Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “DUB/LEDÛB (IR-Marke)” – zur rechtserhaltenden Benutzung einer IR-Marke mit Benennung der EU – zum Beginn der Benutzungsschonfrist – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – keine Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  28 W (pat) 576/17

Datum:
25.6.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:250618B28Wpat576.17.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Art 189 Abs 2 EUV 2017/1001
Art 151 Abs 2 EGV 207/2009
§ 125b Nr 4 MarkenG
Art 18 EUV 2017/1001
Art 15 EGV 207/2009
Art 18 Abs 1 EUV 2017/1001
Art 15 Abs 1 EGV 207/2009
Art 190 Abs 2 EUV 2017/1001
Art 152 Abs 2 EGV 207/2009
§ 43 Abs 1 MarkenG
§ 43 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 43 Abs 1 S 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke DE 30 2014 075 499
hat der 28. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung vom 12. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein sowie der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 22. Dezember 2014 angemeldete Wortmarke
2
DUB
3
ist am 27. April 2015 unter der Nr. 30 2014 075 499 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung umfasst folgende Waren:
4
Klasse 14:
5
Büsten aus Edelmetall; Edelmetalle [roh oder teilweise bearbeitet]; Kunstgegenstände aus Edelmetall; Platten aus Edelmetall als Schmuckzubehör oder -teile; Schlüsselanhänger [Fantasie-, Schmuckwaren]; Schnallen aus Edelmetall für Uhrarmbänder oder als Schmuckzubehör oder -teile; Statuen aus Edelmetall;
6
Klasse 16:
7
Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren]; Etiketten, nicht aus Textilstoffen; Fahnen, Wimpel [aus Papier]; Farbdrucke; Folien aus Kunststoff für Verpackungszwecke; Gemälde [Bilder], gerahmt oder ungerahmt; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Kalender; Plakate; Plakate aus Papier; Plakate aus Pappe; Plastikfolien [dehnbar und haftend] für Palettenverpackungen; Postkarten; Schilder aus Papier; Schilder aus Pappe;
8
Klasse 25:
9
Bekleidungsstücke; Damenkleider; Gürtel [Bekleidung]; Hemdblusen; Hemden; Hemd-Höschenkombinationen [Unterbekleidung]; Hosen; Hosenträger; Hüte; Jacken; Jerseykleidung; Käppchen [Kopfbedeckungen]; Kapuzen; Kopfbedeckungen; Krawatten; Lätzchen, nicht aus Papier; Lederbekleidung; Mäntel; Mützen; Oberbekleidungsstücke; Ohrenschützer [Bekleidung]; Overalls; Parkas; Petticoats; Pullover; Regenmäntel; Röcke; Schals; Schlafanzüge; Schlüpfer; Schnürstiefel; Schuhe [Halbschuhe]; Slips; Socken; Sportschuhe; Sportschuhe [Halbschuhe]; Stiefel; Stirnbänder [Bekleidung]; Stoffschuhe [Espadrillos]; Strandanzüge; Strandschuhe; Strümpfe; Strumpfhosen; Sweater; Trikotkleidung; Trikots; T-Shirts; Unterhosen; Unterwäsche; Westen.
10
Gegen diese Eintragung, die am 29. Mai 2015 veröffentlicht worden ist, hat die Widersprechende am 21. August 2015 aus dem am 8. Dezember 2014 nachträglich benannten EM-Teil ihrer am 14. Februar 2007 international registrierten Wortmarke 913 995
11
LEDÛB
12
Widerspruch erhoben. Die IR-Marke genießt Schutz für nachfolgende Waren:
13
Klasse 25
14
Clothing, footwear, headgear.
15
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2015, der beim DPMA am 9. Dezember 2015 eingegangen ist, hat der Rechtsvorgänger der Beschwerdegegnerin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
16
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 14, hat den Widerspruch durch Beschluss vom 6. April 2017 zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr. Die Waren der Klasse 25 der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke seien identisch. Dennoch halte erstgenannte unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der letztgenannten den erforderlichen Zeichenabstand ein. Die angegriffene Wortmarke „DUB” werde entweder als das englische Wort für einen Musikproduktionsstil angesehen und damit „Dab“ oder deutsch „Dub“ entsprechend „Schub“ oder „Hub“ ausgesprochen. Sie hebe sich damit auch in klanglicher Hinsicht ausreichend deutlich von der Widerspruchsmarke ab, die entweder als ein französischer Begriff aufgefasst und folglich „LEDÜB“ oder als ein deutsches Wort interpretiert und folglich „LEDUB“ wiedergegeben werde. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Prägung des Gesamteindrucks der Widerspruchsmarke durch die Silbe „-DÛB“, da das Zeichen als eingliedriger Begriff wahrgenommen werde. Andere Verwechslungen seien ebenfalls nicht zu besorgen.
17
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, dass eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werde könne. Die Widerspruchsmarke werde akustisch durch die Wortsilbe „-DÛB“ geprägt, die identisch oder sehr ähnlich wie die angegriffene Marke „DUB“ klinge. Inländische Verkehrskreise, die regelmäßig nur über eingeschränkte Französischkenntnisse verfügten, ordneten das Wort „LEDÛB“ aufgrund des „accent circonflexe“ dem französischen Sprachkreis zu. Dabei werteten sie die erste Silbe „LE-“ als bestimmten Artikel, der im Gesamteindruck gegenüber dem als Hauptwort angesehenen Bestandteil „-DÛB“ zurücktrete.
18
Die Beschwerdeführerin beantragt,
19
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. April 2017 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der Marke DE 30 2014 075 499 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR 913 995 anzuordnen.
20
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
21
die Beschwerde zurückzuweisen.
22
Die Beschwerdegegnerin, auf die die angegriffene Marke mit Wirkung zum 2. Oktober 2017 umgeschrieben worden ist, hat mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 den Eintritt in das Widerspruchsverfahren erklärt. Nach ihrer Auffassung besteht keine verwechslungsbegründende Zeichenähnlichkeit. Für eine Aufspaltung der Widerspruchsmarke in den französischen Artikel „LE“ und ein Substantiv „DÛB“ bestehe keinerlei Anlass. Dies liege umso ferner, als der Begriff „DÛB“ weder im Deutschen noch im Französischen existiere.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
24
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den Streitmarken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Widerspruch daher zu Recht zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
25
1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist, nachdem die Marke am 2. Oktober 2017 auf sie umgeschrieben worden ist, wirksam durch Erklärung vom 8. Dezember 2017 in das Widerspruchsverfahren eingetreten. Eine Zustimmung der Beschwerdeführerin war hierfür nicht erforderlich (§ 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).
26
2. Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 – DESPERADOS/DESPERADO).
27
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke „DUB“ und der Widerspruchsmarke „LEDÛB“ zu verneinen.
28
a) Für den Waren- und Dienstleistungsvergleich ist auf die Registerlage abzustellen. Die mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2015 erhobene Nichtbenutzungseinrede ist unzulässig. Die Widersprechende war daher nicht gehalten, die Benutzung ihrer Marke glaubhaft zu machen.
29
(1) Die Voraussetzungen einer Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.
30
Es wurde Widerspruch aus einer international registrierten Marke erhoben, der sich auf ihren Gemeinschaftsmarken- bzw. Unionsmarkenanteil stützt. Eine IR-Marke mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union steht gemäß Art. 151 Abs. 2 der zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede geltenden Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke vom 26. Februar 2009 (GMV) einer Gemeinschaftsmarke bzw. gemäß Art. 189 Abs. 2 der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (UMV) einer Unionsmarke gleich (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 125 b, Rdnr. 41). Die Unionsmarkenverordnung hat gemäß Art. 211 UMV die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 ersetzt und gilt gemäß Art. 212 UMV ab dem 1. Oktober 2017. Mangels einer Übergangsregelung gelten die Änderungen ab ihrem Inkrafttreten für alle auf die geänderten Bestimmungen anwendbaren Sachverhalte, und nicht nur für Anmeldungen oder Anträge, die erst nach Inkrafttreten der Änderung eingereicht wurden. D. h. sie gelten auch für Sachverhalte, die Tatbestandsmerkmale betreffen, die in der Vergangenheit eingetreten sind, und für Dauertatbestände, die in der Vergangenheit begonnen haben und zum Zeitpunkt der Rechtsänderung fortdauern, außer wenn dadurch eine echte Rückwirkung einträte (vgl. zum Fehlen einer Übergangsregelung: Eisenführ/Schennen, Unionsmarkenverordnung, 5. Auflage, Art. 167, Rdnr. 13). Im Übrigen entsprechen die für vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften in der Gemeinschaftsmarkenverordnung denen in der Unionsmarkenverordnung.
31
Die Glaubhaftmachung der Benutzung einer Unionsmarke bzw. des Unionsanteils einer IR-Marke bestimmt sich nach dem noch nicht angepassten § 125 b Nr. 4 MarkenG, der auf § 43 Abs. 1 MarkenG und Art. 15 GMV verweist. Die Frage, ab wann eine international registrierte Marke mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union ernsthaft in der Gemeinschaft bzw. Union gemäß Art. 15 GMV, der durch Art. 18 UMV ersetzt wurde, benutzt werden muss, ist in Art. 160 GMV i. V. m. Art. 152 Abs. 2 GMV bzw. Art. 203 UMV i. V. m. Art. 190 Abs. 2 UMV geregelt. Gemäß Art. 160 GMV bzw. Art. 203 UMV tritt im Rahmen der Anwendung des Art. 15 Abs. 1 GMV bzw. Art. 18 Abs. 1 UMV zur Festlegung des Datums, ab dem die Marke, die Gegenstand einer internationalen Registrierung mit Benennung der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union ist, ernsthaft in der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union benutzt werden muss, das Datum der Veröffentlichung gemäß Art. 152 Abs. 2 GMV bzw. Art. 190 Abs. 2 UMV an die Stelle des Datums der Eintragung. Damit ist für den Beginn der Benutzungsschonfrist nicht auf den in § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG genannten Zeitpunkt der Eintragung, sondern auf den der zweiten Nachveröffentlichung gemäß Art. 152 Abs. 2 GMV bzw. Art. 190 Abs. 2 UMV abzustellen. Diese erfolgt, wenn das HABM bzw. EUIPO entweder eine Mitteilung der Schutzgewährung ausgesprochen oder eine vorläufige Schutzverweigerung zurückgenommen hat (vgl. Eisenführ/Schennen, a. a. O., Art. 160, Rdnr. 1; BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 11. Edition, Stand: 1. Oktober 2017, Art. 203 UMV, Rdnr. 1).
32
Die Gewährung des Schutzes der älteren Marke in der Europäischen Union nach Ablauf der Widerspruchsfrist wurde in der „Gazette OMPI des marques internationales“ Nr. 46/2015 am 26. November 2015 veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 29. Mai 2015 war die Schutzgewährung der älteren Marke folglich nicht veröffentlicht, so dass die fünfjährige Benutzungsschonfrist entsprechend § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG noch nicht einmal zu laufen begonnen hat.
33
(2) Ebenso ist der Tatbestand des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nicht erfüllt. Der Zeitraum von fünf Jahren der Nichtbenutzung nach der zweiten Nachveröffentlichung am 26. November 2015 ist weder zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede am 9. Dezember 2015 noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abgelaufen.
34
b) Die beiderseitigen Waren wenden sich an die allgemeinen Verkehrskreise, so dass auf deren Verständnis bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist.
35
c) Die Bekleidung, das Schuhwerk und die Kopfbedeckung der älteren Marke sind mit den Waren der Klasse 25 der jüngeren Marke identisch. Mangels ausreichender sachlicher Berührungspunkte sind sie hingegen zu den Waren der Klassen 14 und 16 der angegriffenen Marke nicht einmal ähnlich.
36
d) Bei der Widerspruchsmarke ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang auszugehen. Das Wort „LEDÛB“ ist weder lexikalisch nachweisbar, noch ist feststellbar, dass ihm in der Umgangssprache eine objektive Wortbedeutung zu eigen wäre. Für eine Einschränkung der originären Kennzeichnungskraft bestehen daher keine Anhaltspunkte. Tatsachen, die für eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke im Verkehr und damit für ihre gesteigerte Kennzeichnungskraft sprechen, sind nicht vorgetragen oder gerichtsbekannt.
37
e) Die sich gegenüber stehenden Marken sind nicht ähnlich.
38
Der Grad der Ähnlichkeit ist nach Klang, (Schrift-) Bild und Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (vgl. BGH MarkenR 2008, 393, Rdnr. 21 – HEITEC; GRUR 2011, 824, Rdnr. 26 – Kappa).
39
(1) Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufene Gesamteindruck der Vergleichsmarken (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 843, Rdnr. 32 – Matratzen Concord).
40
(a) Durch den zusätzlichen Bestandteil „LE“ der Widerspruchsmarke weichen die Streitzeichen in ihrer Gesamtheit in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht ausreichend voneinander ab. Die Wortsilbe tritt am Anfang der älteren Marke deutlich hervor und führt zu ohne Weiteres wahrnehmbaren Unterschieden im Sprechrhythmus und in der jeweiligen Zeichenlänge.
41
(b) Es besteht auch keine verwechslungsbegründende begriffliche Ähnlichkeit. Der Sinngehalt der Streitzeichen stimmt weder vollständig noch wesentlich überein (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 9, Rdnr. 301). Der Ausdruck „Dub“ bezeichnet im Englischen – ausgehend von dem Verb „to double“ – eine Musik-Produktionstechnik, die auf eine bestimmte Abmischung von Roots-Reggae-Songs abzielt (vgl. unter „Wikipedia“, Suchbegriff „Dub“). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Publikum die jüngere Marke trotz der mit Musik nicht in Zusammenhang stehenden Waren der Klassen 14, 16 und 25 in diesem Sinn versteht. Jedenfalls besteht kein Anhalt dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise diese Bedeutung der Widerspruchsmarke beimessen. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass die ältere Marke als die Wortverbindung „LE DÛB“ aufgefasst wird, weist die Silbe „DÛB“ nicht auf eine Musik-Produktionstechnik hin. Der „accent circonflexe“ über dem Vokal „Û“ der Widerspruchsmarke macht nämlich deutlich, dass gerade nicht die – ohne Akzent geschriebene – Musikrichtung „Dub“ gemeint ist (vgl. u. a. die französische Fassung von Wikipedia, Suchbegriff „Dub“).
42
(2) In einem zusammengesetzten Zeichen kann unter Umständen einem oder mehreren Bestandteilen eine prägende Stellung zukommen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2012, 64, Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2009, 484, Rdnr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Rdnr. 17 – coccodrillo).
43
Dies gilt grundsätzlich auch für ein aus mehreren Bestandteilen bestehendes Einwortzeichen. Allerdings muss der Verkehr bei einem solchen aufgrund besonderer Umstände Veranlassung haben, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (vgl. BGH GRUR 2008, 905, Rdnr. 26 – Pantohexal; GRUR 2008, 909, Rdnr. 27 – Pantogast; GRUR 2010, 729, Rdnr. 34 – MIXI; BPatG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, 25 W (pat) 78/09 – Sunspice/Sun; kritisch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 9, Rdnr. 348 f.).
44
Nach diesen Grundsätzen kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht angenommen werden, dass der Wortbestandteil „DÛB“ den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke in klanglicher oder schriftbildlicher Hinsicht prägt. Äußerlich stellt sie ein einziges, homogen wiedergegebenes Wort dar. Dieses Erscheinungsbild des Wortzeichens entfaltet eine erhebliche Klammerwirkung (BGH GRUR 2010, 729, Rdnr. 34 – MIXI). Der Verkehr pflegt eine Marke nämlich so aufzunehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 248). Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass maßgebliche Teile des Verkehrs die beiden Wortsilben „LE“ und „DÛB“ auf Grund ihres Bedeutungsgehalts als trennbare Bestandteile ansehen. Insbesondere liegt es fern, dass das inländische Publikum das Wortelement „LE“ der älteren Marke, wie die Widersprechende meint, als bestimmten Artikel auffasst. Die Schreibweise der Marke als Einwortzeichen spricht eindeutig gegen dieses Verständnis. Zudem werden – wie die Inhaberin der angegriffenen Marke zu Recht anmerkt – die Wortanfänge „Der…“ oder „Die…“ auch im Deutschen regelmäßig nicht als bestimmter Artikel wahrgenommen (vgl. „Derby“ oder „Diesel“). Eine derartige Sichtweise drängt sich umso weniger auf, als die Wortsilbe „DÛB“ im Französischen kein Hauptwort ist, das durch Artikel näher bestimmt werden könnte. Dem Vorbringen der Widersprechenden, der Verkehr könnte gerade bei fragmentarischen Französischkenntnissen veranlasst sein, die Buchstabenfolge „LE“ aufgrund ihrer Übereinstimmung mit dem französischen bestimmten Artikel „le“ als nachrangiges Zeichenelement zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Verkehrskreise mit nur kursorischen Sprachkenntnissen werden vielmehr bestrebt sein, einen geschriebenen Ausdruck wortgetreu wiederzugeben, um sinnentstellende Änderungen zu vermeiden. Eine eigenmächtige Verkürzung des in Rede stehenden älteren Einwortzeichens auf Grund der ungestützten Vermutung, die Wortsilbe „LE“ sei ein unbestimmter Artikel, kommt unter diesen Umständen nicht ernsthaft in Betracht.
45
Für das Vorliegen anderer Formen einer Verwechslungsgefahr ist nichts ersichtlich.
46
3. Billigkeitsgründe, die eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten angezeigt erscheinen lassen, liegen nicht vor. Insofern verbleibt es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, nach der jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.


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