Aktenzeichen 25 W (pat) 42/12
Tenor
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 051 821.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Februar 2012 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Waren „Dachziegelfarben; Anstrichmittel für Dach, Wand und Fußboden; Fassadenfarben; Isolierfarben; Isolierlacke“ zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
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Das nachfolgend abgebildete Zeichen
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ist am 21. September 2011 als Bildmarke für verschiedene Waren der Klassen 2 und 17 angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, hat diese unter der Nummer 30 2011 051 821.1 geführte Anmeldung nach entsprechender Beanstandung teilweise, nämlich in Bezug auf die nachfolgend genannten Waren der Klasse 2, zurückgewiesen:
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Dachziegelfarben; Anstrichmittel für Dach, Wand und Fußboden; Fassadenfarben; Isolierfarben; Isolierlacke.
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Aus Sicht der Markenstelle fehlt dem angemeldeten Zeichen in Bezug auf die vorgenannten Waren jegliche Unterscheidungskraft. Es enthalte allein eine symbolische Darstellung der Wirkungsweise dieser Waren. Abgebildet sei ein Alchemilla-Perl-Blatt (Blatt des Frauenmantels, auf dem Wassertropfen abperlten). Die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch breite Verkehrskreise wie private Bauherren, Heimwerker gehörten, würden das angemeldete Zeichen dahingehend verstehen, dass auf Waren hingewiesen werden solle, die einen der Lotuspflanze oder dem Frauenmantel vergleichbaren Abperl- oder Selbstreinigungseffekt aufwiesen. Der Verkehr sei daran gewöhnt, Waren wie Farben, Lacke, Anstrichmittel etc. mit dem werbenden Hinweis auf einen Selbstreinigungseffekt, also dass Schmutz abperle, präsentiert zu bekommen. Der Verkehr werde hieraus nicht auf die betriebliche Herkunft der mit einem solchen Zeichen gekennzeichneten Waren schließen. Anderes sei nur bei sehr typischen und ausgefallenen Formen der Fall. Das angemeldete Zeichen weise aber keinen Wiedererkennungswert und keine Zuordnungsmöglichkeit zu einem bestimmten Unternehmen auf, da es nur Funktion und Wirkungsweise der beanspruchten Waren wiedergebe, nämlich den Selbstreinigungseffekt der hier in Frage stehenden Produkte, ohne ein darüber hinausgehendes charakteristisches Element zu enthalten. Für Produkte, die den Abperl- oder Lotuseffekt aufwiesen, werde häufig mit auf Blättern oder Gegenständen abperlenden Tropfen geworben. Daher handele es sich bei dem angemeldeten Zeichen lediglich um einen üblichen Hinweis auf den Selbstreinigungseffekt der beanspruchten Waren. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Verkehr in Bezug auf die hier einschlägigen Produkte nicht jedes Detail merken werde und geringe Abweichungen unmaßgeblich seien. Da dem angemeldeten Zeichen somit jegliche Unterscheidungskraft fehle, komme es nicht mehr darauf an, ob auch ein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei.
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Dagegen richtet sich die von der Anmelderin erhobene Beschwerde.
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Sie ist der Auffassung, dass das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig sei. Die Rechercheergebnisse der Markenstelle seien nicht geeignet, einen beschreibenden Charakter des angemeldeten Zeichens zu belegen, da keine von der Markenstelle übersendete Abbildung ein „Blatt mit Stiel“ enthalte, welches der angemeldeten Marke nur im Entferntesten ähnlich sei. Die Tatsache allein, dass verschiedene Hersteller im hier einschlägigen Bereich der Farb- und Lackindustrie mit Blättern und Wasser werben würden, spreche nicht gegen die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens. Das angemeldete Zeichen unterscheide sich von solchen Darstellungen dadurch, dass es sich um die Abbildung einer ausgefallenen Form eines Blattes handele, die aufgrund einer ausdifferenzierten graphischen Gestaltung einen ausgeprägten Wiedererkennungswert habe. Das angemeldete Zeichen weise auch keine unmittelbar beschreibende Bedeutung auf. Es bestehe aus einem Blatt mit Tau- oder Wassertropfen, wobei es ein Ergebnis mehrerer komplizierter und analysierender gedanklicher Schritte sei, von dieser Abbildung auf einen Abperl- oder Lotuseffekt zu schließen und dies mit Farben oder Lacken in Verbindung zu bringen. Die gegenteilige Betrachtungsweise der Markenstelle sei nicht naheliegend, da Firmen aus verschiedensten Bereichen mit dem Lotuseffekt werben würden (z.B. bei Metall- und Kunststoffversiegelungen im Sanitär- und Küchenbereich, bei Kfz-Scheibenversiegelungen, bei Holzversiegelungen, bei Textilversiegelungen, bei Brillenreinigern, bei Oberflächenveredelungen für Dächer), so dass das Publikum nicht sofort an Lack- oder Farbenhersteller denken werde. Die Konsequenz der Beurteilungsmaßstäbe der Markenstelle wäre, dass in den vorgenannten Bereichen Abbildungen wie die vorliegende, mögen sie auch noch so phantasievoll und einprägsam ausgestaltet sein wie das angemeldete Zeichen, nicht eintragungsfähig wären. Vorliegend bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr einen unmittelbaren und konkreten Bezug zu den streitgegenständlichen Waren herstelle.
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Es bestehe auch kein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Dem angemeldeten Zeichen komme in seiner Gesamtdarstellung ein ausreichender Phantasiegehalt zu, zumal es keine beschreibende Bedeutung in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren habe. Angesichts der Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten eines Blatts mit Tropfen bestünden keine Anhaltspunkte, dass Mitbewerber ein berechtigtes Interesse an einer Freihaltung des angemeldeten Zeichens in seiner konkreten Ausgestaltung hätten.
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Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Februar 2012 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung des angemeldeten Zeichens das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht entgegen. Da auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben ist, war der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
1.
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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u.a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a.a.O.).
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Bei der Beurteilung der Frage, ob das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Bei den vorliegend beanspruchten Waren handelt es sich um Anstrichmittel, Farben und Lacke, wobei als maßgebliche Verkehrskreise zum einen die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Bereich der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30) und zum anderen Fachkreise, insbesondere die am Handel mit den vorgenannten Waren beteiligte Kreise, in Betracht zu ziehen sind.
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Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist das angemeldete Zeichen geeignet, in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen.
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Zum einen enthält das angemeldete Zeichen keine Abbildung der o.g. Waren, sondern die Abbildung eines Blattes einer Pflanze (konkret: der Alchemilla Mollis – Frauenmantel) mit Tau- bzw. Wassertropfen. Zum anderen handelt es sich bei den angemeldeten Zeichen auch nicht um eine ausschließlich sachbezogene Abbildung, die aus anderen Gründen nur als Hinweis auf diese Waren selbst und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 217).
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Zwar werden, wie sich aus den Belegen der Markenstelle ergibt, Abbildungen von Blättern mit Tau- oder Wassertropfen im Zusammenhang mit der Illustration des sog. „Lotuseffekts“, der eine wasser- und schmutzabweisende Wirkung neuartiger Materialien insbesondere aus dem Bereich der Nanotechnologie darstellt, verwendet. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die o.g. Verkehrskreise das angemeldete Zeichen als bloßen Sachhinweis auf Merkmale der beschwerdegegenständlichen Waren auffassen werden, wenn ihnen dieses Zeichen in Verbindung mit diesen Waren begegnet. Die in den Belegen der Markenstelle enthaltenen Abbildungen betreffend den Lotuseffekt sind mit erläuternden Texten versehen worden, wobei erst dadurch ein eindeutiger Zusammenhang mit den jeweiligen Produkten bzw. deren Eigenschaften hergestellt wird. Auch eine vom Senat durchgeführte Recherche hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Abbildungen wie die hier beschwerdegegenständliche ohne jeden erläuternden Zusatz für die Beschreibung des „Lotuseffektes“ verwendet werden und der Verkehr diese Abbildung ohne weiteres mit dem „Lotuseffekt“ assoziiert, zumal vorliegend nicht nur abperlende Wassertropfen auf einer irgendwie gearteten Oberfläche dargestellt werden, sondern die angemeldete Bildmarke darüber hinaus eine charakteristische Blattform zeigt.
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Begegnet die angemeldete Abbildung dem Verkehr in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Waren ohne jedwede Zusätze, so bedarf es erst mehrerer analysierender Gedankenschritte, um diese Abbildung als Beschreibung von Eigenschaften dieser Waren, nämlich wasser- und/oder schmutzabweisende Beschaffenheit zu erkennen, oder einen solchen Zusammenhang herzustellen. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Anmeldung auch von Fallgestaltungen, in denen sich die angemeldete Abbildung z.B. in dekorativen Elementen der beanspruchten Waren (vgl. BGH GRUR 2011, 158) oder in der Abbildung einer Betriebsstätte für Herstellung bzw. Vertrieb der beanspruchten Waren (vgl. BGH GRUR 2005, 419) oder von typischen Bildelementen der beanspruchten Waren (vgl. EuG GRUR Int 2005, 833) oder der Bestimmung dieser Waren (vgl. EuG GRUR Int 2010, 727) erschöpft und der Verkehr deswegen ohne weiteres den Sachbezug zu den jeweils beanspruchten Waren herzustellen vermag. Da letzteres hier aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall ist, kann dem angemeldeten Zeichen auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
2.
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Aus den vorgenannten Gründen besteht die als Bildmarke angemeldete Abbildung i.V.m. den beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 2 auch nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung dieser Waren oder von Merkmalen dieser Waren geeignet sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Markenschutz nur auf das konkrete Zeichen, d.h. hier die Abbildung so, wie sie konkret ausgestaltet ist, bezieht, sich jedoch nicht auf jegliche Abbildungen von Blättern mit abperlenden Wassertropfen erstreckt, insbesondere dann nicht, wenn diese mit entsprechenden Zusätzen als reine sachbeschreibende Angabe verwendet werden. Daher ist das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ebenfalls nicht erfüllt.
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Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.