Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “eBI” – zum Rechtsschutzbedürfnis des Anmelders bei Unstimmigkeiten über Waren- und Dienstleistungsformulierungen – zum Gebot der Klarheit und Eindeutigkeit hinsichtlich des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses – zum Dienstleistungsbegriff Benchmarking – Erfordernis der Präzisierung zur Klasseneinteilung

Aktenzeichen  30 W (pat) 22/18

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:120320B30Wpat22.18.0
Normen:
§ 20 Abs 4 MarkenV 2004 vom 11.12.2018
§ 20 Abs 3 MarkenV 2004 vom 01.08.2015
§ 21 Abs 1 MarkenV 2004
§ 32 Abs 2 Nr 4 MarkenG vom 11.12.2018
§ 32 Abs 2 Nr 3 MarkenG vom 31.08.2015
§ 32 Abs 3 MarkenG
§ 65 Abs 1 Nr 2 MarkenG
§ 20 Abs 1 MarkenV 2004
§ 19 MarkenV 2004
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 104 998.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. März 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des Richters Merzbach und der Richterin Akintche
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. April 2016 und vom 14. März 2018 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
eBI
3
ist am 4. August 2015 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für zahlreiche – teilweise klärungsbedürftige – Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 42 und 44 angemeldet worden.
4
Im von der Anmelderin verwendeten amtlichen Formblatt W 7005 waren im Feld „Gruppiertes Verzeichnis der Waren/Dienstleistungen“ unter anderem – soweit hier von Relevanz – als Dienstleistungen der Klasse 35 und Klasse 44 angegeben:
5
Klasse 35:
6
„Benchmarking (betriebswirtschaftliche Vergleichsdienste); Benchmarking (Bewertung der Unternehmensorganisation); Benchmarking, nämlich betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Vergleich von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen“;
7
Klasse 44:
8
„Benchmarking, nämlich Vergleich und Bewertung der Leistungsergebnisse von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht;
9
Benchmarking, nämlich Vergleich und Bewertung der Organisation von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht“.
10
Die Markenstelle für Klasse 44 hat mit drei Bescheiden vom 2. Oktober 2015, vom 8. Januar 2016 und vom 4. März 2016 unter anderem die aufgeführte Formulierung aus Klasse 44 beanstandet und die Anmelderin zur Klärung aufgefordert. In Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 44 hat sie hierzu folgenden Vorschlag unterbreitet:
11
„Benchmarking, nämlich
betriebswirtschaftlicher
Vergleich und Bewertung der Leistungsergebnisse von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten
in medizinischer Hinsicht
;
12
Benchmarking, nämlich Vergleich und Bewertung der
Unternehmensorganisation
von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten
in medizinischer Hinsicht
“,
13
wobei diese Dienstleistungen jeweils einzugruppieren seien in Klasse 35.
14
Einem großen Teil der von der Markenstelle vorgeschlagenen Änderungen hat die Anmelderin zugestimmt. Zuletzt ist lediglich die Formulierung und Eingruppierung der vorgenannten Dienstleistungen streitig geblieben.
15
Die ursprünglich von der Anmelderin in Klasse 44 gruppierten Dienstleistungsbezeichnungen des Benchmarking wurden mit der Begründung beanstandet, diese seien nach den markenrechtlichen Klassifizierungsbestimmungen der Klasse 35 zuzuordnen, eine Gruppierung in anderen Klassen könne nicht anerkannt werden. Ferner wurde die Anmelderin aufgefordert, ein entsprechend berichtigtes Gesamtverzeichnis einzureichen. Dieser Aufforderung ist die Anmelderin hinsichtlich der genannten Benchmarking-Dienstleistungen nicht nachgekommen, vielmehr hat sie angeregt, eine Aufteilung der Begrifflichkeiten in Klasse 35 und Klasse 42 in Erwägung zu ziehen. Mit Schreiben vom 8. April 2016 hat sie ein daran orientiertes, überarbeitetes Dienstleistungsverzeichnis eingereicht, das folgende Formulierungen enthält:
16
Klasse 35:
17
„Benchmarking (betriebswirtschaftliche Vergleichsdienste); Benchmarking (Bewertung der Unternehmensorganisation); Benchmarking, nämlich betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Vergleich von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen“ sowie nunmehr zusätzlich hierzu
18
„Benchmarking, nämlich
betriebswirtschaftlicher
Vergleich und Bewertung der Leistungsergebnisse von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht;
19
Benchmarking, nämlich
betriebswirtschaftlicher
Vergleich und Bewertung der Organisation von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht“;
20
Klasse 42:
21
„Benchmarking, nämlich Vergleich und Bewertung der Leistungsergebnisse von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht;
22
Benchmarking, nämlich Vergleich und Bewertung der Organisation von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten in medizinischer Hinsicht“.
23
Entsprechend lautende Dienstleistungen des Benchmarking in Klasse 44 hat die Anmelderin nicht mehr beansprucht.
24
Mit zwei Beschlüssen vom 28. April 2016 und vom 14. März 2018, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 44 die Anmeldung teilweise wegen formeller Mängel – nämlich für die o. g. Dienstleistungen, soweit sie zuletzt in Klasse 42 beansprucht wurden – gemäß §§ 36 Abs. 4, 32 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 MarkenV zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Anmelderin den Auflagen aus den Amtsbescheiden hinsichtlich einer Klärung der ursprünglich in Klasse 44 enthaltenen und dort beanstandeten Bezeichnungen der Benchmarking-Dienstleistungen nicht in vollem Umfang nachgekommen sei. Bei diesen handle es sich um Dienstleistungen der Klasse 35, nicht aber um solche der Klasse 42. Dies sei von der beim DPMA für die Klassifizierung von Waren und Dienstleistungen zuständigen Stelle auch nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Der Begriff „Benchmarking“ bezeichne laut DUDEN/Lexikon der Wirtschaft eine „Methode, mit der Arbeits- und Produktionsprozesse, Managementtechniken, Produkte oder Bereiche im eigenen Unternehmen oder mit denen von Wettbewerbern verglichen werden“. Benchmarking-Dienstleistungen seien nach der Amtspraxis des DPMA daher ausschließlich in Klasse 35 zu gruppieren. Nichts anderes ergebe sich aus der europaweit harmonisierten Datenbank TMClass, in der entsprechende Bezeichnungen nur in der Klasse 35 enthalten seien. An anders lautende Entscheidungen anderer Behörden sei die Markenstelle nicht gebunden. Der Erinnerungsprüfer hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, dass die im angegriffenen Erstbeschluss zugrunde gelegte Klassifizierung in der Sache zutreffend erfolgt und der entgegenstehende Wunsch der Anmelderin sachlich falsch sei. Denn wie sich der Vorschrift des § 21 MarkenV entnehmen lasse, sei es nicht Sache der Anmelderin, sondern des DPMA, letztverbindlich über die Klassifizierung zu entscheiden. Die fehlenden Einflussmöglichkeiten der Anmelderin rechtfertigten sich schlüssig daraus, dass die Klassifikation außer unter Umständen für die anfallenden Kosten und damit für die Gebührenhöhe im Wesentlichen nur eine verfahrensinterne Ordnungsfunktion habe und insoweit eher einem Aktenzeichen entspreche. Insbesondere bestimme sich der Schutzumfang einer Marke ohne weiteres über den Bereich einer Klasse hinaus, in die ein bestimmter Begriff falle. Die Anmelderin habe ihre Zustimmung zu der vorgeschlagenen Fassung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses daher zu Unrecht verweigert.
25
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
26
Sie stellt klar, dass sie auch schon im Amtsverfahren allein das Ziel gehabt habe, eine zutreffende Bezeichnung für die von ihr beanspruchten Dienstleistungen und damit den gewünschten Schutzumfang der Marke zu erreichen. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass eine Einengung des Benchmarking auf betriebswirtschaftliche Aspekte nicht sachgerecht sei, was sich bereits aus der von der Markenstelle selbst zitierten Fundstelle im DUDEN/Lexikon der Wirtschaft ergebe. Die hier beanspruchten Benchmarking-Dienstleistungen in Klasse 42 seien nicht unzutreffend gruppiert. Die Begründung der Markenstelle vermöge nicht zu überzeugen. Die Durchführung eines Benchmarkings beruhe auf einer Orientierung an den Besten einer vergleichbaren Gruppe (best practice). Dieser Vergleich lasse sich nicht alleine auf betriebswirtschaftliche Daten und Faktoren beschränken. Ohnehin werde mittlerweile zwischen verschiedenen Benchmarking-Anwendungen unterschieden, wie z. B. Benchmarking in der Betriebswirtschaft, IT-Benchmarking, Computer-Benchmarking, Prozess-Benchmarking, Produkt-Benchmarking und Technologie-Benchmarking. Die Einschränkung auf einen betriebswirtschaftlichen Vergleich sei schon deshalb nicht angesagt, weil die Leistungsergebnisse und die Organisation der Leistungserbringer im Gesundheitswesen beispielsweise auch im Hinblick darauf verglichen und bewertet werden könnten, ob sie aus medizinischer Sicht sinnvoll oder effektiv seien. Dies wäre dann aber von der von der Markenstelle vorgeschlagenen Formulierung und Eingruppierung nicht erfasst. Die WIPO unterscheide im Übrigen zwischen „Product Benchmarking“ und „Product Benchmarking Services“ und ordne diese der Klasse 42 zu. In Klasse 42 gehe es im Grundsatz um Warenvergleiche und Warenvergleichsdienstleistungen, also unter anderem um Qualitätskontrolle und Analysedienstleistungen. Dies sei nicht mit der Argumentation der Markenstelle vereinbar, es handle sich zwingend um eine betriebswirtschaftliche Dienstleistung der Klasse 35, zumal es sich auch nach der Definition von Benchmarking um eine Methode handle, mit der auch Produkte verglichen werden.
27
Die Beschwerdeführerin beantragt,
28
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 vom 28. April 2016 und vom 14. März 2018 aufzuheben.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
30
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
31
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis der Anmelderin entgegen. Bei Unstimmigkeiten über Waren- und Dienstleistungsformulierungen entscheidet zwar letztlich das DPMA gem. § 21 Abs. 1 MarkenV über die Klassifikation. Eine Anmelderin hat jedoch ein berechtigtes Interesse, dass die Eingruppierung nach § 20 Abs. 4 MarkenV n. F. (§ 20 Abs. 3 a. F.) und damit verbunden die Klassifikation nach § 21 Abs. 1 MarkenV durch das DPMA zutreffend erfolgt. Denn die Eingruppierung und Klassifikation hat zum einen mögliche Auswirkung auf die Anzahl der anfallenden Klassen und damit auf die Gebührenverpflichtung der Anmelderin und zum anderen ist – nach Einführung der Gruppierungspflicht im Juni 2004 – die jeweils angegebene Klasse Bestandteil des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses und hat insoweit für die Bestimmung des Schutzbereichs der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowie für ihre Auslegung Bedeutung (vgl. hierzu Miosga in Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 32 Rdn. 91-93 und Rdn. 104).
32
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
33
a) Die Anmeldung einer Marke muss nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG n. F. (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 a. F.) ein Verzeichnis der Waren und Dienstleistung enthalten, für die die Eintragung beantragt wird. Die Waren und Dienstleistungen sind gemäß §§ 32 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 20 Abs. 1 MarkenV so zu bezeichnen, dass die Klassifizierung jeder einzelnen Ware oder Dienstleistung in eine Klasse der Klasseneinteilung nach § 19 MarkenV möglich ist. Diese vom DPMA bekannt gemachte Klasseneinteilung entspricht inhaltlich der „Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen (Klassifikation von Nizza/ NCL)“. Das Verzeichnis ist gruppiert, d. h. nach Klassen geordnet in aufsteigender Reihenfolge der Klasseneinteilung anzugeben (vgl. § 20 Abs. 4 MarkenV). Soweit möglich sollen die Bezeichnungen der Klasseneinteilung und die Begriffe der alphabetischen Liste der Waren und Dienstleistungen nach § 19 MarkenV verwendet werden (vgl. § 20 Abs. 3 MarkenV), da es sich insoweit um standardisierte, weitgehend zulässige Angaben handelt.
34
Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen muss aber nicht nur eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen, sondern außerdem sind die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können, und zwar schnell, umfassend und unmissverständlich. Die Klarstellung muss die allgemeinen und objektiven Eigenschaften und Zweckbestimmungen der Waren und Dienstleistungen in einer wirtschaftlich nachvollziehbaren und damit rechtlich abgrenzbaren Weise betreffen (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 32 Rdn. 105 und 107 m. w. N.).
35
b) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen sind die von der Anmelderin zuletzt vorgeschlagenen Dienstleistungsformulierungen weder zu unbestimmt noch sind sie der Klasse 42 falsch zugeordnet. Die darauf bezogene Zurückweisung der Anmeldung durch die Markenstelle ist daher zu Unrecht erfolgt, so dass die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben sind.
36
„Benchmarking“ an sich ist ein Instrument der Wettbewerbs- bzw. Marktanalyse. In Gabler Wirtschaftlexikon (vgl. unter gabler.wirtschaftlexikon.de) wird der Begriff wie folgt erläutert: „Benchmarking ist der kontinuierliche Vergleich von Produkten, Dienstleistungen sowie Prozessen und Methoden mit (mehreren) Unternehmen, um die Leistungslücke zum sog. Klassenbesten (Unternehmen, die Prozesse, Methoden etc. hervorragend beherrschen) systematisch zu schließen. Grundidee ist es, festzustellen, welche Unterschiede bestehen, warum diese Unterschiede bestehen und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt.“ Gleiche oder ähnliche Erläuterungen finden sich auch in weiteren Wirtschaftslexika. Soweit mit dem Benchmarking im Wesentlichen betriebswirtschaftliche Vergleichsdienste oder eine entsprechende Bewertung der Unternehmensorganisation beansprucht werden, sind dies Dienstleistungen der Klasse 35; allerdings ist – was nicht zuletzt auch der einheitlichen Klassifikationsdatenbank TMClass zu entnehmen ist -, der Begriff in markenrechtlicher Hinsicht aus sich heraus nicht hinreichend bestimmt und daher selbst in dieser Klasse – wie im Übrigen vorliegend erfolgt – zu präzisieren.
37
Die hier in Streit stehenden Dienstleistungen sind keine „Medizinischen Dienstleistungen“ der Klasse 44; die dort aufgeführte Formulierung ist daher zu Recht beanstandet worden. Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung der Markenstelle, dass es sich bei dem sog. Benchmarking zwingend um Dienstleistungen der Klasse 35 handelt.
38
Wie u. a. dem von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Artikel aus Wikipedia zu entnehmen ist, wird Benchmarking in vielen verschiedenen Gebieten – unternehmensintern oder unternehmensübergreifend – mit unterschiedlichen Methoden und Zielen angewendet. Benchmarking in der Betriebswirtschaft ist ein systematischer und kontinuierlicher Prozess des Vergleichens von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen. Benchmarking in der Finanzwirtschaft ist nach überwiegender Anwendung des Begriffs die vergleichende Bewertung des Anlageerfolgs. Als Vergleichsmaßstab dient häufig ein marktrelevanter Index (beispielsweise ein Aktienindex). IT-Benchmarking fällt auch in die Kategorie des Prozessvergleichs. Es misst und vergleicht wirtschaftliche (nicht technische) Aspekte einer IT-Infrastruktur. Computer-Benchmarks dagegen dienen dem Vergleich der Rechenleistung oder anderer Leistungswerte wie der Datenrate von Rechnern oder Hardware-Komponenten. Prozessbenchmarking vergleicht Prozesse miteinander, analysiert dies und optimiert sie anschließend. Produktbenchmarking vergleicht Produkte und deren Attribute wie Funktion, Kosten, Alleinstellungsmerkmale miteinander. Technologie-Benchmarking vergleicht Technologien bzw. Prozesse untereinander, beispielsweise in der Fertigung, um kostengünstigste oder stabilste Prozesse zu identifizieren. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf diese verschiedenen Anwendungen und Ziele daher darauf hin, dass beim Benchmarking nicht nur betriebswirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen, sondern der Schwerpunkt auch auf anderen Faktoren liegen kann.
39
Auch im Bereich der Medizin findet das Benchmarking Einsatz, wie aus zahlreichen Veröffentlichungen, u. a. einem Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahr 2002, hervorgeht; so wurde bereits damals von einem „Medizinischen Benchmarking“ gesprochen. Ziel ist hier die Qualitätssicherung klinischer Abläufe durch – u. a. wissenschaftliche – Auswertung/Analyse/Vergleich vor allem medizinischer Daten; die Qualitätssicherung orientiert sich mithin nicht an betriebswirtschaftlichen Erwägungen, sondern an der medizinischen Ergebnisqualität. Steht diese Qualitätsanalyse, -kontrolle und -sicherung zum Erreichen der bestmöglichen medizinischen Behandlungsqualität im Vordergrund, so kann es sich bei der streitgegenständlichen Formulierung um Dienstleistungen der Klasse 42 handeln. Denn Dienstleistungen wie „Qualitätskontrolle“ (auch „Qualitätskontrolle für Waren und Dienstleistungen“), „Qualitätssicherung“ und „Qualitätsbewertung“ sind solche der Klasse 42 (vgl. TMClass).
40
Wenn ein Dienstleistungsbegriff – wie hier „Benchmarking“ – aus sich heraus nicht hinreichend bestimmt ist, kann zwar bei der Auslegung die Klassenziffer der jeweiligen Klasse berücksichtigt werden. Aber auch bei Heranziehung der Klassenziffer würde bei der Angabe „Klasse 42: Benchmarking“ allein nicht ausreichend deutlich, für welche Dienstleistung Schutz beansprucht wird. Der Begriff bleibt unklar und erläuterungsbedürftig. Dem trägt die Anmelderin allerdings dadurch Rechnung, dass sie die Angabe „Benchmarking“ durch die Aufnahme der Zusätze „…,
nämlich
Vergleich und Bewertung der Leistungsergebnisse von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten
in medizinischer Hinsicht
“ und „…,
nämlich
Vergleich und Bewertung der Organisation von Leistungserbringern und Institutionen im Gesundheitswesen, insbesondere von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Pflegeheimen, Hospizen, Medizinischen Versorgungszentren, Heilpraktikern und/oder Physiotherapeuten
in medizinischer Hinsicht
“ präzisiert.
41
Durch diese Formulierung sowie unter Heranziehung der Klassenangabe ist ausreichend klar, dass es sich um einen Vergleich und eine Bewertung der Leistungsergebnisse und Abläufe in den genannten Gesundheitseinrichtungen im Hinblick auf die bestmögliche Behandlungsqualität in medizinischer Hinsicht, nicht aber um (betriebs)wirtschaftliche Betrachtungen handelt. Eine weitere Präzisierung seitens der Anmelderin ist nicht erforderlich.
42
Die Beschwerde hat daher Erfolg.


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