Aktenzeichen 27 W (pat) 108/09
Tenor
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 399 46 470
(hier: Löschungsverfahren S 240/06)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Schwarz und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Gegen die am 4. August 1999 angemeldete und am 4. April 2001 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 41 und 42, nämlich für
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“Lehr- und Unterrichtsapparate und -instrumente, audiovisuelle Lehr- und Unterrichtsmittel, Radio- und Fernsehgeräte, Geräte zur Aufzeichnung (Übertragung) und Wiedergabe von Ton und Bild; Phonokoffer, Plattenspieler, Sprechmaschinen, Schallplatten, Filme, Tonstreifen und -bänder, Diapositive; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) soweit in Klasse 16 enthalten, Unterrichtsmethoden, Organisation von Kursen, Unterrichtung von Sprachen, Lehr- und Unterrichtsleistungen jeder Materie und mit allen Mitteln, einschließlich solcher durch Inanspruchnahme des Radios, des Fernsehens, des Films, von Tonbandaufzeichnungen sowie durch Korrespondenz, Nutzung von Schulen und Lehrinstituten, Ausgabe von Büchern und Zeitschriften; Erziehungs- und Rehabilitationsdienstleistungen, Dienstleistungen in der Entwicklung der Zurückgabe von Geistesfähigkeiten, Laboratorien zur Integration der Sprache; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und der Psychotherapie”
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eingetragene Wortmarke 399 46 470
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TOMATIS-Institut
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hat die Antragstellerin am 21. September 2006 einen Antrag auf Löschung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG gestellt.
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Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2008 die Löschung der angegriffenen Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft und einem Freihaltungsbedürfnis angeordnet. Bei der Angabe “TOMATIS-Institut” handle es sich um eine Bezeichnung für Institute, in denen die Tomatis-Methode, eine von dem Arzt Dr. Alfred Tomatis entwickelte Hörtherapie, Verwendung finde. Wie die Antragstellerin durch Belege, z. B. den Beitrag aus der Zeitschrift “Kinderkrankenschwester” aus dem Jahr 2000, der Publikation von Schiedeck “Die Auswirkungen des Tomatis-Gehörtrainings”, ebenfalls aus dem Jahr 2000, dem “Forum Logopädie” von 2001, der Zeitschrift “Musik-, Tanz- und Kunsttherapie” von 1996, ” pädiatrie hautnah” von 2000, “HNO-Mitteilungen von 1996” nachgewiesen habe, arbeiteten inzwischen zahlreiche Praxen und Institutionen nach dieser Methode. Diese sei also zum Zeitpunkt der Eintragung 2001 bereits ein Fachbegriff gewesen. Wie häufig bei Lehrmethoden und Therapien würden diese zwar ursprünglich auf eine bestimmte Person zurückgeführt, wie Freud, Feldenkrais, Tanztherapie nach Laban, Bewegungstherapie nach Dore Jacobs, Urschreitherapie nach Janov usw., jedoch arbeiteten heute nicht mehr nur die Schüler dieser Person oder ein bestimmtes von dem Urheber gegründetes Institut nach deren Lehren, sondern zahlreiche Praxen u. ä., die sich diese Erkenntnisse ebenfalls erworben hätten und nach den entwickelten Prinzipien handelten. Auch Rudolf St. und Maria M. hätten pädagogische Prinzipien entwickelt, die heute von zahlreichen Schulen und nicht nur von einer Institution fortgeführt würden. Diese Begriffe hätten sich von den ursprünglichen Personen gewissermaßen verselbständigt und wiesen nur noch abstrakt auf eine bestimmte Therapie oder Lehrmethode hin. Sie würden nicht mit einer bestimmten Person oder Institution in Verbindung gebracht werden.
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Alle hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten in einem TOMATIS-Institut Verwendung finden oder der Durchführung einer Hörtherapie nach der Tomatis-Methode dienen, z. B. Lehr- und Unterrichtsapparate, Bücher und Zeitschriften zu dem Thema u. ä. Maßgeblich sei allein die Sicht der angesprochenen Fachkreise aus Medizin oder Psychologie, bzw. Patienten und Laien, die sich für Therapieformen interessierten. Darauf, ob die Markeninhaberin die Rechte zur Führung des Namens erworben habe, komme es nicht an, da dies dem Publikum in der Regel nicht bekannt sein werde. Es würde sich lediglich darüber informieren, welche Praxis oder welches Institut Hörtherapien nach Tomatis anbiete, aber nicht, ob dies die Markeninhaberin sei. Der Begriff müsse auch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung finden, da es sich um eine spezielle Therapie handle und nur Personenkreise, die sich mit entsprechenden Methoden beschäftigten, angesprochen seien, aber keine breiten Verkehrskreise. Dass ein Nachweis in einem allgemeinen Lexikon fehle, führe noch nicht zur Schutzfähigkeit des Begriffs, da Fachkreise sowie interessierte und informierte Laien, auf die es hier ankomme, den Begriff kennen würden.
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Der Begriff “Tomatis-Institut” sei daher für die hier in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend für eine bestimmte Heilmethode, nach der diese Institute arbeiteten.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie hält die Marke für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Die Marken habe sie im Jahr 2001 erworben und benutze sie seitdem als Bezeichnung für Einrichtungen, in denen die von Dr. Tomatis entwickelte Therapieform zur Anwendung komme. Bei den “Tomatis-Instituten” handle es sich um Institute, die zur Anwendung der “Tomatis-Methode” berechtigt und durch einen Lizenzvertrag mit der Markeninhaberin verbunden seien. Die “Tomatis-Methode” unterscheide sich deutlich von den Hörtherapien der Mitbewerber, denn anders als bei den Therapieformen der Mitbewerber bedürfe es für das Praktizieren der “Tomatis-Methode” einer speziellen Ausbildung.
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Entgegen der Ansicht der Markenstelle habe sich der Begriff “Tomatis-Institut” nicht völlig verselbständigt mit der Folge, dass er rein beschreibend benutzt werde. Vielmehr werde er in besonderem Umfang für die Therapiemethode des Dr. Tomatis, die nunmehr von der Markeninhaberin ausgeübt werde, verwendet. Der Gebrauch des Namens “Tomatis” diene im Internet dem Zweck, über die Person des Dr. Tomatis, seine Arbeiten oder seine Biografie zu informieren, nicht aber als beschreibender Begriff der Therapieform.
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Für die Schutzfähigkeit der Marke spreche auch, dass “TOMATIS” in den USA eingetragen worden sei. Die Marke “TOMATIS-Institut” habe keinerlei eigentliche Bedeutung. Es handle sich um eine Bezeichnung, die im Handelsverkehr nicht zur Bezeichnung typischer Merkmale der betreffenden Produkte und Dienstleistungen verwendet werde.
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Die Markeninhaberin beantragt,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Marke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltungsbedürftig. Der Begriff “TOMATIS-Institut” werde rein beschreibend verwendet, nämlich als Hinweis auf ein Institut, das die Tomatis-Methode, eine von Dr. Tomatis entwickelte Hörtherapie, praktiziere. Die Antragstellerin verweist hierzu auf im Amtsverfahren vorgelegte Verwendungsbeispiele und umfangreiche weitere Internetauszüge. Entgegen der Darstellung der Markeninhaberin handle es sich bei den Tomatis-Instituten auch nicht ausnahmslos um Lizenznehmer der Markeninhaberin. Die Tomatis-Institute Hamburg, Bad Rothenfelde und Eutin seien keine Lizenznehmer.
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In der mündlichen Verhandlung, an der die Markeninhaberin nicht teilgenommen hat, hat die Antragstellerin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Löschung der angegriffenen Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG angeordnet.
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Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr. EuGH GRUR 2005, 1012 – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Die Neuheit eines Zeichens oder einer Wortkombination begründet für sich gesehen noch keine hinreichende Unterscheidungskraft. Für die Annahme des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist daher kein lexikalischer oder sonstiger Nachweis dafür erforderlich, dass die Angabe bereits bekannt ist oder verwendet wird (EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 39 ff. – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT ; GRUR Int. 2005, 1012, 1015 – BioID). Vielmehr ist einer Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen, wenn sie einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte, dass der Verbraucher sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Nach diesen Grundsätzen kommt der Bezeichnung “TOMATIS-Institut” die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht zu.
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Die streitgegenständliche Marke setzt sich zusammen aus dem Nachnamen des 2001 verstorbenen HNO-Arztes Alfred Tomatis, der eine nach ihm benannte Hörtherapie entwickelt hat, und dem bekannten Begriff “Institut”, als den man eine Stätte bezeichnet, in der wissenschaftliche Leistungen erbracht werden.
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Personennamen unterliegen in gleicher Weise wie sonstige Wortmarken der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse. Insbesondere ist für eine Eintragung als Marke und den Verbleib im Markenregister erforderlich, dass dem Namen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt (BPatG GRUR 2006, 591, 592 – GEORG-SIMON-OHM; Beschluss vom 23. Mai 2007, 29 W (pat) 35/06 – Ringelnatz ). Dabei gelten für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus einem Personennamen bestehen, dieselben Kriterien wie für alle anderen Kategorien von Marken (EuGH GRUR 2004, 946, 947, Nr. 25 Nicols ).
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Die von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen hier angesprochenen Fachkreise, dies sind Mediziner und Fachpersonal sowie Patienten, die an Hörtherapie interessiert sind, werden die Marke in dem von der Markenabteilung aufgezeigten Sinn verstehen.
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Dafür sprechen insbesondere die von der Antragstellerin im Amts- und Beschwerdeverfahren vorgelegten zahlreichen Unterlagen, die belegen, dass es sich bei der nach Tomatis benannten Hörtherapie um eine auf diesem Fachgebiet bekannte Therapie handelt. Den vorgelegten Unterlagen ist ebenfalls zu entnehmen, dass es zahlreiche Anbieter gibt, die eine Ausbildung auf diesem Sachgebiet anbieten. So existieren in unterschiedlichen Städten in Deutschland bereits zahlreiche Tomatis-Institute.
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Die Markeninhaberin hat im Übrigen im Beschwerdeverfahren selbst eingeräumt, sie benutze die Marke seit 2001 (dem Jahr der Eintragung) als Bezeichnung für Einrichtungen, in denen die von Dr. Tomatis entwickelte Therapieform zur Anwendung komme. Hieraus ergibt sich eine beschreibende Bedeutung der Marke für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die ausnahmslos einen Bezug zu der Hörtherapie von Tomatis haben können.
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Unerheblich ist der Vortrag der Markeninhaberin, sie habe die Tomatis-Marken mittelbar von Dr. Tomatis erworben und nur sie biete eine originale und besonders qualifizierte Ausbildung für die Tomatis-Therapie an. Ob ein Name rechtmäßig benutzt wird, spielt für die Unterscheidungskraft keine Rolle. Es kommt nur darauf an, ob die angesprochenen Verkehrskreise in dem Namen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betroffenen Waren/Dienstleistungen sehen oder nicht. Diesen Verkehrskreisen sind in der Regel weder die für eine Benutzungsberechtigung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse bekannt, noch deren zutreffende rechtliche Bewertung möglich. Ob ein als Marke angemeldeter Name geeignet ist, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen zu garantieren, kann somit nicht von einer bestehenden oder fehlenden Berechtigung des Markenanmelders zur Benutzung des Namens abhängen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 149).
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Die Unterscheidungskraft des Namens einer bekannten Persönlichkeit kann auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die Verwendung des Namens durch Dritte regelmäßig entgeltlich im Rahmen eines Lizenzverhältnisses erfolgt. Wenn die beteiligten Verkehrskreise in der Verwendung eines Namens keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren/Dienstleistungen, sondern lediglich auf die bekannte Persönlichkeit selbst sehen, wird diese Verkehrsauffassung nicht davon beeinflusst, ob und inwieweit der Namensträger für die Einwilligung zur geschäftlichen Benutzung seines Namens tatsächlich eine finanzielle Gegenleistung erhält oder nicht, was dem Publikum in der Regel ohnehin nicht bekannt ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 150).
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Die Anmelderin kann sich zur Begründung der Unterscheidungskraft auch nicht erfolgreich auf die Eintragung der Marke TOMATIS in den USA stützen. Die deutsche Rechtsprechung geht von jeher davon aus, dass Voreintragungen – selbst identischer Marken – weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben (vgl. z. B. BGH GRUR 1997, 527, 529 – Autofelge; BlPMZ 1998, 248 – Today; BPatG GRUR 2007, 333, 335 – Papaya; BlPMZ 2008, 29 – Topline). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (Markenrichtlinie, GMV) gilt nichts abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. z. B. GRUR 2004, 428, Nr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674, Nr. 43, 44 – Postkantoor; GRUR 2006, 229, Nr. 47 – BioID). Eintragungen von Marken in das Gemeinschaftsmarkenregister oder in das Register einzelner Staaten können zwar Beachtung finden, führen aber nicht zu einer rechtlichen Bindung der nationalen Markenämter. Diese Beurteilung gilt erst recht für das – was Deutschland betrifft – von Verfassungs wegen ausschließlich an Recht und Gesetz gebundene (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 97 Abs. 1 GGG) und funktional verselbständigte Bundespatentgericht.
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Nach alledem war der Beschwerde der Markeninhaberin der Erfolg zu versagen.
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Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Parallelverfahren: 27 W (pat) 109/09