Patent- und Markenrecht

4 Ni 13/10 (EU)

Aktenzeichen  4 Ni 13/10 (EU)

Datum:
28.2.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 8. August 2013, Az: X ZR 36/12, Urteil

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 730 913
(DE 695 23 561)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Engels, die Richterin Friehe, den Richter Dipl.-Ing. Rippel, die Richterin Dr.-Ing. Prasch und den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 730 913 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise insoweit für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche 1, 3, 4 wie folgt lauten:
1. Austragsanordnung, bestehend aus einem Mehrkomponentenaustraggerät oder einer Mehrkomponentenkartusche, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche, mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln, sowie einem Mischer mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln, wobei eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweist, welche in entsprechende Klauen des anderen Bajonettbefestigungsmittels einführbar sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass die ersten Bajonettbefestigungsmittel (16, 51) am Austraggerät bzw. an der Kartusche (12, 24, 35, 42, 76, 86, 109, 138, 162, 183, 210) und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Mischer (1, 25, 38, 59, 80, 101, 130, 155, 173, 214) Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche aufweisen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreit tragen die Kläger ¾ der Kosten und die Beklagte ¼ der Kosten.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 730 913 (Streitpatent), das am 24. November 1995 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der europäischen Patentanmeldungen EP 95810144 vom 7. März 1995 und EP 95810531 vom 24. August 1995 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 695 23 561 geführt. Es betrifft eine Bayonett-Anschlussvorrichtung zum Befestigen eines Zubehörteils an einer Mehrkomponenten-Kartusche oder Spendervorrichtung und umfasst 30 Patentansprüche.
2
Die Kläger greifen mit ihrer ursprünglich gegen die Patentansprüche 3 und 4 gerichteten Klage nach Erweiterung das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 3 und 4 an und machen gegen das insoweit zuletzt ausschließlich beschränkt verteidigte Streitpatent den Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit geltend. Den zunächst geltend gemachten weiteren Nichtigkeitsgrund der fehlenden Ausführbarkeit haben sie aufgrund des mit Hinweis gem. § 83 PatG vom 18. Oktober 2011 (Bl. 69 ff d. A.) hinsichtlich der angegriffenen Patentansprüche mitgeteilten Auslegungsergebnisses fallengelassen.
3
Die angegriffenen Patentansprüche 1, 3 und 4 in der erteilten Fassung lauten in der Verfahrenssprache Englisch
4
und in der deutschen Übersetzung
5
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent ausschließlich in beschränkter Fassung.
6
Nach Ansicht der Kläger ist der Gegenstand des Streitpatents auch in der beschränkten verteidigten Fassung nicht patentfähig, insbesondere sei er nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie berufen sich insoweit auf folgende Druckschriften:
7
D1 DE 90 17 332 U1
8
D2 EP 0 431 347 B1
9
D3 DE 690 04 754 T2
10
D4 EP 0 261 466 A1
11
D5 DE 42 07 277 C1.
12
Der Senat hat zusätzlich die bereits in der Streitpatentschrift genannte US 4 767 026 A (D6) sowie die Offenlegungsschrift EP 0 431 347 A1 als D2’ in das Verfahren eingeführt, die anders als die D2 vor dem ersten Prioritätstag des Streitpatents am 12. Juni 1981 veröffentlicht wurde.
13
Die Kläger beantragen,
14
das europäische Patent 0 730 913 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3 und 4 für nichtig zu erklären.
15
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
16
die Klage abzuweisen, soweit die Patentansprüche 1, 3 und 4 in der nachfolgenden Fassung verteidigt werden:
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1. Austragsanordnung, bestehend aus einem Mehrkomponentenaustraggerät oder einer Mehrkomponentenkartusche, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche, mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln, sowie einem Mischer mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln, wobei eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweist, welche in entsprechende Klauen des anderen Bajonettbefestigungsmittels einführbar sind,
18
dadurch gekennzeichnet,
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dass die ersten Bajonettbefestigungsmittel (16, 51) am Austraggerät bzw. an der Kartusche (12, 24, 35, 42, 76, 86, 109, 138, 162, 183, 210) und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Mischer (1, 25, 38, 59, 80, 101, 130, 155, 173, 214) Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche aufweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die angegriffenen Patentansprüche in der verteidigten Fassung patentfähig sind.
21
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis gem. § 83 Abs. 1 PatG vom 18. Oktober 2011 zugeleitet. Auf Bl. 69 ff. der Akten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
22
Die nach Erweiterung gegen die Patentansprüche 1, 3 und 4 gerichtete Klage ist zulässig, jedoch im Umfang der zuletzt ausschließlich beschränkt verteidigten Patentantensprüche 1, 3 und 4 nicht begründet und insoweit abzuweisen. Denn der Senat hat nicht feststellen können, dass dem Gegenstand der angegriffenen Ansprüche in der zulässig verteidigten Fassung der Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Art. 54 und 56 EPÜ) entgegensteht, insbesondere, dass die beanspruchte Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht neu ist oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
II.
23
1. Das Streitpatent betrifft nach seinem geltenden Patentanspruch 1 eine Austragsanordnung bestehend aus einem Mehrkomponentenaustraggerät oder einer Mehrkomponentenkartusche, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche, mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln, sowie einem Mischer mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln.
24
Nach der Beschreibungseinleitung des Streitpatents besteht bei den im Stand der Technik bekannten Mischern und Kartuschen mit Mitteln zur Befestigung des Mischers an der Kartusche, bei denen der Mischer einen Bajonettverschluss mit zwei Laschen aufweist, die Gefahr, dass es zu einer gegenseitigen Verunreinigung der chemischen Komponenten kommt. Eine solche gegenseitige Verunreinigung von reaktiven chemischen Systemen kann die Kartuschenauslässe verstopfen sowie eine sich in die Kartusche fortpflanzende Reaktion verursachen.
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Die Patentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, ausgehend vom Stand der Technik eine Bajonett-Befestigungsvorrichtung zum Anschluss eines Mischers, von Verschlussmitteln oder eines beliebigen Zubehörteils, beispielsweise eines Adapters oder eines Anschlussrohrs, an einem Mehrkomponenten-Austraggerät, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche anzugeben, wobei die Ausrichtung der Einlässe des Zubehörteils bezüglich der Kartuschenauslässe in nur einer Stellung erfolgen kann, um gegenseitige Verunreinigungen zu vermeiden.
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Diese Aufgabe soll nach dem Streitpatent mit einer Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden, wobei in den weiteren angegriffenen, abhängigen Ansprüchen 3 und 4 weitere Merkmale und Verbesserungen beschrieben sein sollen.
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2. Der zulässig (abweichend von der englischen Verfahrenssprache) in deutscher Sprache beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 hat folgende Merkmale:
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1. Die Austragsanordnung besteht aus einem Mehrkomponentenaustraggerät oder einer Mehrkomponentenkartusche und einem Mischer, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche.
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1.1  Das Mehrkomponentenaustraggerät oder die Mehrkomponentenkartusche hat erste Bajonettbefestigungsmittel und der Mischer hat zweite Bajonettbefestigungsmittel.
30
1.1.1 Eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel weist Bajonettlaschen auf, welche in entsprechende Klauen an den anderen Bajonettbefestigungsmitteln einführbar sind.
31
1.1.2 Die ersten Bajonettbefestigungsmittel (16, 51) am Austraggerät bzw. an der Kartusche (12, 24, 35, 42, 75, 86, 109, 138, 162, 183, 210) und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Mischer (1, 25, 38, 59; 80; 101, 130, 155, 173, 214) weisen Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche auf.
32
Der im Merkmalsgliederungspunkt 1.1.2 enthaltene mehrdeutige Ausdruck „bzw.“ ist nach der maßgeblichen englischen Fassung K1a wegen des dort verwendeten Ausdrucks  „or“ als „oder“ zu lesen.
33
Der Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 3 beruht durch seinen Rückbezug auf den Merkmalen des Anspruchs 1 und enthält darüber hinaus noch das folgende Merkmal:
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1.1.2.1 Die Mittel zur codierten Ausrichtung bestehen darin, dass der Mischer (115) mit einem männlichen Einlass (118) und einem weiblichen Einlass (119) und die Kartusche (123) mit einem passenden weiblichen Auslass (127) und einem passenden männlichen Auslass (126) versehen ist.
35
Nach dem weiteren angegriffenen Anspruch 4 sind neben den Merkmalen des Anspruchs 1 noch die folgenden Merkmale vorgesehen:
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1.1.2.2 Die Mittel zur codierten Ausrichtung bestehen darin, dass der Mischer mit Einlässen unterschiedlicher Größe oder unterschiedlicher Querschnittsfläche und das Austraggerät bzw. die Kartusche mit entsprechenden Auslässen unterschiedlicher Größe oder unterschiedlicher Querschnittsfläche versehen sind.
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3. Als zuständiger Fachmann für die objektive und auch in der Patentstreitschrift genannte Aufgabe ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit zumindest Fachhochschulabschluss und besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Austragsanordnungen wie z. B. Misch- und Spritzvorrichtungen anzusehen.
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4. Nach dessen maßgeblichem Verständnis des Inhalts der Patentansprüche in der jeweiligen Verfahrenssprache und einer nach Art. 69 EPÜ am Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierten Betrachtung (st. Rspr. des BGH, z. B. GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit) ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welchen technischen Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt.
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Danach soll die Austraganordnung ein Mehrkomponentenaustraggerät oder eine -kartusche und einen Mischer und demnach zwei verschiedene Geräte umfassen, wobei das Mehrkomponentenaustraggerät – wie schon am Wortlaut erkennbar – der Bereitstellung von verschiedenen Komponenten dient, die anschließend z. B. in einem Mischer vermischt werden sollen. Angesprochen ist in der Streitpatentschrift hauptsächlich eine Mehrkomponentenkartusche, und zwar insbesondere eine Zweikomponentenkartusche. Eine solche Kartusche ist z. B. in der Figur 3 gezeigt, wobei dieses Ausführungsbeispiel zwei zylindrische Behälter aufweist, die in zwei getrennte Auslässe münden (vgl. K1b, Seite 10, Zeile 25 ff). Wie der Mischer aufgebaut sein kann, ist aus den Ausführungsbeispielen der Streitpatentschrift ersichtlich. Danach besteht er – wie aus Figur 1 ersichtlich – aus einem Mischergehäuse (2), in dem eine Mischwendelgruppe (3) angeordnet ist und das mit einem Mischerauslass (4) und einem Mischereinlassbereich (5) mit zwei getrennten Einlassteilen (6 und 7) versehen ist. Dabei ist vorgesehen, dass die Einlassteile (6 und 7) auf die Auslässe der Kartusche passen und mit diesen eine dichte Verbindung ergeben (Seite 9, Zielen 22 – 25; Seite 10, Zeile 32 – Seite 11, Zeile 3).
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Zum Anschluss des Mischers an dem Mehrkomponentenaustraggerät oder der Mehrkomponentenkartusche sind nach Merkmal 1.1 Bajonettbefestigungsmittel vorgesehen, und zwar erste Bajonettbefestigungsmittel an dem Mehrkomponentenaustraggerät oder der Mehrkomponentenkartusche und zweite Bajonettbefestigungsmittel an dem Mischer. Dabei soll eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweisen, die in entsprechende Klauen an dem anderen Bajonettbefestigungsmittel einführbar sind (Merkmal 1.1.1). Hierdurch wird eine schnell herstellbare und wieder lösbare Verbindung der beiden Bauteile geschaffen. Dazu dient gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 4 z. B. eine ringförmige Bajonettfassung (17) mit zwei inneren Ausnehmungen (18) und eine kreisförmige Öffnung mit zwei Bajonettaussparungen (19 und 20), die die entsprechenden Bajonettlaschen (10 und 11) des Mischers aufnehmen sollen (Seite 11, Zeilen 5 – 11). Außerdem ist nach dem kennzeichnenden Merkmal 1.1.2 des Anspruchs 1 noch als ein wesentliches Merkmal vorgesehen, dass die Bajonettbefestigungsmittel jeweils Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät oder mit der Kartusche aufweisen. Damit will das Streitpatent aufgabengemäß erreichen, dass die Ausrichtung der Einlässe des Zubehörteils bezüglich der Kartuschenauslässe in nur einer Richtung erfolgen kann, um gegenseitige Verunreinigungen zu vermeiden, damit es nicht zu einer chemischen Verunreinigung der Kartuschenauslässe kommen kann, wenn Mischer oder Verschlussstopfen in die korrekte Stellung gebracht werden (Seite 3, Zeilen 1 – 16).
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Der Senat hat bereits in seinem qualifizierten Hinweis vom 18. Oktober 2011 darauf hingewiesen, dass aufgrund der gebotenen Auslegung von Patentanspruch 1 insbesondere auch im Zusammenhang mit den Patentansprüchen 3 und 4 die in Merkmal 1.1.2 zusätzlich beanspruchten Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät oder der Kartusche zwar Bestandteile der Bajonettbefestigungsmittel sind, d. h. sie bilden mit diesen eine körperliche Einheit. Daraus folgt aber nicht, dass die Mittel zur codierten Ausrichtung zwingend an den „eigentlichen“ Bajonettelementen (insbesondere an den Bajonettlaschen bzw. Bajonettklauen) angebracht sein müssen. Vielmehr ist es ausreichend, dass sie – zusammen mit den übrigen Bajonettbefestigungselementen – (irgendwo) am Austraggerät oder an der Kartusche angebracht sind. Denn aus den in der Streitpatentschrift dargestellten Möglichkeiten zur codierten Ausrichtung ist ersichtlich, dass die in Merkmal 1.1.2 genannten Mittel zur codierten Ausrichtung sehr breit zu verstehen sind und insbesondere auch im Bereich außerhalb der Bajonettbefestigungsmittel, wie z. B. den Auslässen der Kartusche und den Einlässen des Mischers, vorgesehen sein können (vgl. Figuren 33 und 34 oder Figur 32). Vor allem die letzteren Ausgestaltungen veranlassen den Fachmann nach Überzeugung des Senats dazu, die Beschreibung so zu verstehen, dass eine derart weite Auslegung des Merkmals 1.1.2 des Patentanspruchs 1 enthalten ist. Der Senat teilt deshalb das bereits im Urteil des LG Düsseldorf vom 26. November 2009 (Anlage B1) S. 17 f .dargelegte Verständnis, dass auch die Ein- und Auslässe, sofern sie durch ihre Ausgestaltung zur axialen Steckbewegung beitragen, zu den Bajonettbefestigungsmitteln gemäß der technischen Lehre des Streitpatents zählen und zugleich – wie Figur 32 deutlich belegt – Mittel zur codierten Ausrichtung nach Merkmal 1.1.2 darstellen. Wie das LG Düsseldorf zutreffend ausgeführt hat, stehen insbesondere nur bei einem derartigen Verständnis die in den Patentansprüchen 3 und 4 beanspruchten Ausgestaltungen nicht in Widerspruch zur Lehre nach Patentanspruch 1. Denn nach Merkmal 1.1.2.1 in Patentanspruch 3 bestehen die Mittel zur codierten Ausrichtung in zueinander passenden männlichen bzw. weiblichen Ein- und Auslässen. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um Auslass- oder Einlassöffnungen, sondern um die gesamte Aus- oder Einlassgeometrie, d. h. z. B. um den gesamten Auslassstutzen. Somit ergibt eine Zusammenschau der Merkmale des Anspruchs 3 mit denen des Anspruchs 1, dass die ersten, codierte Mittel aufweisenden Bajonettbefestigungsmittel an einer der Auslassgeometrien (männlich oder weiblich) oder an beiden Auslassgeometrien der Kartusche angeordnet sein können. Entsprechendes gilt für die zweiten Bajonettbefestigungsmittel. Entsprechendes gilt auch für Patentanspruch 4.
III.
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Der jeweilige Gegenstand der Patentansprüche 1, 3 und 4 in der verteidigten Fassung erweist sich als patentfähig, insbesondere ist er neu und durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch nicht nahe gelegt.
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1. Die angegriffenen Patentansprüche 1, 3 und 4 sind zulässig geändert, was die Kläger auch nicht infrage gestellt haben. Der danach geltende Patentanspruch 1 geht auf den erteilten Anspruch 1 gemäß EP 0 730 913 B1 (K1a) und den Anspruch 5 der ursprünglich eingereichten Unterlagen (veröffentlicht als EP 0 730 913 A1) zurück. Die weiterhin noch angegriffenen Ansprüche 3 und 4 sind gegenüber der erteilten Fassung unverändert geblieben.
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2. Die streitpatentgemäße Austragsanordnung nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu.
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2.1. So zeigt die von den Klägern herangezogene Druckschrift D1 nur eine teilweise übereinstimmende Austragsanordnung. Diese besteht aus einem Mehrkomponentenaustraggerät – nämlich zwei in einer schalenförmigen Aufnahme (11) angeordnete Kartuschen (12) und (13) – und einem Mischer (Mischkopf (14) mit Mischelementen (19)) entsprechend Merkmal 1 gemäß vorstehender Merkmalsgliederung des Anspruchs 1. Das Mehrkomponentenaustraggerät und der Mischer weisen in dem Bereich, wo sie aneinander befestigt sind, zudem bereits Mittel zur codierten Ausrichtung auf.
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Figur 1
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2.2. Selbst wenn man insoweit der Auffassung der Klägerin folgen wollte, ist es jedenfalls dem Offenbarungsgehalt der D1, insbesondere auch der Figur 1, nicht zu entnehmen, dass der Mischer über Bajonettlaschen mit den Klauen an den Kartuschen verbindbar ist. Denn dies setzt bereits eine besondere Ausgestaltung des Mischergehäuses mit zwei Laschen voraus, damit der Mischer überhaupt mit den streitpatentgemäßen Klauen des einen Bajonettbefestigungsmittels durch axiales Aufsetzen und anschließendes Verdrehen verbindbar ist. Dieses typische Darstellungsmerkmal einer Bajonettlasche, wonach zumindest zwei Laschen aus dem Umfang des unteren Endes des Mischergehäuses hervorragen müssen (wie in Figur 2 der Streitpatentschrift K1a bzw. K1b dargestellt), ist der unteren Begrenzung des Mischergehäuses in der Figur 1 und der Figur 3 der D1ersichtlich nicht zu entnehmen. Dort ist eine untere Abschlussplatte des Mischkopfs (14) mit Einlassöffnungen dargestellt, die in Figur 3 den gleichen Durchmesser aufweist wie in der Figur 1 und demnach sogar möglicherweise eine kreisrunde Form hat, so dass an dieser von Klauen der Kartuschen umfassten Platte für den Fachmann zumindest keine Laschen und folglich am Mischer keine zweiten Bajonettbefestigungsmittel offenkundig geworden sind.
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Figur 3
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Aus diesem Grund bedarf es für die Merkmale 1.1, 1.1.1 und 1.1.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weiterer, durch das Fachwissen getragener Überlegungen sowie einer fachmännischen Auswahl, so dass insoweit schon keine Selbstverständlichkeit gegeben ist, die „mitgelesen“ wird.
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2.3. Zudem offenbart die D1 keine weitere Ausgestaltung gemäß dem Merkmal 1.1.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, in dem Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät oder der Kartusche an den ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmitteln gefordert sind. Die Einlassöffnungen in der Abschlussplatte des Mischkopfs (14) der D1 sind zwar gemäß Figur 1 rohrförmig ausgebildet und weisen unterschiedliche Durchmesser auf. Diese dienen aber dazu, verschieden große Mengen an Substanzen aus den Kartuschen dem Mischer zuzuführen, wobei die rohrförmigen Ansätze der Abdichtung beim Übergang zu den Kartuschen dazu dienen, dass keine reaktiven Substanzen seitlich aus den Kartusche austreten können. Dadurch mag zwar eine codierte Ausrichtung der Abschlussplatte des Mischkopfs (14) zu den Kartuschen erreicht werden, der Fachmann erhält aber allein durch die Darstellung noch keine unmittelbare Kenntnis von der Lehre des Merkmals 1.1.2, wonach die ersten Bajonettbefestigungsmittel am Austraggerät bzw. an der Kartusche und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Mischer Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche aufweisen.
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Nach alledem lässt sich zusammenfassend feststellen, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem aus der Druckschrift D1 bekannten Gegenstand neu ist.
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2.4. Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften weisen ebenfalls nicht sämtliche Merkmale der noch beanspruchten Gestaltung auf und können deshalb die Neuheit des beanspruchten Gegenstands nicht in Frage stellen.
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Denn in der Figur 1 sind die Kartuschenauslässe am vorderen Ende der Kartuschen als Auslassrohre mit unterschiedlichen Durchmessern und die Mischereinlässe dementsprechend ebenfalls mit Einlassrohren unterschiedlicher Durchmesser dargestellt, wobei die Einlassrohre in die entsprechend großen Kartuschenauslassrohre eingefügt sind. Dies entspricht dem Fall, dass der Mischer nur in einer Stellung mit den Kartuschen (12) und (13) verbindbar ist (Seite 4, Zeilen 19 – 32). Weitere Gemeinsamkeiten zwischen der – nach Auffassung der Klägerin neuheitsschädlichen – Druckschrift D1 und dem Streitpatentgegenstand kann der Senat jedoch nicht erkennen. Denn die Druckschrift D1 spricht an keiner einzigen Textstelle Bajonettbefestigungsmittel an und kann dem Fachmann auch in den Figuren 1 bis 3 keine Bajonettbefestigungsmittel aufzeigen (vgl. Merkmalskomplex 1.1).
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Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, die in der Figur 1 der D1 dargestellte Verbindung des Mischers (14) mit den Kartuschen (12, 13) zeige eine Bajonettverriegelung mit Klauen am Mehrkomponentenaustraggerät (Kartuschen (12) und (13)), in die die Bajonettlaschen des Mischers (14) eingeführt sind, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen.
56
Insoweit könnte allenfalls die in Merkmal 1.1.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents angeführte Bajonettklaue der Figur 1 der D1 zu entnehmen sein, obwohl eine solche an keiner Stelle der Druckschrift D1 wörtlich angesprochen ist und nur die Darstellung in Figur 1 am vorderen Ende der Kartuschen dazu einen Diskussionsansatz bietet. Da eine Klaue in Form eines rechtwinkeligen Bauteils aber den Mischer auf beliebige Weise halten kann, ist nach Auffassung des Senats ohne Ergänzung durch Fachwissen und ohne Kenntnis der Erfindung alleine die Darstellung eines klauenartigen Bauteils in der Figur 1 der D1nicht geeignet, dem Fachmann eindeutig und zweifelsfrei eine Klaue eines Bajonettbefestigungsmittels zu offenbaren. Damit fehlt es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung (BGHZ 179, 168 ff., RdNr. 25 – Olanzapin,). Richtig ist zwar, dass über den reinen Wortlaut hinaus die Offenbarung auch erfasst, was aus der Sicht des Fachmanns nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGHZ a. a. O, RdNr. 26 m. w. N.). Hinzu kommt, dass in der D1 weder in der Beschreibung noch in den Patentansprüchen etwas zu der Bedeutung des rechtwinkeligen Bauteils an den beiden Kartuschen ausgeführt worden ist. Zwar sind Bajonettklauen an Austragsanordnungen wie Kartuschen dem Fachmann bekannt. Um zur patentgemäßen Ausgestaltung zu gelangen, müsste er aber das in der D1 Offenbarte durch sein Fachwissen ergänzen.
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3. Die Austraganordnung nach dem verteidigten Patentanspruch 1 war dem Fachmann durch den aufgezeigten Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
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3.1. Den Ausgangspunkt des Standes der Technik, den der Fachmann bei seinem Bemühen um eine objektive Problemlösung heranzog, wie sie auch im Streitpatent angesprochen ist, bildet nach Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Ausführungen in den Absätzen [0002] und [0003] der Streitpatentschrift K1a die eingangs in der Beschreibungseinleitung erläuterte US 4 767 026 (D6), deren Ausführungsbeispiel nach Figuren 1 bis 3nachfolgend wiedergegeben ist:
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Demnach zeigt die D6 eine Austraganordnung bestehend aus einem Mehrkomponentenaustraggerät (dispensing device (1)) oder einer Mehrkomponentenkartusche (cartridge with two barrels (2)) mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln und einem Mischer (static mixer unit (10)) mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln entsprechend den Merkmalen 1 und 1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents (vgl. Spalte 1, Zeilen 5 – 8; Spalte 2, Zeile 63 – Spalte 3, Zeile 17; Figuren 1 – 3). Die ersten Bajonettbefestigungsmittel sind an einer Basisplatte (base plate (7)) angeordnet und werden von zwei gegenüberliegenden Klauen (claws (8)) gebildet, wobei die Basisplatte (7) die Austrittsöffnung (orifice (6)) der Kartusche (2) wie ein Kragen umgibt.
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Die zweiten Bajonettbefestigungsmittel befinden sich am Mischer und sind dort im Eingangsbereich eines Mischerrohres (mixing tube (11)) als abstehender Flansch (flange 12) ausgebildet (Figur 3). Zur Verbindung des Mischers (10) mit der Kartusche (2) wird das Mischerrohr – in einer um 90º versetzten Position zu Figur 3 – zwischen die in Figur 2 gezeigten Klauen (8) auf die Basisplatte (7) gesetzt (vgl. Figur 2) und anschließend um eine Vierteldrehung bzw. um 90º verdreht, wodurch die Enden des Flanschs (12) in die Klauen (8) eingeführt werden (Spalte 3, Zeilen 4 – 17). Folglich wird auch in der D6 eine Bajonettverbindung von Mischer und Kartusche durch axiales Aufstecken und Verdrehen des Mischers entsprechend Merkmal 1.1.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents erreicht, wobei eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweist – dort gebildet von den Enden des Flansches (12), die in entsprechende Klauen (8) an den anderen Bajonettbefestigungsmitteln einführbar sind.
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Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche (Merkmal 1.1.2)sind in der D6 für die ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmittel hingegen nicht aufgezeigt, wie die Kläger auch nicht geltend gemacht haben. Dadurch können die Kartuschenauslässe und Mischereinlässe der D6 – anders als bei der streitpatentgemäßen Anordnung – zueinander um 180º verdreht verbunden werden. Dies kann an der Schnittstelle zwischen Kartusche und Mischer eine Verschleppung von unterschiedlichen chemischen Komponenten von einem Kartuschenauslass zum anderen und von einem Mischereinlass zum anderen zur Folge haben, so dass die verschiedenen Substanzen letztlich auch von einer Kartusche in die andere Kartusche gelangen können, wenn der Mischer entfernt wird und noch Komponenten in der Kartusche sind, die zu einem späteren Zeitpunkt verbraucht werden sollen.
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Die D6 ordnet aber eine Trennwand (baffle (4)) zwischen den Kartuschenauslässen an, die sich bis zu dem ersten Mischerelement (inlet edge 15) erstreckt, damit während des Mischbetriebs die Komponenten nicht aus dem Mischer in ein anderes, falsches Kartuschenrohr (barrels (2)) zurückströmen und dort vorzeitige chemische Reaktionen hervorrufen können (Spalte 3, Zeilen 1 – 4 u. 40 – 45; Figur 1). Mithin fasst sie nicht das Verhindern von Querkontamination ins Auge, sondern entsprechend ihrer gestellten Aufgabe das Verhindern von Rückströmungen (drawbacks) aus dem Mischer in die Kartusche (Spalte 1, Zeilen 25 – 48). Folglich konnte die D6 dem Fachmann keine Anregung zu der im Anspruch 1 des Streitpatents beschriebene Lehre bieten, Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers zu der Kartusche oder dem Austraggerät für die ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmittel vorzusehen (Merkmal 1.1.2), um eine gegenseitige Kontamination der Ein- und Auslässe von Mischer und Kartusche zu vermeiden.
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3.2. Ein Naheliegen der vom Patentanspruch 1 erfassten Lehre des Streitpatents ergab sich auch nicht, wenn der Fachmann von einem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 ausging.
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Wie bereits vorstehend (III.2.) zur Beurteilung der Neuheit im Einzelnen ausgeführt wurde, weist die Druckschrift D1 selbst bei unterstelltem fachmännischen Erkennen („Mitlesen“) einer Bajonettklaue nach Merkmal 1.1.1 zumindest keinerlei Offenbarungsgehalt hinsichtlich des weiteren Merkmals einer Bajonettlasche in Merkmal 1.1.1 auf und kann damit auch keine Offenbarung von ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmitteln nach Merkmal 1.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufzeigen. Der Offenbarungsgehalt der D1 kann deshalb dem Fachmann auch keinerlei Anregung zur Schaffung einer streitpatentgemäßen Anordnung gemäß Patentanspruch 1 als Problemlösung geben. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der in der Figur 1 der D1 gezeigten unterschiedlich großen Austrittsöffnungen der beiden Kartuschen (12) und (13) und erst abzuleitenden Weiterentwicklungen der hierdurch erhaltenen technischen Information. Denn selbst wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens aus der Darstellung in der Figur 1 der D1 entsprechende Schlussfolgerungen auf Befestigungsmittel ziehen würde und möglicherweise angeregt wäre, für die aus Figur 1 ersichtlichen Befestigungsmittel an den Kartuschen und dem Mischer Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers zu den Kartuschen (12) und (13) vorzusehen, erhielte er – wie in Abschnitt 2.3. im Einzelnen begründet – zumindest keine Hinweise auf eine Bajonettverbindung mit ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmitteln entsprechend Merkmal 1.1.1 und auch keine Hinweise auf eine technische Lösung gemäß dem Merkmal 1.1.2. Aus diesem Grund kann die Druckschrift D1 den Fachmann nicht dazu anregen, eine Austraganordnung mit einer Kartusche und einem Mischer mit Bajonettbefestigungsmitteln entsprechend den Merkmalen 1.1 bis 1.1.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auszugestalten.
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3.3. Auch die Kombination der D6 mit der Offenbarung der Druckschrift D1 unter zusätzlicher Berücksichtigung seines Fachwissens konnte den Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Streitpatentgegenstand führen. Denn in beiden Druckschriften fehlt jegliche Anregung zu einer Ausgestaltung von Mitteln zur codierten Ausrichtung gemäß Merkmal 1.1.2.
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So zeigt die D1 in den Figuren 1 und 2 eine Austraganordnung mit einem Mischer, der eine untere Platte mit verschieden großen, rohrförmig ausgebildeten Eintrittsöffnungen aufweist, wobei die Platte sowohl in der Draufsicht nach Figur 1 als auch in der Seitenansicht nach Figur 3 die gleiche Größe aufweist. Folglich kann der Fachmann der Darstellung in der Figur 1 höchstens entnehmen, dass der Mischer mit der unteren Mischerplatte durch Druck von oben in die Kartuschenklauen einsetzbar ist – ähnlich einer Feder- oder Schnappverbindung, aber nicht im Sinne einer Bajonettverbindung durch ein axiales Aufstecken zwischen die Klauen ohne Widerstand und eine anschließende Drehbewegung zum Einführen der Platte in die Klauen. Für den Fachmann bestand keinerlei Veranlassung, die verschieden großen Austrittsöffnungen an den Kartuschen und die entsprechend verschieden großen Eintrittsöffnungen am Mischer auf die Austraganordnung in der D6 zu übertragen, da dort die Kartuschenauslässe bereits durch eine Trennwand (baffle (4)) getrennt waren, die sich in das Mischerrohr hinein bis zu den Mischerelementen erstreckte (Figur 1). Mit dieser Lösung erreichte er eine Abschottung der beiden Komponenten bis in den Bereich der Mischerelemente (14) und (16) hinein, um während des Betriebs eine Rückströmung (draw back) der Komponenten aus dem Mischer in ein anderes Kartuschenrohr (barrels (2)) zu vermeiden (Spalte 1, Zeilen 25 – 48, i. V. m. Spalte 3, Zeilen 1 – 4 u. 40 – 45). Daher bot die D6 keine Anregung, den eingeschlagenen Lösungsweg zu verlassen und nach anderen Lösungen zu suchen.
67
3.4. Auch die Druckschrift D2’ konnte dem Fachmann die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht nahe legen. Denn die D2’ betrifft anders als das Streitpatent hauptsächlich einen Mündungsverschluss für eine Mehrkomponentenkartusche und nimmt nur im Zusammenhang mit einer axialen Rastverbindung durch einen Bajonettsockel und damit einer völlig anderen Verbindungsart als im Streitpatent Bezug auf Befestigungsmittel für einen Mischer (Spalte 1, Zeilen 1 – 6; Spalte 4, Zeilen 22 – 26).
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3.4.1. So ist in dem ersten Ausführungsbeispiel der Druckschrift D2’ nach den Figuren 1 bis 3 ein Mündungsverschluss (20) beschrieben, der mindestens zwei von einem gemeinsamen Sockel abstehende, parallele Stopfen (14) aufweist, die dem Querschnitt der nebeneinander liegenden Austragskanäle (4) im Mündungsstutzen der Kartusche angepasst sind (Spalte 3, Zeilen 30 – 33 und 41 – 44; Figuren 2 und 3), damit der Mündungsverschluss (20) einen sicheren Verschluss der Mündungskanäle vom Abfüllen der Kartusche an während der gesamten Lagerzeit bis zur Verwendung des Kartuscheninhalts gewährleistet und vor allem auch eine gegenseitige Berührung der Materialkomponenten im Mündungsbereich der Kartusche verhindern kann (Spalte 3, Zeile 57 – Spalte 4, Zeile 6).
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Um den Mündungsverschluss (20) sicher zu befestigen, sind bei dem ersten in  den Figuren 1 bis 3 der D2’ beschriebenen Ausführungsbeispiel am Rand des Sockels (Griffplatte (11)) zwei parallel zu den Stopfen (14) verlaufende Schenkel (17) angeformt, die quer zu den Stopfen (14) federn können und an den Enden Rastnocken (18) aufweisen, um sog. Ankermittel zu bilden, die zum Eingriff an der Kartusche bestimmt sind (Spalte 4, Zeilen 13 – 18). Dazu sind auf der Stirnseite der Kartusche beidseits des Mündungsstutzens (3) sogenannte Bajonettsockel (7) angeformt, mit denen die Ankermittel (17, 18) zusammenwirken, um den Verschlussdeckel zu sichern (Spalte 4, Zeile 18 – 21). Beim Aufsetzen des Mündungsverschlusses (20) werden die Stopfen (14) in die Austragkanäle (4) der Kartusche axial eingeführt, wobei die Rastnocken (18) außerhalb der Austragkanäle unter Durchfederung der Schenkel (17) über die Bajonettsockel (7) gleiten und schließlich hinter diesen einrasten, wodurch die Unterseite der Griffplatte (11) gegen die Stirnseite (6) des Mündungsstutzens (3) gehalten wird (Spalte 4, Zeilen 27 – 35).
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Da der Querschnitt der Stopfen (14) und ebenso der Querschnitt der Austragskanäle (4) jeweils unsymmetrisch ausgebildet sind, wie aus den Figuren 1 und 2 ersichtlich ist (vgl. untere waagerechte Linie der Querschnittsform der Stopfen und der Austragskanäle), soll auch dort ein vertauschtes Einsetzen der Stopfen (14) in die Kanäle (4) verhindert werden. Demnach sind in der D2’ Mittel zur codierten Ausrichtung vorgesehen, damit an den Stopfen anhaftender Kartuscheninhalt beim Wiedereinsetzen der Stopfen nicht mit der jeweils anderen Materialkomponente in Berührung kommen kann, wie die D2’ in Spalte 5, Zeilen 27 – 42, beschreibt.
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Im Zusammenhang mit dem ersten Ausführungsbeispiel führt die Druckschrift D2’ in der Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 21 bis 26, weiterhin aus, dass die Bajonettsockel (7) bekanntermaßen dazu dienen, später beim Austragen des Inhalts der Kartusche durch die Kanäle (4) insbesondere das Rohr eines statischen Mischers in Verlängerung des Mündungsstutzens (3) festzuhalten. Mit dieser Textstelle ist aber entgegen den Ausführungen der Kläger nicht zugleich ausgesagt, dass ein aufzusetzender Mischer mit einer Bajonetthülse versehen ist, die dann drehbar zum Mischrohr ist. Denn in dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 3 ist eine andere Befestigungsart zur Befestigung des Verschlussteils an der Zweikomponentenkartusche beschrieben, die keine Bajonettverbindung im Sinne des Streitpatents nach Merkmal 1.1.1 bildet, in dem Bajonettlaschen durch Drehung in entsprechende Klauen an dem anderen Bajonettbefestigungsmittel einführbar sind.
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3.4.2. Anders als bei der streitpatentgemäßen Befestigungsart nach Merkmal 1.1.1 zeigt der Sockel des bekannten Verschlussmittels nach der Druckschrift D2’ federnd nachgiebige Schenkel, die an den freien Enden Rastnocken aufweisen, damit die zwei parallelen Stopfen (14) in axialer Richtung in die Austragskanäle (4) eingeführt und anschließend dort fixiert werden können.
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Dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 3 der Druckschrift D2’ können also neben dem Merkmal 1 allenfalls noch Mittel zur codierten Ausrichtung des Mündungsverschlusses mit der Austragkartusche entnommen werden, nicht jedoch die Merkmale 1.1.1 und 1.1.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, da der Mündungsverschluss keine Bajonettlaschen aufweist, die – durch Drehung – in Bajonettklauen einführbar sind. Demnach konnte die Ausführungsform eines Mündungsverschlusses nach den Figuren 1 bis 3 in der Druckschrift D2’ dem Fachmann keinerlei Anregungen zu Bajonettbefestigungsmitteln mit Codiermitteln entsprechend Merkmal 1.1.2 des Anspruchs 1 des Streitpatents vermitteln. Folglich konnte das Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 3 der D2’ den Fachmann auch nicht dazu anregen, bei der bekannten Austraganordnung nach der US 4 767 026 die Bajonettbefestigungsmittel entsprechend Merkmal 1.1.2 auszugestalten, um zur Lösung nach dem verteidigten Patentanspruch 1 zu gelangen.
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3.4.3. Dies gilt auch für die in dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 7 und 8 offenbarte Lehre. Der hier zweiteilig ausgebildete Mündungsverschluss weist zur Ausbildung einer Bajonettbefestigung einen feststehenden ersten Teil mit einem Sockel (11b) und zwei abstehenden Verschlussstopfen (14) und einen drehbaren zweiten als Riegel (21) ausgebildeten Teil mit zwei einander diametral gegenüberliegenden Bajonettankern (23) auf, der den feststehenden Teil übergreift und auf diesem mittels Zentriernocken (26) drehbar gelagert ist (Spalte 6, Zeilen 9 – 19). Die Bajonettanker sind mit Ansätzen (24) versehen, die zum Hintergreifen der Bajonettsockel (7) an der Kartusche (10) bestimmt sind (Spalte 6, Zeile 17 – 21). Wenn der Riegel (21) sich in der in Fig. 8 strichpunktiert angedeuteten Stellung befindet, können die Stopfen (14) in die Austragkanäle axial eingesetzt und anschließend die Ansätze (24) der Bajonettanker durch Drehung des Riegels um 90º unter die Bajonettsockel (7) eingeführt werden, um den Mündungsverschluss (20b) an der Kartusche 10 sicher zu verankern (Spalte 6, Zeilen 23 – 28).
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Der Anspruch 12 der Druckschrift D2’ lässt durch seinen Rückbezug auf Anspruch 8 zudem erkennen, dass auch bei diesem Mündungsverschluss der den Austragkanälen angepasste Querschnitt der Stopfen eine Unsymmetrie aufweisen kann, wie sie bereits zu dem Mündungsverschluss nach den Figuren 1 und 2 beschrieben ist. Daraus ist ersichtlich, dass auch bei dem Mündungsverschluss nach den Figuren 7 und 8 ein vertauschtes Einsetzen der Stopfen in die Austragskanäle (4) durch eine unsymmetrische Codierung vermieden wird.
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Diese Ausführungsform eines Mündungsverschlusses konnte dem Fachmann die Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht nahe legen. Denn das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann insbesondere nicht schon deshalb als nahe gelegt bewertet werden, weil lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Diese Wertung setzt vielmehr voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH GRUR 2010, 487 – einteilige Öse). Ein solcher Anlass oder eine solche Anregung ist aber bei der zweiteilig ausgebildeten Ausführungsform eines Mündungsverschlusses (20b) nach den Figuren 7 und 8 nicht ersichtlich, um die daraus bekannten Merkmale von ersten und zweiten Bajonettbefestigungsmitteln und Codiermitteln ohne Weiteres auf einen Mischer übertragen zu können. Zum einen ist ein Mischer im Zusammenhang mit der Ausführungsform eines Mündungsverschlusses (20b) nach den Figuren 7 und 8 in der D2’ nicht beschrieben, so dass die D2’ dem Fachmann dadurch keinen Hinweis geben konnte, einen Mischer entsprechend auszugestalten. Zum anderen kann die aufgezeigte Ausführungsform eines Mündungsverschlusses (20b) nicht ohne weiteres auf einen Mischer übertragen werden, da bei der Verbindung mit einem Mischer die Austragkanäle der Kartusche nicht verschlossen werden, sondern offen bleiben sollen, was eine andere Ausgestaltung voraussetzt.
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3.4.4. Auch lässt sich die Ausführungsform einer Bajonettbefestigung nach den Figuren 7 und 8 entgegen den Ausführungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht ohne Weiteres in nahe liegender Weise auf eine Austraganordnung zur Befestigung eines Mischer, wie sie aus der D6 bekannt geworden ist, übertragen, da für den Fachmann die aufgezeigten Bajonettbefestigungsmittel in der D2’ ausschließlich dafür gebaut und geeignet sind, Kartuschenauslässe zu verschließen und den Mündungsverschluss (20b) an der Kartusche 10 zu verankern (Spalte 6, Zeilen 28 – 29). Die bekannten Merkmale des Mündungsverschlusses lassen sich nicht einfach auf eine Befestigungsvorrichtung für einen Mischer übertragen, da dafür weitere Umkonstruktionen insbesondere im Einlassbereich des Mischerrohres erforderlich sind, um die Bajonettbefestigungsmittel mit Codiermitteln entsprechend Merkmal 1.1.2 zu schaffen und zur Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents gelangen zu können. Dazu wäre im Eingangsbereich des Mischers jedenfalls die Schaffung von Eintrittsöffnungen oder -kanälen erforderlich, die den asymmetrisch ausgebildeten Austragkanälen angepasst sind, um eine Codierung zu erzielen. Der Fachmann hatte mithin keinen Anlass, die mit dem geltenden Anspruch 1 beanspruchte Lösung zur Umsetzung des in D2’ offenbarten Lösungsprinzips für einen Mündungsverschluss ins Auge zu fassen und bei der Austragsanordnung nach der D6 zu verwirklichen.
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3.4.5. Auch hatte der Fachmann ausgehend von der D1 keine Veranlassung die in der Druckschrift D2’ angeregte Zweiteilung des Mündungsverschlusses als Voraussetzung für die streitpatentgemäße Austraganordnung in Betracht zu ziehen, weil dies dem gesamten Mischeraufbau der D1 widersprechen würde. Denn die gesamte Druckschrift D1 zeigt einen Mischkopf mit einem über eine Mischerwelle (18) angetriebenen Mischerelement (19), wobei das Mischergehäuse fest mit einer unteren Einlassplatte verbunden ist und diese übergreift, wobei die Einlassplatte unterschiedlich große Einlassrohre aufweist, die an unterschiedlich große Auslassöffnungen der beiden Kartuschen angepasst sind, um unterschiedlich große Austragmengen auszubringen. Dies ist insbesondere aus den Figuren 1 und 3 deutlich ersichtlich ist (Seite 4, Zeilen 28 – 32). Demgegenüber weist bei der D2’ der Mündungsverschluss nach dem zweiten Ausführungsbeispiel (Figuren 7 und 8) ein erstes festes Teil mit den Stopfen zum Verschließen der Kartuschenauslassrohre und ein dieses übergreifendes zweites drehbares Teil mit Bajonettankern zur Durchführung einer Drehbewegung für den Bajonettverschluss auf. Für den Fachmann ist es nicht zweckmäßig, den drehbaren Teil des Mündungsverschlusses in der Figur 7 der D2’ auf den feststehenden Mischkopf nach der D1 zu übertragen, da dort nur die Mischerwelle (18) mit den Mischerelementen (19) drehbar ist, nicht jedoch der Mischkopf mit den unteren Einlassrohren.
79
Daher führt auch das von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, einer Umkehrung von Stopfen und Mischer bei der D2’ und einer analogen Übertragung der Merkmale des Stopfens auf den Mischer nach der D1 selbst bei einer weitgehenden Berücksichtigung des fachmännischen Wissens nicht zur Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents. Diese Betrachtung beruht vielmehr nach Überzeugung des Senats auf einer unzulässigen ex-post-Betrachtung in Kenntnis der Erfindung und berücksichtigt nicht, dass erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen mögen (BGH GRUR 2009, 1039, Tz. 20 – Fischbissanzeiger). Auch hierzu bedarf es vielmehr zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Hinweise oder Anregungen oder sonstiger Anlässe auf dem Weg zu der Erfindung.
80
3.4.6. Auch die erste Ausführungsform eines Mündungsverschlusses nach der D2’ (vgl. Figuren 1 bis 3) konnte dem Fachmann weder eine Anregung noch einen Anlass vermitteln, bei einer zusammenschauenden Betrachtung mit der D1 die Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents aufzufinden, da bei dieser Ausführungsform – ähnlich wie in der D1 – nur axiale Befestigungsmittel (vgl. Rastnocken (18)) ersichtlich sind. Dazu bedurfte es vielmehr weiterer Schritte.
81
3.5. Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften, insbesondere die zu Codiermitteln angeführte D3 und die zum Fachwissen bezüglich Bajonettverbindungen angeführte D5, wurden von den Klägern in der mündlichen Verhandlung zu dem Gegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 nicht mehr aufgegriffen. Sie liegen vom Streitpatentgegenstand weiter ab und stehen daher seiner Patentfähigkeit nicht patenthindernd entgegen. Die mit dem geltenden Anspruch 1 beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.
82
Demnach war der Fachmann auch nicht aus dem Stand der Technik dazu veranlasst, die streitpatentgemäßen Maßnahmen zu ergreifen, um gegenseitige Verunreinigungen der Kartuschenauslässe und Mischereinlässe bei Bajonettverbindungen zu vermeiden.
83
Der Patentanspruch 1 hat somit in seiner beschränkt verteidigten Fassung Bestand.
84
4. Die ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 3 und 4 werden vom Hauptanspruch 1 getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte.
IV.
85
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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