Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Deutscher Arbeitgeber-Verband e.V. Vereinigung Mittelständischer Unternehmen (Wort-Bild-Marke)/Deutscher Arbeitgeber-Verband (Wort-Bild-Marke)” – zur Kennzeichnungskraft – Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – bildliche Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  29 W (pat) 116/11

Datum:
5.2.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 026 913
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 5. Februar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. September 2011 wird aufgehoben. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der Marke 30 2009 026 913 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 30 2009 006 071 anzuordnen.

Gründe

I.
1
Die Wort-Bildmarke 30 2009 026 913 (blau, schwarz)
2
ist am 2. Februar 2010 im Markenregister eingetragen worden für folgende Dienstleistungen der
3
Klasse 35:
4
Werbung, Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung;Klasse 41:Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;Klasse 42:wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen.
        
5
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 24. Februar 2010 Widerspruch erhoben aus der Wort-/Bildmarke 30 2009 006 071
6
.
7
Sie ist am 24. Juni 2009 eingetragen worden für Dienstleistungen der
8
Klasse 35:Werbung; Geschäftsführung; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen, nämlich organisatorische und personelle Verbandsmitgliederverwaltung einschließlich Büroarbeiten;Klasse 41:Ausbildung, kulturelle Aktivitäten;Klasse 42:wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten.
9
Das DPMA hat den Widerspruch durch Beschluss vom 22. September 2011 zurückgewiesen.
10
Die angegriffene Marke halte den wegen der hohen Ähnlichkeit bzw. Identität der Dienstleistungen erforderlichen großen Abstand ein. Bei dem Zeichenvergleich sei auf die Wortbestandteile der Marken abzustellen, da diesen eine prägende Bedeutung zukomme. Die Wortfolgen „Deutscher Arbeitgeber-Verband e.V. Vereinigung Mittelständischer Unternehmen“ der angegriffenen Marke und „Deutscher Arbeitgeber-Verband“ unterschieden sich klanglich durch unterschiedliche Silbenzahl und Klangfolge und schriftbildlich durch unterschiedliche Ober- und Unterlängen hinreichend voneinander. Anhaltspunkte für eine andere Art der Verwechslungsgefahr fehlten, insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Produkt der Widerspruchsmarke handele, zumal die Marken unterschiedlich gebildet seien. Denn es sei bekannt, dass sich Ar-beitgeber in unterschiedlichen Verbänden zusammenschlössen.
11
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Widersprechenden, mit der er sinngemäß beantragt,
12
den Beschluss des DPMA vom 22. September 2011 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
13
Der Beschwerdeführer hat weder die Erinnerung noch die Beschwerde begründet.
14
Der Inhaber der angemeldeten Marke hat sich weder im Widerspruchs- noch im Beschwerdeverfahren zur Sache geäußert.
II.
15
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
16
Zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
17
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH MarkenR 2008, 405 Tz. 10 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237, 238 – PICASSO/PICARO).
18
Nach diesen Grundsätzen besteht die markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zwischen den im Streit stehenden Marken. Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen sind identisch bzw. hochgradig ähnlich, den danach erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke schriftbildlich nicht ein.
1.
19
Ausgehend von der Registerlage besteht zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke Identität oder enge Ähnlichkeit.
a)
20
Zwischen den Dienstleistungen „Werbung“, „Geschäftsführung“ und „Büroarbeiten“ der angegriffenen Marke in Klasse 35 und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke in dieser Klasse besteht schon nach dem Wortlaut Identität. Die Dienstleistung „Unternehmensverwaltung“ der angegriffenen Marke ist der Widerspruchsdienstleistung „Verwaltung fremder Geschäftsinteressen, nämlich organisatorische und personelle Verbandsmitgliederverwaltung, einschließlich Büroarbeiten“ jedenfalls eng ähnlich, da es sich bei den Verbandsmitgliedern um Unternehmen handeln kann.
b)
21
Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klasse 41 sind zum Teil identisch, im Übrigen besteht ebenfalls enge Ähnlichkeit. Denn die für die angegriffene Marke eingetragene Dienstleistung „Erziehung“ hat wie die Dienstleistung „Ausbildung“ der Widerspruchsmarke die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten zum Gegenstand. Der Dienstleistungsoberbegriff „Unterhaltung“ der angegriffenen Marke umfasst auch die Dienstleistung „kulturelle Aktivitäten“ der Widerspruchsmarke. Denn kulturelle Aktivitäten dienen häufig der Unterhaltung. Zwischen der Dienstleistung „sportliche Aktivitäten“ der angegriffenen Marke und „kulturelle Aktivitäten“ der Widerspruchsmarke besteht zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit (BPatG 29 W (pat) 9/08). Denn zwischen beiden Bereichen gibt es große Überschneidungen, wie etwa im Tanzsport, beim Schach oder beim Motorsport.
c)
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Identität oder enge Ähnlichkeit besteht auch zwischen den Dienstleistungen der Klasse 42. Die „wissenschaftlichen Dienstleistungen“ der angegriffenen Marke sind im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke identisch enthalten. Die Dienstleistungen der jüngeren Marke „industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen“ und die Widerspruchsdienstleistung „Forschungsarbeiten“ sind ebenfalls nahezu wortgleich. „Forschungsarbeiten“ umfassen auch „Analysedienstleistungen“. Sie sind auch den „technologischen Dienstleistungen“ der angegriffenen Marke ähnlich.
2.
23
Der aufgrund der Identität bzw. engen Ähnlichkeit der Dienstleistungen erforderliche weite Abstand zwischen den Marken ändert sich durch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht. Das Zeichen hat von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Zwar ist die Kennzeichnungskraft der Wortbestandteile der Widerspruchsmarke „Deutscher Arbeitgeber-Verband“ äußerst gering, weil sie auf die Zielgruppe der angemeldeten Dienstleistungen, nämlich inländische Arbeitgeber, hinweisen und gleichzeitig eine Sach-aussage über den Leistungserbringer enthalten, nämlich dass es sich dabei um einen Verband, also einen mitgliedschaftlich organisierten Zusammenschluss handelt. Im Inland existiert eine Vielzahl von Arbeitgeber-Verbänden, sodass der Begriff „Deutscher Arbeitgeber-Verband“ nicht nur als Name eines bestimmten Verbandes verstanden werden kann. Die Wortfolge sagt nichts anderes aus, als dass es sich um einen Zusammenschluss von Arbeitgebern (Unternehmern) zum Zwecke gemeinsamer Interessenvertretung gegenüber Gewerkschaften und Staat im Inland handelt.
24
Die Widerspruchsmarke verfügt jedoch über eine markante farbige Grafik. Sie besteht aus den rechtwinkligen Schenkeln dreier Dreiecke mit abgerundeten Ecken. An den den Schenkeln gegenüberliegenden Seiten sind die Dreiecke offen. Sie sind perspektivisch mit räumlicher Tiefe gezeichnet und wirken dadurch wie breite gebogene Bänder. Die offenen Dreiecke sind in Form eines liegenden L‘s angeordnet und umrahmen damit die Wortbestandteile auf der rechten Seite und der Unterseite der Schrift. Jedenfalls aufgrund dieser besonderen grafischen Ausgestaltung verfügt die Widerspruchsmarke über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
3.
25
Der erforderliche Abstand vermindert sich für die Dienstleistungen der Klasse 35, weil das angesprochene Publikum diesen Dienstleistungsangeboten mit erhöhter Aufmerksamkeit entgegentritt. Sie wenden sich nicht an die allgemeinen Verbraucher, sondern an das Fachpublikum, an Unternehmer und leitende Angestellte. Diese begegnen den Marken wegen der Bedeutung und der Kosten der Dienstleistungen für ihr Unternehmen mit gesteigerter Aufmerksamkeit. Aber auch die Dienstleistungen der Klasse 42 sind nicht in erster Linie für den allgemeinen Verbraucher bestimmt, sondern für Kunden in einem beruflichen Umfeld, die den Angeboten mit besonderer Aufmerksamkeit begegnen.
4.
26
Den danach erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke nicht ein.
27
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch).
28
Da die Wortelemente in beiden Marken lediglich aus einer Sachangabe bestehen, die nicht kollisionsbegründend wirken kann, dürfen sie aus Rechtsgründen nicht in den Zeichenvergleich einbezogen werden. Es bleibt daher beim Vergleich der Grafik. Die angegriffene Marke weist bildlich eine enge Ähnlichkeit zu der Widerspruchsmarke auf. Beide Marken sind in Schriftart, Schriftbild und Anordnung der Schrift sowie in Bezug auf ihre Grafik und deren Farbe nahezu identisch. Die angegriffene Marke verfügt lediglich über den zusätzlichen Wortbestandteil „e.V“ hinter dem Wort „Verband“ sowie über den Wortzusatz „Vereinigung Mittelständischer Unternehmen“, der in wesentlich kleineren Buchstaben unter der Grafik angeordnet ist.
29
Aber auch diese Zusätze bleiben beim Zeichenvergleich aus Rechtsgründen außer Betracht. Denn der Zusatz „e.V.“ ist die Abkürzung für „eingetragener Verein“ und damit eine Angabe, in welcher Rechtsform der Anbieter seine Leistungen erbringt.
30
Unter einer „Vereinigung“ versteht man den „Zusammenschluss, auch die lockere Verbindung von (gleichgesinnten) Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks oder eine zu bestimmten Zwecken gegründete Organisation“ (Duden online). Als „mittelständische Unternehmen“ gelten Gewerbebetriebe mit einem Jahresumsatz von mehr als … Mio Euro und weniger als … Mio Euro oder zwischen 10 und 499 Beschäftigten (Gabler Wirtschaftslexikon, 17. Aufl., 2010).
31
Die Wortfolge „Vereinigung Mittelständischer Unternehmen“ erschöpft sich damit in einer beschreibenden Angabe über den Erbringer der angebotenen Leistungen dahingehend, dass es sich um einen Zusammenschluss mittelgroßer Gewerbebetriebe handelt. Damit ergänzt die Angabe inhaltlich die erste Wortfolge „Deutscher Arbeitgeber-Verband“, indem sie die Kriterien der Verbandsmitgliedschaft näher beschreibt. Gleichzeitig enthält sie eine Bestimmung über die Adressaten der angebotenen Dienstleistungen. Sämtliche Leistungen können für mittelständische Unternehmen erbracht werden. Damit stellt sie eine Merkmalsangabe über den Erbringer oder die Bestimmung der Dienstleistungen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, der keinerlei Schutzfähigkeit für die beanspruchten Dienstleistungen zukommt (BPatG GRUR 29 W (pat) 102/10 und nachfolgend BGH GRUR 2012, 276-277 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.). Sie ist daher auch bei dem Ähnlichkeitsvergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen nicht zu berücksichtigen (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 (Nr. 36) – Kinder I).
32
Damit stehen sich bei dem Zeichenvergleich und zwei identische Grafiken gegenüber. Die Grafik der angegriffenen Marke unterscheidet sich von der Grafik der Widerspruchsmarke nur darin, das die Widerspruchsmarke grobkörniger wirkt und dass die rechte untere Ecke der Widerspruchsmarke eine gerade Kante hat und dadurch abgeschnitten erscheint, während diese Ecke bei der angegriffenen Marke vollständig abgerundet ist. Dies erkennt man jedoch nur bei direktem Zeichenvergleich und intensiver Betrachtung und man nimmt es nicht als Abweichung, sondern lediglich als Mangel in der Druckwiedergabe wahr. Auf die Beurteilung des Ähnlichkeitsvergleichs hat die Abweichung keinen Einfluss.
33
Damit ist eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken gegeben und der Widerspruch der Beschwerdeführerin begründet.

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