Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “KIRSCH ROYAL” – Freihaltungsbedürfnis -Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  26 W (pat) 505/13

Datum:
30.4.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 003 602.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Februar 2012 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren der Klasse 30 „Reis, Tapioka, Sago, Mehle; Backpulver“ und für die Ware der Klasse 32 „Mineralwässer“ zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I
1
Zur Eintragung für die Waren
2
Klasse 30:
3
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze; Kühleis
4
Klasse 32:
5
Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
6
Klasse 33:
7
Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
8
hat die Anmelderin die Wortmarke
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KIRSCH ROYAL
10
angemeldet.
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Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung teilweise für die Waren
12
Klasse 30: Tee, Reis, Tapioka, Sago, Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Backpulver; Essig, Saucen (Würzmittel)
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Klasse 32: Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
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Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
15
zurückgewiesen, weil die angemeldete Marke insoweit ausschließlich aus Angaben bestehe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit dieser Waren dienen könnten (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), und weil ihr wegen ihres warenbeschreibenden Charakters insoweit auch die Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Wortabfolge „KIRSCH ROYAL“ vermittele dem Verbraucher in Bezug auf die versagten Waren lediglich den werbemäßigen Hinweis, dass es sich bei den beanspruchten Waren um Produkte von besonders guter Qualität handele, welche Anteile der Frucht „Kirsche“ enthielten oder zumindest die Geschmacksrichtung „Kirsch(e)“ aufwiesen. Der warenbeschreibende Begriffsgehalt erschließe sich ohne weiteres, auch wenn die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit lexikalisch nicht feststellbar sei.
17
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie rügt, die Markenstelle habe bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke in unzulässiger Weise auf deren einzelne Bestandteile und nicht auf die angemeldete Marke insgesamt abgestellt. Die angemeldete Marke insgesamt werde in keinem Medium als beschreibende Angabe verwendet und im Verkehr deshalb nicht als beschreibende Angabe verstanden. Auch die Kurzform „KIRSCH“ des Begriffs „Kirsche“ werde im allgemeinen Sprachgebrauch nicht zur Beschreibung der versagten Waren benutzt. Die angemeldete Marke sei zudem mehrdeutig und auch deshalb zur eindeutigen Warenbeschreibung ungeeignet. Insbesondere der Markenbestandteil „ROYAL“ weise eine Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen auf und sei im deutschsprachigen Raum zur Beschreibung von Waren ungebräuchlich. Ergänzend verweist die Anmelderin auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Royal“.
18
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
19
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Dezember 2012 aufzuheben.
II
20
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, jedoch nur in dem aus Ziffer 1 des Beschlusstenors ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
21
1. Für die in der Ziffer 1 des Beschlusstenors aufgeführten Waren der Klasse 30 „Reis, Tapioka, Sago, Mehle; Backpulver“ und der Klasse 32 „Mineralwässer“ stellt die angemeldete Marke – ebenso wie für die Waren, für die bereits die Markenstelle von einer Zurückweisung der Anmeldung abgesehen hat – keine zur Beschreibung von Eigenschaften dieser Waren geeignete Angabe dar, da es sich insoweit, anders als etwa bei Reiszubereitungen oder Mehlpräparaten, um reine, unvermischte Grundprodukte handelt, denen weder Früchte wie Kirschen noch Geschmacksstoffe von Früchten zugesetzt sind bzw. – was Mineralwässer betrifft – zugesetzt werden dürfen. Dies ist auch dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren bekannt, so dass davon auszugehen ist, dass er bei einer Verwendung des Wortes „KIRSCH“ im Zusammenhang mit diesen Waren darin keine beschreibende Sachangabe, sondern eher z. B. den auch im Inland gebräuchlichen Familiennamen „KIRSCH“ sehen wird, weshalb es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die angemeldete Marke für die zuvor genannten Waren jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung der angemeldeten Marke für diese Waren nicht entgegen, da es insoweit an einer Eignung zur Beschreibung dieser Waren und an einem Allgemeininteresse an der Freihaltung der angemeldeten Angabe für diese Waren fehlt.
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2. Für alle übrigen Waren, für die die Markenstelle die Anmeldung zurückgewiesen hat, stellt die angemeldete Marke dagegen eine beschreibende Beschaffenheitsangabe dar, der wegen ihres beschreibenden Charakters die Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
23
Unterscheidungskraft i. S. d. vorstehenden Bestimmung bedeutet die Eignung einer Marke, Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Unternehmen unterscheidbar zu machen (EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 – Libertel). Die Eintragung eines Zeichens als Marke kommt nur in Betracht, wenn es diese Hauptfunktion erfüllen kann (EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Nr. 51 – Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Nr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und deren Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (EuGH GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 – EUROHYP). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Begriffsgehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren hergestellt wird (BGH a. a. O. Nr. 28 – FUSSBALL WM 2006).
24
Die Verbindung von schutzunfähigen Markenbestandteilen kann eintragungsfähig sein, weil Bestandteile, die für sich gesehen nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination eine hinreichende Unterscheidungskraft aufweisen können. Damit kommt es für die Schutzfähigkeit einer mehrteiligen Marke auf deren Gesamtheit an. Insoweit kann aus der fehlenden Unterscheidungskraft der einzelnen Bestandteile noch nicht ohne weiteres auch für die Kombinationsmarke ein Schutzhindernis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 hergeleitet werden (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 8, Rn. 156). Dieser Grundsatz entbindet jedoch nicht von einer Prüfung der einzelnen Markenteile. So geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter nicht ohne weiteres bereits durch ihre Zusammenfügung verloren. Vielmehr bleibt im Allgemeinen die bloße Verbindung bzw. Aneinanderreihung von beschreibenden Begriffen selbst beschreibend, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Gesamtheit und der bloßen Summe der Bestandteile besteht. Der durch die Verbindung bewirkte Gesamteindruck muss also über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgehen und darf sich nicht in deren bloßer Summenwirkung erschöpfen. Eine diese Summenwirkung übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung kann vor allem durch eine besondere sprachliche Ausgestaltung oder durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden. Das gilt etwa für Verbindungen von Einzelwörtern, deren beschreibender Charakter in so unterschiedlichen und miteinander nicht in Verbindung zu bringenden Bereichen liegt, dass eine (einheitliche) sachbezogene Aussage der gesamten Kombination nicht mehr erkennbar ist. Selbst eine über die bloße Summe der Einzelbestandteile hinausreichende Kombination bleibt allerdings schutzunfähig, wenn sie in ihrer Gesamtheit nicht unterscheidungskräftig ist (Ströbele/Hacker, a. a. O. § 8, Rn. 157).
25
Die angemeldete Marke ist eine Bezeichnung, die aus für die versagten Waren beschreibenden Begriffen gebildet ist und auch insgesamt für diese Waren nur einen beschreibenden Begriffsgehalt aufweist und daher vom Verkehr auch nur in diesem beschreibenden Sinne und nicht als betriebliches Herkunfts- und Unterscheidungskennzeichen verstanden wird. Der Markenbestandteil „KIRSCH“ stellt, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, eine gewöhnliche sprachliche Ausgestaltung des Begriffs „Kirsche“ dar. Er wird u. a. in beschreibenden Angaben wie „Kirschsaft“, „Kirschsirup“, „Kirschlikör“, „Kirschwasser“ und „Kirscheis“ zur Bezeichnung der bei der Herstellung verwendeten Früchte bzw. zur Bezeichnung der Geschmacksrichtung dieser und anderer Waren im Verkehr verwendet und verstanden. Der weitere Markenbestandteil „ROYAL“ hat, wie die Markenstelle ebenfalls bereits zutreffend festgestellt hat, laut DUDEN http://www.duden.de/node/659062/revisions/1211157/view) die ursprünglichen Bedeutungen „königlich, royalistisch“, wird jedoch im übertragenen Sinne – ebenso wie der Begriff „königlich“ und als Synonym zu diesem – auch in den Bedeutungen „edel, exquisit“ zur Bezeichnung und Anpreisung der gehobenen Qualität von Waren verwendet (BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 285/96 – ROYAL). Wie sich bereits aus dem zuvor genannten Beschluss des 28. Senats ergibt, ist die Bezeichnung „ROYAL“ als Qualitätsangabe im Inland entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht ungebräuchlich. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat auch in Bezug auf die versagten Waren an. Ergänzend sei insoweit zur Verdeutlichung und ohne dass es hierauf für den Senat noch entscheidend ankommt auf die Internetseiten „http://www.natur-top-line.de/Alep-i“ (mit der die Bezeichnung „Qualität Royal“), sowie http://www.teppichladen.net/Berberteppich-Royal-Double-Qualitaet-Uni-blanc (mit der Bezeichnung „Berberteppich Royal Double Qualität Uni blanc“) sowie http://www.festlichekleideronline.com/tag/royal-class-hemden mit der Bezeichnung „royal class hemden“ verwiesen, die erkennen lassen, dass sich die Angabe „ROYAL“ nicht nur von Haus aus als Qualitätsangabe für alle Arten von Waren und Dienstleistungen eignet, sondern auch auf verschiedenen Warengebieten bereits als solche benutzt wird.
26
Ein merklicher Unterschied zwischen der Kombination „KIRSCH ROYAL“ in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer warenbeschreibenden Bestandteile „KIRSCH“ und „ROYAL“ besteht entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht. Vielmehr geht der durch die Verbindung bewirkte Gesamteindruck über die bloße Aneinanderreihung beschreibender Begriffe nicht hinaus und erschöpft sich in deren bloßer Summenwirkung. Auch die Wortabfolge „KIRSCH ROYAL“ wird, wie die Markenstelle zutreffend erkannt hat, von dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der weiterhin versagten Waren nur als ein Sachhinweis auf ein Produkt mit Kirschen bzw. mit Kirschgeschmack in exzellenter Qualität verstanden.
27
Soweit die Anmelderin ihre Auffassung, die angemeldete Marke weise die erforderliche Unterscheidungskraft auf, ferner darauf stützt, die angemeldete Marke sei mehrdeutig, weil sie sowohl als Hinweis darauf verstanden werden könne, dass das Produkt besonders leckere Kirschen enthalte, als auch als Hinweis darauf, dass das Produkt Kirschen und edle bzw. veredelnde Bestandteile beinhalte, vermag dies die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ebenfalls nicht zu begründen. Hat ein Markenwort bzw. eine Markenwortabfolge mehrere Bedeutungen, die sämtlich in Bezug auf die beanspruchten Waren beschreibend sind, reicht der durch die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus (BGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT; MarkenR 2014, 194 – HOT). Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es zudem aus, wenn das Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen eine beschreibende Angabe enthält (BGH GRUR 2009, 952 – DeutschlandCard), was hier unzweifelhaft der Fall ist. Angesichts ihres erkennbar die Beschaffenheit der Ware beschreibenden Inhalts wird der Verkehr in der angemeldeten Marke, auch wenn er sie in dem von der Anmelderin angeführten Sinne versteht, ausschließlich einen Sachhinweis, aber keinen Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem einzelnen Unternehmen sehen, weshalb der angemeldeten Marke für die Waren, die Kirschen beinhalten bzw. einen Kirschgeschmack aufweisen können, die Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
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Soweit sich die Anmelderin auf Voreintragungen angeblich vergleichbarer Marken beruft, kommt diesen für die Prüfung der Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke keinerlei verbindliche Bedeutung zu (EuGH GRUR 2006, 229 – BioID; GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online.de und ZVS; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl). Die Beschwerde der Anmelderin konnte daher keinen Erfolg haben.


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