Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “ERLEBE LICHT” – fehlende Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  29 W (pat) 521/18

Datum:
16.10.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:161019B29Wpat521.18.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 113 435.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wortfolge
2
ERLEBE LICHT
3
ist am 27. Dezember 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
4
Klasse 09: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Hardware für die Datenverarbeitung; Computer; Computersoftware; Elektrische und elektronische Steuer- und Regelgeräte für Lampen, Leuchten und Beleuchtungsanlagen;
5
Klasse 11: Beleuchtungsgeräte, -apparate und -anlagen; Lampen und Leuchten; Teile von Beleuchtungsapparaten und -anlagen, einschließlich Stromschienen, soweit in Klasse 11 enthalten;
6
Klasse 16: Druckereierzeugnisse;
7
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Lampen, Leuchten, Beleuchtungsanlagen und elektronischen Steuer- und Regelgeräten für Lampen, Leuchten und Beleuchtungsanlagen, auch in Ladengeschäften, per Katalogversand, Teleshopping und Online-Shopping;
8
Klasse 38: Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen; Betreiben eines Teleshopping-Kanals.
9
Mit Beschluss vom 28. Februar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 11 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise, nämlich mit Ausnahme der oben fett gedruckten Dienstleistungen aus der Klasse 35, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Wortfolge sei eine werbliche Anpreisung oder ein Versprechen in der Bedeutung von „Licht genießen, Licht erfahren oder Licht auf sich wirken lassen“; die gewählte Imperativform sei sprach- und werbeüblich. Wie die Internetrecherche zeige, werde „Erleben“ im Zusammenhang mit einem Sachverhalt, Begrifflichkeiten oder Waren in der Bedeutung von „Etwas genießen, Erfahren, wirken lassen oder sich von etwas beeindrucken“ verwendet. Die Wortfolge „ERLEBE LICHT“ stelle in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen eine unmissverständliche, unmittelbar beschreibende Angabe dar, da sie lediglich darauf hinweise, dass diese Produkte es möglich machten oder Voraussetzung seien, Licht und dessen Varianten, Neuheiten oder Möglichkeiten zu erleben, zu genießen, zu erfahren oder auf sich wirken zu lassen bzw. davon beeindruckt zu sein. Die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen führten nicht zu einem anderen Ergebnis.
10
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
11
Sie ist der Ansicht, dass keines der von der Markenstelle zitierten Verwendungsbeispiele geeignet sei, die Unterscheidungskraft der Wortfolge „ERLEBE LICHT“ in Frage zu stellen. Auch habe die Markenstelle die Vielzahl der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu pauschal beurteilt. Das „Erleben“ habe eine höchstpersönliche Konnotation in Bezug auf die Person, welche aktiv etwas erlebe; der Begriff unterscheide sich somit fundamental von einem Begriff wie „etwas kennenlernen“, „etwas sehen“ oder auch „etwas erfahren“. Er verinnerliche das Geschehene und mache es zu einem Erlebnis, also zu etwas, was die Person präge. In der Aufforderung „Erlebe Licht“ liege eine Emotionalität, die – ähnlich wie im beim Bundesgerichtshof entschiedenen Fall „For You“ – ohne weiteres das Minimum der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft überschreite. Selbst wenn die von der Markenstelle vorgenommene Interpretation im Sinne von „Licht auf sich wirken lassen“, Licht erfahren“ bzw. „Licht genießen“ zuträfe, sei damit für einen großen Teil der Waren und Dienstleistungen die Zurückweisung nicht begründbar, denn diese hätten schon keinen Bezug zu Licht und dessen Erleben. Jedoch auch im Umfang der Waren und Dienstleistungen mit Bezug zu Licht sei die Imperativform „Erlebe Licht“ unterscheidungskräftig in dem Sinne, dass ein Verbraucher bei entsprechend gekennzeichneten Produkten einen konkreten Unternehmensbezug erkennen würde, wie die Voreintragungen entsprechend gebildeter Marken mit der Aufforderung „Erlebe“ zeigten.
12
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
13
den Teilzurückweisungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2018 aufzuheben.
14
Zu dem von ihr hilfsweise beantragten Termin zur mündlichen Verhandlung ist die Beschwerdeführerin – wie schriftsätzlich angekündigt (Bl. 67 d. A.) – nicht erschienen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet.
17
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „ERLEBE LICHT“ als Marke steht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht insoweit die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG).
18
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
19
Ob ein Zeichen zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) Unterscheidungskraft hat, ist anhand der erfassten Waren oder Dienstleistungen und anhand seiner Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die aus dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen bestehen. Die Beurteilung der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers muss konkret erfolgen, wobei alle relevanten Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 12.09.2019, C-541/18 – #darferdas?; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
20
Werbeslogans und sonstige spruchartige Wortfolgen – wie die hier angemeldete Aussage – sind bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft wie sonstige Wortzeichen zu behandeln (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rn. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH a. a. O. Rn. 17 – for you; Rn. 14 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rn. 14 – smartbook). Sie unterliegen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keine zusätzliche Originalität aufweisen (vgl. Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 241 m. w. N.). Es ist auch nicht erforderlich, dass sie einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 – My World; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 56 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 – Audi/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. Rdnr. 17 – for you; GRUR 2013, 552 Rdnr. 9 – Deutschlands schönste Seiten; a. a. O. – My World). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rn. 23 – OUI).
21
2. Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angemeldete Wortfolge „ERLEBE LICHT“ nicht. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden sie nur als werbeübliche Sachaussage, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.
22
a) Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen neben den Fachkreisen aus der Licht- und Beleuchtungsbranche auf den Endkunden abzustellen. Die Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung“ richten sich an ein unternehmerisch tätiges (Fach)Publikum.
23
b) Das Anmeldezeichen besteht aus zwei deutschen Wörtern, die in werbeüblich knapper Art und Weise eine sachbezogene Aussage vermitteln.
24
Der Begriff „Licht“ ist neben der naturwissenschaftlichen Bedeutung auch lexikalisch erfasst als Bezeichnung für „Beleuchtung“ und „Lampe, Lichtquelle“ (DUDEN Online, www.duden.de; vgl. hierzu auch schon BPatG, Beschluss vom 11.08.1995, 32 W (pat) 35/95 – Neue Wege zum Licht, für „Beleuchtungseinrichtungen; Planung und Installation von Beleuchtungsanlagen“). Nicht nur in der Werbung, sondern auch im alltäglichen Sprachgebrauch wird „Licht“ allgemein mit „Beleuchtung“ gleichgesetzt; dem entsprechend gibt es – und gab es bereits vor dem Anmeldezeitpunkt – zahlreiche deutsche Begriffsbildungen, in denen das Element „Licht“ einen schlagwortartigen Hinweis auf „Alles im Zusammenhang mit Licht und Beleuchtung“ vermittelt; vgl. Wörter wie Lichtplanung, Lichtberatung, Lichtgestaltung, Lichtkonzept, Lichtdesign, Lichtstudio, Lichtmanagement. Der vorangestellte Bestandteil „Erlebe“ ist die Imperativform des Verbs „erleben“; in positivem Kontext hat es die Bedeutung „auf sich wirken lassen“ und „bei etwas dabei sein, eine Erfahrung machen, teilhaben“ (vgl. DUDEN Online sowie Wortbedeutung.info).
25
Die Wortfolge ist aus sich heraus als anpreisender sachbezogener Spruch ohne weiteres dahingehend verständlich, dass der Kunde aufgefordert wird, das Produktangebot im Zusammenhang mit Licht und Beleuchtung zu erleben, mithin auf sich wirken zu lassen.
26
c) Der angesprochene Verkehr wird den Slogan nicht zuletzt deshalb ausschließlich als eine werbewirksame Anpreisung verstehen, weil er bereits an entsprechend gebildete, mit dem angemeldeten Zeichen unmittelbar vergleichbare Werbeaussagen im Kontext der Beleuchtungsbranche gewöhnt ist; solche Slogans werden und wurden schon vor dem Anmeldezeitpunkt vielfach verwendet, um werblich das eigene Warensortiment und damit verbundene Dienste anzupreisen. Dies zeigen die Rechercheergebnisse des DPMA und ergänzend hierzu die ermittelten Verwendungsbeispiele des Senats, die der Beschwerdeführerin mit der Ladung bzw. mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung übersandt wurden. So finden sich Aussagen wie beispielsweise:
27
– „Erlebe Licht!“,
28
– „Licht als Erlebnis“,
29
– „Erleben Sie Licht in seiner schönsten Form!“,
30
– „Erleben Sie Licht in der Kirche, im Kino, in…“,
31
– „Erleben Sie Licht die Grundlage zum Wohnen und Arbeiten bei uns.“,
32
– „Erleben Sie Licht“,
33
– „LED Leuchten & LED Lampen für ein neues Lichterlebnis – Frei Haus!“,
34
– „LICHT.EINFACH.ERLEBEN.“,
35
– „Machen Sie Licht zu einem Erlebnis, wir wissen wie!“,
36
– „Licht erleben“,
37
– „Licht neu erleben“,
38
– „Licht erleben – Licht begreifen – Licht gestalten“
39
– „Erleben Sie intensives und präzises Licht!“ oder
40
– „Eine attraktive Lichtwerbung ist ein wichtiges Aushängeschild Ihres Unternehmens…Erleben Sie die Anziehungskraft von Licht und Werbung“,
41
– „Lichtwerbung – Ihr strahlendes Logo am Nachthimmel…Mit uns erleben Sie einen Lichtblick.“,
42
– „Ein ‛Kaufhaus‛ voller Lichterlebnisse – …Besucher erleben am (…) Stand zur EuroShop maßgeschneiderte Lichterlebnisse für Präsentation und Verkauf..“,
43
(vgl. Anlage 1, teilweise als archivierte Webseiten über die Wayback-Machine „archive.org“, Bl. 31-39 d. A., Ergebnisse unter slogans.de Anlage 2, Bl. 40 d. A. und Anlage 5 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung, Bl. 70-79 d. A.).
44
Wegen der Üblichkeit von Aussagen betreffend ein besonderes Lichterlebnis in der hier maßgeblichen Branche und der Gewöhnung des Verkehrs hieran, wird er „Erlebe Licht“ damit lediglich als ein solches Werbeversprechen auffassen bzw. ohne weiteres als werbemäßige Sachaussage erkennen.
45
Ohnehin sind in der Werbesprache Aussagen mit dem Verb „erleben“ im Sinne eines Tätigkeitsversprechens – auch als Aufforderung – sowie mit dem Substantiv „Erlebnis“ als Wertversprechen bereits seit langem vielfach eingesetzte und beliebte Werbemittel (vgl. Wörterbuch der Werbesprache, Rothfuss Verlag, 1991 sowie Werbesprüche mit „erleben“ bzw. „Erlebnis“ aus slogans.de in Anlage 3, Bl. 41-53 d. A.). Auch an die direkte Ansprache in der Werbung durch die Verwendung der Imperativform sind die inländischen Verkehrskreise gewöhnt.
46
d) Für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen, die allesamt einen Bezug zu Licht und Beleuchtung aufweisen bzw. aufweisen können, eignet sich die Wortfolge damit als anpreisende Sachaussage.
47
Die hier beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 9 können entweder für die Durchführung von Lichtshows bestimmt und geeignet sein oder im Rahmen des sog. „Smart Home“ der intelligenten Lichtsteuerung dienen (durch Bewegungssensoren, Sprachsteuerung, über Smartphone etc.) bzw. bei smarten Beleuchtungssystemen zum Einsatz kommen (Anlage 4, Bl. 54-62 d. A.). Dass auch die Beschwerdeführerin selbst entsprechende Produkte für Lichtsteuerungssysteme anbietet und diese mit dem Erreichen besonderer Lichterlebnisse bewirbt, zeigt ein Blick auf deren Homepage.
48
In Bezug auf die Waren der Klasse 16 kann „ERLEBE LICHT“ schlagwortartig auf Inhalt und Thema der Druckereierzeugnisse hinweisen.
49
Hinsichtlich der Waren der Klasse 11 gibt das Anmeldezeichen einen werbeüblichen Hinweis in Imperativform darauf, dass die so angepriesenen Produkte ein besonderes Lichterlebnis bieten bzw. ermöglichen. Dem entsprechend kann bezüglich der Handelsdienstleistungen der Klasse 35 das Sortiment angepriesen werden.
50
Für die in Klasse 38 beanspruchten Telekommunikationsdienstleistungen ist zunächst zu berücksichtigen, dass neben der rein technischen Komponente auch die inhaltliche Bereitstellung und Übermittlung von Informationen mit umfasst sind. Zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung besteht ein so enger Bezug, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht mehr trennt (BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 22 – TOOOR!; BPatG 30 W (pat) 548/14 – DRIVE & TRACK; 29 W (pat) 223/04 – Dating TV; 29 W (pat) 59/10 – dress-for-less; 27 W (pat) 525/14 – Therapie.TV; 29 W (pat) 525/13 – The European). Diesbezüglich kann mit der Angabe „ERLEBE LICHT“ ebenfalls ein Hinweis auf deren Gegenstand und Thema gegeben werden.
51
In Bezug auf die Dienstleistung der Klasse 35 „Werbung“ erschöpft sich das Anmeldezeichen in einer sloganartigen Anpreisung des Werbeträgers bzw. der Art der angebotenen Werbung (vgl. zu beschreibende Angaben für „Werbung“: BGH GRUR 2009, 949 – My World), nämlich Lichtwerbung (s. Beispiele in Anlage 5). Lichtwerbung, auch Lichtreklame genannt, ist eine weit verbreitete Form der Außenwerbung, bei der buntes, oftmals auch fluktuierendes Licht mit besonders hoher Aufmerksamkeitswirkung für die Gestaltung der Werbebotschaft verwendet wird. Zumeist werden Aufschriften oder bildliche Darstellungen auf Geschäfts- und Wohnhäusern in stark frequentierten Stadtteilen oder auf einem Betriebsgebäude des Werbungtreibenden angebracht. Zunehmenden Einsatz finden auch hinterleuchtete Transparente, computergesteuerte Lichtbildwände, Farbvideo-Matrix-Anzeigen und beleuchtete Plakatanschläge, sog. City-Light-Poster (vgl. zum Begriff „Lichtwerbung“: Online-Wirtschaftlexikon unter www.wirtschaftslexikon24.com). Mit der verfahrensgegenständlichen Aussage wird in werbeüblich verkürzter Form zur Inanspruchnahme der angebotenen (Licht)Werbedienstleistungen aufgefordert und ein besonderes Lichterlebnis durch diese Werbung versprochen.
52
Das angesprochene Publikum wird nach alledem „ERLEBE LICHT“ als schlagwortartige, werbemäßige Sachangabe im Hinblick auf das Thema Licht und Beleuchtung auffassen. Der angemeldeten Wortfolge fehlt daher insoweit die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
53
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen im verfahrensgegenständlichen Umfang gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch freihaltungsbedürftig ist.
54
3. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Voreintragungen beim DPMA und beim EUIPO rechtfertigen keine andere Entscheidung.
55
Abgesehen davon, dass auch im Unionsrecht die Unterscheidungskraft fehlt, wenn ein Slogan ausschließlich als Werbeformel aufgefasst wird, sind die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse für Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rn. 43 f. – Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569 Rn. 30 – HOT; GRUR 2009, 778 Rn. 18 – Willkommen im Leben). Ungeachtet dessen steht ohnehin der genannten Eintragung des Zeichens „Erlebe Wissen“ (UM 009461013) auch eine Zurückweisung des Zeichens „ERLEBE WISSEN“ (UM 008792384) ebenfalls für Dienstleistungen der Klasse 41 gegenüber, ebenso wie andere Zurückweisungen mit dem Verb „erleben“, z. B. „Erleben, was verbindet“ (UM 006661839). Gleiches ist für die nationale Eintragung „Erlebe die Vielfalt“ (Nr. 30671853) festzustellen; dieser stehen Zurückweisungen wie z. B. „Vitalität erleben“ (BPatG, Beschluss vom 13.02.2008, 32 W (pat) 77/06) oder „Kabelanschluss. Die Welt erleben.“ (BPatG, Beschluss vom 03.03.2004, 29 W (pat) 125/03) gegenüber.
56
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung auch inländische Voreintragungen nicht bindend sind. Denn auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rn. 18 – Bild-digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 30 – HOT). Diese nach den rechtlichen Vorgaben vorgenommene Prüfung hat im vorliegenden Fall aber ergeben, dass das Zeichen im verfahrensgegenständlichen Umfang nicht unterscheidungskräftig ist.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben