch 1 und 23 auf diesen zumindest mittelbar rückbezogenen Unteransprüchen. Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung – mit hinzugefügter Merkmalsgliederung – lautet:
3
M1 Verbindungsleitung für eine nach außen hin rauchdichte Verbindung einer Einzelfeuerstätte mit einem Schornstein,
4
M2 die ein Verbindungsrohr aus Metall mit durchgängiger Röhre für einen Rauchdurchlass aufweist,
5
M3 wobei die Enden des Verbindungsrohres so geformt sind, dass das eine Ende direkt auf oder in einen Abgasstutzen aus der Einzelfeuerstätte und
6
M4 das andere Ende direkt auf oder in einen Anschlussstutzen oder eine Aufnahmeöffnung des Schornsteins gesteckt werden kann, und
7
M5 wobei die Verbindungsleitung (10; 20; 30) ein Innenrohr (11; 21; 31) sowie ein dazu koaxiales, das Innenrohr (11; 21; 31) mit radialem Abstand umgebendes Außenrohr (12; 22; 32) umfasst,
8
dadurch gekennzeichnet,
9
M6 dass im Zwischenraum zwischen Innenrohr (11; 21; 31) und Außenrohr (12; 22; 32) Isoliermaterial (13; 23; 33) vorgesehen ist,
10
M7 dass das Innenrohr (11; 21; 31) von einem Ende der Verbindungsleitung (10; 20; 30) bis zu ihrem anderen Ende durchgängig mit radialem Abstand vom Außenrohr (12; 22; 32) umgeben ist,
11
M8 dass der radiale Abstand zwischen Innenrohr (11; 21; 31) und Außenrohr (12; 22; 32) 10 bis 30 mm beträgt, und
12
M9 dass die Außenflächen des Außenrohres (12; 22; 32) zumindest teilweise eine hitzebeständige Zierbeschichtung aufweisen.
13
Wegen des Wortlauts der übrigen erteilten Ansprüche 2 bis 24 wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2008 005 655 B4 verwiesen.
14
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der fehlenden Patentfähigkeit geltend.
15
Sie ist der Auffassung, dass mit Änderung der Beschreibung des Streitpatents im Prüfungsverfahren eine unzulässige Erweiterung der ursprünglichen Anmeldung vorliege.
16
Zur fehlenden Patentfähigkeit verweist die Klägerin auf folgende Dokumente:
17
D1 Anlagenkonvolut
18
D1-1 Produktkatalog „Duratech – All Fuel Chimney System“, 2005
19
D1-2 Screenshot der Internetdatenbank „web.archive.org“ unter der D1-1 „L930.pdf“ vom 30.12.2005
20
D1-3 Screenshot der Internetdatenbank „web.archive.org“ mit der Website „Galvalume.com“ vom 20.02.2007
21
D1-4 Website-Kopie der „Leibnitz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften Universitätsbibliothek“ zu „Galvalume-Blech – Neue Technische Entwicklungen“, Allegra, L., Dutton, R.J., Homayon, A. von 1986
22
D1-5 Installationsanleitung „10“-16“ DURATECH CHIMNEY
23
INSTALLATION AND OPERATION INSTRUCTIONS“, März 2000
24
D1-6 Screenshot der Internetdatenbank „web.archive.org“, unter der D1-3 als „L151Mar00.pdf“ erhältlich ist
25
D2 US 4,608,963
26
D3 US 4,846,147
27
D4 CA 2 587 062 A1
28
D5 EP 0 443 222 A1
29
D6 CA 2 423 371 A1
30
D7 EP 0 599 305 A1
31
D8 EP 0 286 488 A1
32
D9 DE 196 11 580 C1
33
D10 DE 77 37 304 U1
34
D11 EP 0 341 523 A1
35
D12 Einspruchsschriftsatz vom 15.10.2014
36
D13 Anlagenkonvolut:
37
Im Einspruchsverfahren genannter Stand der Technik:
38
D13-1 US 4,448,219
39
D13-2 US 2007/0221195 A1
40
D13-3 DE 6606405 U
41
D13-4 EP 1 278 010 A2
42
D13-5 DE 37 44 136 A1
43
D13-6 DE 10 2004 017 964 A1
44
D13-7 DE 1 918 388 U
45
D13-8 DE 20 2004 007 331 U1
46
D13-9 DE 83 29 671 U1
47
D13-10 DE 86 06 968 U1
48
D13-11 DE 203 20 323 U1
49
D14 Anlagenkonvolut:
50
Im Prüfungsverfahren genannter Stand der Technik:
51
D14-1 DE 693 12 025 T2
52
D14-2 DE 203 07 820 U1
53
D14-3 FR 2 556 447 A1
54
D15 Norm DIN EN 1856-1 2006-08-00. Abgasanlagen – Anforderungen an Metall-Abgasanlagen – Teil 1: Bauteile für System-Abgasanlagen; Deutsche Fassung EN 1856-1:2003 + A1:2006
55
D16 Norm DIN EN 1856-2: 2004-10-00. Abgasanlagen – Anforderungen an Metall-Abgasanlagen – Teil 2: Innenrohre und Verbindungsstücke aus Metall; Deutsche Fassung EN 1856-2:2004.
56
Die Klägerin meint, dass dem Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl der Produktkatalog D1-1 aus dem Anlagenkonvolut D1 wie auch die Druckschrift D2, die eine Verbindungsleitung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 offenbaren würden, neuheitsschädlich entgegenstünden.
57
Jedenfalls sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von jeder der Druckschriften D2 bis D15, deren Figur 1 jeweils eine gattungsgemäße Verbindungsleitung zeige, in Zusammenschau mit der D1-1 nicht erfinderisch.
58
Die Unteransprüche enthielten nur fachübliche Merkmale ohne einen sie auszeichnenden technischen Effekt.
59
Der Senat hat den Streitwert für das vorliegende Nichtigkeitsverfahren mit Beschluss vom 15. April 2020, basierend auf der geschätzten Angabe in der Klageschrift, vorläufig auf 250.000,– Euro festgesetzt.
60
Die Klägerin beantragt,
61
das deutsche Patent 10 2008 005 655 für nichtig zu erklären.
62
Die Beklagte, der die Nichtigkeitsklage nebst Streitwertbeschluss am 22. Juni 2020 zugestellt worden ist, widerspricht der Nichtigkeitsklage nicht.
63
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

64
Die zulässige Klage ist begründet, da der Gegenstand des Streitpatents mangels Neuheit gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig ist (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
I.
65
Die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage konnte gemäß § 82 Abs. 2 PatG ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beklagte der Nichtigkeitsklage nicht widersprochen hat und die Klage nach einem der von der Klägerin vorgebrachten Nichtigkeitsgründe begründet ist (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage, § 82 Rn. 10, 11; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 82 Rn. 7).
66
1. Das als DE 10 2008 005 655 B4 veröffentlichte Streitpatent betrifft laut Beschreibungseinleitung eine Verbindungsleitung. Damit werden Installationen bezeichnet, mit denen Einzelfeuerungsstätten an den Schornstein angeschlossen werden (Absatz [0004]).
67
Für solche Verbindungsleitungen gebe es entsprechende Vorschriften. Das Streitpatent führt dazu exemplarisch zwei DIN-Normen auf, die sich auch als D15 und D16 im Verfahren befinden. In diesen Normen sei festgelegt, dass Abstände zu brennbaren Materialen für jedes Verbindungsleitungssystem dadurch bestimmt würden, dass festgelegte Maximaltemperaturen zu brennbaren Materialien in Wänden und Decken nicht überschritten werden dürften. Diese Regelungen führten dazu, dass die bisher einzuhaltenden Abstände teilweise deutlich vergrößert werden müssten und in bestimmten Einbausituationen die Feuerstätte nicht mehr ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie z.B. der Verwendung eines Strahlungsschutzes eingebaut werden könnten. Insbesondere bei Einzelfeuerstätten in Wohnräumen würde jedoch häufig der zusätzliche Einbau von derartigen Produkten durch den Bauherren abgelehnt (Absatz [0005]).
68
Gegenüber diesem Stand der Technik nennt das Streitpatent es als Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Verbindungsleitung der oben genannten Art mit technisch möglichst unaufwändigen und preisgünstigen Mitteln dahingehend weiterzubilden, dass die Abstände zu brennbaren Materialien, unter Einhaltung der neuen Vorschriften, deutlich reduziert werden könnten und damit die einzuhaltenden Abstände über die gesamte Länge der Verbindungsleitung höchstens die Minimalmaße erreichen würden, die vor Inkrafttreten der oben genannten Normen (D15, D16) einzuhalten waren, wobei die ästhetische Gestaltung üblicher Verbindungsleitungen nicht beeinträchtigt, sondern vielmehr verbessert werden solle (Absatz [0007]).
69
Gelöst werden soll die Aufgabe durch den Gegenstand gemäß Anspruch 1 der Streitpatentschrift (Absatz [0008]).
70
Ein laut Absätzen [0045], [0046] dem erteilten Anspruch 1 entsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt die Fig. 1a mit Detail in Fig. 1b:
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71
Ausführungsbeispiel entspr. den Figuren 1a und 1b der Streitpatentschrift
72
2. Für den Erfindungsgegenstand als Fachmann zuständig ist ein Maschinenbautechniker (Fachschule) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Abgasleitungen für Abgasanlagen von Feuerstätten.
73
3. Die Patentansprüche in der erteilten Fassung sind durch den Fachmann unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen aufgrund der maßgeblichen am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierenden Betrachtung auszulegen (vgl. BGH GRUR 2012, 1124, Rdn. 27 – Polymerschaum I).
74
Folgende Merkmale bedürfen einer Erläuterung:
75
Beim Merkmal M1 („Verbindungsleitung für eine nach außen hin rauchdichte Verbindung einer Einzelfeuerstätte mit einem Schornstein“) bedeutet die Präposition „für“ eine Zweckangabe der Verbindungsleitung. Die Verbindungsleitung muss daher so ausgebildet sein, dass sie die betreffende Funktion erfüllen kann (vgl. BGH GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Nicht beansprucht bzw. nicht zwingend erforderlich ist dagegen eine tatsächliche Verwendung zu dem angegebenen Zweck.
76
Auch beim Merkmal M3 („[Verbindungsleitung …, die ein Verbindungsrohr … aufweist,] wobei die Enden des Verbindungsrohres so geformt sind, dass das eine Ende direkt auf oder in einen Abgasstutzen aus der Einzelfeuerstätte gesteckt werden kann“) fordert das funktionale Merkmal „Enden des Verbindungsrohres […] so geformt […], dass[…]“ lediglich eine Eignung des Verbindungsrohres zum Anschluss auf oder in einen Abgasanschluss einer Einzelfeuerstätte. Das Patent lässt aber sowohl im Anspruch wie auch in der Beschreibung offen, welche Abmaße und Geometrien dieser Abgasanschluss aufweisen soll oder kann. Zwar beschreibt das Patent, Absatz [0012] f., dass bereits doppelwandige Rohrsysteme bekannt seien, die als Edelstahl-Schornsteine eingesetzt würden. Diese Systeme würden aber nicht direkt an Feuerstätten angeschlossen. Vielmehr müsse zwischen der Feuerstätte und dem doppelwandigen EdelstahI-Schornstein-System zumindest eine einwandige Verbindungsleitung der eingangs in der Patentschrift beschriebenen Art installiert werden. Die marktüblichen doppelwandigen Schornsteine verfügten aber nicht über die notwendigen doppelwandigen Zusatz-Bauteile, mit denen sie direkt an den Abgasstutzen der Feuerstätte angeschlossen werden könnten, wie dies die erfindungsgemäße Verbindungsleitung ermöglichen würde.
77
Damit sind aber keine Anschlussmaße und auch keine Anschlussgeometrien offenbart, weder hinsichtlich des Verbindungsrohres noch des Abgasstutzens der Einzelfeuerstätte. Damit ist an den Enden des beanspruchten Verbindungsrohrs auch nicht feststellbar, ob sich dieses für einen Abgasstutzen einer Einzelfeuerstätte eignet oder nicht.
78
Für den Fachmann begrenzt damit dieses Merkmal ein Verbindungsrohr einer anspruchsgemäßen Verbindungsleitung nur insofern, als dass das Rohr überhaupt auf einen oder in einen Stutzen gesteckt werden können muss.
79
Entsprechendes gilt auch für das Merkmal M4 („[Verbindungsleitung …, die ein Verbindungsrohr … aufweist, …wobei …] das andere Ende direkt auf oder in einen Anschlussstutzen oder eine Aufnahmeöffnung des Schornsteins gesteckt werden kann“): Mangels definierter Anschlussmaße und Anschlussgeometrien des Schornsteins begrenzt auch dieses Merkmal ein Verbindungsrohr einer anspruchsgemäßen Verbindungsleitung nur in dem Maße, als das Rohr überhaupt auf oder in einen Anschlussstutzen oder eine Aufnahmeöffnung gesteckt werden können muss.
80
Als Beispiel für eine dem Merkmal M9 entsprechende „hitzebeständige Zierbeschichtung“ für die Außenflächen des Außenrohres gibt das Streitpatent u. a. eine Lackschicht an (Absatz [0020]). Die Angabe „hitzebeständig“ versteht der Fachmann mangels konkreter Temperaturangaben dahingehend, dass die Zierbeschichtung gegenüber solchen Temperaturen beständig ist, wie sie sich bei einem bestimmungsgemäßen Betrieb an den Außenflächen des Außenrohrs der gemäß Merkmal M6 isolierten Verbindungsleitung einstellen.
81
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist mangels Neuheit gegenüber dem Stand der Technik, wie er aus dem Produktkatalog „DuraTech“, Stand Oktober 2005, (D1-1) hervorgeht, nicht patentfähig.
82
Die D1-1 zeigt mit dortigem Kaminrohr (Duratech Chimney) ab S. 5 Bauteile, bestehend aus z. B. Gerad- (Chimney Pipe), S. 7, und Winkelrohren (Elbows), S. 8, für eine Verbindungsleitung entsprechend Merkmal M1, die auch geeignet sind für eine nach außen hin rauchdichte Verbindung einer Einzelfeuerstätte mit einem Schornstein (Seite 7 f.).
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83
Figuren von D1-1 S. 7: Chimney Pipe
84
Auch weist die Verbindungsleitung (Duratech Chimney) nach D1-1 ein Verbindungsrohr (Chimney Pipe) aus Metall mit durchgängiger Röhre für einen Rauchdurchlass auf (Merkmal M2). Hierzu siehe das in den Figuren auf S. 7 der D1-1 gezeigte Geradrohr (Chimney Pipe).
85
Soweit in den Merkmalen M3 und M4 gefordert ist, dass die Enden des Verbindungsrohres so geformt sind, dass
86
– das eine Ende direkt auf oder in einen Abgasstutzen aus der Einzelfeuerstätte (M3) bzw.
87
– das andere Ende direkt auf oder in einen Anschlussstutzen oder eine Aufnahmeöffnung des Schornsteins gesteckt werden kann (M4),
88
so ist auch dies, wie bereits zum Verständnis der Merkmale M3 und M4 ausgeführt, mangels konkreter Angaben zu Abmessungen und Geometrie der Stutzen bzw. der Aufnahmeöffnung durch ein Geradrohr (Chimney Pipe) wie nach D1-1, S. 7, erfüllt.
89
Wie mit der den Innenaufbau eines „DuraTech Chimney Pipe“ darstellenden Figur auf S. 2 der D1-1 gezeigt (s.u.), umfasst auch die dortige Verbindungsleitung, hier mit einem Rohrstück dargestellt, ein Innenrohr (siehe diesseitig eingetragenen obersten Pfeil) sowie ein dazu koaxiales, das Innenrohr mit radialem Abstand umgebendes Außenrohr (siehe diesseitig eingetragenen untersten Pfeil) (Merkmal M5).
90
Figur aus D1-1 S. 2
91
In obiger Figur aus D1-1, S. 2, ist auch dargestellt, dass im Zwischenraum zwischen Innenrohr und Außenrohr Isoliermaterial vorgesehen ist (siehe diesseitig eingetragenen mittleren Pfeil) (Merkmal M6). Dies wird in der D1.1 S. 2 unter „Thermal Tech Insulation“, dortiger zweiter Aufführungspunkt, auch so beschrieben, dass sich dort – eingeschlossen zwischen zwei Edelstahlwänden – eine flexible Isoliermatte befindet („Encased between dual walls of stainless steel, flexible blanket insulation permits the chimney liner to expand in the event of a creosote fire.”).
92
Ebenso aus dieser Figur (D1-1, S. 2) ist ersichtlich, dass das Innenrohr (oberster Pfeil) von einem Ende der Verbindungsleitung bis zu ihrem anderen Ende durchgängig mit radialem Abstand vom Außenrohr (unterster Pfeil) umgeben ist (Merkmal M7). Denn beide Rohre, Innen- wie Außenrohr, verlaufen offensichtlich koaxial zueinander.
93
Zwar sind Innen- und Außenrohr am sich verjüngenden – in der Figur oberen – Ende ersichtlich miteinander verbunden. Das ist aber auch bei der Erfindung so, siehe in der Streitpatentschrift Anspruch 11. Demnach ist zwischen Innenrohr und Außenrohr eine mit dem Innenrohr und dem Außenrohr verschweißte Rondelle oder ein Metallring angeordnet.
94
Dass wie nach Merkmal M8 auch in der D1-1 bei dortigem „Chimney Pipe“ der radiale Abstand zwischen Innenrohr und Außenrohr 10 bis 30 mm beträgt, ergibt sich aus D1-1 S. 7. Laut dortiger Tabelle (s.u.), Zeilen 2 und 3, beträgt der Durchmesserunterschied beim „Duratech Chimney“ zwischen Außendurchmesser B und Innendurchmesser A bei allen Ausführungen jeweils 2“, also umgerechnet 50,8 mm (1“ = 1 inch/Zoll = 25,4 mm). Der im Merkmal M8 angegebene radiale Abstand beträgt damit die Hälfte der obigen Durchmesserabstände (50,8 [mm] / 2 = 25,4 [mm]) abzüglich der jeweiligen Rohrblechdicken von je nach Ausführung 0,016“ bis 0,021“ (0,41 bis 0,53 mm), siehe D1-1 S. 2 links. Er liegt also zwischen 24 und 25 mm und damit innerhalb des vom Merkmal M8 geforderten Bereichs von 10 bis 30 mm.
95
Auszüge aus D1-1 S. 7
96
Für die in D1-1 betrachtete „Chimney Pipe“ existiert – als ansonsten baugleiche Alternative zur Ausführung in „SS = Stainless Steel“ – auch eine Variante „B = Galvalume Painted Black“ (vgl. S. 7, dortige bei den Figuren angegebene Alternativen mit SS = Stainless Steel, GA = Galvalume, B = Galvalume Painted Black). Dabei handelt es sich also um ein mit schwarzem Lack gestrichenes galvanisiertes („Galvalume“) Außenblech. Da die „Chimney Pipe“ insgesamt für Abgastemperaturen bis 2100 °F (1149 °C) geprüft und damit geeignet ist, siehe die Angabe „2100 °F“ auf S. 7 oben und die Beschreibung der Prüfbedingungen auf S. 2 unten, muss somit der schwarze Anstrich auch eine dem Merkmal M9 entsprechende hitzebeständige Zierbeschichtung sein.
97
Der Stand der Technik entsprechend der D1-1, hier die Ausführung einer „DuraTech Chimey Pipe“, nimmt somit sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 vorweg.
98
5. Die Nichtigerklärung des Patents ist gerechtfertigt, wenn sich auch nur der Gegenstand eines Patentanspruchs, wie hier des Hauptanspruchs, als nicht patentfähig erweist (BGH GRUR 2017,57 – Datengenerator; BGH GRUR 2007,862 – Informationsübermittlungsverfahren II). Einer Beurteilung der Unteransprüche 2 bis 24 bedurfte es somit nicht, weil diese nicht selbstständig verteidigt wurden. So wurde weder geltend gemacht noch ist sonst ersichtlich, dass die zusätzlichen Merkmale der Unteransprüche zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen (BGH GRUR 2012,149 – Sensoranordnung).
II.
99
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Senat hält den Streitwert für das Nichtigkeitsverfahren in der festgesetzten Höhe für angemessen, nachdem er mit Beschluss vom 15. April 2020 den Streitwert vorläufig bereits auf 250.000,– Euro festgesetzt hatte und ihm keine Anhaltspunkte vorliegen, die Anlass dafür geben, den Streitwert höher oder niedriger anzusetzen.


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