Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “blaugelb” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  29 W (pat) 518/16

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:290720B29Wpat518.16.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 051 545.0
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. Dezember 2015 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
blaugelb
3
ist am 29. August 2015 unter der Nummer 30 2015 051 545 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand; Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke;
5
Klasse 3: Waschmittel; Bleichmittel; Putzmittel; Poliermittel; Fettentfernungsmittel; Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarwässer; Zahnputzmittel;
6
Klasse 6: Bau- und Möbelbeschläge aus Metall; Profile für Fenster und Türen aus Metall; Türfüllungen aus Metall; Profile aus Metall; Briefkastenanlagen aus Metall; Schrauben und Nägel aus Metall;
7
Klasse 7: Werkzeuge [Maschinenteile];
8
Klasse 8: Handwerkzeuge [handbetätigt];
9
Klasse 17: Dichtungen für Fenster und Türen; Dämmmaterial;
10
Klasse 19: Profile für Fenster und Türen aus Kunststoff; Verbundplatten [nicht aus Metall]; Fenster, nicht aus Metall; Fensterbänke;
11
Klasse 20: Möbelbeschläge aus Kunststoff; Baubeschläge aus Kunststoff;
12
Klasse 24: Moskitonetze;
13
Klasse 35: Vermittlung von Handelsgeschäften über Bau- und Möbelbeschläge aus Metall, Profile für Fenster und Türen aus Metall, Türfüllungen aus Metall, Profile aus Metall, Briefkastenanlagen aus Metall, Schrauben und Nägel aus Metall, Werkzeuge [Maschinenteile], Handwerkzeuge [handbetätigt], Dichtungen für Fenster und Türen, Dämmmaterial, Profile für Fenster und Türen aus Kunststoff, Verbundplatten [nicht aus Metall], Fenster [nicht aus Metall], Fensterbänke, Möbelbeschläge aus Kunststoff, Baubeschläge aus Kunststoff, Moskitonetze und Waren für die Baubranche und den Handwerkerbedarf; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Bau- und Möbelbeschlägen aus Metall, Profilen für Fenster und Türen aus Metall, Türfüllungen aus Metall, Profilen aus Metall, Briefkastenanlagen aus Metall, Schrauben und Nägeln aus Metall, Werkzeugen [Maschinenteile], Handwerkzeugen [handbetätigt], Dichtungen für Fenster und Türen, Dämmmaterialien, Profilen für Fenster und Türen aus Kunststoff, Verbundplatten [nicht aus Metall], Fenstern [nicht aus Metall], Fensterbänken, Möbelbeschlägen aus Kunststoff, Baubeschlägen aus Kunststoff, Moskitonetzen und Waren für die Baubranche und den Handwerkerbedarf;
14
Klasse 37: Bauwesen; Installation und Reparatur von Fenstern, Türen, Dämmungen und Dichtungen; Bauberatung auf dem Gebiet der Anwendung von Beschlägen am Bau gegenüber Industrie und Handwerk sowie gegenüber Architekten und Behörden;
15
Klasse 42: Technische Beratung auf dem Gebiet der Anwendung von Beschlägen am Bau gegenüber Industrie und Handwerk sowie gegenüber Architekten und Behörden.
16
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 37 Abs. 1 und 5 MarkenG teilweise, und zwar für die oben fett gedruckten Waren zurückgewiesen.
17
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen sei für den angesprochenen Verkehr – hier den Fachverkehr sowie breite Verkehrskreise – ohne weiteres erkennbar aus den Farbangaben „blau“ und „gelb“ zusammengesetzt. Die in den Klassen 6, 7, 8, 17, 19, 20 und 24 beanspruchten Waren seien gegenständliche Erzeugnisse, zu deren äußeren Beschaffenheit auch eine bestimmte, in diesem Falle blaugelbe Farbgebung gehören könne. Dies gelte sowohl für die Waren selbst als auch für deren Verpackung. Die Bezeichnung sei daher geeignet, als Hinweis auf die Farbgebung dieser Waren zu dienen und sei damit eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der Hinweis der Anmelderin, ihre Waren würden keine blaugelbe Farbgebung aufweisen, sei unerheblich, da es darauf nicht ankomme. Selbst wenn das Zeichen von der Anmelderin „erfunden“ worden wäre, begründe dies nicht seine Schutzfähigkeit.
18
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
19
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 2015 aufzuheben.
20
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das angemeldete Zeichen lasse im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen ausschließlich beschreibenden Sinngehalt erkennen. Die von der Anmelderin angebotenen Waren der Klassen 6, 7, 8, 17, 19, 20 und 24 würden keine blaugelbe Farbgebung aufweisen. Die Markenstelle habe keine entsprechenden Feststellungen dazu getroffen. „Blaugelb“ beschreibe keine der angemeldeten Waren und insbesondere keine der angemeldeten Dienstleistungen. Würde man die Farben blau und gelb mischen, ergebe sich grün. Die Farbe „blaugelb“ als solche gebe es nicht. Auch die Rechercheergebnisse des Senats könnten nicht belegen, dass die angemeldeten Waren in blaugelber Farbgebung angeboten würden. Dies sei unüblich und komme nirgendwo auf dem Markt vor. Die Anmelderin verweist außerdem auf diverse Voreintragungen von Marken, die eine Farbbezeichnung beinhalten.
21
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2020 hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt und verfolgt ihr Rechtsschutzbegehren nur noch in Bezug auf folgende Waren:
22
Klasse 6: Unbeschichtete Baubeschläge aus Metall; unbeschichtete Schrauben und Nägel aus Metall;
23
Klasse 17: Dämmmaterial.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
25
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Beschwerdeführerin in der Sache Erfolg, da der Eintragung des angemeldeten Zeichens für die verbleibenden Waren keine absoluten Schutzhindernisse entgegenstehen. Insoweit fehlt es dem Zeichen weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich um eine freihaltebedürftige Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.
26
1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 8 Rn. 362). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rn. 52 – PRANAHAUS; GRUR 2004, 674 Rn. 97 – Postkantoor; GRUR 1999, 723 Rn. 30 – Chiemsee; BGH GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; GRUR 2012, 272 Rn. 12, 17 – Rheinpark-Center Neuss; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 377 m. w. N.). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 29 – Chiemsee; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 392, 393). Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren oder Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftige beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 56 – Postkantoor; GRUR 1999, 723 Rn. 35 – Chiemsee). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht es aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH a. a. O. – PRANAHAUS; a. a. O. Postkantoor; GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Rheinpark-Center Neuss; a. a. O. – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; BPatG, Beschluss vom 14.11.2019, 30 W (pat) 30/17 – Samtfarben).
27
Nach diesen Maßstäben liegt für die noch beschwerdegegenständlichen Waren kein Freihaltebedürfnis vor.
28
a) Bei den hier angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um den Fachverkehr aus der Baubranche als auch um das handwerklich interessierte allgemeine Publikum.
29
b) Das angemeldete Wortzeichen besteht aus den Farbbezeichnungen „blau“ und „gelb“ und wird in seiner Gesamtheit von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als Farbangabe verstanden. Dass diese Farbangabe in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren eine beschreibende Angabe darstellt, kann nicht festgestellt werden.
30
Baubeschläge bestehen in der Regel aus den Werkstoffen Stahl, Edelstahl Aluminium, Kupfer, Messing oder anderen Nichteisen-Metallen (vgl. beispielhaft die Angebote https://www.asmetal.de/hersteller/beschlaege; https://www.riemeyer.de/baubeschläge). Mit einer entsprechenden Bearbeitung, zum Beispiel durch Lackieren, Bemalen oder Pulverbeschichten kann die Oberfläche auch farbig gestaltet werden. Für derart farbig gestaltete Baubeschläge könnte die Angabe „Blaugelb“ zur Bezeichnung der Warenfarbe eingesetzt werden. Gleiches gilt für Schrauben und Nägel aus Metall, die in verschiedenen Farbtönen beschichtet angeboten werden. Bei den nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses noch beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 6 „unbeschichtete Baubeschläge aus Metall; unbeschichtete Schrauben und Nägel aus Metall“ kommt jedoch eine farbige Gestaltung durch eine Oberflächenbehandlung nicht in Betracht, da es sich ausdrücklich um Gegenstände aus unbeschichteten Materialien handelt. Diese können zwar auch als „farbig“ beschrieben werden, nämlich je nach Material zum Beispiel bronzefarben, messingfarben oder kupferfarben, eine Beschreibung durch die Angabe „blaugelb“ liegt dagegen nicht nahe und käme nur bei einer farbigen Beschichtung in Betracht.
31
Was die in Klasse 17 angemeldeten Waren „Dämmstoffe“ anbelangt, konnte der Senat nicht feststellen, dass in diesem Warenbereich die Farbe des Produkts ein im Verkehr relevantes Merkmal ist und daher Farbbezeichnungen zur Beschreibung des Produktes „Dämmstoff“ verwendet werden. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind ebenfalls nicht erkennbar.
32
Da das angemeldete Wortzeichen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren hat, besteht kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
33
2. Das angemeldete Zeichen weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.
34
Wie bereits ausgeführt, eignet sich das Anmeldezeichen nicht zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Waren. Es weist auch keinen sonstigen sachbezogenen Aussagegehalt auf, der die Annahme rechtfertigen würde, die angesprochenen Verkehrskreise sähen in der Bezeichnung keinen betrieblichen Herkunftshinweis. Der Verkehr wird das Zeichen weder als beschreibenden Hinweis noch ausschließlich als werbliche Anpreisung verstehen.
35
Dem Anmeldezeichen kann nach alledem für die noch beschwerdegegenständlichen Waren die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.


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