Patent- und Markenrecht

5 Ni 31/20 (EP)

Aktenzeichen  5 Ni 31/20 (EP)

Datum:
2.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:020222U5Ni31.20EP.0
Spruchkörper:
5. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 393 259
(DE 60 2008 045 808)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 2. Februar 2022 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Werner M. A. sowie die Richter Dipl.-Ing. Albertshofer, Dipl.-Phys. Univ. Bieringer und Dr.-Ing. Ball
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland am 29. April 2008 angemeldete europäischen Patents 2 393 259 (Streitpatent = Anlage K2), das die Prioritäten vom 28. Juni 2007 aus US 937552 P, vom 19. Oktober 2007 aus US 999619 P und vom 8. Februar 2008 aus US 28400 in Anspruch nimmt. Der Hinweis auf Erteilung des Streitpatents ist am 17. August 2016 veröffentlicht.
2
Das in englischer Sprache gefasste Streitpatent ist in Kraft und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 60 2008 045 808.3 geführt. Es trägt die Bezeichnung
3
„Telecommunication and multimedia management method and apparatus“
4
(auf Deutsch laut Streitpatentschrift:
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„Telekommunikations- und Multimediaverwaltungsverfahren und -vorrichtung“)
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und umfasst in der erteilten Fassung zwölf Patentansprüche, die die Klägerin mit der am 13. August 2020 eingereichten Nichtigkeitsklage im Umfang der Patentansprüche 1, 5, 7, 8, 10, 11 und 12 teilweise angegriffen hat.
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Der erteilte unabhängige Patentanspruch 1 lautet gemäß Streitpatentschrift:
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8
Die Patentansprüche 5, 7, 8, 10, 11 und 12 sind unmittelbar oder mittelbar rückbezogen auf Patentanspruch 1; wegen ihres Wortlauts wird auf die Akte verwiesen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei unzulässig erweitert und wegen des Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit, mangelnder Neuheit und insbesondere mangelnder erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären.
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Den Einwand der fehlenden Patentfähigkeit stützt sie auf die Entgegenhaltungen (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klägerin):
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K5    
WO 2006/121550 A2 („Atarius“)
K6    
US 2006/0003740 A1 („Munje“)
K7    
US 2004/0119814 A1 („Clisham“)
K8    
US 2002/0073205 A1 („Mostafa“)
K9    
US 2004/0013192 A1 („Kennedy“)
K10     
US 2007/0004391 A1 („Maffeis“)
K11     
WO 2004/031976 A1 („Kirkpatrick“)
K13     
US 2006/0085515 A1 („Kurtz“)
15    
Anlagenkonvolut zu „Push to talk over Cellular (PoC)“, umfassend OMA-AD_PoC-V1_0-20050805-C vom 5. August 2005, draft-allen-sipping-poc-p-headers-00 vom 17. November 2004 und draft-allen-sipping-poc-p-answer-state-header-03 vom 7. April 2006, und US 6 865398 B2 („Mangal“)
K16     
Anlagenkonvolut zu „Speicherkapazität Mobiltelefone“, umfassend Nokia 9110i Communicator aus 1999 und Apple iPhone aus 2007
K17     
Anlagenkonvolut zu „Offline-Nachrichten bei Instant Messaging Systemen“, umfassend Wikipedia AIM (software) vom 26. Juni 2007, Wikipedia Windows Live Messenger vom 27. Juni 2007, Wikipedia ICQ vom 24. Juni 2007 und Wikipedia Yahoo! Messenger vom 27. Juni 2007
K19     
Bradley, E.; „What MMS message size limits must be adhered to?“, Auszug aus dem Internet [URL: https://support.bandwidth.com], heruntergeladen am 07. Juli 2021
K20     
Anlagenkonvolut zu „Push to talk over Cellular Release 2“, umfassend OMA-WID_0098-PoC_Rel2-V1_0-20040907-A vom 7. September 2004 und OMA-RD-PoC-V2_020060523-C vom 23. Mai 2006
K21     
Auszug von der Internetseite „OMA Specifications“ der Open Mobile Alliance vom 10. Dezember 2021
K22     
OMA, Push to talk over Cellular (PoC) – Architecture, Approved Version 1.0, OMA-AD_PoC-V1_0-20060609-A vom 9. Juni 2006
K23     
OMA, Push to talk over Cellular 2 Requirements, Approved Version 2.0, OMA-RD-PoC-V2_0-20110802-A vom 2. August 2011
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Die Klägerin beantragt,
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das europäische Patent 2 393 259 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 5, 7, 8, 10, 11 und 12 für nichtig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Klage abzuweisen,
17
soweit sie sich auch gegen eine der Fassungen des Streitpatents nach den Hilfsanträgen 0‘, 0a‘, 1a, 1a‘, 1c, 1c‘, 2a, 2a‘, 2c, 2c‘, 3a, 3a‘, 3c, 3c‘, 4a, 4a‘, 5, 5‘, 6, 6‘, 6a, 6a‘, 7, 7‘, 7a oder 7a‘ richtet,
18
wobei die Anträge in der genannten Reihenfolge geprüft werden sollen und alle Anträge als geschlossene Anspruchsätze gestellt sind.
19
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen wird auf die Akte verwiesen.
20
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent in der erteilten Fassung nicht für unzulässig erweitert und seinen Gegenstand für schutzfähig, jedenfalls in einer der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung.
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Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 14. Oktober 2021 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei gesetzt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2022 sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Gegenstand des Patents geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und auch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gem. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a), 52, 54, 56 EPÜ liegt nicht vor.
24
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
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1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft ein Telekommunikations- und Multimedia-Verwaltungsverfahrenund -gerät, die es Benutzern ermöglichen, die Nachrichten von Konversationen entweder in einem Live-Modus („live mode“) oder einem zeitversetzten Modus („time-shifted mode“) zu überprüfen („to review“), während einer Konversation zwischen den beiden Modi hin und her zu wechseln, an mehreren Konversationen gleichzeitig teilzunehmen und die Nachrichten von Konversationen zur späteren Überprüfung oder Verarbeitung zu archivieren (vgl. K2, Abs. [0001]).
26
Das Streitpatent geht in seiner Beschreibungseinleitung zunächst davon aus, dass es bei Sprachkommunikationssystemen, wie bspw. bei Telefonie, notwendig sei, einen Anruf entgegenzunehmen, um überhaupt erst eine Konversation betreiben zu können (vgl. K2, Absatz [0002], „a full-duplex, synchronous conversation“). Im Unterschied dazu seien “Voice mail”-Systeme bekannt, die es erlauben, eine Nachricht zu hinterlassen, wenn der Empfänger den Anruf nicht entgegennimmt (vgl. K2, Absatz [0003], „one-way asynchronous voice message“). Allerdings werde die Nachricht bei “Voice mail”-Systemen üblicherweise nach dem Abhören gelöscht und bei “normalen” Telefonaten gar nicht erst gespeichert (vgl. K2, Abs. [0004] bis [0006]). Bei bekannten Textkommunikationssystemen, wie bspw. Instant Messaging oder E-Mail finde teilweise zwar eine Archivierung von Text-, jedoch nicht von Sprachnachrichten statt (vgl. K2, Abs. [0007]). Bei sogenannten taktischen Kommunikationssystemen, die im Bereich von Militär, Feuerwehr, Polizei, Rettungsteams, etc. Verwendung finden, wäre stets eine funktionierende Radio-Verbindung nötig und verpasste Nachrichten seien unwiderruflich verloren. Darüber hinaus gäbe es weder auf der Sende- noch auf der Empfangsseite geeignete Werkzeuge zum Verwalten, Priorisieren und Archivieren von Nachrichten bzw. ganzen Konversationen (vgl. K2, Abs. [0010] bis [0013]).
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Als eine mögliche Lösungsmöglichkeit bei fehlender Priorisierung von Nachrichten werde bisher insbesondere die Nutzung von mehreren parallelen Kanälen angewendet, was allerdings eine effiziente Team-Kommunikation erschwere, da die relevanten Kanäle den Teammitgliedern bekannt sein müssten und zwischen den Kanälen umgeschaltet werden müsste (vgl. K2, Abs. [0012]).
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Die paketbasierten Netzwerke basierten im Allgemeinen entweder auf dem UDP- oder dem TCP-Protokoll. UDP offeriere eine schnelle Datenübertragung auf Kosten einer Datensicherung, so dass insbesondere die Vollständigkeit einer Datenübertragung nicht gewährleistet werden könne, wohingegen TCP eine fehlerfreie Übertragung garantiere, allerdings auf Kosten der Latenz. Die VoIP-Sprachübertragung verwende daher UDP, da es auf eine schnelle und verzögerungsfreie Kommunikation ankomme (vgl. K2, Abs. [0014]).
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Derzeit gebe es jedoch keine bekannten Protokolle, welche die Vorzüge der sicheren Datenübertragung mittels TCP und der Schnelligkeit von UDP in sich vereinigten und Medien mit zumindest ausreichender Qualität („good enough“) übertragen könnten. Darüber hinaus fehle ein Protokoll, welches die zu übertragende Informationsmenge bestimmen würde in Abhängigkeit der Verfügbarkeit von Teilnehmern und ggf. deren Echtzeit-Anforderungen, den vorherrschenden Netzwerkbedingungen sowie der verfügbaren Bandbreite. Die bekannten Telefon-, Voicemail- und taktische Sprachkommunikationssysteme gemäß dem Stand der Technik würden somit unnötig Bandbreite verschwenden und die Gesamtperformance des Netzwerks degradieren (vgl. K2, Abs. [0014]).
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2. Da aus den oben genannten Gründen Telefon-, Voicemail- und taktische Sprachkommunikationssysteme unzureichend seien, liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Sprach- und Medienkommunikations- und Verwaltungssystem und -verfahren sowie Verbesserungen bei der Bereitstellung von Sprache und anderen Medien über paketbasierte Netze bereitzustellen (vgl. K2, Abs. [0018]).
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Diese Aufgabe soll mit einem Verfahren zur Kommunikation nach Anspruch 1 gelöst werden, wobei der Anspruch sich wie folgt gliedern lässt:
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3. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Fachmann auf dem Gebiet der Informations- und Nachrichtentechnik, wie zum Beispiel Computernetzwerke und verteilte Systeme. Er verfügt über einschlägige Kenntnisse auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung und der multimedialen Kommunikation, insbesondere der gängigen Datenübertragungs- und Nachrichtenverfahren zwischen elektronischen Geräten sowie den gängigen Speicherarchitekturen in diesem Bereich. Typischerweise besitzt er einen Bachelor-Abschluss im Fachgebiet Informatik, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik oder einen gleichwertigen Abschluss.
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4. Dieser Fachmann versteht die Lehre des Streitpatents und die Merkmale des Anspruchs 1 wie folgt:
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Der Anspruch betrifft ein Verfahren zum Übertragen von Nachrichten von einer ersten Übertragungsvorrichtung („communication device“; in der deutschen Übersetzung des Patentanspruchs 1 auch als „Kommunikationsvorrichtung“ bezeichnet) über ein Übertragungsnetz („communication network“) (vgl. Merkmal M1). Unter einer Übertragungsvorrichtung versteht das Streitpatent ein physikalisches Gerät, auf dem eine Klientapplikation abläuft. Bei der Klientapplikation handelt es sich um eine Nutzerapplikation des Kommunikationsystems, welche ein Nutzerinterface, ein persistentes Speichermedium und die „Voxing“-Funktionalität beinhaltet (vgl. K2, Abs. [0034]). Darüber hinaus sieht das Streitpatent ggf. einen oder mehrere optionale Server vor, die jeweils einen Computerknotenpunkt im Netzwerk darstellen. Server sind verantwortlich für das Routing von Nachrichten, die zwischen verschiedenen Benutzern der o.g. Klientapplikationen über das Netzwerk hin und her gesendet werden, sowie für die dauerhafte Speicherung und Archivierung von Mediennutzlasten. Server bieten Routing, Transcodierung, Sicherheit, Verschlüsselung und Authentifizierung sowie die Optimierung der Datenübertragung über das Netzwerk (vgl. K2, Abs. [0034], „Server“).
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Gemäß Merkmal M1.1 des Verfahrens werden Medien („media“) im Zuge ihrer Erzeugung auf der Übertragungsvorrichtung fortschreitend nach und nach kodiert („progressively encoded“), die erzeugten und kodierten Medien im Zuge ihrer Erzeugung fortschreitend und dauerhaft gespeichert und fortschreitend über das Netzwerk gesendet („progressively and persistently storing on the first communication device and progressively transmitting media“). Als Beispiel für Medien nennt das Streitpatent Audio, Video, Text, etc. (vgl. K2, Abs. [0035]).
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Unter Kodieren („encoding“) versteht das Streitpatent das Übersetzen von erfassten Audio- oder Video-Daten mit der Übertragungsvorrichtung in digitale Daten, die von einem Klienten verarbeitet werden können (vgl. K2, Absatz [0036], „Encoding“). Die Umwandlung von Sprache oder Video in digitale Daten (Payload eines „Vox“-Pakets) im Source-Client erfolgt gemäß Streitpatent in Abhängigkeit von der verfügbaren Übertragungsbandbreite mit angepasster Qualität (vgl. K2, Abs. [0031], [0068], [0076], dort: „good enough“). Als physikalische Speichermedien nennt das Streitpatent RAM, Flash memory, Festplatten oder optische Medien bzw. eine Kombination davon (vgl. K2, Abs. [0072], S. 25, Z. 3 bis 13, „Many possible implementations exist for the
physical storage implementation
of the PIMB 30, including, but not limited to:
RAM, Flash memory, hard drives, optical media, or some combination thereof
. The PIMB 30 is also “infinite” in size, meaning the amount of data that can be stored in the PIMB 30 is not inherently limited. This lack of limit is in comparison to existing jitter buffer technology that discards data as soon as it is rendered.
In one specific embodiment, the PIMB 30 may be implemented using a small and relatively fast RAM cache memory coupled with a hard drive for persistent storage
.“; Unterstreichung hinzugefügt). Gemäß Streitpatent werden die Daten/Nachrichten in dem jeweiligen PIMB („Persistent Infinite Message Buffer“) der Übertragungsvorrichtungen von Teilnehmern/Benutzer bzw. der Server mit einer Alterssteuerung bspw. bis zu 30 Tagen gespeichert und werden danach verworfen (vgl. K2, Abs. [0072]), so dass „conversations“ für Sekunden, Minuten, Stunden bzw. mehrere Tage unterbrochen und immer wieder aufgerufen werden können (vgl. K2, Abs. [0028], Punkt (iv)). Aus fachmännischer Sicht gehen dauerhaft gespeicherte Daten – bspw. beim Abschalten einer Übertragungsvorrichtung – nicht verloren und werden ohne Zustimmung des Nutzers nicht überschrieben. Unter dem dauerhaften Speichern („persistently storing“) versteht der Fachmann daher ein Speichern in einem nicht-volatilen Speichermedium. Darunter fallen beispielsweise Festplatten bzw. Flash-Speicher, die im Gegensatz zu RAM-Bausteinen ihren Speicherinhalt beim Abschalten des Geräts oder bei einem Stromausfall nicht verlieren. Soweit das Streitpatent von einer unendlichen („infinite“) Größe des Speichers spricht, so ist diese natürlich nicht unendlich, sondern nur so groß, dass eine ausreichend große Menge an Daten aus verschiedenen Kommunikationen gespeichert werden kann, und ist somit auf beispielsweise die Festplattengröße begrenzt. Aus Sicht des Fachmanns wird bereits dann mit dem Kodieren, Speichern und Senden der Medien begonnen, sobald sie verfügbar werden, d.h. während z.B. ein Video oder eine Sprachnachricht noch aufgenommen wird. Nicht unter den Wortlaut des Anspruchs fallen daher vollständige Medien, also etwa fertig aufgenommene Videos, die anschließend versendet bzw. erst nach deren vollständigem Empfang angezeigt werden.
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Nach Merkmal M1.2 ist neben der Sendefunktion (Merkmal M1.1) auch eine Empfangsfunktion für die Übertragungsvorrichtung vorgesehen. Dabei soll das Empfangen von Medien einer eingehenden Nachricht fortschreitend stattfinden, während die Medien in einer Echtzeitwiedergabebetriebsart empfangen werden. Auch die empfangenen Medien sollen dabei fortschreitend persistent gespeichert und gerendert, d.h. auf der jeweiligen Kommunikationsvorrichtung in Echtzeit wiedergegeben werden (vgl. K2, Abs. [0077] – [0078], „render“). Die Umwandlung der empfangenen Daten im Empfänger („destination“, „target client“) zur Darstellung an den Benutzer/Teilnehmer umfasst gemäß Streitpatent mehrere, verschiedene Optionen, eine Zeit- und Prioritäts-Steuerung, ggf. eine Interpolation bei ausgefallenen Paketen und ein Mixen mehrerer simultaner Streams (vgl. K2, Abs. [0036], [0114], [0212]).
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Nach Merkmal M1.3.1 soll es sich bei den eingehenden und ausgehenden Nachrichten um asynchrone Nachrichten handeln.
39
Gemäß Absatz [0051] des Streitpatents können Medien, die empfangen werden, sofort während des Empfangs („immediate) oder zeitversetzt („time-shifted“) wiedergegeben werden („Media that is sent or received by the Device 13 running the application 12 is available for immediate Review while being received. The received Media is also recorded for Review in a time-shifted mode, Conversation management, and archival purposes.”). Und gemäß Absatz [0053] des Streitpatents sind im Wesentlichen alle Konversationen asynchron („With the Conversation/Message management services 20f,
all Conversations are essentially asynchronous.
“; Unterstreichung hinzugefügt). Und weiter heißt es dort, dass, falls ein Nutzer aus irgendeinem Grund seine Teilnahme verzögert, die Konversation in Richtung einer asynchronen Nachricht abdriftet (vgl. K2, Abs. [0053], Sp. 20, Z. 3 ff, „If either User delays their participation, for whatever reason, the Conversation drifts towards an
asynchronous
voice (or other Media) messaging experience.“).
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Bei asynchronen Nachrichten („asynchrone messages“) gemäß Merkmal M1.3.1 handelt es sich aus fachmännischer Sicht daher um Nachrichten, bei denen das Timing verändert werden kann, d.h. die Nachrichten von eingehenden / empfangenen Medien können gegenüber Nachrichten von ausgehenden/gesendeten Medien zeitversetzt („time shifted“) wiedergegeben werden, müssen dies aber nicht. So auch Absatz [0053] des Streitpatents, wonach zwischen einem nahezu synchronen und einem zeitversetzten Modus unterschieden wird („[…] the Conversation again may flow between near synchronous (i.e. live or real-time) and asynchronous (i.e., time-shifted or voice messaging) modes.“).
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Gemäß Merkmal M1.3.2 werden bei dem beanspruchten Verfahren die Nachrichten über das Übertragungsnetzwerk zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen ausgetauscht, d.h. von einer ersten zu einer zweiten Übertragungsvorrichtung gesendet („transmitted
over the communication network from the first communication device to the second communication device“)
und über das Übertragungsnetzwerk an der ersten Übertragungsvorrichtung von der zweiten Übertragungsvorrichtung empfangen („and received over the communication network at the first communication device from the second communication device“).
42
Dieser bi-direktionale Austausch umfassend sowohl ein Senden als auch ein Empfangen von Nachrichten an einer Übertragungsvorrichtung findet statt, ohne zunächst eine Verbindung zwischen den beiden beteiligten Übertragungsvorrichtungen herzustellen („[…] without
first
establishing a connection over the communication network between the first and the second communication device“, Unterstreichung hinzugefügt).
43
Hinsichtlich des Begriffs „Verbindung“ („connection“) ist zu beachten, dass sich das Multimedia-Management-Verfahren gemäß Streitpatent auf der reinen Applikations-Ebene befindet (vgl. K2, Abs. [0034], „Client: A Client is the user application in the communication system, which includes a user interface, persistent data storage, and “Voxing” functionality.“) und auf die zugrundeliegenden Netzwerke nur aufgesetzt ist, gleichzeitig jedoch im Streitpatent ebenfalls typische, den unteren Kommunikations-Ebenen zugeordnete Begriffe wie bspw. gute/schlechte Radio-Bedingungen und Netzwerk-Verbindung verwendet werden (vgl. K2, Abs. [0029], „For example when network conditions are poor, the system intentionally reduces the quality of the data for transmission to the point where it is “good enough” to be rendered upon receipt by the recipient, allowing the real time participation of the conversation.“ und Abs. [0041], [0067], „underlying network 18“ sowie Abs. [0090], „underlying technology of the network 18“).
44
Wie auch in der mündlichen Verhandlung erörtert, weiß der Fachmann, dass für den Nachrichtenaustausch zwischen zwei Geräten (Übertragungsvorrichtungen) über ein Netzwerk das ISO/OSI-Referenzmodell für Netzwerkprotokolle gilt. Für das Beispiel des VOX-Protokolls lässt sich dies auch dem Streitpatent aus den Figuren 4a bis 4c i. V. m. Absätzen [0090] bis [0098] für den Austausch der Nachrichten zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen entnehmen. Demnach handelt es sich bei einem Vox-Paket um ein strukturiertes Nachrichtenformat, das zur Kapselung innerhalb eines Transportpakets oder von Transportpaketen der zugrundeliegenden Technologie des Netzwerks ausgelegt ist (vgl. K2, Abs. [0090], „The Vox packet is a structured message format designed for encapsulation inside a transport packet or transport packets of the underlying technology of the network 18.“). Bei dem zugrundeliegenden Netzwerkprotokoll kann es sich beispielsweise um ein UDP, IP oder Ethernet handeln (vgl. K2, Abs. [0092] in Verbindung mit Figur 4b und 4c).
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Damit das zugrundeliegende Netzwerk das Vox-Paket an den richtigen Ort liefert, muss gemäß Streitpatent die Adresse eines Zielclients bekannt sein. Bei IPv4-Netzwerken ist dabei die Adresse normalerweise eine IPv4-Adresse, bei der es sich um eine 32-Bit-Zahl handelt, die einen Host innerhalb des Netzwerks eindeutig identifiziert (vgl. K2, Abs. [0104], „The address of a target Client 12 needs to be known so that the underlying network delivers the Vox packet 95 to the correct location. With IPv4 networks, the address is typically an IPv4 Address, which is a 32-bit number that uniquely identifies a host within the network.“). Der Fachmann weiß, dass die entsprechende Ziel- (und auch die Quell-)Adresse gemäß Internet Protokoll in der Vermittlungsschicht (network layer, layer 3) des OSI-Modells verankert ist, vgl. K2, die „Protocol Options“ in Figur 4c für IP (IPA, IPB):
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46
Um gemäß dem anspruchsgemäßen Verfahren Nachrichten mit einem Medien-Inhalt zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen über das Netzwerk gemäß Merkmal M1.3.2 auszutauschen, wobei eine Nachricht von der ersten Übertragungsvorrichtung an die zweite gesendet bzw. an der ersten Übertragungsvorrichtung von der zweiten empfangen wird, ist es daher erforderlich, dass die entsprechenden Zieladressen auf den Übertragungsvorrichtungen bekannt sind und dass die Nachrichtenübertragung im Sinn einer „Ende-zu-Ende“ Übertragung zwischen den beiden Übertragungsvorrichtungen als jeweiligen „Endpunkten“ bzw. Endgeräten über das Netzwerk durchgeführt wird.
47
Der Meinung der Klägerin, wonach es bei dem anspruchsgemäßen Verfahren lediglich ganz allgemein um eine Nachrichtenübertragung von einer ersten/zweiten Übertragungsvorrichtung zu einer zweiten/ersten Übertragungsvorrichtung, völlig unabhängig von einer Betrachtung der Kommunikationsabläufe bzw. der Protokolle im Netzwerk bspw. unter Zugrundelegung der Schichten des ISO/OSI-Modells, geht, da dies im Anspruchswortlaut nicht festgelegt sei, und die Auslegung daher zu eng sei, schließt sich der Senat nicht an.
48
Denn Merkmal M1.3.2 betrifft ebenfalls das Vorliegen eines Verbindungsaufbaus („[…] without
first
establishing a connection […]“). Während Merkmal M1.1 noch eine Verbindung der ersten Übertragungsvorrichtung mit dem Netzwerk erfordert, wird hiermit jegliche physikalische und logische Verbindung auf den niedrigen Schichten sowie das Verwenden Verbindungs-orientierter Transportprotokolle, wie bspw. TCP auf der Transportschicht gemäß Layer 4 des OSI-Modells, zwischen der ersten und der zweiten Übertragungsvorrichtung ausgeschlossen. Hinsichtlich eines TCP-Transports wird übrigens im Streitpatent Absatz [0014] explizit ausgeführt, dass TCP zwar sicher sei, jedoch zur Verwendung bei „live“ Telefonaten aufgrund der Latenz unpraktisch wäre, so dass gemäß Streitpatent auf der Transportschicht (Layer 4) – wie bei VoIP – daher das verbindungslose und verzögerungsärmere UDP-Protokoll verwendet würde (vgl. K2, Abs. [0014], [0092]).
49
Der Fachmann weiß, dass bei einer VoIP-Applikation jedoch (im Gegensatz zum Streitpatent) stets eine Verbindung aufgebaut wird (vgl. auch K2, Abs. [0002]), wobei beim Aufbau eines Telefongesprächs das SIP-Protokoll (session initiation protocol) zum Einsatz kommt. Im OSI-Kommunikationsmodell verwaltet die Sitzungsschicht (session layer, Layer 5) den Auf- und Abbau von (logischen) Verbindungen zwischen kommunizierenden Endgeräten. Eine Verbindung bzw. Sitzung/Session wird aufrechterhalten, während sich die beiden Endpunkte in der Konversation miteinander unterhalten.
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Da gemäß Streitpatent die gesamte „Voxing“- und Speicher-Funktionalität in der Nutzerapplikation des Kommunikationssystems enthalten und auf die zugrundeliegenden Netzwerke nur aufgesetzt ist, ist das Verfahren nach Patentanspruch 1 offensichtlich komplett auf der Anwendungsschicht (Layer 7 des OSI-Modells) realisiert.
51
Der Fachmann erkennt daher, dass es sich bei der anspruchsgemäßen Verbindung nach Merkmal M1.3.2 insbesondere um eine Verbindung auf Layer 5 des OSI-Modells, d.h. der Sitzungsschicht bzw. dem Session-Layer, handelt, auf der gemäß Wortlaut des Patentanspruchs 1 zunächst keine Verbindung zwischen den beiden beteiligten Kommunikationsvorrichtungen hergestellt wird.
52
Aus Sicht des Fachmanns scheiden somit sowohl eine direkte Verbindung zwischen den beiden Übertragungsvorrichtungen als auch eine indirekte Verbindung, die über einen oder mehrere zwischengeschaltete Server zwischen den beiden Übertragungsvorrichtungen „geroutet“ wird, aus, falls irgendeine Verbindung bereits vor Beginn der Nachrichtenübertragung hergestellt wird.
53
Nach Auffassung des Senats ist Merkmal M1.3.2 beispielsweise auch dann nicht automatisch erfüllt, wenn Medien in einem ersten Übertragungsvorgang von der ersten Übertragungsvorrichtung zu einem Server und in einem zweiten Übertragungsvorgang von dem Server (ggf. umadressiert) zur zweiten Übertragungsvorrichtung übertragen werden und in diesem Fall aufgrund des dazwischengeschalteten Servers gerade keine (direkte) Verbindung zwischen der ersten und zweiten Übertragungsvorrichtung bestehen würde.
54
Denn solche Teilstreckenverfahren („store and forward“) für die (Ende-zu-Ende) Datenübertragung zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen/Endgeräten, welche vorzugsweise in Netzwerken eingesetzt werden, welche keine dauerhafte Konnektivität der Übertragungsvorrichtungen zu selbigem voraussetzen, zählen zu den Routing-Verfahren und betreffen somit die unterhalb des Session-Layers liegende Vermittlungsschicht (Layer 3), was jedoch das Vorliegen eines Verbindungs-orientierten Transports (Layer 4) bzw. einer (logischen) Verbindung auf dem darüber liegenden Session-Layer (Layer 5) nicht unmittelbar ausschließt und was jeweils im Einzelfall zu überprüfen ist.
55
Darüber hinaus fallen auch Client-Server-Konfigurationen nicht unter den Anspruchswortlaut, bei denen eine Verbindung zwischen den Endgeräten/Klienten für die (Ende-zu-Ende) Datenübertragung über einen Server hergestellt wird, falls dort zuvor beispielsweise eine gemeinsame Session aufgebaut wird, was beispielsweise bei Instant Messenger Systemen (IM) mit vorab aufgebauter IM-Session der Fall ist.
56
Schließlich betrifft M1.3.2 auch keine Client-Server-Konfigurationen, bei denen – beispielsweise wie bei einem E-Mail Dienst mit „push“ / “pop“ oder einem Multimedia Messaging Service (MMS) mit HTTP POST / HTTP GET – ein Endgerät Daten auf dem Server platziert und ein anderes Endgerät diese Daten in einem separaten Schritt vom Server per Download abholt, da hier zwei unabhängige Datenübertragungen Endgerät-Server und Server-Endgerät und eben keine anspruchsgemäße Kommunikation zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen / Endgeräten über das Netzwerk stattfindet.
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Zusammenfassend darf somit gemäß Merkmal M1.3.2 bei einer (Ende zu Ende) Kommunikation zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen/Endgeräten vorab auf keinem der die Datenübertragung über das zugrundeliegende Netzwerk betreffende Layer unterhalb der Anwendungsschicht (Layer 7) eine Verbindung zwischen der ersten und zweiten Übertragungsvorrichtung aufgebaut werden.
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Unter den Anspruchswortlaut fällt aber auch, dass nicht nur zeitlich begrenzt zu Beginn des Nachrichtenaustauschs („first“) keine Verbindung hergestellt wird, sondern auch dauerhaft überhaupt keine Verbindung besteht, zumal in den Ausführungsbeispielen des Streitpatents niemals eine anspruchsgemäße Verbindung aufgebaut wird.
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II. Zu den Nichtigkeitsgründen
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Weder der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglichen eingereichten Unterlagen noch der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit liegen vor.
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1. Zum Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung
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Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ).
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Die Merkmale des Verfahrens gemäß dem erteilten Anspruch 1 sind wie folgt in der ursprünglich eingereichten Fassung (EP 2 393 259 A2 = K2a) offenbart:
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Die Merkmale M1, M1.1 und M1.2 gehen aus dem ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 4 und 6 hervor und sind somit ursprungsoffenbart.
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Zwar sind die Merkmale M1.3.1 und M1.3.2 in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht wörtlich offenbart, jedoch entnimmt der Fachmann die beiden Merkmale der Ursprungsoffenbarung an folgenden Stellen unmittelbar.
66
Die „asynchronous messages“ gemäß M1.3.1 finden sich in der Offenlegungsschrift in Absatz [0095] (dort: „… all Conversations are essentially asynchronous … the Conversation drifts towards an asynchronous voice (or other Media) messaging experience … Conversations can be optionally tagged as asynchronous Messages only … the Conversation again may flow between near synchronous (i.e. live or real-time) and asynchronous (i.e., time-shifted or voice messaging) modes“) sowie im ursprünglichen Anspruch 10.
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Das Merkmal „that are transmitted … without first establishing a connection“ gemäß M1.3.2 entnimmt der Fachmann dem Absatz [0040] Punkt iv. (dort: „… participate in conversations
without waiting for a connection to be established
… participate in conversations, and review previously received time- shifted messages of conversations even when there is no network available, when the network is of poor quality, or other participants are unavailable;“; Unterstreichung hinzugefügt).
68
Auch der Auffassung der Klägerin, dass eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vorliege, teilt der Senat nicht.
69
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, der beanspruchte Vorgang, Daten zwischen zwei Übertragungsvorrichtungen zu übermitteln, ohne zunächst eine Verbindung zueinander aufgebaut zu haben, könne technisch nur dann umgesetzt werden, wenn im Netzwerk ein Server vorgesehen sei, um von der ersten Übertragungsvorrichtung versendete Medieninhalte zwischen zu speichern, um diese dann später an die zweite Übertragungsvorrichtung weiterzuleiten, und bei dem „Weglassen“ eines derartigen, erforderlichen Servers mit seiner Zwischenspeicher-Funktion handle es sich daher um eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung, überzeugt dies nicht.
70
Entscheidend ist hierbei, dass der Anspruch in seiner erteilten Fassung voraussetzt, dass das Übertragungsnetz (das üblicherweise auch Server beinhaltet) zwischen die beiden beteiligten Kommunikationsvorrichtungen geschaltet ist und die („verbindungslose“) Übertragung der Nachrichten zwischen diesen sicherstellt. Der erteilte Anspruch mag die Details der konkreten Implementierung des Übertragungsnetzes offenlassen, aber es kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede davon sein, dass in der erteilten Anspruchsfassung ein zwingendes Merkmal fehlt, denn für die Datenübermittlung über das Netzwerk gilt das OSI-Referenzmodell. Zuständig für die Datenübermittlung vom Sender zum Empfänger ist dabei die Vermittlungsschicht (Layer 3). Da ggf. nicht immer eine direkte Kommunikation zwischen Absender und Ziel möglich ist, müssen Pakete von Knoten, die auf dem Weg liegen, weitergeleitet werden. Wie der Fachmann weiß, gelangen weitervermittelte Pakete dabei nicht in die höheren Schichten, sondern werden mit einem neuen Zwischenziel versehen und an den nächsten Knoten gesendet (geroutet) (vgl. K2a, Abs. [0045], „Servers“). Ein Zwischenspeichern ist dabei für den Fachmann – auch ohne eine anspruchsgemäße Verbindung (auf Layer 5 des OSI-Modells) zwischen den Übertragungsvorrichtungen – nicht zwingend erforderlich.
71
Darüber hinaus zeigt die K2a Figur 7 i. V. m. Absätzen [0144] bis [0146] ein Ausführungsbeispiel mit einer Kommunikation zwischen zwei Klienten 12A und 12B in unterschiedlichen Netzen A und B über die Gateway-Server 16A, 16B, wobei in den Gateway-Servern ausschließlich ein Routing und keine Zwischenspeicherung offenbart wird.
72
2.
Zum Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit
73
Dem Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung steht der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ nicht entgegen. Denn das hiermit unter Schutz gestellte Verfahren gilt gegenüber dem im Nichtigkeitsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik – insbesondere auch gemäß den Druckschriften K6, K13, K5 und K7 sowie der K8 – als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
74
2.1
Zur Neuheit
75
Das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 erweist sich gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik als neu im Sinne des Art. 54 EPÜ.
76
2.1.1 Das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift K6 – US 2006/0003740 A1 („Munje“). Insbesondere die Merkmale M1.1, M1.2 und M1.3.2 nach Streitpatent gehen aus K6/Munje nicht unmittelbar und eindeutig hervor.
77
Die Entgegenhaltung K6/Munje betrifft ein Push-To-Talk (PTT) System für Mobiltelefone (vgl. K6, Absatz [0002]). Bei einer PTT-Kommunikation treffen Nachrichten unmittelbar und unangekündigt ein. Entsprechend kann es vorkommen, dass einzelne Nachrichten überhört bzw. versäumt werden (vgl. K6, Absatz [0005], „An end user of the mobile station may be busy or caught “off-guard” and not listening to the initial communication. Thus, the end user may not hear at least the initial PTT voice communication“).
78
Es wird deshalb von K6/Munje vorgeschlagen, eine Aufnahme- und Wiedergabefunktion für PTT-Geräte vorzusehen, um gesendete und empfangene Sprachnachrichten lokal auf einem mobilen Endgerät (Übertragungsvorrichtung) zu speichern (K6, Absatz [0007]). Dadurch wird es beispielsweise einem Nutzer eines Empfangsgeräts ermöglicht, versäumte Nachrichten zu einem späteren Zeitpunkt abzuspielen (K6, Absatz [0008]). Es können somit Nachrichten mit Zeitversatz ausgetauscht werden.
79
Im Hinblick auf den geltenden Verfahrensanspruch 1 geht aus der K6/Munje hervor:
80
M1 Medienübertragungsverfahren für ein Übertragen mit einer ersten Übertragungsvorrichtung über ein Übertragungsnetz
81
K6/Munje beschreibt ein Mobiltelefon, das mit einer Sende-/Empfangseinrichtung ausgestattet ist, die in der Lage ist, PTT-Sprachnachrichten über ein drahtloses Übertragungsnetzwerk zu senden, vgl. K6, Abs. [0007], „In one illustrative example, a
mobile Station includes a wireless transceiver which operates with a wireless communication network;
a processor; memory coupled to the processor; and a user interface which
includes a Push-To-Talk (PTT) switch for transmitting a PTT voice communication through the wireless transceiver […]
“, Unterstreichung hinzugefügt.
82
M1.1 fortschreitendes Kodieren, fortschreitendes und
persistentes
Speichern auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Senden von Medien einer ausgehenden Nachricht, welche von der ersten Übertragungsvorrichtung erzeugt werden, über das Übertragungsnetz, während die Medien erzeugt werden;
83
Gemäß K6/Munje werden, sobald ein PTT-Schalter von einem Nutzer des Mobiltelefons gedrückt wird, von einem Mikrofon des Mobiltelefons empfangene Sprachsignale über das Drahtlosnetzwerk gesendet, vgl. K6, Abs. [0060], „The plurality of keys also include a
PTT voice communication Switch
450. […] When PTT
switch 450 is depressed by an end user
, the mobile station initiates a PTT voice communication through the wireless network.
After PTT switch 450 depression, audible voice signals are received at the microphone of the mobile station and voice signals are transmitted through the wireless network and heard at certain other mobile stations
.“, Unterstreichung hinzugefügt. Damit offenbart K6/Munje ein fortschreitendes Senden von an einer Übertragungsvorrichtung (“mobile station”) erzeugten Medien einer ausgehenden Nachricht (“voice signals”), während die Medien erzeugt werden.
84
Gemäß Abs. [0034] von K6/Munje werden die zu sendenden Signale auch fortlaufend kodiert, „In a similar manner, signals to be transmitted are processed, including modulation and
encoding
, for example, by DSP220. These DSP-processed signals are input to transmitter 214 for digital-to-analog (D/A) conversion, frequency up conversion, filtering, amplification and transmission over communication network via antenna 218.“, Unterstreichung hinzugefügt.
85
K6/Munje beschreibt auch, dass die vom Mobiltelefon verschickten PTT-Nachrichten gleichzeitig mit deren Übertragung sukzessive in einem Speicher des Mobiltelefons gespeichert werden, vgl. K6, Abs. [0053], „Memory 412 is used to store compressed voice data of received PTT voice communications, as will be described further herein.“; vgl. Abs. [0074], „The mobile station may also
save its own PTT voice communications in its memory
in a similar manner, in sequence along with the PTT voice communications received through its receiver. This option provides a more complete history of PTT voice communications stored in memory. In this case, steps 604 and 630 of FIG. 6 correspond to detecting PTT button depressions and PTT button releases, respectively, at the user interface of the mobile station. Upon PTT button depression, the processor
causes the voice data of the PTT voice transmission to be stored in the memory simultaneously with its transmission
.“, Unterstreichung hinzugefügt; Vgl. auch K6, Ansprüche 1- 5.
86
Der Speicher kann auch so groß sein, dass mehrere PTT-Sprachverbindungen gespeichert werden können (vgl. K6, Abs. [0056], „Preferably,
a plurality of PTT voice communications are consecutively saved in memory 412
which have corresponding pairs of start and end markers for identification and retrieval.“, Unterstreichung hinzugefügt.
87
Da die Daten bei K6/Munje jedoch in einem Ringspeicher abgelegt und somit automatisch zyklisch überschrieben werden (vgl. K6, Abs. [0055], „circular buffer memory“), handelt es sich hierbei nicht um ein „persistentes“ Speichern im Sinne des Streitpatents.
88
M1.2 fortschreitendes Empfangen, fortschreitendes und
persistentes
Speichern auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Wiedergeben von Medien einer eingehenden Nachricht, welche über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung empfangen wird, während die Medien fortschreitend in einer Echtzeitwiedergabebetriebsart empfangen werden,
89
K6/Munje beschreibt neben der Übertragungsfunktion auch eine Empfangsfunktion. Für den Fall, dass eine Aufnahmefunktion für das empfangende Mobiltelefon freigeschaltet ist, erfolgt ein gleichzeitiges Verarbeiten und Speichern der eingehenden PTT-Sprachkommunikation, vgl. K6, Abs. [0071], „Next, the voice data for the PTT voice communication is received through the wireless transceiver (step 626 of FIG. 6). The voice data is processed so that audible voice signals are heard through the speaker of the mobile station. In particular, RF signals carrying the voice data may be processed through receiver 212, channel decoder and demodulator 408, voice decompressor 406, CODEC 404, and audio circuit 402 of FIG. 4. Advantageously, the voice data of the PTT voice communication is also simultaneously saved in memory (step 628 of FIG. 6). Preferably, the circular buffer memory 412 of FIGS. 4-5 is utilized for the recording of the PTT voice data as previously described.“.
90
Da die Daten bei K6/Munje jedoch in einem Ringspeicher abgelegt und somit automatisch zyklisch überschrieben werden (vgl. K6, Abs. [0055], „circular buffer memory“), handelt es sich hierbei nicht um ein „persistentes“ Speichern im Sinne des Streitpatents.
91
M1.3.1 wobei die ausgehende Nachricht und die eingehende Nachricht asynchrone Nachrichten sind
92
Die bei K6/Munje empfangenen Nachrichten können zeitversetzt zu versendeten Nachrichten abgespielt werden (vgl. K6, Abs. [0054]), es handelt sich daher um asynchrone Nachrichten im Sinne des Streitpatents.
93
M1.3.2 welche über das Übertragungsnetz von der ersten Übertragungsvorrichtung zu der zweiten Übertragungsvorrichtung gesendet werden und über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung von der zweiten Übertragungsvorrichtung empfangen werden,
ohne zuerst eine Verbindung über das Übertragungsnetz zwischen der ersten Übertragungsvorrichtung und der zweiten Übertragungsvorrichtung einzurichten
.
94
Gemäß K6/Munje muss bei PTT für den Nachrichtenaustausch zwischen den Endgeräten eine Session zwischen den beiden Endgeräten aufgebaut werden (vgl. K6, Abs. [0030], „A conventional PoC communication session involves a session connection between end users of mobile stations, referred to as session “participants”, who communicate one at a time in a half-duplex manner much like conventional walkie-talkies or two-way radios.“ oder Abs. [0044], „A PoC communication session is a session connection between end users of a UE 302, referred to as session “participants”, who communicate one at a time in a half duplex manner. PoC communication utilizes Voice over IP (VoIP) technology […] “).
95
Aus K6/Munje geht somit nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass die gesendeten und empfangenen Nachrichten auf der ersten Übertragungsvorrichtung dauerhaft im Sinne des Streitpatents gespeichert werden (Merkmale M1.1 und M1.2). Auch das Merkmal M1.3.2, geht aus K6/Munje nicht unmittelbar und eindeutig hervor, denn gemäß K6/Munje muss bei einem Nachrichtenaustausch zwischen den Endgeräten immer zuerst eine Verbindung (Session) über das Übertragungsnetz zwischen den beiden Übertragungsvorrichtungen eingerichtet werden.
96
2.1.2 Das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 ist auch neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift K13 – US 2006/0085515 A1 („Kurtz“). Insbesondere, dass – entsprechend der Lehre des Streitpatents – ein Übertragen oder Empfangen von Nachrichten auf dem ersten Endgerät beginnen kann, ohne dass zunächst eine Verbindung zwischen den Übertragungsvorrichtungen hergestellt wird, kann der K13/Kurtz nach Überzeugung des Senats weder unmittelbar noch implizit entnommen werden.
97
K13/Kurtz betrifft allgemein eine Instant Messaging Anwendung, die Audio/Video Sessions in Echtzeit zwischen Kommunikationspartnern auf zwei Computern ermöglicht. Insbesondere beschreibt Kurtz einen Instant Messaging Client mit einer grafischen Benutzeroberfläche (GUI), die eine Vielzahl von erweiterten Nutzeroptionen und -features für Echtzeit-Audio/Video-Sessions bereitstellt (vgl. K13, Abs. [0052] bis [0053]). Ausdrücklich beschrieben werden auch die vom Streitpatent zentral in den Blick genommenen Möglichkeiten des Nutzers, auf die Nachrichten zu einem späteren Zeitpunkt zugreifen und diese verwalten zu können (vgl. K13, Abs. [0064] ff.).
98
K13/Kurtz beschreibt weiterhin, dass diese Nutzeroptionen eine Vielzahl von sogenannten “personal video recorder” (PVR-)Funktionen ermöglichen (vgl. K13, Fig. 10). Dabei entsprechen die unterhalb der Videoansichten (1001) der beiden Kommunikationspartner der Echtzeit-Videosession angezeigten Symbole bzw. der Schieberegler (1010-1014) den PVR (Personal Video Recorder)-Funktionen. Dadurch ist es einem Teilnehmer, beispielsweise durch Zurückspulen (1012) möglich, von einer Echtzeit-Videosession in einen bereits in der Vergangenheit liegenden Teil der Videosession zu wechseln und diesen Teil anschließend zeitversetzt zur Echtzeit-Videosession anzusehen. Diese (lokalen) Videorekorderfunktionen ermöglichen somit ein Hin- und Herwechseln zwischen einer Echtzeit-Videosession und einer zeitversetzten Wiedergabe der Videosession (vgl. K13, Abs. [0055] bis [0056]).
99
Im Hinblick auf den geltenden Verfahrensspruch 1 geht aus der K13/Kurtz hervor:
100
M1 Medienübertragungsverfahren für ein Übertragen mit einer ersten Übertragungsvorrichtung über ein Übertragungsnetz
101
K13/Kurtz beschreibt einen auf einem Computer befindlichen Instant Messaging Client, über den Echtzeit-Audio/Videosessions mit einem weiteren Computer durchgeführt werden können (vgl. K13, Abs. [0052]).
102
M1.1 fortschreitendes Kodieren, fortschreitendes und persistentes Speichern auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Senden von Medien einer ausgehenden Nachricht, welche von der ersten Übertragungsvorrichtung erzeugt werden, über das Übertragungsnetz, während die Medien erzeugt werden;
103
K13/Kurtz beschreibt, dass die beiden Computer, mit denen die Echtzeit-Audio/Video-Session durchgeführt wird, mit einer Videokamera und einem Mikrofon ausgestattet sind (vgl. K13, Abs. [0052]). Das fortschreitende Kodieren wird dabei in Abs. [0054] beschrieben, „Various well known video compression codecs may be employed on the system to encode/ decode video. These include, but are not limited to the MPEG-2 (or “Motion Picture Experts Group-2”), MPEG-4, Real Video 8, and Audio Video Interleaved (“AVI”) to name a few.“.
104
Gemäß K13/Kurtz werden während einer Audio/Video-Session die Audio- bzw. Video-Daten automatisch gepuffert (vgl. K13, Abs. [0056]). Die Speicherung erfolgt entweder in einem RAM oder auf einer Festplatte (vgl. K13, Abs. [0055]). Darüber hinaus offenbart K13/Kurtz in Absatz [0060], dass die entsprechend erfassten Videodaten auch über den Zeitraum der Live-Übertragung hinaus und dauerhaft auf der lokalen Festplatte (und damit auf einem nichtflüchtigen Speichermedium) gespeichert und später an IM-Kontakte übertragen werden können, womit ein fortschreitendes und persistentes Speichern auf der ersten Übertragungsvorrichtung unmittelbar aus K13/Kurtz hervorgeht.
105
Wie in Absatz [0053] in K13/Kurtz beschrieben, enthält das Videofenster des IM-Clients die Möglichkeit, den Live-Videostrom des lokalen Nutzers sowie den des “buddys”, sprich einem weiteren (entfernten) IM-Nutzer, darzustellen. Somit werden die Medien (wie es bei einer Echtzeit-Videosession zwischen zwei Nutzern zwingend der Fall ist) während des Erzeugens – und damit fortschreitend – in Form eines ausgehenden Datenstromes über das Netzwerk gesendet.
106
M1.2 fortschreitendes Empfangen, fortschreitendes und persistentes Speichern auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Wiedergeben von Medien einer eingehenden Nachricht, welche über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung empfangen wird, während die Medien fortschreitend in einer Echtzeitwiedergabebetriebsart empfangen werden,
107
K13/Kurtz beschreibt das Durchführen einer Echtzeit-Videosession auf einem Computer mit entsprechendem IM-Client. Explizit beschreibt K13/Kurtz in Absatz [0053], dass dabei auch Videodaten von einem entfernten Teilnehmer (“buddy”) in dem Videofenster der IM-GUI dargestellt werden.
108
Somit offenbart K13/Kurtz den Prozess des Empfangens und Wiedergebens des (von anderen Teilnehmergeräten kommenden) Video- und Audiostroms während einer Echtzeit-Videosession. Da die Vorgänge des Empfangens und Wiedergebens von Videodaten während einer Echtzeit-Videosession zwischen zwei Nutzern stattfinden, folgt zwingend, dass die empfangenen Medien fortschreitend in einer Echtzeitwiedergabebetriebsart gerendert werden.
109
K13/Kurtz offenbart in den Absätzen [0055] und [0056] auch, dass die Videosessiondaten, die schrittweise empfangen und gerendert werden, lokal gespeichert werden können mit dem Zweck, die bereits gespeicherten Daten erneut wiedergeben zu können. Zudem offenbart K13/Kurtz auch, dass die unter Verwendung der PVR-Funktionen erfassten Videodaten auch zum späteren Übertragen an andere IM-Kontakte auf der lokalen Festplatte gespeichert werden können (vgl. K13, Abs. [0060]).
110
M1.3.1 wobei die ausgehende Nachricht und die eingehende Nachricht asynchrone Nachrichten sind
111
Auch bei K13/Kurtz können die eingehenden Nachrichten zeitversetzt zu ausgehenden Nachrichten wiedergegeben werden (vgl. K13, Abs. [0055], [0056]). Es handelt sich mithin um asynchrone Nachrichten im Sinne des Streitpatents.
112
M1.3.2 welche über das Übertragungsnetz von der ersten Übertragungsvorrichtung zu der zweiten Übertragungsvorrichtung gesendet werden und über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung von der zweiten Übertragungsvorrichtung empfangen werden,
ohne zuerst eine Verbindung über das Übertragungsnetz zwischen der ersten Übertragungsvorrichtung und der zweiten Übertragungsvorrichtung einzurichten
.
113
Gemäß K13/Kurtz kann eine Kommunikation zwischen den Endgeräten nur stattfinden, wenn sich beide Endgeräte zuvor am System angemeldet haben und eine Verbindung zwischen den Endgeräten hergestellt wurde (vgl. K13, Abs. [0012], „When the client receives the connection information for a contact in the buddy list, it changes the “status” of that person to “Online.” The user may then click on a name of any contact in the buddy list who is online, opening an IM window in which the user may enter an instant message.“ und Abs. [0013], „Once the users have signed on to the IM service, all subsequent communication may occur directly between the two clients,[…]“; vgl. auch K13, Fig. 1).
114
In den Absätzen [0011] und [0012] der K13/Kurtz ist der für den Austausch von Nachrichten erforderliche Verbindungsaufbau näher beschrieben. Danach senden die Endgeräte Verbindungsinformationen (z.B. die IP-Adresse) an den Instant Messaging-Dienst, der diese Informationen mit der Kontaktliste des Benutzers abgleicht und dann die Verbindungsdaten der Endgeräte der Kontakte des Benutzers zurück an dessen Endgerät schickt. Über diese Verbindungsinformationen können dann die in K13, Figur 1 gezeigten direkten Verbindungen zwischen den Endgeräten hergestellt werden, über die diese dann Nachrichten austauschen.
115
Zwar kann es gemäß K13/Kurtz sein, dass eine direkte Kommunikation zwischen den beiden Endgeräten nicht möglich ist, z.B. wegen einer Firewall, und die Kommunikation über den „messaging service 100“ laufen muss (vgl. K13, Abs. [0013], 2. Satz). Nach Auffassung des Senats besagt dies jedoch lediglich, dass in manchen Fällen die Daten einer Session nicht unmittelbar zwischen den Teilnehmern ausgetauscht werden können, sondern über einen Server geleitet werden müssen, wenn etwa eine Firewall zwischen den Teilnehmern liegt. Dies setzt aber dennoch voraus, dass zuerst eine Session zwischen den Endgeräten über das Übertragungsnetzwerk eingerichtet und somit eine Verbindung zwischen den Endgeräten aufgebaut wird, auch wenn diese über das Übertragungsnetzwerk bzw. einen Server vermittelt wird. Damit kann mit der Übertragung der Nachrichten immer erst begonnen werden, wenn eine Verbindung über das Übertragungsnetz zwischen der ersten Übertragungsvorrichtung und der zweiten Übertragungsvorrichtung eingerichtet ist.
116
2.1.3 Das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 ist auch neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift K5 – WO 2006/121550 A2 („Atarius“); insbesondere geht aus K5/Atarius das Merkmal M1.3.2 nach Streitpatent nicht hervor.
117
Die Druckschrift K5/Atarius betrifft ein Verfahren zum Archivieren von Daten, die während einer Session innerhalb eines Drahtlosübertragungsnetzwerks anfallen (K5, Titel, Abs. [0002]). Unter einer Session versteht K5/Atarius einen Verbund zwischen zwei oder mehr Benutzern und/oder Entitäten, der es den Benutzern und/oder Entitäten ermöglicht, Daten auszutauschen (vgl. K5, Abs. [0027], „As used herein, a session is an association between two or more users
and/or
entities that enables the users and/or entities to exchange data.“Unterstreichung und Fettschrift hinzugefügt).
118
Als Applikationen, über die die Nutzer Daten austauschen können, nennt K5 /Atarius beispielsweise „Instant Messaging (IM), Push-to-Talk (PTT), Push-to-talk Over Cellular (POC), and so on.“ (vgl. Abs. [0024]) und Abs. [0026], „A terminal 110 may communicate via a communication network with application server 160 for any application (e.g., IM) supported by the server.“).
119
Bei den während einer Session ausgetauschten Daten kann es sich um Video-, Sprach- oder auch andere Medienarten handeln (vgl. K5, Abs. [0020]).
120
Gemäß K5/Atarius soll erreicht werden, dass der Nutzer eines Terminals/Endgeräts (z.B. ein Mobiltelefon (K5, Absatz [0020])) während oder auch nach Beendigung der Session auf die während der Session angefallenen Daten (vollständig bzw. teilweise) zurückgreifen kann (vgl. K5, Absätze [0005] und [0006]).
121
In K5/Atarius ist stets der Aufbau einer Session zwischen der ersten der zweiten Übertragungsvorrichtung erforderlich, um Daten austauschen zu können (vgl. K5, Abs. [0027], „A user with a terminal may exchange data with a communication network in a session. As used herein, a session is an association between two or more users and/or entities that enables the users and/or entities to exchange data.“).
122
Somit geht aus K5/Atarius das Merkmal M1.3.2 nicht hervor.
123
2.1.4 Das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 ist zur Überzeugung des Senats auch neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift K7 – US 2004/0119814 A1 („Clisham“), denn aus K7/Clisham gehen die Merkmale M1.3.1 und M1.3.2 nach Streitpatent nicht hervor.
124
Die Druckschrift K7/Clisham beschreibt ein Kommunikationsverfahren, bei dem eine Videokonferenz zwischen mehreren tragbaren Geräten ermöglicht wird (vgl. K7, Abs. [0008]).
125
K7/Clisham möchte sich unter anderem zu Videokonferenzanwendungen abgrenzen, die auf Telefonsystemen mit geringer Bandbreite basieren (vgl. K7, Abs. [0004] und [0006]). Daher schlägt K7/Clisham ein System bestehend aus Servern vor, die innerhalb eines Hochgeschwindigkeitskommunikationsnetzwerks den Datenaustausch zwischen den (Client-)Geräten steuern (vgl. K7/Clisham, Abs. [0005] und [0009]).
126
Dass die Medien in K7/Clisham von eingehenden Nachrichten gegenüber Medien von ausgehenden Nachrichten zeitversetzt („time shifted“) wiedergegeben werden können, kann der K7/Clisham nicht entnommen werden (nicht Merkmal M1.3.1).
127
Zudem beschreibt K7/Clisham, dass vor der Kommunikation zunächst ein Call Request gesendet wird, der von der empfangenden Kommunikationsvorrichtung angenommen werden muss. Erst wenn dieser Call Request akzeptiert wurde, kann die Videokonferenz beginnen (vgl. K7, Abs. [0112]).
128
Dies bedeutet aus fachmännischer Sicht, dass eine Kommunikation zwischen den beiden Endgeräten erst dann erfolgen kann, wenn eine Verbindung zwischen diesen besteht. Dies wird auch in Figur 4 der K7/Clisham illustriert (dort: „Start/Abort Session“) (nicht Merkmal M1.3.2).
129
Soweit die Klägerin meint, dass der Videoserver ein sogenanntes “multicast” durchführe und K7/Clisham somit offenbare, dass der Videostrom nicht direkt von einer ersten Übertragungsvorrichtung an eine zweite Übertragungsvorrichtung gesendet wird, sondern in einem ersten Übertragungsvorgang von der ersten Übertragungsvorrichtung zu einem Server und in einem zweiten Übertragungsvorgang von dem Server zur zweiten Übertragungsvorrichtung und es entsprechend vor Beginn der Übertragung keiner Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Übertragungsvorrichtung bedürfe, kann sich der Senat nicht anschließen, denn es muss immer zuerst eine Verbindung zwischen den Endgeräten, z.B. auch über einen Server, hergestellt werden.
130
2.1.5 Dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 aus einer der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften neuheitsschädlich vorweggenommen sei, hat weder die Klägerin behauptet noch ist dies für den Senat ersichtlich.
131
2.2
Zur erfinderischen Tätigkeit
132
Das Verfahren des Anspruchs 1 nach Streitpatent beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ, da es sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt.
133
Ausgehend vom Stand der Technik nach einer der Druckschriften K8,
K6 oder K13 gelangt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Verfahren des erteilten Anspruchs 1.
134
2.2.1 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift K8 – US 2002/0073205 A1 („Mostafa“)
135
Die Druckschrift K8/Mostafa betrifft allgemein Übertragungsdienste (vgl. K8, Titel: “communication service”). Insbesondere schlägt K8/Mostafa eine Streaming-Funktionalität im Rahmen von Multimedia Messaging Service (MMS) vor (vgl. K8, Abs. [0001]).
136
Gemäß K8/Mostafa ermöglicht die vorbekannte Implementierung von MMS das Senden von Multimedianachrichten zwischen mehreren Nutzern von Mobilgeräten. Dabei wird eine Nachricht (wie im MMS-Standard 3GPP 23.140 vorgeschlagen) nach Erzeugung zunächst an einen Server (“MMS Centre”) gesendet. Von dort kann die Nachricht auf ein Empfangsendgerät heruntergeladen werden. Sobald die Nachricht vollständig (“as a whole”) heruntergeladen und auf dem Endgerät gespeichert ist, kann diese wiedergegeben werden. (vgl. K8, Abs. [0008]). Das bekannte MMS-Verfahren hat gemäß der K8 den Nachteil, dass das empfangende Endgerät die Multimedianachricht speichern muss, bevor sie dem Benutzer präsentiert werden kann. Daher legt die Größe des Speichers des empfangenden Endgeräts eine Obergrenze für die Größe von Multimedia-Mitteilungen fest, die heruntergeladen werden können (vgl. K8, Abs. [0010]).
137
Abgesehen von MMS seien „Streaming“-Technologien bekannt, die eine „streaming session“ zwischen Sender und Empfänger voraussetzten, aber noch nicht für den Empfang über Mobilfunknetzwerke angepasst seien, bzw. Mobilfunknetzwerke unterstützten diese nicht und seien inkompatibel mit MMS (vgl. K8, Abs. [0011] bis [0013]).
138
Vor diesem Hintergrund schlägt K8/Mostafa die Ergänzung des MMS-Standards um eine Streaming-Erweiterung vor. Diese beinhaltet drei Phasen, Phase 1, „Media upload“, Phase 2, „MMS notification“ und Phase 3, „Media download“ (vgl. K8, Abs. [0096] in Verbindung mit Fig. 2):
139
In Phase 1 wird Medieninhalt von einem Sendeendgerät (“sending mobile terminal”) an einen Medienserver (“Media (streaming) server”) übertragen. Dazu richtet der Sender 21 eine Streaming-Session mit dem „media (streaming) server“ ein, der den Medieninhalt in einem vordefinierten Speicherbereich speichert (vgl. K8, Abs. [0103]). In der zweiten Phase („phase 2“) werden ein oder mehrere Empfänger („receiving terminals“) darüber benachrichtigt, dass Medieninhalt zur Lieferung verfügbar ist. Vorzugsweise erfolgt die Benachrichtigung („notification“) über eine „notification message“, die vom Sender über einen MMS-Server mittels „store-and-forward“ (vgl. K8, Abs. [0098]) an den/die Empfänger gesendet wird (vgl. K8, Abs. [0096], „the MMS server stores the notification message and then tries to forward it to the receiver.“). Die Benachrichtigung enthält keine Mediendaten sondern Informationen, die erforderlich sind, um nachgelagert eine weitere Streaming-Sitzung zwischen dem Empfänger 24 und dem Medienserver 22 einzurichten, wie beispielsweise die Netzwerkadresse des Medienservers, das/die zum Codieren des Medieninhalts verwendete(n) Codierungsverfahren und die Angabe des/der für das Herunterladen von Medien zu verwendenden Transportprotokoll(e) (vgl. K8, Abs. [0104]).
140
In der dritten Phase („phase 3“), der Medien-Download-Phase, baut das Empfangsgerät 24 eine Streaming-Session mit dem Medienserver 22 basierend auf den in der Benachrichtigungsnachricht empfangenen Informationen auf und das Empfangsgerät 24 beginnt, die Medien herunterzuladen und abzuspielen (vgl. K8, Abs. [0105], „In the phase 3, the receiver 24 establishes a streaming session with the media server 22, based on the information received in the notification message and
the receiver 24 starts to download and play the media
.“; und Abs. [0118], „In the receiver 24, the message control layer 31 is responsible for interpreting received notification messages, extracting information relating to the location of media content to be streamed and information necessary to form streaming sessions
to retrieve the media content
.“; Unterstreichungen jeweils hinzugefügt).
141
Gemäß der Druckschrift K8 werden die Medien der einzelnen Nachrichten für diesen Fall nicht lokal auf den Endgeräten gespeichert, sondern ausschließlich auf dem Medienserver.
142
Im Hinblick auf den geltenden Patentanspruch 1 geht aus K8/Mostafa hervor:
143
M1 Medienübertragungsverfahren für ein Übertragen mit einer ersten Übertragungsvorrichtung über ein Übertragungsnetz
144
K8/Mostafa beschreibt ein Übertragungsverfahren, bei dem ein Medieninhalt von einem Sendeendgerät an einen im mobilen Übertragungsnetzwerk befindlichen Medienserver übertragen wird (vgl. K8, Abs. [0096] und [0106]), Fig. 2)
145
M1.1 fortschreitendes Kodieren, fortschreitendes
und persistentes Speichern
auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Senden von Medien einer ausgehenden Nachricht, welche von der ersten Übertragungsvorrichtung erzeugt werden, über das Übertragungsnetz, während die Medien erzeugt werden;
146
In Phase 1 baut der Sender 21 eine „streaming session“ zum Medienserver auf und der Medieninhalt wird von dem Sendeendgerät (“sending terminal”) an den Server (“media streaming server”) übertragen und dort gespeichert (vgl. K8, Abs. [0103]). Entsprechend werden die Medien bei K8/Mostafa fortschreitend gesendet.
147
K8/Mostafa beschreibt weiterhin, dass es sich bei den gestreamten Medien um Audio- bzw. Videodaten handeln kann, die von einer Videokamera und einem Mikrofon erzeugt werden (vgl. K8, Abs. [0102]). Diese unmittelbar nach Erzeugung gestreamten Medieninhalte werden fortschreitend kodiert (vgl. K8, Abs. [0104]).
148
Ein persistentes Speichern auf dem Kommunikationsgerät geht nicht aus K8/Mostafa hervor.
149
M1.2 fortschreitendes Empfangen,
fortschreitendes und persistentes Speichern
auf der ersten Übertragungsvorrichtung und fortschreitendes Wiedergeben von Medien einer eingehenden Nachricht, welche über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung empfangen wird, während die Medien fortschreitend in einer Echtzeitwiedergabebetriebsart empfangen werden,
150
Die Endgeräte 21 und 24 sind gemäß der K8 ähnliche Geräte, die je nach ihrer Rolle als Sender oder Empfänger auftreten, d.h. jedes Gerät kann sowohl empfangen als auch senden (vgl. K8, Abs. [0102], „Typically, the sender 21 and the receiver 24 are similar devices, one of them being the sender 21 and another of the being the receiver 24 just because of their roles as sending and receiving parties (sender and recipient).“).
151
In Phase 3 baut der Empfänger eine „streaming session“ mit dem Medienserver 22 auf und beginnt, die Medien herunterzuladen und abzuspielen (vgl. K8, Abs. [0105]).
152
Somit offenbart K8/Mostafa ein fortschreitendes Empfangen (“streaming session”) und fortschreitendes Wiedergeben (“play the media”) von Medien einer eingehenden Nachricht (“media”) auf der ersten Übertragungsvorrichtung, die über das Übertragungsnetz an dem empfangenden Endgerät (“receiver”) empfangen wird.
153
Ein Speichern dieser empfangenen Medien ist in K8/Mostafa nicht vorgesehen.
154
M1.3.1 wobei die ausgehende Nachricht und die eingehende Nachricht asynchrone Nachrichten sind
155
Das Abrufen der Medien vom Medienserver zum Empfänger in Phase 3 kann entweder automatisch nach dem Empfang der Benachrichtigung aus Phase 2 oder später durch den Nutzer gestartet werden (vgl. K8, Abs. [0098]). Nachrichten von eingehenden/empfangenen Medien können somit gegenüber Nachrichten von ausgehenden/gesendeten Medien zeitversetzt („time shifted“) wiedergegeben werden. Es handelt sich mithin um asynchrone Nachrichten im Sinne des Streitpatents.
156
M1.3.2 welche über das Übertragungsnetz von der ersten Übertragungsvorrichtung
zu der zweiten Übertragungsvorrichtung
gesendet werden und über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung
von der zweiten Übertragungsvorrichtung
empfangen werden,
ohne zuerst eine Verbindung über das Übertragungsnetz zwischen der ersten Übertragungsvorrichtung und der zweiten Übertragungsvorrichtung einzurichten.
157
Gemäß K8/Mostafa werden die Nachrichten mit Medieninhalt in Phase 1 vom Sendegerät 21 (der ersten Übertragungsvorrichtung) nach Aufbau einer „Streaming Session“, d.h. aus fachmännischer Sicht dem Aufbau einer Verbindung auf der Sitzungsschicht des OSI-Modells, zum Medienserver 22 gesendet und dort gespeichert. Bei dem Medienserver handelt es sich jedoch nicht um eine zweite Übertragungsvorrichtung im Sinne des Streitpatents, sondern um einen Server mit Speicherfunktionalität im Übertragungsnetzwerk.
158
Gemäß K8/Mostafa wird in Phase 3 unter Nutzung der in der Benachrichtigung aus Phase 2 enthaltenen Informationen (z.B. Netzwerkadresse des Medienservers) vom Empfangsgerät (der ersten Übertragungsvorrichtung) eine „Streaming Session“ mit dem Medienserver 22 aufgebaut und daraufhin die Medien innerhalb dieser Sitzung vom Medienserver heruntergeladen und abgespielt, d.h. die Nachrichten werden in einem Empfangsgerät vom Medienserver empfangen und nicht von einer zweiten Übertragungsvorrichtung im Sinne des Streitpatents (vgl. K8, Abs. [0105], „In the phase 3, the receiver 24 establishes a streaming session with the media server 22, based on the information received in the notification message and
the receiver 24 starts to download and play the media
.“; und Abs. [0118], „In the receiver 24, the message control layer 31 is responsible for interpreting received notification messages, extracting information relating to the location of media content to be streamed and information necessary to form streaming sessions
to retrieve the media content
.“; Unterstreichungen jeweils hinzugefügt).
159
In der K8/Mostafa fehlt somit jegliche anspruchsgemäße Ende-zu-Ende Übertragung von Nachrichten mit Medieninhalten von einer ersten/zweiten zu einer zweiten/ersten Übertragungsvorrichtung.
160
Damit unterscheidet sich die Lehre der K8/Mostafa grundsätzlich von der Lehre des Streitpatents, denn gemäß Streitpatent werden bei einem dort ggf. im Übertragungsweg vorgesehenen Server die von der ersten Übertragungsvorrichtung gesendeten Nachrichten zwar auch im Server zwischengespeichert, diese dann aber vom Server direkt und ohne einen separaten Download-Schritt an die zweiten Übertragungsvorrichtungen geroutet bzw. weitergeleitet (vgl. K2, Abs. [0087], „The main purpose of the Store and Stream module 84 is to receive Messages transmitted by the Clients 12 and transmit Messages to other Clients 12. As Messages are received, they are stored in the PIMB 85 and transmitted to the next Server 16 (i.e., the net “hop”) of the network layer 14 along the path to the intended recipient(s), or to the recipient(s) directly depending on the system configuration.“, vgl. Abs. [0109], „The PIMB Reader 26 on the Client 12
1
reads the payloads out of the PIMB 30, creates Vox packets, and transmits the packets to the receiving Client 12
2
(box 134) over the network 18. Each Server 16 along the path between the sending Client 12
1
and the receiving Client 12
2
stores the transmitted payloads in the PIMB 85 and transmits the Vox packets to the next hop (box 133)“.
161
Eine Verbindung auf irgendeinem Layer unterhalb der Applikationsschicht ist gemäß Streitpatent dazu nicht erforderlich.
162
Zwar umfasst die K8/Mostafa in der Phase 2 eine Ende-zu-Ende Übertragung der Benachrichtigung („notification“) mittels „store and forward“ durch den MMS Server, die Benachrichtigung übermittelt jedoch keinerlei Medieninhalte. Darüber hinaus betrifft das „store and forward“ der Benachrichtigung als Routing-Verfahren den Layer 3. Es kann daher völlig dahingestellt bleiben, ob die Benachrichtigung Ende-zu-Ende übertragen wird, zumal die K8/Mostafa hinsichtlich des dafür verwendeten Transportprotokolls (Layer 4) sowie einer potentiellen Verbindung auf dem Session-Layer (Layer 5) schweigt.
163
Somit geht in Bezug auf den geltenden Patentanspruch 1 aus K8/Mostafa
164
a) das Merkmal M1.3.2 nicht unmittelbar und eindeutig hervor, und
165
b) die gesendeten und empfangenen Nachrichten werden nicht dauerhaft im Sinne des Streitpatents in der ersten Übertragungsvorrichtung gespeichert, so dass auch die Merkmale M1.1 und M1.2 fehlen.
166
Zu a) Der K8/Mostafa entnimmt der Fachmann aus Sicht des Senats keinerlei Anregung, die gestreamten Medien vom ersten Kommunikationsteilnehmer bzw. von der ersten Übertragungsvorrichtung statt an den Medienserver an den zweiten Kommunikationsteilnehmer bzw. an die zweite Übertragungsvorrichtung zu senden. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass die vom Senat verwendete Auslegung zu eng sei, wird auf die obigen Ausführungen zum Verständnis des Fachmanns unter I. 4 zu Merkmal M1.3.2 verwiesen.
167
Zu b) Die Ansicht der Klägerin, aufgrund der auf Gigabytegröße gestiegenen lokalen Speicherkapazität mobiler Endgeräte, die zum Prioritätszeitpunkt der K8/Mostafa noch nicht verfügbar gewesen sei, würde sich die in K8/Mostafa angesprochene Problematik fehlender Speicherkapazität zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents nicht mehr stellen und der Fachmann hätte daher auch für das in K8/Mostafa beschriebene Streaming von Medien ein persistentes Speichern auf den beiden Endgeräten vorgesehen, vermag der Senat nicht zu teilen.
168
Denn in der K8/Mostafa sind bereits Endgeräte mit Speichern in Gigabytegröße in Form von Laptops offenbart, wobei auch schon für diese nach K8/Mostafa keine lokale persistente Speicherung der ein- und ausgehenden Medien vorgesehen ist (vgl. K8, Abs. [0126]). Aus K8/Mostafa erhält der Fachmann keinen Hinweis oder Anregung dahingehend, dass es bei diesen Laptops aufgrund der höheren Speicherkapazität vorteilhaft sein könnte, die Medien der ein- und ausgehenden Nachrichten persistent zu speichern. Im Gegenteil, K8/Mostafa beschäftigt sich sogar ausdrücklich mit E-Mail-Kommunikation mit großen Mediendateien unter Verwendung von PCs und mobilen Endgeräten und stellt auch dort das lokale Speichern dieser großen Mediendateien als nachteilig dar (vgl. K8, Abs. [0007]).
169
Zudem konnte die Klägerin auch nicht überzeugend darlegen, dass die zum Prioritätszeitpunkt gängigen Mobiltelefone über mehrere Gigabyte große Speicher verfügten. Das von der Klägerin zum Fachwissen aufgeführte Mobiltelefon Apple iPhone in der ersten Version verfügt zwar über einen größeren internen Speicher (Memory internal 4/8/16 GB) als der in der K8/Mostafa genannte Nokia 9110 Communicator (2 MB user data storage), bei dem Apple iPhone handelt es sich aber nicht um ein zum Prioritätstag des Streitpatents gängiges Mobiltelefon, sondern um eine neue Kategorie von Mobiltelefonen, welche erst kurz vor dem Prioritätstag auf den Markt gekommen sind (vgl. K16, Apple iPhone, „Released 2007, June“).
170
Der Fachmann hatte daher ausgehend von K8/Mostafa weder eine Veranlassung, ein persistentes Speichern von eingehenden/ausgehenden Nachrichten (Mediendateien) auf der Übertragungsvorrichtung vorzusehen, noch eine Veranlassung, Nachrichten (Mediendateien) über das Übertragungsnetz von der ersten Übertragungsvorrichtung zu der zweiten Übertragungsvorrichtung zu senden bzw. zu empfangen, ohne zuvor eine Verbindung im Sinne des Streitpatents einzurichten. Somit würde der Fachmann ausgehend von K8/Mostafa nicht in naheliegender Weise zu dem Verfahren nach Patentanspruch 1 gelangen.
171
Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht mehr darauf an, ob für die Layer 3 „store-and-forward“ Übermittlung der Benachrichtigung („notification“) mittels „notification message“ vom Sender über einen MMS-Server an den/die Empfänger in Phase 2 der Lehre der K8/Mostafa ggf. eine Verbindung im Sinne des Streitpatents auf den darüber liegenden Transport-Layer (Layer 4) oder Session-Layer (Layer 5) erforderlich ist.
172
2.2.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von K6 – US 2006/0003740 A1 („Munje“) in Verbindung mit K15 bzw. K20
173
Wie bei der Prüfung der Frage der Neuheit ausgeführt, geht aus K6/Munje nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass
174
a) die gesendeten und empfangenen Nachrichten auf der ersten Übertragungsvorrichtung im Sinne des Streitpatents persistent (dauerhaft) gespeichert werden (Merkmale M1.1 und M1.2), und
175
b) Nachrichten über das Übertragungsnetz von der ersten Übertragungsvorrichtung zu der zweiten Übertragungsvorrichtung gesendet werden und über das Übertragungsnetz an der ersten Übertragungsvorrichtung von der zweiten Übertragungsvorrichtung empfangen werden, ohne zuerst eine Verbindung über das Übertragungsnetz zwischen der ersten Übertragungsvorrichtung und der zweiten Übertragungsvorrichtung einzurichten (Merkmal M1.3.2).
176
zu a) Gemäß der K6/Munje werden nicht nur eine Vielzahl von eingehenden Nachrichten, sondern auch eine Vielzahl von ausgehenden Nachrichten – und somit ein umfassender Nachrichten-Verlauf – in einem Speicher 412 abgelegt (vgl. K6/Munje, Abs. [0056] und [0074]), wobei somit also eine Speicherung diverser Nachrichten und Konversationen bereits vorgesehen ist. Dies wird insbesondere auch durch das in K6/Munje beschriebene „scroll wheel 812“ bekräftigt, mit welchem der Nutzer durch die Vielzahl von aufgezeichneten Nachrichten navigieren kann (vgl. K6/Munje, Abs. [0063] ff.). Bei den in K6/Munje vorgesehenen Speichern kann es sich sowohl um volatile (vgl. Abs. [0022] für das Betriebssystem) oder nicht-volatile (vgl. Abs. [0025] und S. 4, Abs. [0035]) Speicher handeln.Ob der Nachrichtenverlauf auf einem volatilen oder nicht-volatilen Speicher abgelegt ist, lässt K6/Munje offen; in den entsprechenden Textstellen wird lediglich von einem Speicher (vgl. Abs. [0055], „memory 412“) gesprochen.
177
Zwar wird in dem Ausführungsbeispiel der Figur 5 in Verbindung mit Absatz [0055] ein Ring-Speicher („circular buffer memory“) für das Speichern des Nachrichtenverlaufs beschrieben, bei dem Nachrichten nach einer bestimmten Zeit überschrieben werden, allerdings ist K6/Munje darauf jedoch nicht beschränkt. Anspruch 1 der K6/Munje spricht ganz allgemein von einem Speicher (vgl. K6, Anspruch 1, „[…] causing the voice data of the PTT voice communication to be recorded in memory of the mobile station based on receiving the PTT key message“; vgl. Abs. [0070], „Preferably, memory 412 of FIGS. 4-5 is utilized.“). Erst mit Unteranspruch 6 wird dieser Speicher auf einen Ringspeicher beschränkt.
178
Der Fachmann hat deshalb Anlass, sich Gedanken über die Art und Weise der Speicherung zu machen. Er würde sie zudem in jedem Fall derart ausgestalten, dass der Nutzer stets – also auch nach einem Aus- und Einschalten der Kommunikationsvorrichtung – auf die vollständige Konversation zugreifen kann und deshalb vorzugsweise einen nicht-volatilen Speicher verwenden, in dem der komplette Nachrichtenverlauf persistent im Sinne des Streitpatents (dauerhaft) gespeichert wird. Einer erfinderischen Tätigkeit bedarf es zu diesem Merkmal nicht.
179
zu b) Die Ansicht der Klägerin, dass das Merkmal M1.3.2 durch den Verweis in K6/Munje auf den PoC-Standard (vgl. K6, Abs. [0050]) durch die Druckschriften K15 bzw. K20 nahegelegt sei, vermag der Senat nicht zu teilen.
180
Der PoC-Standard gemäß K15 besagt für den Fall, dass der Empfänger registriert ist und die automatische Antwortfunktion verwendet (“Automatic Answer Mode”), dass das Sendegerät (in Folge eines INVITE Requests) eine Antwort (“UNCONFIRMED OK response”) vom PoC-Server erhält. Diese “UNCONFIRMED OK” Antwort bedeutet, dass das Empfangsgerät (noch) nicht Teil der PoC-Session ist. Der PoC-Standard sieht dann vor, dass das Sendegerät nach Erhalt der besagten Antwort bereits proaktiv Medien an den PoC-Server losschicken kann. Diese werden am PoC-Server gepuffert, bis eine Verbindung bzw. Session zum eingeladenen Empfangsgerät steht, vgl. K15, S. 58 Aufzählungspunkte 3 und 6 in Verbindung mit Figur 13:
181
Anders formuliert ermöglicht diese PoC-Funktionalität (“Automatic Answer Mode”) ein Senden von Medien von einem ersten Kommunikationsgerät zum PoC-Server, wobei dieser die Medien zwischenspeichert und erst dann an das zweite Kommunikationsgerät weiterleitet, sobald dieses in der PoC-Session verbunden ist. Es kann also bereits gesendet werden, ohne zunächst auf eine vollständig eingerichtete Verbindung im Sinne des Streitpatents zu warten, um so etwaige Verzögerungszeiten beim Aufbau der PoC-Session zumindest teilweise zu kompensieren.
182
Ein Empfangen von Medien am ersten Kommunikationsgerät vom zweiten Kommunikationsgerät, ohne dass zuvor eine Verbindung aufgebaut wird, ist der K15 jedoch nicht zu entnehmen. Da der PoC-Dienst unidirektional ist, wird das erste Kommunikationsgerät Medien erst nach Übernahme der Sprechfunktion durch den Kommunikationspartner empfangen, wobei zu diesem Zeitpunkt die PoC-Session dann bereits steht.
183
Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht vorgetragen und soweit sie die Ansicht vertritt, das Merkmal M1.3.2 sei durch die in Anlage K20 beschriebene „Video sharing“ (vgl. K20, S. 21) und die dort beschriebene PoC-Box (vgl. K20, S. 23) nahegelegt, überzeugt dies nicht.
184
Auch die K20 erfordert für das in Kapitel 5.1 beschriebene „Video sharing“ eine PoC-Session zu einem Empfänger, was bereits aus dem ersten Absatz des Abschnitts 5.1.1. hervorgeht (vgl. K20, S. 21, 1. Absatz). Dass der Ablauf gemäß K20 an dieser Stelle ein anderer sein sollte als in K15 beschrieben, ist der K20 nicht zu entnehmen. Damit ist das Merkmal M1.3.2 gemäß Patentanspruchs für das Senden von Medien auch durch die K20 nahegelegt. Allerdings ist auch hier für den Empfang der Medien am ersten Kommunikationsgerät wiederum eine Verbindung zwischen den Kommunikationsgeräten erforderlich.
185
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in Kapitel 5.2 der K20 beschriebenen „PoC-Box“ (vgl. K20, S. 23). Diese stellt lediglich eine Möglichkeit für die Aufnahme von Sprachnachrichten in Form einer Art „Online-Anrufbeantworter“ dar, mit der sich das Sendegerät in einer Session verbinden muss, damit es eine Nachricht absenden darf (vgl. K20, S. 23, „Instead of PoC User B being alerted the PoC Service Infrastructure establish a PoC Session between PoC User A and a PoC Box.“). Bei der PoC-Box handelt es sich aus fachmännischer Sicht um einen Server im System und nicht um das zweite Kommunikationsgerät im Sinne des Streitpatents. Das erste Kommunikationsgerät sendet die Nachricht somit nicht an das zweite Kommunikationsgerät sondern an einen Server als Kommunikationspartner, wozu vorab eine Verbindung (eine „PoC-session“) erforderlich ist. Ist das zweite Kommunikationsgerät (PoC user B) wieder erreichbar, so baut der Server („PoC Service Infrastructure“) ebenfalls eine Verbindung (also eine weitere „PoC-session“) mit dem zweiten Kommunikationsgerät (PoC User B) auf und sendet die aufgezeichnete Sprachnachricht (vgl. K20, S. 24 oben). Das zweite Kommunikationsgerät empfängt die Nachricht somit nicht vom ersten Kommunikationsgerät sondern vom Server.
186
Des Weiteren offenbart die Entgegenhaltung K20 nicht, dass die von der PoC-Box abgerufenen Nachrichten progressiv in einem Echtzeitwiedergabemodus gemäß Merkmal M1.2 abgespielt werden. Die Druckschrift verhält sich hierzu nicht. Es ist aus fachmännischer Sicht davon auszugehen, dass User B die aufgezeichneten Nachrichten zunächst vollständig herunterlädt und erst dann abspielt, da die aufgezeichnete Nachricht vollständig auf der PoC-Box abgelegt ist.
187
Da somit weder K15 noch K20 das Merkmal M1.3.2 zeigen, ist durch eine Zusammenschau der K6/Munje mit diesen Druckschriften das erteilte Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nicht nahegelegt.
188
2.2.3 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift K13 – US 2006/0085515 A1 („Kurtz“)
189
Wie bereits zuvor bei der Prüfung der Frage der Neuheit ausgeführt, geht aus der K13/Kurtz das Merkmal M1.3.2 nicht unmittelbar und eindeutig hervor. Der Fachmann erhält aus der K13 auch keine Anregung hierfür.
190
a) Soweit die Klägerin der Auffassung ist, K13/Kurtz lege im Zusammenhang mit der Offline-Funktionalität bei Textnachrichten in Instant Messenger (IM) Systemen das Merkmal M1.3.2 nahe und für den Fachmann sei es zum Prioritätszeitpunkt bereits Teil des allgemeinen Fachwissens – insbesondere in Anbetracht des Anlagenkonvoluts K17 – gewesen, dass IM-Systeme (zusätzlich zu Live-Chats) auch das Übertragen von „Offline-Nachrichten“ ermöglichen würden, überzeugt nicht. Dass die K17 dabei zeige, dass die dem Fachmann bekannten IM-Systeme AIM, Windows Live Messenger, ICQ und Yahoo! Messenger zum Prioritätszeitpunkt allesamt das Übertragen von „Offline-Nachrichten“ ermöglichten, sieht der Senat nicht.
191
Die K13/Kurtz offenbart keine Offline-Funktionalität und erwähnt gerade die Übertragung von Sprache und Video ausschließlich im Zusammenhang mit dem Bestehen einer Online-Verbindung zwischen den Teilnehmern.
192
Aus fachmännischer Sicht handelt es sich bei den aus dem Anlagenkonvolut K17 bekannten „Offline-Nachrichten“ bei IM-Systemen ausschließlich um Textnachrichten, die zunächst vollständig verfasst und erst nach einem Sendebefehl verschickt werden. Auf der Empfängerseite werden diese erst dann dargestellt, sobald diese vollständig erhalten wurden. Keinem der in K17 genannten Instant Messenger ist ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass eine solche Funktion in Verbindung mit progressiv übertragenen bzw. empfangenen Nachrichten unterstützt würde. Zudem lässt sich weder der K13/Kurtz noch den als Anlagenkonvolut K17 vorgelegten Wikipedia-Auszügen ein Anhaltspunkt bzw. eine Anregung dafür entnehmen, dass eine Kombination dieser beiden Modi vorteilhaft wäre. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die progressive Übertragungsweise würde einen schnelleren Kommunikationsablauf gewährleisten, ist schon nicht ersichtlich, wieso das bei solchen Chat-Diensten mit Textnachrichten überhaupt eine Rolle spielen sollte. Gerade bei Offline-Nachrichten gibt es überhaupt keinen Grund, die Übertragung zu beschleunigen, weil der Empfänger ja ohnehin nicht erreichbar ist. „Streaming“ ist in dieser Konstellation und erst recht bei Textnachrichten unnötig und damit fernliegend.
193
Soweit die Klägerin außerdem auf K8/Mostafa verweist, betrifft diese Entgegenhaltung gerade keinen Instant Messenger Dienst, sondern den im Mobilfunk aus der SMS weiterentwickelten Multimedia Messaging Service (MMS), also einen komplett anderen Kommunikationsdienst, der im Übrigen ohne die Lehre der K8/Mostafa auch keine progressive Übertragung vorsieht.
194
b) Auch die weiteren Ausführungen der Klägerin, K13/Kurtz lege im Zusammenhang mit der Freundesliste („Buddy list“) für die Online-Funktionalität nahe, bereits dann Datenpakete loszuschicken, wenn auf Applikationsebene noch keine Verbindung besteht, da dem Sendegerät durch die „Buddy-Liste“ der Status einzelner Nutzer bereits bekannt sei, der Fachmann ausgehend von K13/Kurtz daher darauf verzichten würde, vor dem Versenden der Nachricht mittels eines Verbindungsaufbaus zu überprüfen, ob der Empfänger auch tatsächlich verfügbar ist und der Fachmann daher Anlass habe, eine Implementierung vorzusehen, bei der bereits mit Drücken des „Sende“-Knopfes ohne erneute Überprüfung der Verfügbarkeit Daten losgeschickt werden können, überzeugen nicht.
195
Denn es geht bei dem Erfordernis des Verbindungsaufbaus bei der K13/Kurtz nicht darum, nochmals mittels eines Verbindungsaufbaus zu überprüfen, ob der Empfänger tatsächlich verfügbar ist, wenn er in der „Buddy-Liste“ als verfügbar angezeigt wird. Die Session und damit die Verbindung im Sinne des Merkmals M1.3.2 wird durch den Austausch der Anmelde- und Verbindungsinformationen über den Instant Messaging-Dienst zwischen den Kommunikationsgeräten eingerichtet, der gemäß der K13/Kurtz zwingende Voraussetzung für das Versenden von Nachrichten ist und erst recht für den Aufbau einer Videokonferenz-Session. Dies ist aber nicht möglich, wenn einer der beteiligten Nutzer offline ist, auch wenn er in der „Buddy-Liste“ als verfügbar angezeigt wird. Mit einer Übertragung von Nachrichten kann mithin auch nicht begonnen werden.
196
2.2.4 Dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber einer der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhen würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Vielmehr liegen diese Entgegenhaltungen noch weiter ab vom Stand der Technik hinsichtlich des Gegenstands nach Patentanspruch 1.
197
Die Druckschriften K9, K10 und K11 wurden seitens der Klägerin zum Nachweis der Merkmale des erteilten, auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 8 in das Verfahren eingeführt, die K19 betrifft den Nachweis von MMS Dateigrößen zum Prioritätszeitraum, und die K21 bis K23 betreffen den Nachweis des Fachwissens hinsichtlich des PoC-Standards gemäß K15 und K20.
198
Da sich somit der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung nach Hauptantrag für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergibt, gilt er auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und ist patentfähig.
199
3. Hinsichtlich der ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 5, 7, 8, 10 sowie der nebengeordneten Ansprüche 11 und 12, zu denen die Klägerin lediglich schriftsätzlich pauschal auf ihren Vortrag zum erteilten Patentanspruch 1 verweist und keine darüberhinausgehenden Einwendungen erhoben hat, gelten auch – soweit sie vorteilhafte Ausgestaltungen des Erfindungsgegenstands betreffen – die vorstehenden, den Anspruch 1 betreffenden Überlegungen entsprechend. Die Unteransprüche und die Nebenansprüche sind bereits durch ihren Rückbezug auf den patentfähigen Anspruch 1 rechtsbeständig. Gegenteiliges hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
B.
200
Nebenentscheidungen
201
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
202
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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