Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “KNOTLESS” – fehlende Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  25 W (pat) 19/18

Datum:
14.10.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:141019B25Wpat19.18.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 004 639.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
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KNOTLESS
3
ist am 22. Februar 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 2: Silberpaste;
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Klasse 9: Photovoltaik; Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung mit Sonnenenergie;
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Klasse 37: Installation und Instandhaltung von Photovoltaikanlagen.
7
Die Markenstelle für Klasse 9 hat die unter der Nummer 30 2017 004 639.1 geführte Anmeldung mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 15. März 2018 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die angemeldete Bezeichnung „KNOTLESS“ stamme aus der englischen Sprache und könne sowohl im Sinne von „knotenfrei“ (oder „knotenlos“) als auch in Sinne von „astrein“ übersetzt werden. In der deutschen Sprache bezeichne der Begriff „Knoten“ neben einer festgezogenen Verschlingung auch Punkte, an denen sich Linien träfen bzw. von denen aus sie sich verzweigten. Ausgehend hiervon sei die angemeldete Bezeichnung geeignet, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beschreiben und wichtige Eigenschaften der Produkte hervorzuheben. Photovoltaikmodule könnten sich insbesondere dadurch auszeichnen, dass ihre Leiterbahnen auf dem entsprechenden Trägermaterial kreuzungsfrei, also „knotless“ verlegt seien. Diese Eigenschaft steigere die Effizienz der Solarmodule. Auch wenn die Anmelderin zutreffend darauf verweise, dass die Ware „Silberpaste“ für sich genommen denknotwendig immer knotenlos sein müsse, führe dies nicht zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit dieser Ware. Denn insoweit bestehe zumindest ein enger beschreibender Bezug zwischen der angemeldeten Bezeichnung und den beanspruchten Waren, da Silberpaste bei der Herstellung besonders effizienter, kreuzungsfreier Photovoltaikmodule verwendet werden könne. Nach der Verarbeitung zu feinen Kontaktbahnen zwischen der Vorder- und der Rückseite des Solarmoduls gewährleiste die Silberleitpaste den Transport der elektrischen Energie in das Stromnetz. Die in Klasse 37 beanspruchten Dienstleistungen könnten sich spezifisch auf „kreuzungsfreie“ Photovoltaikanlagen beziehen.
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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die angemeldeten Bezeichnung „KNOTLESS“ enthalte im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt, noch stelle sie einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her. Soweit sie im Sinne von „knotenfrei“ übersetzt werde, sei kein produktbeschreibender Sinngehalt erkennbar. Denn Photovoltaikanlagen würden aus Zellen, Platten oder Modulen gefertigt, so dass völlig unklar sei, inwiefern ein Zusammenhang mit einem „Knoten“ bestehen solle. Die Markenstelle habe keine Belege für die Verwendung der Bezeichnung „KNOTLESS“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen vorlegen können. Die Interpretation der Markenstelle, nach der die angemeldete Bezeichnung als Sachhinweis auf kreuzungsfreie Trägermaterialien zu verstehen sei, ergebe technisch keinen Sinn und erfordere, selbst wenn man der Auffassung der Markenstelle folgen wollte, gedankliche Zwischenschritte. Denn entgegen der Auffassung der Markenstelle gebe es keine „knotenfreien“ Solarzellen, da die Verzweigungen der kammerartigen Kontaktbahnen von Solarzellen gerade als Knoten bezeichnet würden. Insoweit stehe der Begriff „knotenfrei“ im Widerspruch zu den Eigenschaften der beanspruchten Waren der Klasse 9. Auch im Zusammenhang mit der Ware „Silberpaste“ weise die angemeldete Bezeichnung keine produktbeschreibende Bedeutung auf, da Silberpaste zur Herstellung von leitenden Verbindungen zwischen elektronischen Bauteilen verwendet werde, wobei die Punkte, an dem sich die leitenden Verbindungen verzweigten, gerade als „Knoten“ bezeichnet würden. Die Bezeichnung „knotenfrei“ ergebe damit auch für die Ware „Silberpaste“ keinen Sinn. Die Fachbezeichnung „knotless/knotenfrei“ gebe es daher in diesem Kontext nicht. Im Bereich der Photovoltaik sei zudem der Umstand zu berücksichtigen, dass der insoweit angesprochene Fachverkehr an schnell erfassbare und unmissverständliche Produktinformationen gewöhnt sei und keinen Anlass habe, dem Bedeutungsgehalt einer für sich genommen nicht aussagekräftigen Angabe nachzugehen.
9
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2018 aufzuheben.
11
Die Anmelderin hat nach Übersendung der Terminsladung mit Schriftsatz vom 1. August 2019 mitgeteilt, dass keine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gewünscht sei und der Übermittlung einer Entscheidung entgegengesehen werde.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den der Anmelderin mit der Ladung vom 17. Juni 2019 erteilten rechtlichen Hinweis nebst Anlagen, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
13
Die zulässige, insbesondere gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „KNOTLESS“ als Marke steht für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
14
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Unterscheidungskraft fehlt ferner auch solchen Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. dazu BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops) bzw. die für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthalten (siehe dazu BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
15
Die angemeldete Bezeichnung „KNOTLESS“ hat als Adjektiv der englischen Sprache die Bedeutung von „knotenfrei“ (und auch „astrein“). Der Begriff „knotless“ wird darüber hinaus im Bereich der Photovoltaik als Fachbegriff verwendet. Solarmodule bestehen aus einer Vielzahl von Solarzellen (meistens in Form von Silizium-Wafern), die in Reihe oder parallel geschaltet sind, also durch elektrische Leiter miteinander verbunden werden. In diesem Zusammenhang bezeichnet der Terminus „knotless screen printing“ ein spezielles Verfahren zur Verschaltung der einzelnen Solarzellen. Dieses Verfahren ähnelt dem Siebdruckverfahren, wobei beim „knotless screen printing“ das Metalldrahtgeflecht eines für die Herstellung von Solarmodulen benötigten Drucksiebes relativ zu einer zusätzlich verwendeten Schablone so ausgerichtet wird, dass die Silberpaste für die auf den Siliziumwafern aufzubringenden Leiterbahnen in einem Winkel von 0° beziehungsweise 90° zu den Metalldrähten durch das Drucksieb gestrichen wird, ohne dass dabei die Knoten des Siebs von der Silberpaste gekreuzt werden. Anders als bei herkömmlichen Metalldrahtgeflechten („screens“) bietet der „knotless screen“ mehr Platz für Silberpaste, was die Effizienz des Solarmoduls steigert. Zur Ausnutzung der durch das Verfahren erzielbaren Vorteile sind speziell angepasste Metallisierungspasten (Silberpasten) erforderlich (auf die Anlagen 1 bis 6 der ergänzenden Senatsrecherche, die der Anmelderin mit dem Ladungszusatz vom 17. Juni 2019 übersandt worden sind, wird Bezug genommen). Bei der Herstellung von Photovoltaikmodulen lässt sich die Bezeichnung „knotless“ daher in einem entsprechenden Sachzusammenhang am ehesten im Sinne von „kreuzungsfreie Leiterbahnen“ bzw. „kreuzungsfreie Siebgitterbahnen“ verstehen. Ausgehend hiervon werden jedenfalls die von den angemeldeten Waren und Dienstleistungen als Verkehrskreis auch angesprochenen Fachleute, die im Rahmen der Beurteilung der fehlenden Unterscheidungskraft als Verkehrskreis ausreichend maßgeblich sind, die Bezeichnung „KNOTLESS“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die alle einen naheliegenden Zusammenhang mit „Photovoltaik“ aufweisen, als produktbeschreibenden Hinweis ansehen. Ein solches sachbeschreibendes Verständnis schließt ein betriebskennzeichnendes Verständnis aus, so dass von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen ist.
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2. Nachdem der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, kann die Frage, ob sie im Zusammenhang mit einzelnen beanspruchten Produkten auch eine im Vordergrund stehende beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
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3. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Mitteilung der Anmelderin im Schriftsatz vom 1. August 2019, dass keine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gewünscht sei, ist als Rücknahme des zunächst hilfsweise gestellten Antrages auf Durchführung der mündlichen Verhandlung auszulegen.


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