Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “CHROMA” – zur Prüfung der absoluten Schutzhindernisse – Würdigung aller angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen – Fehlen – Verstoß gegen die Begründungspflicht – Zurückverweisung an das DPMA

Aktenzeichen  30 W (pat) 523/16

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:070618B30Wpat523.16.0
Normen:
§ 61 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 039 450.5
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 7. Juni 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. von Hartz
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. März 2016 aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
CHROMA
3
ist am 28. April 2015 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register unter der Nummer 30 2015 039 450.5 angemeldet worden.
4
Die Anmelderin hat das ursprüngliche Warenverzeichnis im Beschwerdeverfahren mehrfach geändert. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2016 hat die Anmelderin eine Teillöschung für Waren der Klasse 9 sowie die Aufnahme des nachfolgenden Zusatzes in Klasse 9 beantragt:
5
„vorgenannte Waren ausschließlich im Zusammenhang mit elektronischen Bildgebungsausrüstungen für medizinische und endoskopische Zwecke, nämlich Videokameras, Computerhardware und dazugehörige Software für den Betrieb der vorstehend genannten Ausrüstungen für medizinisch-diagnostische, medizinische und endoskopische Behandlungszwecke“.
6
Mit Schriftsatz vom 23. August 2016 hat die Anmelderin eine Teillöschung für Waren der Klasse 10 sowie die Aufnahme eines Zusatzes in den Klassen 9 und 10 beantragt:
7
„alle vorgenannten Waren beschränkt auf Bildverarbeitungsgeräte, deren Bestandteile oder Zubehör; keine der vorgenannten Waren für In-Vitro-Diagnosen.“
8
Die Anmelderin hat den vorstehenden Disclaimer mit Schriftsatz vom 27. September 2016 dahingehend präzisiert, dass es “elektronische Bildverarbeitungsgeräte” heißen soll. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 wurde seitens der Anmelderin eine weitere Teillöschung für Waren der Klasse 10 beantragt.
9
Beschwerdegegenständlich ist somit nachfolgendes Warenverzeichnis:
10
„Klasse 9:
11
Apertometer [Optik]; Batterien [elektrisch]; CD-Player; Chips [integrierte Schaltkreise]; Chromatografiegeräte für Laborzwecke; Chronografen [Zeiterfassungsgeräte]; Codierer [Datenverarbeitung]; Codierte Identifikationsarmbänder, magnetisch; codierte Service- und Identifikationskarten; Compact-Disks [ROM, Festspeicher]; Compact-Disks [Ton, Bild]; Computer; Computer-Programme [gespeichert]; Computerbetriebsprogramme [gespeichert]; Computerbildschirme; Computerperipheriegeräte; Computerprogramme [herunterladbar]; Computersoftware [gespeichert]; Computertastaturen; Datenverarbeitungsgeräte; digitaler Bilderrahmen; Dimmer [Lichtregler]; Disketten; Diskettenlaufwerke [für Computer]; Dosiergeräte; DVD-Spieler, DVD-Player; Fernsehapparate; Fernsprechapparate; Fernsteuerungsgeräte; Filmkameras; Filmschneidegeräte; Filter für Atemmasken; Filter für fotografische Zwecke; Fluoreszenzschirme; Fotoapparate; Fotoelemente; Fotometer; gedruckte Leiterplatten; gedruckte Schaltungen; GPS-Geräte; Interfaces [Schnittstellengeräte oder -programme für Computer]; Karten mit integrierten Schaltkreisen [Smartcards]; Kassettenabspielgeräte; Kassettenrahmen [Fotografie]; Klappenschränke [Elektrizität]; Klarschriftleser [Datenverarbeitung]; Kodierte Magnetkarten; Komparatoren; Kompasse; Kopfhörer; Koppler [Datenverarbeitung]; Korrektionslinsen [Optik]; Laptops; Laptops [Computer]; Laptoptaschen; Lautsprecher; Lautsprecherboxen; Lehren; Lehren [Messinstrumente]; Lesegeräte [Datenverarbeitung]; Leuchtdioden [LEDs]; Leuchtschilder; Licht-Zeiger [Laserpointer]; Magnetbänder; Magnetbandgeräte [Datenverarbeitung]; Magnetdatenträger; Magnete; Magnetplatten; Magnetventile [elektromagnetische Schalter]; mathematische Instrumente; Mäuse [Datenverarbeitung]; Mauspads [Mausmatten]; Mikrofone; Mikrometer; Mikrometerschrauben für optische Instrumente; Mikroprozessoren; Mikroskope; Mikrotome; Mobiltelefone; Modems; Monitore [Computerhardware]; Monitore [Computerprogramme]; Mundschutz; Navigationsgeräte für Fahrzeuge [Bordcomputer]; Navigationsinstrumente; Notebooks [Computer]; Objektive [Optik]; okularbestückte Instrumente; Okulare; Optikerwaren; optische Apparate und Instrumente; optische Datenträger; optische Faserkabel; optische Fasern [Lichtleitfäden]; optische Kondensatoren; optische Lampen; optische Linsen; optische Platten [Datenverarbeitung]; optisches Glas; Oszillografen; Personenrufgeräte [Pager]; physikalische Apparate und Instrumente; Prismen [Optik]; Projektionsgeräte; Projektionsschirme; Riemen für Mobiltelefone; Satellitennavigationsgeräte; Speichergeräte für Datenverarbeitungsanlagen; Spezialetuis für fotografische Apparate und Instrumente; Spezialmöbel für Laboratorien; Stereoskope; stereoskopische Geräte; Taschen für Mobiltelefone; Taschenrechner; Tonaufzeichnungsgeräte; Tonbandgeräte; Tonträger; Tonübertragungsgeräte; Tonwiedergabegeräte; tragbare Abspielgeräte; tragbare Sprechfunkgeräte; tragbare Stereogeräte; Ultraviolettfilter für fotografische Zwecke; Unterrichtsapparate; Unterrichtsapparate [audiovisuell]; USB-Sticks; Videobänder; Videobildschirme; Videokameras; Videokassetten; Videorecorder; Videospielkassetten; Wechselsprechapparate; wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Unterrichtsinstrumente; Zähler; Zählwerke; Zeitaufzeichnungsgeräte; Zeitschaltuhren, nicht für Uhrwerke; Zellenschalter [Elektrizität]; Zentraleinheiten [für die Datenverarbeitung]; Industrielle Endoskope; vorgenannte Waren ausschließlich im Zusammenhang mit elektronischen Bildgebungsausrüstungen für medizinische und endoskopische Zwecke, nämlich Videokameras, Computerhardware und dazugehörige Software für den Betrieb der vorstehend genannten Ausrüstungen für medizinisch-diagnostische, medizinische und endoskopische Behandlungszwecke; alle vorgenannten Waren beschränkt auf elektronische Bildverarbeitungsgeräte, deren Bestandteile oder Zubehör; keine der vorgenannten Waren für In-Vitro-Diagnosen;
12
Klasse 10:
13
Aerosolzerstäuber für medizinische Zwecke; Apparate für die künstliche Beatmung; Apparate und Anlagen zur Erzeugung von Röntgenstrahlen für medizinische Zwecke; Apparate zum Säugen; Apparate zur Behandlung von Taubheit; Apparate zur körperlichen Rehabilitation für medizinische Zwecke; Ärztekoffer [gefüllt]; ärztliche Instrumente und Apparate; Atemgeräte für die künstliche Beatmung; Babyflaschen; Becken für medizinische Zwecke; Behälter zur Verabreichung von Arzneimitteln; Beißringe zum Erleichtern des Zahnens; Bougies [Chirurgie]; Bruchbänder; Brustprothesen; Brutkästen für medizinische Zwecke; Brutkästen für Säuglinge; chirurgische Apparate und Instrumente; chirurgische Messerschmiedewaren; Defibrillationsgeräte; Dehnsonden [Chirurgie]; Diagnosegeräte für medizinische Zwecke; Dialysegeräte; Drainageröhren für medizinische Zwecke; Einbläser [medizinische Geräte]; Eisbeutel für medizinische Zwecke; elastische Bandagen; Elektroakupunkturgeräte; Elektroden für medizinische Zwecke; Elektrokardiografen; Elektrotherapiegeräte; Endoskope für medizinische Zwecke; Endstücke für Krücken; Fingerlinge für medizinische Zwecke; Flaschensauger; Fräsbohrer für Zahnärzte; Gastroskope; Gebärmutterspritzen; Geburtshelfergeräte für Vieh; Geburtshilfegeräte; Geburtszangen; Gehörschutzgeräte; Geräte für Physiotherapie; Geräte zum Spülen von Körperhöhlen; Gipsbinden für orthopädische Zwecke; Gürtel für medizinische Zwecke; Gürtel, orthopädische; Haarprothesen; Hämatimeter; Handschuhe für medizinische Zwecke; Harnflaschen [Urinale]; Harnröhrensonden; Harnröhrenspritzen; Hebevorrichtungen für Behinderte; Heißluftvibrationsgeräte für medizinische Zwecke; Heizdecken für medizinische Zwecke; Heizkissen [elektrisch], für medizinische Zwecke; Herzschrittmacher; Hörgeräte; Hörrohre; Hüftgürtel [Hüfthalter] für medizinische Zwecke; Hühneraugenmesser; Infusionsgeräte; Inhalationsapparate; Inkubatoren für Säuglinge; Intimduschen; Irrigatoren für medizinische Zwecke; Kanülen; Kastrierzangen; Katgut; Katheter; Kernspintomografiegeräte; Kissen für medizinische Zwecke; Kissen zur Verhütung von Druckbeschwerden und Durchliegen von Kranken [Decubitus-Prophylaxe]; Koffer für Ärzte und Chirurgen; Kompressoren [Chirurgie]; Kopfkissen gegen Schlaflosigkeit; Krampfaderstrümpfe; Krankentragen; Krankenunterlagen; Krücken; künstliche Augen; künstliche Gliedmaßen; künstliche Kiefer; künstliche Linsen für chirurgische Implantationen; künstliche Zähne; Lampen für medizinische Zwecke; Lanzetten; Laser für medizinische Zwecke; Leibbinden; Leibhalter; Löffel für Arzneien; luftgefüllte Kopfkissen für medizinische Zwecke; Luftkissen für medizinische Zwecke; Luftmatratzen für medizinische Zwecke; Masken für medizinisches Personal; Matratzen für Entbindungen; medizinische Apparate und Instrumente, ausgenommen Stents; medizinische Führungsdrähte, nicht für Stents; medizinische Geräte für Körperübungen und Krankengymnastik; Medizinlöffel; Messer für chirurgische Zwecke; Milchpumpen; Nabelbinden; Nachtstühle, Leibstühle; Narkoseapparate; Narkosemasken; nicht chemische Kontrazeptiva; Ohrreinigungsgeräte; Ohrstöpsel [Gehörschutz]; OP-Kleidung; Operationstische; Operationstücher; Ophthalmometer; Ophthalmoskope; orthopädische Artikel; orthopädische Einlagen für Schuhe; orthopädische Gelenkbandagen; orthopädische Kniebandagen; orthopädische Schuhe; orthopädische Sohlen; Pessare; Pilleneingeber; Präservative [Kondome]; Prothesen; Pulsmesser; Pulsmessgeräte; Pumpen für medizinische Zwecke; Quarzlampen für medizinische Zwecke; radiologische Apparate für medizinische Zwecke; Räucherapparate für medizinische Zwecke; Röntgenapparate für medizinische Zwecke; Röntgenbilder für medizinische Zwecke; Röntgenröhren für medizinische Zwecke; Röntgenschirme für medizinische Zwecke; röntgenstrahlenerzeugende Röhren für medizinische Zwecke; Sägen für chirurgische Zwecke; Saugflaschen; Saugflaschenverschlüsse; Scheren für chirurgische Zwecke; Schienen für chirurgische Zwecke; Schlingen [stützende Bandagen]; Schnuller für Säuglinge; Schröpfköpfe; Schuheinlagen gegen Senkfüße; Schutzvorrichtungen gegen Röntgenstrahlen für medizinische Zwecke; Schwangerschaftsgürtel; Sessel für medizinische oder zahnärztliche Zwecke; Sexpuppen; Skalpelle; Sonden für medizinische Zwecke; Spezialbehälter für medizinischen Abfall; Spezialbetten für die medizinische Versorgung; Spezialkoffer für medizinische Instrumente; Spezialmöbel für medizinische Zwecke; Spirometer [medizinische Geräte]; Spritzen für medizinische Zwecke; Spucknäpfe für medizinische Zwecke; Steckbecken; sterile Tücher für Operationen; Stethoskope; Stiefel für medizinische Zwecke; therapeutische Heißluftapparate; thermoelektrische Kompressen [Chirurgie]; Thermokissen für erste Hilfe; Thermometer für medizinische Zwecke; tierärztliche Instrumente und Apparate; Tragbahren [fahrbar]; Trokare; Tropfenzähler für medizinische Zwecke; Tropfenzählfläschchen für medizinische Zwecke; Ultraschallgeräte für medizinische Zwecke; Ultraviolettfilter für medizinische Zwecke; Ultraviolettlampen für medizinische Zwecke; Umstandsgürtel; Unterlagen für Inkontinente; Unterleibsgürtel; Unterleibspelotten; urologische Apparate und Instrumente; Vaginalspritzen; Vernebler für medizinische Zwecke; veterinärmedizinische Apparate und Instrumente; Vibratoren für Betten; Vibromassagegeräte; Wärmekompressen [elektrisch] für chirurgische Zwecke; Wasserbetten für medizinische Zwecke; Wasserbeutel für medizinische Zwecke; Wiederbelebungsgeräte; Wischer zum Reinigen von Körperhöhlen; Wundklammern; zahnärztliche Apparate und Instrumente; zahnärztliche Geräte [elektrisch]; zahnärztliche Spiegel; Zahnarztsessel; Zahnprothesen; Zahnregulierungen; Zahnstifte; Zerstäuber für medizinische Zwecke; Zungenreinigungsgeräte; Zwangsjacken; alle vorgenannten Waren beschränkt auf elektronische Bildverarbeitungsgeräte, deren Bestandteile oder Zubehör; keine der vorgenannten Waren für In-Vitro-Diagnosen;
14
Klasse 16:
15
Abziehbilder; Adressenplatten für Adressiermaschinen; Adressiermaschinen; Aktenhüllen; Aktenordner; Alben; Almanache; Anzeigekarten [Papeteriewaren]; Apparate für das Laminieren von Dokumenten [Bürogeräte]; Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren]; Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren; Bilder; Bilder [Gemälde], gerahmt oder ungerahmt; biologische Schnitte für die Mikroskopie [Unterrichtsmaterial]; Blaupausen [Pläne]; Broschüren; Buchbindeartikel; Bücher; Dokumentenhüllen; Druckereierzeugnisse; Etiketten, nicht aus Textilstoffen; Flyer; Folien aus Kunststoff für Verpackungszwecke; Folien aus regenerierter Zellulose für Verpackungszwecke; Formulare [Formblätter]; Fotografien [Abzüge]; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Handbücher; histologische Schnitte [Unterrichtsmaterial]; Kalender; Kataloge; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Loseblattbinder; Papier- und Schreibwaren; Papierbänder oder Karten für die Aufzeichnung von Computerprogrammen; Prospekte; Rundschreiben; Schriften [Veröffentlichungen]; Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff; Verpackungsmaterial aus Karton; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Verpackungsmaterial aus Stärke; Verpackungspapier; Viskosefolien für Verpackungszwecke; Wachspapier; Zeitschriften; Zeitschriften [Magazine]; Zeitungen.“
16
Die Markenstelle für Klasse 9 hat die ursprüngliche Anmeldung mit Beschluss vom 21. März 2016 zurückgewiesen und dies wie folgt begründet: Das angemeldete Zeichen besitze keine Unterscheidungskraft. Zudem bestehe auch noch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das englischsprachige Wort „chroma“ bedeute im Deutschen „Chrominanz, (Farb-)Sättigung“. Chrominanz bezeichne in der Videotechnik ein Signal mit Informationen über die Farbart. Zudem sei „CHROMA“ eine Transliteration des griechischen Wortes für „Farbe“ in lateinischen Buchstaben. Das angemeldete Zeichen sei in Bezug auf die Waren des Verzeichnisses lediglich ein Hinweis darauf, dass diese entweder selbst eine Farbsättigung aufwiesen oder dass sie so beschaffen seien oder eine bestimmte Technik aufwiesen, enthielten, damit versehen oder ausgestattet sein könnten, dass sie für die Chrominanz(-signale) von Bedeutung seien. Das Anmeldezeichen bestehe daher ausschließlich aus Angaben, welche im Verkehr zur Bezeichnung oder zur werblichen Herausstellung von Merkmalen der beanspruchten Waren dienen könnten. Da Griechisch als Sprache der Europäischen Union eine Welthandelssprache sei, würde zumindest der angesprochene Fachverkehr die angemeldete Bezeichnung in der Bedeutung „Farbe“ verstehen und in ihr einen Hinweis auf die angemeldeten Waren derart sehen, dass es sich um farbige Waren handele.
17
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
18
Sie ist der Auffassung, die Markenstelle habe ihre Entscheidung nicht hinreichend begründet. Ein angemeldetes Zeichen sei für jede beanspruchte Ware gesondert zu prüfen und in der Entscheidung zu begründen. Die Markenstelle habe weder jede einzelne Ware gewürdigt, noch habe sie eine der Heterogenität der beanspruchten Waren geschuldete Gruppierung in homogene Warengruppen vorgenommen.
19
Im Übrigen sei das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig. Der englische Ausdruck lasse sich mit „Farbenreinheit, Farbenintensität“ übersetzen. Die Markenstelle habe keine Nachweise erbringen können, dass die relevanten Fachkreise das Anmeldezeichen im vorstehenden Sinne verstehen würden. Die Wortbedeutung „Chrominanz“ sei für sich genommen nicht ausreichend; es sei bereits fraglich, ob es sich um eine naheliegende Übersetzung handele.
20
Ferner könne nicht davon ausgegangen werden, dass der angesprochene inländische Verkehr über die erforderlichen Griechischkenntnisse verfüge, um zu erkennen, dass es sich um den Begriff „Farbe“ handele. Auch in der Bedeutung von „Chrominanz“ eigne sich das angemeldete Zeichen nicht zur Beschreibung von Markmalen der beanspruchten Waren.
21
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
22
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. März 2016 aufzuheben.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
24
Die Beschwerde ist zulässig. Der angegriffene Beschluss war ohne Entscheidung in der Sache aufzuheben, weil das Eintragungsverfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG.
25
1. Von einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn ein so erheblicher Verfahrensverstoß gegeben ist, dass es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für eine Sachentscheidung fehlt (BGH NJW-RR 2003, 131 m. w. N. zu § 538 ZPO; BPatG, 29 W (pat) 101/12). So sind bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen und abzuhandeln (vgl. EuGH GRUR 2007, 425 Rn. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2015, 173 Rn. 30 – for you; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops; GRUR 2012, 272 Rn. 19 – Rheinpark-Center Neuss). Allerdings muss in den den Beschluss begründenden Ausführungen nicht auf jede einzelne Ware/Dienstleistung eingegangen werden. Zulässig ist es, globale Begründungen vorzunehmen, wenn die betroffenen Waren/Dienstleistungen eine hinreichend homogene Gruppe bilden (EuGH, Beschluss vom 11.12.2014, C-253/14 Rn. 48ff – FTI Touristik GmbH/HABM [BigXtra]; GRUR 2010, 534 Rn. 46 – Prana Haus GmbH/HABM [PRANAHAUS]; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 19 – Rheinpark-Center Neuss). Das bedeutet aber nur, dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können, ohne die Begründung jeweils zu wiederholen. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden (BPatG, 29 W (pat) 37/12; vgl. auch Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 70 Rn. 8). Letzteres ist vorliegend der Fall.
26
Die Markenstelle führt in dem angegriffenen Beschluss noch zutreffend aus, dass das Anmeldezeichen “CHROMA” unterschiedliche Bedeutungen haben kann.
27
Das englische Wort „chroma” bedeute „(Farb-)sättigung, Chrominanz“. Letzteres bedeute wiederum in der Videotechnik ein Signal mit Informationen über die Farbart. Soweit der Begriff „chroma“ in Wörterbüchern der englischen Sprache zu finden ist, bedeutet er „Farbenreinheit, Farbenintensität“ (vgl. Langenscheidt, Großwörterbuch Englisch, Band 1, 2010, Stichwort: chroma; PONS, Großwörterbuch Englisch, 2014, Stichwort: chroma). Ferner wird er noch mit den deutschen Begriffen „Chroma, Farbton und –sättigung, Bundheit, Farbheit, Chrominanz“ übersetzt (vgl. www.dict.leo.org, Stichwort: chroma, vgl. auch www.dict.cc, Stichwort: chroma). Das Anmeldezeichen „CHROMA“ könne – so die Markenstelle zutreffend – auch auf die griechische Sprache zurückgeführt werden. Im Griechischen bedeute es als Transliteration des Begriffs „χρώμα“ „Farbe“ (PONS, Großwörterbuch Griechisch, Stuttgart 2008, Stichwort: Farbe; vgl. auch EuG, Urteil v. 16.12.2010, T-281/09, Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG/HABM – [CHROMA]). Zurückzuführen ist der Begriff „Chroma“ auch auf den italienischen Begriff „croma“ in der Bedeutung einer „Achtelnote“ (vgl. DUDEN, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl., Stichwort: Chroma). Auch der italienische Begriff geht auf den griechischen Begriff “chrõma” zurück.
28
Das Anmeldezeichen könne – so die Markenstelle weiter – mit der Bedeutung “Farbe” verwendet werden, um ein Merkmal der Waren zu bezeichnen, nämlich ihre mögliche Ausführung in verschiedenen Farbtönen. Es könne zudem so verstanden werden, dass die Waren eine Farbsättigung oder eine bestimmte Technik aufwiesen, die für Chrominanz(-signale) von Bedeutung seien. Damit fehle dem Anmeldezeichen die Unterscheidungskraft. Ferner läge auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor, da zumindest der Fachverkehr die griechische Bezeichnung für “Farbe” verstehe und in dem Anmeldezeichen einen Hinweis erkenne, dass es sich um farbige Waren handele.
29
Die Markenstelle hat ihrer Entscheidung verschiedene Bedeutungen des Anmeldezeichens zu Grunde gelegt und die Markenanmeldung mit um die 444 beanspruchten Waren aus drei Klassen zurückgewiesen. Eine Begründung zum jeweiligen Bedeutungsgehalt des beanspruchten Zeichens in Bezug auf jede einzelne angemeldete Ware des Verzeichnisses fehlt vollständig. Eine nach bestimmten Gruppen oder Kategorien von Waren differenzierende Darstellung findet sich ebenfalls nicht im Zurückweisungsbeschluss. Die Markenstelle beschränkt sich darauf, eine allgemeine Begründung darzustellen, ohne auch nur nach den einzelnen Klassen zu differenzieren.
30
Dabei hätte es durchaus Anlass gegeben, jede beanspruchte Ware im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedeutungen des Anmeldezeichens hin zu prüfen. Denn das Warenverzeichnis enthält eine Vielzahl von unterschiedlichen Waren in Bezug auf die jeweiligen Produkteigenschaften oder den Verwendungszweck. Auch werden von den Waren unterschiedliche Verkehrskreise angesprochen, der Verbraucher und/oder der Fachverkehr. So beansprucht die Anmelderin in Klasse 9 u. a. die Waren „Batterien [elektrisch], Compact-Disks, Filter für Atemmasken, Kassettenrahmen [Fotografie], Laptoptaschen, Mundschutz“ oder „Videokassetten“. In Klasse 10 beansprucht sie Waren wie „Babyflaschen, Becken für medizinische Zwecke, Beißringe zum Erleichtern des Zahnens, Elektroden für medizinische Zwecke, Endstücke für Krücken, Haarprothesen, Krampfaderstrümpfe“. Nichts anderes gilt für die in Klasse 16 beanspruchten Waren wie z. B. „Abziehbilder, Alben, Broschüren, Papier- und Schreibwaren, Handbücher“. Zumindest hätte es aufgrund des heterogenen Warenverzeichnisses einer nachvollziehbaren Gruppenbildung bedurft.
31
Ohne Begründung zu einzelnen oder nach Gruppen zusammengefassten Waren kann die Schlussfolgerung der Markenstelle, es bestünde ein Eintragungshindernis gemäß § 37 MarkenG, nicht nachvollzogen werden. Besteht kein Eintragungshindernis und entspricht die Anmeldung den sonstigen Anmeldungserfordernissen, wird sie in das Register eingetragen (§ 41 S. 1 MarkenG). Hierauf hätte der Anmelder gemäß § 33 Abs. 2. S. 1 MarkenG dann einen Anspruch.
32
2. Unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles war der angegriffene Beschluss aufzuheben und an das Deutsche Patent- und Markenamt zur erneuten Sachentscheidung zurückzuverweisen. Es ist Aufgabe der Markenstelle eine differenzierte Erstprüfung der Anmeldung vorzunehmen (vgl. BPatG, 26 W (pat) 518/17; 29 W (pat) 516/15).
33
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Anmelderin nach Erlass des Beschlusses der Markenstelle mehrere Änderungen des Warenverzeichnisses vorgenommen hat. Insofern wird zu prüfen sein, ob die nach Ansicht der Anmelderin vorgenommenen „Einschränkungen“ wirksam sind und noch dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechen (vgl. Ströbele, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 412 ff.). Dies gilt insbesondere in Bezug auf Waren, die keinen erkennbaren Bezug zu elektronischen Bildverarbeitungsgeräten haben wie etwa „Zwangsjacken“ oder “Babyflaschen”.
34
Für elektronische Bildverarbeitungsgeräte könnte die Bezeichnung „CHROMA“ zumindest für den Fachverkehr nach oben dargelegtem Verständnis beschreibend sein. Auch dies wird die Markenstelle im wiedereröffneten Rechtszug zu prüfen haben.


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