Aktenzeichen 29 W (pat) 8/20
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke
30 2014 063 331
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Dezember 2017 aufgehoben. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 135 262 wird die Löschung der Marke 30 2014 063 331 angeordnet.
Gründe
I.
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Die am 21. Oktober 2014 angemeldete Wortmarke
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CODEBA
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ist am 21. Januar 2015 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden für die Waren der
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Klasse 25: Handschuhe.
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Die Eintragung wurde am 20. Februar 2015 veröffentlicht.
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Gegen die Eintragung dieser Marke hat der Beschwerdeführer aus seiner am 24. Februar 1989 eingetragenen Wort-/Bildmarke 1 135 262
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die ursprünglich eingetragen wurde für Waren der Klasse 9 und 25 und die mittlerweile noch für die Waren der
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Klasse 25: Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen).
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Schutz genießt, Widerspruch erhoben.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 ausgeführt, dass gegen die Widerspruchsmarke die Einrede der Nichtbenutzung erhoben werde und diese Einrede bereits Gegenstand einer Verfallslöschungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf sei; er gehe von einer Löschung der Widerspruchsmarke aus, so dass der Widerspruch obsolet werde. Des Weiteren hat er Folgendes erklärt: “Lediglich hilfsweise wird diese Einrede der Nichtbenutzung hiermit vor dem DPMA wiederholt und die bereits dem LG Düsseldorf vorgetragene Argumentation wird zur Akte gereicht; sie soll daher von dieser Erwiderung vollumfänglich erfasst werden.”. Ferner hat er zur Sache erklärt, dass eine Verwechslungsgefahr nicht vorliege.
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In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und in Vertretung der Firma K1… GmbH hat der hiesige Beschwerdegegner am 4. Januar 2014 beim DPMA einen Löschungsantrag gegen die Widerspruchsmarke wegen Verfalls nach §§ 49, 53 MarkenG gestellt. Diesem Löschungsantrag wurde seitens der damaligen Inhaberin der Widerspruchsmarke nur in Bezug auf die Waren “Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen)” widersprochen. Das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke hat daraufhin im Wege der Teillöschung die heute gültige Fassung erhalten. Die K1… GmbH hat bezüglich der verbliebenen Waren eine Verfallslöschungsklage vor dem Landgericht (LG) Düsseldorf erhoben (AZ: 2a O 304/14), das LG Düsseldorf hat mit Urteil vom 16. November 2016 die Klage abgewiesen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 dieses Urteil beim DPMA eingereicht und auf seine zuvor abgegebene Stellungnahme in Bezug auf die Verwechslungsgefahr verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017 hat der Widersprechende mitgeteilt, dass das landgerichtliche Urteil rechtskräftig geworden sei und um Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens gebeten. Die rechtserhaltende Benutzung sei durch das Urteil nachgewiesen. Da zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr bestehe, sei die angegriffene Marke zu löschen.
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Mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 hat die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG könne schon mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke nicht bejaht werden. Der Widersprechende habe die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht, obwohl er hierzu gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG verpflichtet gewesen sei. Bis auf die Übersendung eines Urteils des Landgerichts Düsseldorf und dessen Rechtskraftbestätigung habe der Widersprechende keinerlei Unterlagen zur Glaubhaftmachung eingereicht. Der zuständigen Prüferin lägen damit keine zugänglichen Glaubhaftmachungsmittel zur Prüfung der ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke vor. Ein Verweis auf Glaubhaftmachungsunterlagen aus anderen Verfahren reiche nur in wenigen Ausnahmefällen aus. Abgesehen hiervon, weiche der dem Urteil des LG Düsseldorf zugrundeliegende Benutzungszeitraum deutlich vom hier zusätzlich zu prüfenden Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG ab. Ein entsprechender Aufklärungshinweis zu den Mängeln der Glaubhaftmachungsunterlagen sei wegen der Neutralitätspflicht nicht veranlasst gewesen.
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Hiergegen wendet sich der Widersprechende mit seiner Beschwerde.
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Mit seiner Beschwerdebegründung vom 20. Februar 2018 hat der Beschwerdeführer die im landgerichtlichen Verfahren überreichten Benutzungsnachweise vorgelegt (Anlagenkonvolut KMG-BF 8, Bl. 60-216 d. A.). Darüber hinaus hat er mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020 weitere Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht, nämlich eine eidesstattliche Versicherung vom 15. Juni 2020 des Inhabers und Geschäftsführers der Lizenznehmerin des Widersprechenden, Herrn S…, eine Eidesstattliche Versicherung des weiteren Lizenznehmers Herrn A… vom 15. Juni 2020, Abbildungen von Ausstellungsständen, eine Kopie des Lizenzvertrags mit Herrn A… vom April 2015 sowie hierzu eine Vertragsergänzung vom 3. Juli 2018, eine Einkaufsrechnung des Lizenznehmers und verschiedene Fotografien von Produktbeispielen.
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Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bereits durch das landgerichtliche Urteil nachgewiesen worden sei, jedenfalls aber nunmehr durch die weiter eingereichten Unterlagen. Ohnehin liege nur eine – durch Fettdruck nochmals hervorgehobene – hilfsweise und damit nicht wirksame Erhebung der Einrede durch den Inhaber der angegriffenen Marke vor. Dieser habe die Einrede zusätzlich noch unter die Bedingung gestellt, die außerhalb des Widerspruchsverfahrens liege, nämlich die Entscheidung des LG Düsseldorf. Eine solche “außerprozessuale” Bedingung sei erst Recht unzulässig. Jedenfalls lasse aber das weitere Verhalten des Inhabers der angegriffenen Marke darauf schließen, dass die rechtserhaltende Benutzung spätestens seit der Übermittlung des landgerichtlichen Urteils unstreitig bzw. der Einwand der mangelnden Benutzung von ihm fallen gelassen worden sei. Da zwischen den Vergleichswaren Ähnlichkeit bestehe, sei eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden klanglich identischen Marken zu bejahen.
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Der Widersprechende beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Dezember 2017 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 135 262 die Löschung der angegriffenen Marke 30 2014 063 331 anzuordnen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt. Auch an der mündlichen Verhandlung hat er – wie schriftsätzlich angekündigt – nicht teilgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass der Beschluss des DPMA aufzuheben und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke anzuordnen waren.
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A) Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.
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B) Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE).
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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr zu besorgen.
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1. Der im Amtsverfahren eingereichte Schriftsatz des Inhabers der angegriffenen Marke vom 5. Oktober 2015 enthält hinsichtlich der Nichtbenutzungseinrede(n) unklare bzw. widersprüchliche Erklärungen. Es spricht durchaus Einiges dafür, dass der Inhaber der angegriffenen Marke die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 MarkenG nicht rechtswirksam erhoben hat. Dies kann jedoch als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben. Gleiches gilt in Bezug auf die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, der Beschwerdegegner habe die Einrede fallengelassen bzw. die Benutzung der Widerspruchsmarke anerkannt. Denn der Beschwerdeführer hat eine rechtserhaltende Benutzung seiner Marke 1 135 262 für die Waren “Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen)” ohnehin glaubhaft gemacht, so dass zugunsten des Beschwerdegegners eine wirksam erhobene und weiter aufrechterhaltende Nichtbenutzungseinrede unterstellt werden kann.
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Gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG n. F. sind diesbezüglich die Vorschriften des § 43 Abs. 1 MarkenG und § 26 MarkenG ebenfalls in ihrer bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.
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a) Die Einrede mangelnder Benutzung ist nach § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG zulässig, weil sowohl zum Zeitpunkt ihrer (unterstellten) Erhebung am 5. Oktober 2015 wie auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke die Widerspruchsmarke bereits über fünf Jahre im Register eingetragen war (Eintragung: 24. Februar 1989). Damit oblag es dem Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benutzung der Marke 1 135 262, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang in den jeweils maßgeblichen Benutzungszeiträumen, nämlich Februar 2010 bis Februar 2015 und Juni 2015 bis Juni 2020, darzutun und glaubhaft zu machen. Der Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ist dabei der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vor der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2020 (vgl. BGH GRUR 2017, 1043 Rn. 13 – Dorzo). Die Glaubhaftmachung ist dem Beschwerdeführer und Widersprechenden nunmehr für beide Zeiträume gelungen.
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Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]; GRUR 2006, 582 Rn. 70 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2008, 719 Rn. 27 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Hiervon ist auszugehen, wenn die Marke “tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist” (vgl. EuGH a. a. O. – [ONEL/OMEL]; GRUR 2008, 343 Rn. 74 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Es ist Sache des Widersprechenden, diese Umstände konkret vorzutragen und glaubhaft zu machen. Die gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG erforderliche Glaubhaftmachung der Benutzung muss dabei – anders als der Vollbeweis – nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts führen. Vielmehr genügt es, wenn sich aus den vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der rechtserhaltenden Benutzung ergibt, welche die Möglichkeit des Gegenteils nicht ausschließen muss (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 54). Als Mittel zur Glaubhaftmachung kommen gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle (präsenten) Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung in Betracht. Dabei können auch Unterlagen wie beispielsweise Prospekte, Rechnungen (Rechnungskopien), Preislisten, Veröffentlichungen etc. als Glaubhaftmachungsmittel geeignet sein und insbesondere der Erläuterung, Ergänzung und Verdeutlichung einer eidesstattlichen Versicherung dienen (Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 76).
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Ausgehend hiervon hat der Beschwerdeführer ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die K2…GmbH – nach Umfirmierung nunmehr K3… GmbH – sowie Herr A… jeweils als Lizenznehmerin bzw. Lizenznehmer des Beschwerdeführers die Wort-/Bildmarke in den maßgeblichen Benutzungszeiträumen für verschiedene Kopfbedeckungen rechtserhaltend benutzt hat.
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aa) Das LG Düsseldorf hat ausgeführt, dass der Beklagte und hiesige Beschwerdeführer dargelegt und nachgewiesen hat, dass die Marke 1 1 35 262 seit 2002, insbesondere auch in den Jahren 2009 bis 2014, dauerhaft von der Lizenznehmerin, der K2…GmbH für die Waren Kopfbedeckungen, insbesondere Reitkappen, Reithelme und Reitzylinder benutzt wurde. Von dem im hiesigen Streitfall relevanten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind insoweit etwa vier Jahre umfasst. Nachdem die entsprechenden Unterlagen aus dem Löschungsklageverfahren nunmehr auch zum Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden und vom Senat selbst beurteilt werden konnten, wird hinsichtlich des ersten Benutzungszeitraums auf die zutreffenden und detaillierten Ausführungen zur rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke CODEBA in dem Urteil ausdrücklich Bezug genommen und verwiesen.
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bb) Auch für den zweiten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ist die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke hinsichtlich verschiedener unter den Begriff “Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen)” fallender Produkte glaubhaft gemacht.
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(1) In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 15. Juni 2020 hat der Geschäftsführer der Lizenznehmerin K3…– früher K2… GmbH – S… erklärt, dass die Widerspruchsmarke seit dem Jahr 2005 für Reitkappen, Reithelme und Reitzylinder sowie entsprechendes Zubehör benutzt wird und diese zum regelmäßigen Sortiment des Geschäftsbetriebs gehören. Diese Waren sind – wie den jeweils eingereichten Abbildungen aus Katalogen zu entnehmen sind – innenseitig sowie bei den Reithelmen auch auf der Stirnseite mit der Widerspruchsmarke, mithin funktionsgerecht, gekennzeichnet. Umsatzzahlen oder abgesetzte Stückzahlen betreffend Reitkappen und Reithelme sind in der eidesstattlichen Versicherung allerdings nicht aufgeführt, auch entsprechende Rechnungen den zweiten Benutzungszeitraum betreffend wurden nicht eingereicht. Genannt ist nur der Umsatz bezogen auf die unter der Marke Codeba vertriebenen Dressurzylinder. Dieser sei in den vergangenen Jahren rückläufig und betrage nur noch etwa jährlich … Euro. Hierbei handelt es sich zwar um einen sehr geringen Umsatz; von einer ernsthaften Benutzung für Dressurzylinder – und nicht nur einer Scheinbenutzung – ist gleichwohl auszugehen, weil nachvollziehbar erläutert wurde, dass es sich bei Dressurzylindern um ein Nischenprodukt handelt. Eine rechtserhaltende Benutzung durch die Lizenznehmerin K3… GmbH ist daher (nur) für die Waren “Dressurzylinder”, die unter die Widerspruchswaren “Kopfbedeckungen” subsumiert werden können, glaubhaft gemacht.
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(2) Hinsichtlich des zweiten Benutzungszeitraums ist die Widerspruchsmarke darüber hinaus durch den Lizenznehmer A…, einem Betreiber zweier Ladengeschäfte mit Herrenausstattung, rechtserhaltend für Mützen und Kappen benutzt worden. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn A… und dem Lizenzvertrag aus April 2015 sowie der Ergänzungsvereinbarung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer Herrn A… für den maßgeblichen Benutzungszeitraum eine Lizenz zur Nutzung der Widerspruchsmarke eingeräumt hat. Die Benutzung der Widerspruchsmarke durch Herrn A… mit Zustimmung des Beschwerdeführers als Inhaber dieser Marke gilt nach § 26 Abs. 2 MarkenG als Benutzung durch den Widersprechenden selbst. Die Mützen sowie die Kappen sind mit der Wort-/Bildmarke CODEBA funktionsgemäß gekennzeichnet. Dies ist den eingereichten Abbildungen der Produkte zu entnehmen; ferner wurden diese Waren in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und vom Senat in Augenschein genommen. Der Lizenznehmer hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 5. Juni 2020 zudem angegeben, dass mit diesen Kopfbedeckungen im Jahr 2015 … Euro, im Jahr 2016 … Euro, im Jahr 2017 … Euro, im Jahr 2018 … Euro und im Jahr 2019 … Euro Umsätze getätigt wurden. In der Gesamtschau der Unterlagen – auch der eingereichten Einkaufs-Rechnung aus Juni 2019 an den Lizenznehmer A…, aus dem eine Lieferung an ihn von importierten fertig konfektionierten Mützen mit der Widerspruchsmarke hervorgeht – ist insoweit von einer rechtserhaltenden Benutzung für Mützen und Kappen auszugehen.
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Soweit die eingereichten Fotos auch Krawatten mit der Kennzeichnung Codeba zeigen, sind diese nicht zu berücksichtigen, weil hierfür die Widerspruchsmarke nicht geschützt ist. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die im Jahr 2020 ebenfalls unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Mund-Nasen-Schutzmasken, weil es sich hierbei nicht um “Kopfbedeckungen” handeln dürfte, was letztlich jedoch dahingestellt bleiben kann.
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Aus den vorgenannten Glaubhaftmachungsunterlagen ist eine rechtserhaltende Benutzung für diverse Kopfbedeckungen für die maßgeblichen Benutzungszeiträume zu entnehmen. Nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG können daher der Entscheidung über den Widerspruch die Widerspruchswaren “Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen)” berücksichtigt werden.
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2. Die angegriffenen Waren “Handschuhe” der Klasse 25 – die im Übrigen auch Reithandschuhe umfassen – liegen im mittleren Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchswaren “Kopfbedeckungen (einschließlich Reitkappen)”.
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Eine Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese bei Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – was zu unterstellen ist – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. EuGH GRUR 2006, 582 Rn. 85 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2014, 378 Rn. 38 – OTTO CAP; GRUR 2008, 719 Rn. 29 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2018, 79 Rn. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2014, 378 Rn. 38 – OTTO CAP; GRUR 2008, 719 Rn. 29 – idw Informationsdienst Wissenschaft).
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Die hier sich gegenüberstehenden Waren aus Klasse 25 “Handschuhe” und “Kopfbedeckungen” werden nicht selten von gleichen Herstellern angeboten, vielfach in Sets, die hinsichtlich Farbe und Material aufeinander abgestimmt sind. Dies gilt vor allem auch in dem hier betroffenen Bereich der speziell auf den Reitsport zugeschnittenen Produkte. Es kann daher von durchschnittlicher Ähnlichkeit ausgegangen werden.
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3. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft (zu den Graden der Kennzeichnungskraft vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 55 – Culinaria/Villa Culinaria). Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Steigerung der Kennzeichnungskraft sind vorliegend nicht ersichtlich.
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4. Die Vergleichsmarken sind in klanglicher Hinsicht identisch und in schriftbildlicher Hinsicht hochgradig ähnlich.
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Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen kann, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (BGH GRUR 2017, 914 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 – IPS/ISP).
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Der grafische Bestandteil der älteren Wort-/Bildmarke erschöpft sich in einer besonderen Schriftart, wobei das Wort “CODEBA” dabei lediglich in Fettdruck und leicht nach rechts geneigt, mithin kursiv wiedergegeben ist. Es liegt
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daher weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken im Schriftbild vor. Ferner wird die Widerspruchsmarke genauso benannt und ausgesprochen – “Co-de-ba” – wie die angegriffene Wortmarke CODEBA.
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In der Gesamtabwägung ist angesichts der durchschnittlich ähnlichen Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der klanglichen Identität der Vergleichsmarken bzw. der hochgradigen schriftbildlichen Markenähnlichkeit eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen.
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Die Beschwerde hat daher Erfolg.
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C) Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.