Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “LIQUIDROM” – zu den Anforderungen an den für die Löschung wegen bösgläubiger Markenanmeldung erforderlichen Besitzstand – fehlender fremder Besitzstand – keine bösgläubige Markenanmeldung

Aktenzeichen  30 W (pat) 32/12

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 5 Abs 2 S 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG
§ 50 Abs 1 MarkenG
§ 89 Abs 4 S 2 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache


betreffend die Marke …
(hier: Löschungsverfahren …)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2012 aufgehoben.
Der Löschungsantrag wird  zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 31. März 2006 angemeldete Marke
2
L…
3
ist am 26. September 2006 für die Antragsgegnerin unter der Nummer …  für die Dienstleistungen
4
„Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; Betrieb von öffentlichen Bädern für Zwecke der Körperhygiene einschließlich Saunabetrieb“
5
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden.
6
Der Antragsteller hat am 31. Oktober 2008 die Löschung der Marke beantragt, weil sie bösgläubig angemeldet worden sei. Dem am 17. November 2008 zugestellten Löschungsantrag hat die Antragsgegnerin am 7. Januar 2009 widersprochen.
7
Die Antragsgegnerin war Geschäftsführerin der „T… Betriebsgesellschaft  mbH“. Diese hatte von der “Stiftung …” mit Pachtvertrag vom  1. Oktober 2001 als „L…“ bezeichnete Räume eines in Berlin gelegenen  Veranstaltungsgebäudes gepachtet. In § 1 des Pachtvertrages heißt es:
8
„Der Verpächter überträgt dem Pächter das Recht, die in den als Anlage 2 beigefügten Grundrissplänen orange gekennzeichneten Räume und Flächen im Folgenden als „L…“ oder “Pacht- räume” bezeichnet – mit allen Einrichtungen (Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound) inklusive der dortigen Gastronomie zu betreiben.“
9
Das als „L…“ bezeichnete Bad öffnete im Mai 2002. Im Jahr 2004 fielen  Pächterin und Verpächterin in Insolvenz. Das Pachtverhältnis wurde im Mai 2005 beendet. Im August 2005 erfolgte eine Ausschreibung für die Wiedereröffnung des „L…”. Die „T… GmbH i. Gr.“, vertreten durch die Markeninhaberin als  Geschäftsführerin, bewarb sich erfolglos um den Pachtvertrag. Am 31. März 2006 meldete die Markeninhaberin die Streitmarke an. Das „L…“ wurde am  12. Dezember 2007 wiedereröffnet und wird seitdem von der „L… GmbH &  Co. KG” betrieben.
10
Die Verpächterin “Stiftung …” ist außerdem Inhaberin der Marke  …
11
L…
12
die seit dem 5. Dezember 1996 für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:
13
„Musikdarbietungen, Konzertbetrieb; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen im Zusammenhang mit den vorstehenden Dienstleistungen, Zirkusdarbietungen; Betrieb von öffentlichen Bädern, einschließlich Saunabetrieb, letzteres auch in Verbindung mit der Darbietung von Musikveranstaltungen; Beherbergung und Verpflegung von Gästen“.
14
Als Inhaberin dieser Marke war ursprünglich die „T… GmbH“ im Register  eingetragen; die Umschreibung auf die „Stiftung …“ ist am  17. Oktober 2006 antragsgemäß verfügt worden.
15
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 26. April 2012 die Streitmarke 306 21 552 wegen Bösgläubigkeit gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat der erkennende Senat mit einem am 17. April 2014 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss zurückgewiesen, da er im Anschluss an die Entscheidung der Markenabteilung ebenfalls davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Löschung der verfahrensgegenständlichen Marke wegen Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin im Anmeldezeitpunkt gegeben seien (§ 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG).
16
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke am 31. März 2006 ein schutzwürdiger markenmäßiger Besitzstand der  „Stiftung …” zwar nicht an der für die „T… GmbH“ eingetragenen Marke … L… – im Oktober 2006  umgeschrieben auf die „Stiftung …“ –, jedoch an der als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG geschützten Kennzeichnung „L…“ bestanden habe, welcher der Markeninhaberin bekannt gewesen sei und in den sie mit der Markenanmeldung mit dem Ziel seiner Störung eingegriffen habe. Der Umstand, dass die Geschäftsbezeichnung nur räumlich begrenzt – in Berlin – benutzt worden sei, stehe der Löschung der Marke, die Schutz für die gesamte Bundesrepublik Deutschland genieße, wegen bösgläubiger Anmeldung nicht entgegen.
17
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 15. Oktober 2015 die angefochtene Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (siehe BGH GRUR …).
18
Es könne offenbleiben, ob die Markeninhaberin mit der Markenanmeldung böswillig in einen schutzwürdigen Besitzstand der “Stiftung …” an der Bezeichnung  „L…“ eingegriffen habe. Denn die in Rede stehende Bezeichnung  „L…“ genieße nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts als  besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG lediglich einen räumlich auf Berlin beschränkten Schutz. Ein böswilliger Eingriff in einen Besitzstand, dem nur ein räumlich begrenzter Schutz zukomme, rechtfertige aber grundsätzlich nicht die Löschung der Eintragung einer Marke, die Schutz für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beanspruche.
19
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren weiterhin sinngemäß,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2012 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
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Der Antragsteller beantragt weiterhin,
22
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er macht nach Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht unter Vorlage von Belegen geltend, dass die Bezeichnung „L…“ zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke nicht lediglich über einen räumlich auf Berlin beschränkten Schutz verfügt habe. Auswärtige Kunden seien gezielt angesprochen worden; zudem sei das „L…“ ein beliebter Veranstaltungsort für nationale und internationale Künstler gewesen. Ferner habe das „L…“ an der  überregionalen Bekanntheit des „T…“ partizipiert, mit welchem es als  Veranstaltungsort eine Einheit gebildet habe.
24
Unabhängig davon habe entgegen der Auffassung des Senats zum Anmeldezeitpunkt auch ein durch geschäftliche Betätigung entstandener schutzwürdiger markenmäßiger Besitzstand an der für die „Stiftung …“ eingetragenen Marke … L… bestanden. Diese Marke sei von der damaligen Pächterin, der „T… Betriebsgesellschaft mbH“ für die „Stiftung …  …“ benutzt worden. Als Nachweis sei dabei nicht zwangsläufig die Vorlage eines förmlichen Lizenzvertrages nötig, da die Zustimmung zur Benutzung durch einen Dritten keinen Formerfordernissen unterliege und somit auch mündlich oder konkludent erklärt werden könne. Davon sei vorliegend schon deshalb auszugehen, weil Gegenstand des Pachtvertrages nicht nur ein bloßes Gebäude, sondern die als Badebetrieb vom Verpächter errichteten Räumlichkeiten und damit ein Unternehmen gewesen sei. Gegenstand einer Unternehmenspacht seien aber grundsätzlich auch die Markenrechte des Unternehmens, die zur Kennzeichnung der Produkte des Unternehmens verwendet werden sollen. Die „T… Betriebsgesellschaft mbH“ sei sich auch darüber bewusst gewesen, dass sie eine fremde Marke benutze, da bereits der Pachtvertrag den Pachtgegenstand als „L… …“ bezeichne.
25
Daher sei entgegen der Auffassung des Senats in dem vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ein schutzwürdiger Besitzstand an der Bezeichnung L… … für das gesamte Bundesgebiet bestanden habe, in welchen die Markeninhaberin böswillig eingegriffen habe.
26
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
27
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da sich im Anschluss an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 2015 die Voraussetzungen für eine Löschung der verfahrensgegenständlichen Marke … L… nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m § 8  Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen Bösgläubigkeit der Antragsgegnerin im Anmeldezeitpunkt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Antragstellers im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren nicht feststellen lassen. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und der Löschungsantrag zurückzuweisen.
28
Einer Bösgläubigkeit unter dem allein in Betracht kommenden und vom Senat in seinem Beschluss vom 17. April 2014 angenommenen Gesichtspunkt einer Störung des Besitzstands eines Vorbenutzers an der Bezeichnung „L…“ steht  ungeachtet der weiteren Voraussetzungen bereits entgegen, dass in Bezug auf diese Kennzeichnung ein „schutzwürdiger Besitzstand“ eines Vorbenutzers, bei dem es sich nicht notwendigerweise um den Antragsteller des Löschungsverfahrens handeln muss (vgl. EuGH GRUR 2009, 763 – Lindt&Sprüngli/Franz Hauswirth; BPatG GRUR 2010, 431, 434 – Flasche mit Grashalm), nicht festgestellt werden kann.
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1. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 17. April 2014 davon ausgegangen ist, dass die Löschung einer eingetragenen Marke wegen Bösgläubigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG auch dann erfolgen kann, wenn mit Anmeldung der betreffenden Marke in einen lediglich räumlich begrenzten Besitzstand, wie er zum Zeitpunkt der Anmeldung für die „Stiftung …“ an der Kennzeichnung „L…“ als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs im Sinn  von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG bestanden habe, bösgläubig eingegriffen wird, hat der Bundesgerichtshof in dem Beschluss vom 15. Oktober 2015 festgestellt, dass ein Eingriff in einen Besitzstand, dem nur ein räumlich begrenzter Schutz zukommt, nicht die Löschung der Eintragung einer Marke, die Schutz für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beanspruchen kann, rechtfertigt (GRUR 2016, …).
30
Der Senat ist an diese rechtliche Beurteilung des Bundesgerichtshofs gebunden (§ 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG), so dass nur ein zum Zeitpunkt der Anmeldung sich auf das gesamte Inland erstreckender Besitzstand an der Kennzeichnung „L… …“ als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG Schutz vor bösgläubigen Markenanmeldungen beanspruchen konnte. Der Senat geht jedoch auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren nach wie vor von einem zum Zeitpunkt der Anmeldung lediglich räumlich (auf Berlin) begrenzten Besitzstand der „Stiftung …“ an der Kennzeichnung „L…“  aus.
31
Zwar erfasst der räumliche Schutzbereich einer von Haus aus unterscheidungskräftigen Unternehmensbezeichnung regelmäßig das gesamte Bundesgebiet (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 5 Rn. 68 m. w. Nachw.). Anders verhält es sich dagegen bei der Bezeichnung von Unternehmen, die nach Zweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig und auch nicht auf Expansion angelegt sind. In diesen Fällen ist der Schutz örtlich auf das Wirkungsgebiet des Unternehmens beschränkt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 69 m. w. Nachw.).
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Gegenstand des zwischen der “Stiftung …“ und der „T…  Betriebsgesellschaft mbH“ am 1. Oktober 2001 abgeschlossenen Pachtvertrages war ein unter der Bezeichnung „L…“ geführter Badebetrieb inklusive Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound und Gastronomie. Ein solcher (Thermal-)Badebetrieb kann seine Dienstleistungen naturgemäß nur ortsgebunden als sog. Platzgeschäft in dem Betrieb selbst bzw. dessen Räumlichkeiten erbringen. Solche Unternehmen sind daher in der Regel grundsätzlich lediglich auf einen bestimmten lokalen Wirtschaftsraum ausgerichtet, so dass ihnen grundsätzlich auch nur eine regionale Bedeutung zukommt.
33
Solchen ortsgebundenen Unternehmen kann im Einzelfall ein überörtlicher Schutzbereich jedoch dann zukommen, wenn diese entweder Filialen in anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland unterhalten oder zumindest darauf angelegt sind, Filialbetriebe an verschiedenen, verstreut liegenden Plätzen zu betreiben, und den Umständen nach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sie diese Absicht verwirklichen können und werden (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdnr. 69). Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke weitere Geschäftsbetriebe bzw. Filialen mit der Bezeichnung „L…“ an anderen Orten innerhalb des Bundesgebiets unterhalten wurden. Ebenso wenig lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass seitens der Verpächterin oder der Pächterin die Einrichtung entsprechender Filialbetriebe beabsichtigt war oder gar bevorstand. Im Pachtvertrag vom 1. Oktober 2001 ist auch an keiner Stelle die Rede davon, dass der Pächter die am Betrieb hängende Bezeichnung auf ein von ihm andernorts betriebenes Bad übertragen oder sogar eine Marke anmelden kann, wie der Senat bereits im Beschluss vom 17. April 2014 festgestellt hat. Soweit die Markeninhaberin Geschäftsführerin einer GmbH war, welche vergleichbare Bäder bzw. Thermen in Bad Sulza und Bad Schandau betrieben hat, führten diese nicht die Unternehmensbezeichnung „L…“; außerdem wurden diese Betriebe nicht im Pachtverhältnis mit der „Stiftung …“ geführt.
34
Allein die Verwendung der Unternehmensbezeichnung „L…“ im Internet  vornehmlich zu Werbezwecken begründet bei im Übrigen nur ortsgebundener Benutzung ebenfalls keinen bundesweiten Schutz (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdnr. 70). Die bundes- und sogar weltweite Abrufbarkeit solcher Internetseiten ist aus technischen Gründen zwangsläufige Konsequenz eines Auftrittes im Internet und belegt nicht, dass ein lokal oder regional tätiges Unternehmen mit entsprechender räumlicher Ausdehnung auf das gesamte Bundesgebiet oder darüber hinaus wirtschaftet (vgl. BGH GRUR 2006, 159, 160 Rn. 18 – hufeland.de).
35
Insoweit kann allenfalls in Anlehnung an die den zwischenstaatlichen Bereich betreffenden WIPO-Empfehlungen über den Schutz von Marken und anderen Kennzeichenrechten im Internet (WRP 2001, 833 ff.) ein Schutz in Gegenden angenommen werden, in denen ein über die Abrufbarkeit im Internet hinausgehender „commercial effect“ festzustellen ist (BGH GRUR 2006, 159, 160 Rn. 18 – hufeland.de; GRUR 2005, 262, 263 f. – soco.de; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rdnr. 70), wie dies z. B. regelmäßig bei Unternehmen, die internetspezifische Dienstleistungen (zum Beispiel den Betrieb eines Internet-Marktplatzes) anbieten, angenommen wird (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 383, 384 – abebooks; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 70). Solche Leistungen erbrachte jedoch das unter der Bezeichnung „L…“ betriebene Unternehmen  nicht.
36
Soweit zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke infolge dieser internetgestützten bundes- und weltweiten Bewerbung und einer sich daraus ergebenden Bekanntheit über Berlin hinaus tatsächlich Kunden und Besucher aus anderen inländischen Regionen und/oder dem Ausland das „L…“ aufgesucht haben  – wie der Antragsteller geltend macht -, führt dies nicht zwangsläufig zu einem den räumlichen Schutzbereich erweiternden „commercial effect“.
37
So können in diesem Zusammenhang von vornherein solche auswärtigen Kunden oder Besucher nicht berücksichtigt werden, die lediglich anlässlich eines auf anderen Gründen beruhenden privaten oder beruflichen Aufenthalts in Berlin das  „L…“ als Bad oder auch Veranstaltungsort für kulturelle Darbietungen besucht haben. Denn diese Besucher haben lediglich ihren auf anderen Gründen beruhenden Aufenthalt in Berlin dazu genutzt, das Angebot eines ortsansässigen Badebetriebs bzw. ein örtliches Veranstaltungsangebot wahrzunehmen; eine überregionale Bedeutung des unter der Bezeichnung „L…“ betriebenen Unternehmens lässt sich daraus nicht herleiten.
38
Vielmehr kommt für ein ortsgebundenes Unternehmen ein mit einer entsprechenden Ausdehnung des Schutzbereichs der Unternehmensbezeichnung verbundener „commercial effect“ allenfalls dann in Betracht, wenn dieses Unternehmen bzw. seine Einrichtungen z. B. als Touristenattraktion über eine überregionale Bekanntheit verfügen und deswegen auswärtige oder sogar ausländische Kunden und Besucher gezielt den örtlich gebundenen Betrieb bzw. die jeweilige Einrichtung besuchen, wie es z. B. bei einer weltbekannten Sehenswürdigkeit wie dem Schloss Neuschwanstein angenommen werden kann.
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Dies bedarf vorliegend aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn dafür, dass im Zeitraum der Anmeldung der angegriffenen Marke in nennenswertem Umfang Besucher aus anderen Regionen des Inlands und sogar des Auslands gerade oder zumindest hauptsächlich wegen des „L…“ nach Berlin gereist  sind, bieten sich keine Anhaltspunkte. Die von dem Antragsteller zur Dokumentation eines überörtlichen Interesses an dem Badebetrieb vorgelegten Internetauszüge und Werbeprospekte mögen zwar einen Werbeeffekt dergestalt erzielt haben, dass Besucher oder Kunden aus anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland oder aus dem Ausland das „L…“ z. B. anlässlich eines Aufenthaltes in Berlin aufgesucht haben; ihnen lässt sich aber keine Aussage dazu entnehmen, ob und ggf. in welchem Umfang Besucher aus anderen Regionen oder Ländern gezielt wegen eines Besuchs des „L…“ nach Berlin gereist sind,  statt einen vergleichbaren Badebetrieb in ihrer Region (mit identischem bzw. vergleichbarem Angebot) bzw. einen entsprechenden Veranstaltungsort in Anspruch zu nehmen. Davon kann schon in Anbetracht der auch bereits zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Vielzahl vergleichbarer (Bade)Betriebe in Deutschland mit einem vergleichbaren Leistungsangebot (vgl. dazu den als Anlage B2 vorgelegten Artikel „Die schönsten Thermalbäder“ aus dem Jahre 2003) nicht ausgegangen werden. Besonderheiten, die dem „L…“ eine gegenüber vergleichbaren Be- trieben herausgehobene Stellung vermittelt haben, sind ansonsten weder vorgetragen noch ersichtlich. Gleiches gilt für die seitens des Antragstellers angesprochenen Angebote und Leistungen im Musik- und Kulturbereich. Dass sich das „L… …“ insoweit gegenüber vergleichbaren Veranstaltungsorten durch Besonderheiten auszeichnet, ist für den Senat ebenfalls nicht ersichtlich, so dass es auch insoweit an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass auswärtige bzw. ausländische Kunden und Interessenten wegen des „L…“ nach Berlin gereist  sind.
40
Unerheblich ist ferner, ob der Verkehr zum damaligen Zeitpunkt einen Bezug zu dem Veranstaltungsort „T…“, welcher auch den unter der Bezeichnung  „L…“ geführten Badebetrieb beherbergte, herstellte. Die Kenntnis des Umstands, dass das „L…“ ein Teil des als „T…“ bezeichneten Veranstaltungsorts war, besagt nichts darüber, ob das „L…“ als Badebetrieb  und/oder Veranstaltungsort über eine überörtliche Bekanntheit verfügte und dementsprechend Kunden und Besucher speziell oder zumindest hauptsächlich wegen eines Besuchs dieses Betriebs nach Berlin gereist sind.
41
2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers  bestand zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke auch kein schutzwürdiger Besitzstand an der 1996 für die „T… GmbH“ für Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 in das beim  Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragenen Marke  … L…, welche im Oktober 2006 auf die „Stiftung … …“ umgeschrieben worden ist.
42
Wie bereits im Senatsbeschluss vom 17. April 2014 ausgeführt, begründet allein eine ältere Eintragung im Register noch nicht den für eine Löschung wegen bösgläubiger Markenanmeldung erforderlichen Besitzstand. Maßgeblich für einen schutzwürdigen fremden Besitzstand ist eine hinreichende Bekanntheit der Kennzeichnung (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 699). Das setzt voraus, dass der Vorbenutzer das betreffende Zeichen tatsächlich für seine geschäftliche Betätigung im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, also als Marke benutzt und das Zeichen dadurch eine hinreichende Bekanntheit im Verkehr erlangt hat. Dies lässt sich vorliegend jedoch nicht feststellen.
43
Der Antragsteller beruft sich im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren zwar auf eine Benutzung der Marke … L… durch die „T… Betriebsgesellschaft mbH“ (Pächterin) für die „Stiftung …“ (Verpächter).  Insoweit fehlt es aber bereits an Vortrag, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und vor allem bei welchen Dienstleistungen diese Marke (durch die Pächterin) markenmäßig bei der Leistungserbringung eingesetzt worden ist. Auch wenn bei Dienstleistungsmarken aufgrund der Unkörperlichkeit von Dienstleistungen grundsätzlich nur indirekte Verwendungsformen in Betracht kommen und daher insbesondere firmen- und markenmäßige Benutzung einer Marke oftmals ineinander übergehen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdnr. 49), so setzt die rechtserhaltende Benutzung einer Dienstleistungsmarke dennoch voraus, dass der Verkehr aus der Benutzung des Zeichens erkennen kann, dass mit der Verwendung der Bezeichnung nicht nur der Geschäftsbetrieb benannt, sondern auch eine konkrete Dienstleistung bezeichnet wird, die aus ihm stammt (vgl. BGH GRUR 2008, 616 Nr. 13 – AKZENTA). Daraus ergibt sich, dass auch bei erkennbarer firmenmäßiger Verwendung einer Dienstleistungsmarke grundsätzlich ein Mindestmaß an Vortrag zu einer markenmäßigen Benutzung erforderlich ist.
44
Unabhängig davon war auch allein die bloße Benutzung der Marke …  L… durch die Pächterin „T… Betriebsgesellschaft mbH“ für  einzelne und/oder mehrere der für die Marke registrierten Dienstleistungen nicht geeignet, einen markenmäßig relevanten Besitzstand zu begründen. Insoweit reicht allein die Duldung bzw. (konkludente) Gestattung der Benutzung der Marke durch die Verpächterin nicht aus. Erforderlich wäre vielmehr der Abschluss eines über die bloße faktische Gestattung der Benutzung des Zeichens hinausgehenden Lizenz- oder Gestattungsvertrages  bezüglich der entsprechenden Marke gewesen. Denn so wie allein die bloße Duldung oder (konkludente) Gestattung eines mit der Marke identischen Zeichens keine (rechtserhaltende) Zustimmung i. S. des § 26 Abs. 2 MarkenG darstellt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdnr. 134) und daher auch nicht genügt, um die Entstehung eines eigenen Kennzeichenrechtes an dem betreffenden Zeichen zugunsten des Nutzers bzw. Gestattungsempfängers auszuschließen (vgl. BGH GRUR 2013, 1150 Tz. 50 – Baumann; GRUR 2016, 201 Tz. 31 Ecosoil), kann auch ein dem Markeninhaber zuwachsender Besitzstand an dem Zeichen bzw. der Marke bei einer Benutzung durch den Gestattungsempfänger nur durch Abschluss eines solchen über die Gestattung der Benutzung hinausgehenden Lizenz- oder Gestattungsvertrages begründet werden bzw. bestehen.
45
Dass die Parteien des Pachtvertrages eine solche, über die bloße Duldung bzw. Gestattung der Benutzung hinausgehende Vereinbarung bezüglich der Marke  … L… getroffen haben, lässt sich jedoch nicht feststellen.
46
So kann zunächst entgegen entgegen der im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren geäußerten Auffassung des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, dass eine vertragliche Übereinkunft betreffend die Benutzung der Marke  … L… Bestandteil des Pachtvertrages vom 1. Oktober 2001 war,  demnach die Rechte aus der Marke unabhängig von den Vorstellungen der Parteien gleichsam mit Abschluss des Pachtvertrages mitverpachtet worden sind. Dem steht bereits entgegen, dass die Verpächterin „Stiftung …“  zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 1. Oktober 2001 offensichtlich nicht Inhaberin der Marke war.
47
Zudem wäre eine Mitverpachtung der Marke ohne entsprechende (mündliche oder schriftliche) Vereinbarung der Vertragsparteien allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn Gegenstand des zwischen den Vertragsparteien am 1. Oktober 2001 abgeschlossenen Pachtvertrages die Verpachtung eines Unternehmens als Vermögenseinheit mit allen bestehenden Rechten und Pflichten gewesen wäre (sog. Unternehmenspacht, vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 27 Rdnr. 71). Dies war aber nicht der Fall. Ausweislich § 1 des Vertrages wurde dem Pächter das Recht eingeräumt, in den im Pachtvertrag genannten Räumen und Einrichtungen (Badebetrieb, Saunabetrieb, Wellness, Liquid Sound inklusive der dortigen Gastronomie) einen Geschäftsbetrieb zu unterhalten. Gegenstand des Pachtvertrages waren danach zwar nicht nur vom Pächter noch herzurichtende Räumlichkeiten zum Betrieb eines Gewerbes, da die Voraussetzungen für den Betrieb eines Bades bereits gegeben waren. Eine Verpachtung eines bereits bestehenden Unternehmen als Ganzes, d. h. mit allen bestehenden Rechten und Pflichten als Vermögenseinheit war damit aber ebenfalls nicht verbunden; vielmehr wurden die im Vertrag bezeichneten Räumlichkeiten zur Aufnahme eines Badebetriebs durch die Pächterin verpachtet; bei dieser Sachlage kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Pächterin (Marken)Rechte, die im Pachtvertrag nicht aufgeführt sind, nutzen darf bzw. soll.
48
Weitere Umstände, die für eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung zur Nutzung der Marke … L… sprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch wenn der Abschluss eines Lizenz- oder Gestattungsvertrages grundsätzlich keinem (Schrift-)Formerfordernis unterliegt, bedarf es jedoch tatsächlicher Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf eine vertragliche Absprache der Parteien in Bezug auf eine Benutzung der Marke durch die „T… Betriebsgesellschaft mbH“ als Pächterin für die „Stiftung …“ als  Verpächterin erlauben. Wie aber bereits im Senatsbeschluss vom 17. April 2014 ausgeführt, erwähnt der Pachtvertrag weder die Marke … L…  der „T… GmbH“ noch Nutzungsrechte der „Stiftung …“  an dieser Marke oder etwa die Verpflichtung des Pächters zur Nutzung dieser Marke. Für solche Absprachen bestand auch grundsätzlich kein Anlass, da die Verpächterin, die „Stiftung …“ offensichtlich nicht Inhaberin die- ser Marke war. Vielmehr deuten diese Umstände darauf hin, dass die Parteien bei Abschluss des Pachtvertrages Anfang Oktober 2001 sich der Marke …  L… überhaupt nicht bewusst waren.
49
Zu beachten ist ferner, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erwarten ist, dass wegen der besonderen Bedeutung, die das Zustandekommen eines entsprechenden Gestattungs- oder Lizenzvertrags im Hinblick auf die Frage hat, ob zugunsten des Gestattungsempfängers oder Lizenznehmers eigene Kennzeichenrechte im Verhältnis zum Gestattenden oder Lizenzgeber entstehen, jedenfalls im kaufmännischen Geschäftsverkehr im Regelfall eine Dokumentation des Vertragsschlusses erfolgen wird. Fehlt eine entsprechende Dokumentation, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass kein über eine konkludente Gestattung hinausgehender Abschluss eines Gestattungs- oder Lizenzvertrags vorliegt (BGH, GRUR 2013, 1150 Nr. 50 f. – Baumann I; GRUR 2016, 201 Rn. 31 – Ecosoil). Eine solche schriftliche Dokumentation einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien des Pachtvertrages – bei denen es sich aufgrund ihrer Rechtsform um Formkaufleute handelte (vgl. § 6 Abs. 1 HGB) – ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
50
Lässt sich danach aber zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ein bundesweit bestehender fremder Besitzstand an der Bezeichnung „L…“  nicht feststellen, liegen die Voraussetzungen für eine Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nicht vor. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat damit Erfolg. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung war daher aufzuheben und der Antrag des Antragstellers auf Löschung der Marke … L… zurückzuweisen.
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3. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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