Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “In Kölle jebore” – blickfangmäßiger, dekorativer Gebrauch eines Zeichens auf Waren – keine Beschränkung der Benutzung auf diese Art – Möglichkeit der markenmäßigen Benutzung – originäre Unterscheidungskraft entfällt nicht

Aktenzeichen  27 W (pat) 250/09

Datum:
15.1.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Leitsatz

In Kölle jebore
Der blickfangmäßige, dekorative Gebrauch eines Zeichens auf Waren lässt eine originär vorhandene Unterscheidungskraft nicht entfallen, wenn die Benutzung nicht auf diese Art beschränkt und eine markenmäßige Benutzung möglich ist.

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die
angemeldete
Marke 30 2008 052 899.0
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. Januar 2010 durch…
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2009 und vom 11. August 2009 werden aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit den im Tenor genannten Beschlüssen die Anmeldung der Bildmarke
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
2
für die Waren
3
Klasse 21: Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten
4
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten
5
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Schals, Schärpen und Stolen
6
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Im Erstbeschluss wird dies damit begründet, dass die inländischen Verbrauchern im Sinne von „In Köln geboren“ verständliche Wortfolge „In Kölle jebore“ nur auf die Herkunft der beanspruchten Waren, bei denen es sich um typische Merchandising-Artikel handele, aus der Stadt Köln hinweise und damit von den angesprochenen Verkehrskreisen als branchenübliches Werbemittel aufgefasst werde. Im Erinnerungsbeschluss stellt die Markenstelle demgegenüber im Wesentlichen darauf ab, dass es sich bei der Wortfolge um einen ohne Weiteres verständlichen und gebräuchlichen Ausspruch handele, der als Botschaft an die Umwelt aufgefasst werde, mit der persönliche Gefühle und Empfindungen in vielfältiger Weise ausgedrückt werden sollten. Der Erwerb der so gekennzeichneten Waren beruhe allein auf dem jeweiligen Spruch und seiner Eignung, die Gefühle des Käufers zum Ausdruck zu bringen, und nicht auf einer irgendwie gearteten Vorstellung über die Herkunft der so gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen. Da auch die grafische Gestaltung, die allein auf die geografische Herkunft der gekennzeichneten Waren verweise, als Herkunftshinweis nicht geeignet sei, sei die Anmeldemarke nicht eintragbar.
7
Mit seiner Beschwerde macht der Anmelder im Wesentlichen geltend, bei der Anmeldemarke stehe weder ein beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund noch handele es sich um eine gebräuchliche Wortfolge oder ein branchenübliches Werbemittel. Ungeachtet dessen sei die Anmeldemarke zumindest wegen ihrer grafischen Gestaltung eintragbar.
8
Der Anmelder beantragt,
9
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2009 und 11. August 2009 aufzuheben.
II.
10
A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat Erfolg.
11
1. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ist die angemeldete Bezeichnung nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen.
12
a) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geht auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurück, der wiederum mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) GMV wortidentisch ist. Da die Auslegung der vorgenannten europarechtlichen Normen nach Art. 234 EGV allein dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten ist, ist auch für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Unterscheidungskraft“ in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausschließlich dessen Rechtsprechung maßgeblich und für alle nationalen Gerichte bindend. Danach ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen, derzufolge diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren soll, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] – SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] – BioID).
13
Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] – SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] – Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] – Das Prinzip der Bequemlichkeit).
14
b) Entgegen der Ansicht der Markenstelle lässt sich dies für die vorliegend zu beurteilende angemeldete Bezeichnung nicht feststellen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat, es sich bei ihr um einen Werbeslogan handelt, bei dem die Werbefunktion im Vergleich zu der Hauptfunktion einer Marke als Herkunftshinweis nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist, so dass die Durchschnittsverbraucher aus ihr nicht auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen schließen oder es sich bei ihren Wortelementen um gebräuchliche Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache handelt, die der Verkehr – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel versteht.
15
aa) Daran, dass bei der Wortfolge „In Kölle jebore“ trotz des hiermit verbundenen assoziativen Anklangs an die Stadt Köln eine diese Waren beschreibende Sachangabe im Vordergrund steht, sie insbesondere als Angabe der geografischen Herkunft dieser Waren in Betracht kommt, hat die Markenstelle in ihrer Erinnerungsentscheidung zutreffend nicht mehr festgehalten. Soweit der Erstbeschluss dies angenommen hatte, vermag der Senat dem aus juristischen und semantischen Gründen nicht zu folgen. Zwar handelt es sich, wie oben bereits ausgeführt wurde, bei der Wortfolge „In Kölle jebore“ um eine weithin verständliche Aussage des Inhalts „In Köln geboren“. Dies bedeutet aber nicht, dass es sich hierbei, sofern sie zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, gleichzeitig um eine geografische Herkunftsangabe handelt. Ein solches Verständnis wird sich bei den Abnehmern der betreffenden Waren, soweit sie sich hierüber überhaupt Gedanken machen, allenfalls erst nach einer eingehenden analysierenden Betrachtung einstellen können, indem sie den Begriff „jebore/geboren“ im Sinne einer geografischen Herkunft der betreffenden Waren (um-) interpretieren; da der Verkehr aber nach ständiger Rechtsprechung (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 – Vamps; BGH GRUR 195, 408, 409 – PROTECH) zu solchen analysierenden Betrachtungen gerade nicht neigt, kann die bloße Möglichkeit, dass sich eine solche Vorstellung aufgrund assoziierender Gedankenschritte einstellen mag, dem Schutz der hier zu beurteilenden Marke nicht entgegenstehen.
16
bb) Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Wortfolge „In Kölle jebore“ von den angesprochenen Verkehrskreisen selbst dann, wenn sie ihr als Kennzeichnung an Waren der Klassen 21, 24 und 25 begegnen, nur als solche und damit nicht als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren aus einem bestimmten Unternehmen verstanden wird; insbesondere sind Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine allgemeine, sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Waren und Dienstleistungen beziehende Werbeaussage allgemeiner Art handele, nicht erkennbar. Auch wenn die Wortfolge „In Kölle jebore“, wie oben ausgeführt, für den Verkehr verständlich und ihm bekannt ist, schließt dies die Möglichkeit, sie als Kennzeichnung von (bestimmten) Waren und Dienstleistungen zu verwenden, nicht aus. Dies wäre vielmehr nur dann der Fall, wenn sich das Verständnis der Wortfolge bei den angesprochenen Abnehmern dieser Waren und Dienstleistungen auch dann, wenn sie ihr in unmittelbaren Zusammenhang mit diesen begegnen, in dem allgemeinen Bedeutungsgehalt erschöpfen würde, den Verbrauchern in dieser Situation also nicht einmal der Gedanke kommt, dass hiermit – zumindest auch – auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hingewiesen werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2010, Az.: I ZR 82 und 92/08 -CCCP bzw. DDR). Hiervon kann aber nach den vorliegenden Erkenntnissen bei der hier in Rede stehenden Marke nicht ausgegangen werden.
17
Auch der Hinweis der Markenstelle im Erstbeschluss auf den (angeblichen) Charakter der beanspruchten Waren als „Merchandisingprodukte“ – mit diesem Begriff sind offenbar nicht (worauf der Anmelder zutreffend hingewiesen hat) Merchandisingwaren gemeint, die zu bloßen Werbezwecken vertrieben werden, sondern vielmehr typische Souvenirartikel – kann einen solchen Schluss nicht rechtfertigen. Selbst wenn die Wortfolge „In Kölle jebore“ dabei blickfangmäßig und dekorativ auf der einzelnen Ware angebracht ist, wie beispielsweise in Form eines Aufdruckes im Brustbereich eines T-Shirts oder eines Hemdes oder auf den Seitenteilen einer Tasche oder eines Koffers, lässt sich aus einer bestimmten Art der Anbringung eines Zeichens an einzelnen Waren nämlich nicht zwangsläufig der Schluss ziehen, der Verkehr werde dieses in keinem Fall mehr als Herkunftsangabe ansehen. Auch unzweifelhaft schutzfähige Marken werden häufig in dieser Weise verwendet, ohne dass sie hierdurch ihre Funktion als Marke verlieren. Aber selbst wenn der Verkehr bei einer solchen Anbringung der Wortfolge auf einzelnen Waren in ihr keinen Herkunftshinweis, sondern eine Art „Statement“ in Form eines Bekenntnisses zur Stadt Köln erblicken würde, vermag dies ihre Schutzfähigkeit nicht insgesamt zu beseitigen. Auf eine solche Art der Anbringung ihrer angegriffenen Marke ist die Inhaberin der angegriffenen Marke im vorliegenden Fall nämlich nicht beschränkt. Vor allem bei Bekleidungsstücken ist vielmehr nicht ausgeschlossen, dass das fragliche Zeichen auch in einer Form an den Waren angebracht wird, bei der der Verkehr in aller Regel eher geneigt ist, hierin einen Herkunftshinweis zu sehen; so wird er, wenn er der hier in Rede stehenden Wortfolge als Aufschrift eines üblichen Einnähetiketts im Innenkragen eines T-Shirts oder Hemdes begegnet, in ihr kaum etwas Anderes als den Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren sehen, weil sich ein solcher üblicherweise an dieser Stelle befindet und – anders als etwa bei glatt beschreibenden Angaben – eine andere Art des Verständnisses, insbesondere in der Art eines „Statements“ oder „Bekenntnisses“, die in der Regel nicht in einer derartig „versteckten“ Form erfolgt, nicht naheliegt. Ist aber eine Art der Zeichenverwendung nicht ausgeschlossen, bei welcher der Verkehr in aller Regel das fragliche Zeichen nur als Herkunftshinweis erachtet, kann der Kennzeichnung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden (vgl. BGH GRUR 2001, 240, 242 – SWISS ARMY).
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Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende Wortfolge – etwa und insbesondere für aus Köln stammende oder mit dieser Stadt in Zusammenhang stehende Waren und Dienstleistungen – nur als allgemeine Werbeaussage angesehen wird, also als eine anpreisende Aussage, bei welcher der Verkehr keinen Bezug mehr zu einer bestimmten Ware oder einer bestimmten Dienstleistung und zu deren Herkunft aus einem individuellen Unternehmen herstellt, sondern sie nur als bloße Anpreisung erachtet, die für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen einsetzbar ist und auch tatsächlich verwendet wird. Mit einer solchen allgemeinen Werbeaussage (wie etwa „super“ oder „erstklassig“) ist die angemeldete Marke nicht vergleichbar. Es fehlen auch jegliche Nachweise oder sonstige Anhaltspunkte dafür, aus denen sich eine Verwendung der Wortfolge „In Kölle jebore“ als – zumindest im Großraum Köln übliche – allgemeine Werbeaussage zwingend ableiten ließe. Damit lässt sich aber nicht feststellen, dass die angegriffene Marke eine Werbeaussage allgemeiner Art darstellt.
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2. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, waren auf die Beschwerde des Anmelders die anderslautenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
20
B. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG bestand keine Veranlassung.
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