Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Landjuwel” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  30 W (pat) 11/20

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:150421B30Wpat11.20.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
§ 37 Abs 1 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2017 022 645.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. April 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des Richters Merzbach und der Richterin Akintche
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2018 und vom 1. August 2019 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
Landjuwel
3
ist am 11. September 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für die Waren und Dienstleistungen der
4
“Klasse 29: Fleisch; Geflügel; Wildbret; Fleisch-, Geflügel- und Wilderzeugnisse; fertige Teil- und Komplettgerichte aus Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Weichtieren, Krebstieren, Eiern, Käse, Obst, Gemüse, Pilzen und/oder Kartoffeln; Speiseöle und -fette;
5
Klasse 35: Einzel-, Versand- und Grosshandelsdienstleistungen in Bezug auf Lebensmittel, land- und gartenwirtschaftliche Erzeugnisse;
6
Klasse 44: Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft; Beratung zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Erstellung von Regeln und Normen zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Überprüfung der Einhaltung von Regeln und Normen zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Qualitätsprüfung in der Landwirtschaft; Qualitätsprüfung land- und gartenwirtschaftlicher Erzeugnisse.”
7
Mit Beschlüssen vom 23. April 2018 und vom 1. August 2019, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 29 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dem Anmeldezeichen fehle als beschreibende, werblich-anpreisende Angabe die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Bezeichnung setze sich aus den Bestandteilen “Land” und “juwel” zusammen. Das Substantiv “Land” werde als Hinweis im Sinne von “Gegend, wo Ackerbau betrieben wird” bzw. “dörfliche Gegend” verstanden. Das weitere Wort “Juwel” verfüge u. a. über den Bedeutungsgehalt “Person oder Sache, die für jemanden besonders wertvoll ist; Person oder Sache, die von jemandem besonders geschätzt wird”. In dieser Hinsicht beziehe sich der Begriff “Juwel” notwendigerweise auf eine bestimmte Sache, wobei der Bezug zwischen diesem Wort und der Sache nicht notwendigerweise in lexikalisch korrekter oder expliziter Form bezeichnet werden müsse. Die deutschsprachigen Verkehrskreise würden “Juwel” daher unmittelbar auf diese Waren und Dienstleistungen beziehen. Das angemeldete Zeichen “Landjuwel” beinhalte in seiner Gesamtheit die Aussage, dass es sich um Dinge aus dem dörflichen Bereich handele, die vom angesprochenen Verkehr besonders wertgeschätzt würden. Mit diesem Bedeutungsgehalt sei es ohne weiteres geeignet, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beschreiben. Denn die in Klasse 29 beanspruchten Lebensmittel könnten allesamt “vom Land”, also aus einer dörflich geprägten Gegend mit Ackerbau, stammen und – aus welchen Gründen auch immer – vom angesprochenen Verkehr besonders wertgeschätzt werden. In Betracht hierfür komme etwa die Qualität, die Herstellungsbedingungen, die Haltungsbedingungen der Tiere etc. Die in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen des Handels mit Lebensmitteln könnten entsprechende Waren zum Gegenstand haben, so dass zu der Bezeichnung “Landjuwel” ein enger beschreibender Bezug bestehe. Die Beratungs- und Qualitätsprüfungsdienstleistungen aus Klasse 44 könnten sich ebenfalls auf die Produktion von Erzeugnissen aus dem ländlichen Bereich beziehen, die vom angesprochenen Verkehr etwa wegen ihrer besonderen Qualität wertgeschätzt würden.
8
Auch wenn es generell nicht ausgeschlossen sei, dass sich selbst zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung zu einer Marke verbänden, so treffe das nicht auf die Bezeichnung “Landjuwel” zu. Die angemeldete Bezeichnung weise nämlich keine ungewöhnliche Struktur oder weitere Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von dem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführten. Auch das Argument der Anmelderin, “Landjuwel” sei lexikalisch nicht nachweisbar und werde so auch nicht verwendet, vermöge das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft nicht zu überwinden. Die Neuheit einer Marke stelle weder eine grundlegende Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit dar, noch begründe sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft. Das gelte umso mehr, als die Unterscheidungskraft ohnehin nur im Wege einer Prognose unabhängig von einer bereits erfolgten oder künftigen Benutzung festgestellt werden könne. Insoweit sei kein lexikalischer oder sonstiger Nachweis erforderlich, dass die Angabe bereits im Verkehr geläufig sei oder verwendet werde. Dass der Wortkombination “Landjuwel” eine gewisse Vagheit anhafte und die Deutung dem individuellen Vorstellungshorizont des einzelnen Verkehrsteilnehmers überlasse, ändere nichts an dieser Betrachtungsweise. Diese Unschärfe werde vielmehr bewusst in Kauf genommen, um das Spektrum der Kundenerwartungen möglichst breit zu halten. Nach alledem stehe aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise die beschreibende und werblich anpreisende Hinweiswirkung im Vordergrund, nicht aber – wie erforderlich – die markenrechtliche Herkunftsfunktion, so dass “Landjuwel” nicht über die Eignung verfüge, für die angesprochenen Verkehrskreise die Ursprungsidentität der fraglichen Waren und Dienstleistungen zu garantieren. Ob der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung darüber hinaus auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne dahingestellt bleiben.
9
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die sie nicht begründet hat.
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Sie beantragt sinngemäß,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des DPMA vom 23. April 2018 und vom 1. August 2019 aufzuheben.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
13
Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet.
14
Der Eintragung des Anmeldezeichens “Landjuwel” als Marke stehen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 29, 35 und 44 keine Schutzhindernisse entgegen.
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1. Dem Anmeldezeichen fehlt es insbesondere nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
17
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn.24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
18
Wortzeichen besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn.86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey! GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2014, 1204 Rn.16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress).
19
2. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen kann dem Anmeldezeichen Landjuwel in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
20
Der angesprochene Verkehr wird der angemeldeten Bezeichnung zweifellos beschreibende Anklänge beimessen, er wird sie aber nicht für einen bloßen Sachhinweis halten. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass das Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen stets nur als Werbeaussage ohne Unterscheidungskraft aufgefasst wird.
21
a) Angesprochene Verkehrskreise sind neben dem Fachverkehr in Bezug auf die Waren der Klasse 29 und die Einzel- und Versandhandelsdienstleistungen der Klasse 35 die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Die Großhandelsdienstleistungen der Klasse 35 richten sich an den Fachhandel und die Dienstleistungen der Klasse 44 in erster Linie an den Fachverkehr im Bereich der Agrarwirtschaft.
22
b) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Substantiven “Land” und “Juwel” zusammen.
23
Der Begriff “Land” bezeichnet u. a. ein “nutzbares Stück Erdboden; bebautes, genutztes Gelände; Ackerboden”, ein “nicht näher abgegrenztes Gebiet, Gelände; Landstrich, Gegend”, ein “Gebiet außerhalb der städtischen Zivilisation, das besonders durch das Betreiben von Landwirtschaft geprägt ist; dörfliche Gegend” bzw. “Wald, Wiese und Feld (im Gegensatz zum städtischen Lebensraum)”, vgl. DUDEN Online unter www.duden.de; Wahrig Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006.
24
Das weitere Wort “Juwel” bedeutet “wertvoller Schmuckstein; kostbares Schmuckstück”. Im übertragenen Sinn wird es für einen “prachtvollen Menschen” bzw. scherzhaft für einen “wertvollen Menschen, der Arbeiten hervorragend erledigt” verwendet (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch, DWDS Deutscher Wortschatz unter dwds.de). Ferner ist “Juwel” – neben der genannten Bedeutung in Bezug auf Personen – auch lexikalisch erfasst für eine “Sache, die für jemanden besonders wertvoll ist”, wobei der Begriff insoweit dem emotionalen Sprachgebrauch zuzuordnen ist (vgl. DUDEN Online).
25
Das Zeichen in seiner Gesamtheit bedeutet “ländliches Juwel” bzw. “Juwel vom Land/Juwel auf dem Land”.
26
c) Die Auffassung der Markenstelle, die Zusammenfügung der beiden Bestandteile führe ohne weiteres zu einer im Vordergrund stehenden Sachaussage bzw. stelle einen engen sachlichen Bezug zu den Waren und Dienstleistungen her, greift zu kurz. Dass bei dem Kompositum “Landjuwel” Assoziationen an ein hochwertiges ländliches Produkt mitschwingen, steht zwar außer Frage. Allerdings erschöpft sich die angemeldete Bezeichnung nicht in einer Bezeichnung, die in sprachüblicher Weise auf die Qualität der vom angemeldeten Verzeichnis erfassten Waren und Dienstleistungen hinweist.
27
aa) Die hier in Rede stehenden Waren der Klasse 29 zählen im Wesentlichen zu den typischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen und können häufig unmittelbar “auf dem Land” erworben werden. Des weiteren hat die Recherche des Senats zwar ergeben, dass der Bestandteil “Juwel” eine Kartoffelsorte bezeichnet; für die Produkte “Fleisch; Geflügel; Wildbret; Fleisch-, Geflügel- und Wilderzeugnisse; Speiseöle und -fette” konnte dagegen nicht festgestellt werden, dass es sich um eine gängige Produktbezeichnung handelt. Lediglich vereinzelt werden Produkte hinsichtlich ihrer Qualität mit “Juwel” beworben, in erster Linie wird das Wort aber kennzeichenmäßig benutzt. Zutreffend hat daher die Anmelderin im Amtsverfahren darauf hingewiesen, dass der Begriff “Juwel” im vorliegenden Produktzusammenhang weder beschreibend noch die Verwendung in seiner übertragenen Bedeutung üblich ist.
28
Der Gesamtbegriff “Landjuwel” erschöpft sich damit nicht in einer bloßen Zusammenfügung beschreibender Begriffe und ist zudem auch als solcher keine gebräuchliche Sachangabe. Die Recherche zeigt lediglich eine markenmäßige Verwendung für landwirtschaftliche Produkte, insbesondere Schweinefleisch, durch die Anmelderin selbst. Ferner finden sich ein Modelabel “Landjuwel” sowie namensmäßige Verwendungen für ein Dressurpferd und ein Schützenfest. Eine beschreibende Bedeutung des Begriffs “Land-Juwel” lässt sich neben insoweit vergleichbaren Angaben wie “Stadtjuwel”, “Gartenjuwel”, “Parkjuwel” oder “Waldjuwel” nur in anderen Branchen ermitteln; so werden die genannten Begriffe beispielsweise als werblich-anpreisende Hinweise auf besonders schöne oder vorteilhaft gelegene Gebäude oder Hotels auf dem Land, in der Stadt oder in der Nähe von Wäldern benutzt und als Bezeichnung von besonders gepflegten Gärten und Parks.
29
In Bezug auf die hier relevanten Lebensmittel kommt der Bezeichnung “Landjuwel” jedoch kein produktbeschreibender Begriffsinhalt zu.
30
bb) Vorgenanntes gilt erst Recht für die weiteren Produkte der Klasse 29 “fertige Teil- und Komplettgerichte aus Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Weichtieren, Krebstieren, Eiern, Käse, Obst, Gemüse, Pilzen und/oder Kartoffeln”. Da es sich bei Fertigprodukten zumeist um von Unternehmen der Lebensmittelindustrie erzeugte Mahlzeiten handelt, sind diese in der Vorstellung der beteiligten Verkehrskreise schon nicht mit einem unmittelbar vom Land kommenden Produkt verbunden. Eine Sachaussage im Sinne von “Fertiggericht hergestellt aus besonders wertgeschätzten landwirtschaftlichen Produkten” ergibt sich insoweit allenfalls über gedankliche Zwischenschritte.
31
cc) Aus den gleichen Erwägungen ist nicht von einer im Vordergrund stehenden Sachaussage in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen aus den Klassen 35 und 44 auszugehen.
32
Als Sachhinweis auf das gehandelte Sortiment der in Klasse 35 beanspruchten “Einzel-, Versand- und Grosshandelsdienstleistungen in Bezug auf Lebensmittel, land- und gartenwirtschaftliche Erzeugnisse” kommt “Landjuwel” nicht in Betracht. Zwar bezeichnet der Bestandteil “Juwel” u. a. eine Kartoffel- und eine Weißweinsorte sowie “Rosa Juwel” eine Blumensorte. Die Verbindung mit dem vorangestellten Wort “Land-” führt jedoch von diesen Sortenangaben und daher von einer Sortimentsbeschreibung weg. Nachdem schon für die gehandelten Lebensmittelprodukte der Klasse 29 eine beschreibende Bedeutung nicht zu bejahen ist, fehlt es auch insoweit am notwendigen engen sachlichen Bezug.
33
Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr dem Zeichen für die “Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft; Beratung zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Erstellung von Regeln und Normen zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Überprüfung der Einhaltung von Regeln und Normen zur Tierhaltung in der Landwirtschaft; Qualitätsprüfung in der Landwirtschaft; Qualitätsprüfung land- und gartenwirtschaftlicher Erzeugnisse” einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnimmt.
34
d) Eine Üblichkeit des Begriffs “Landjuwel” in der Werbesprache, die die Annahme rechtfertigen könnte, das Zeichen werde stets nur als Werbung und nicht auch als Unterscheidungsmittel verstanden, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
35
Der hier zweifelsohne zu bejahende anpreisende Sinn der angemeldeten Bezeichnung “Landjuwel” schließt deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rn. 23 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 28 – for you; GRUR 2014, 872 Rn. 23 – Gute Laune Drops). Für ein solches Verständnis hat die Markenstelle nichts konkret festgestellt und auch im Rahmen einer eigenen Recherche des Senats konnte für eine solche Verkehrsgewöhnung nichts ausreichendes ermittelt werden.
36
Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.
37
3. Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen zur Unterscheidungskraft wird der angesprochene Verkehr die angemeldete Bezeichnung nicht als unmittelbar die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Angabe verstehen, so dass auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden kann.


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