Aktenzeichen 26 W (pat) 510/20
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2016 201 598
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Februar 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Wortmarke
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Lotosan
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ist am 18. Januar 2016 angemeldet und am 23. Februar 2016 unter der Nummer 30 2016 201 598 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 3: Alkoholische Lösungsmittel als Reinigungsmittel; Bodenbehandlungsmittel [Reinigungsmittel]; Desodorierte Reinigungsmittel für Katzentoiletten; Lösungsmittel für Fußbodenwachs [Reinigungsmittel]; Mit einem Reinigungsmittel für Brillen imprägnierte Wischtücher; Mit einem Reinigungsmittel imprägnierte Putztücher; Mit Reinigungsmitteln getränkte Feuchttücher; Mit Reinigungsmitteln getränkte Pads; Mit Reinigungsmitteln getränkte Tücher; Mit Reinigungsmitteln imprägnierte Papierhandtücher; Mit Reinigungsmitteln imprägnierte Wischtücher; Reinigungsmittel; Reinigungsmittel für Abflussrohre; Reinigungsmittel für Abflussrohre mit zeitversetzter Wirkung; Reinigungsmittel für den Haushalt; Reinigungsmittel für den persönlichen Gebrauch; Reinigungsmittel für die Hände; Reinigungsmittel für Fliesen; Reinigungsmittel für Glas; Reinigungsmittel für Golfschläger; Reinigungsmittel für Herde; Reinigungsmittel für Katzentoiletten; Reinigungsmittel für Leder; Reinigungsmittel für Mauerwerk; Reinigungsmittel für Metall; Reinigungsmittel für Pflanzenblätter; Reinigungsmittel für Schuhe; Reinigungsmittel für Stein; Reinigungsmittel für Teppiche; Reinigungsmittel für Textilien; Reinigungsmittel für Tiefkühltruhen; Reinigungsmittel für Weißwandreifen; Reinigungsmittel für Windschutzscheiben; Reinigungsmittel für Zahnprothesen; Reinigungsmittel in Schaumform; Reinigungsmittel zum Reinigen von Glas; Reinigungsmittel zur Fleckenentfernung; Reinigungsmittel zur Verwendung im Haushalt; Reinigungsschaum [Reinigungsmittel]; Salmiakgeist als Reinigungsmittel; Verstärkungszusätze für Reinigungsmittel; Ätzende Reinigungsmittel;
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Klasse 5: Antiseptische Reinigungsmittel; Reinigungsmittel [Präparate] zum Sterilisieren chirurgischer Instrumente; Reinigungsmittel [Präparate] zum Sterilisieren von zahnärztlichen Geräten; Reinigungsmittel bei Akne [Pharmazeutika]; Reinigungsmittel für die Mundhöhle; Reinigungsmittel für Kontaktlinsen;
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Klasse 21: Bürsten mit der Möglichkeit zur Aufnahme eines Reinigungsmittels; Reinigungsmitteldosierer; Spender für Reinigungsmittel.
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Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 24. März 2016 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus der Unionswortmarke
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LOTUSAN
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die am 11. Februar 2011 angemeldet und am 14. Juli 2011 unter der Nummer 009 730 573 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register eingetragen worden ist für Waren der
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Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecke; Chemische Erzeugnisse zum Beschichten von Materialien aller Art; Kunstharze, Silicone, Wasserglas, alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke; Farbanstrichmittel, Grundiermittel, alle diese Waren mit Ausnahme flüssiger, unpigmentierter und ungefüllter Beschichtungsstoffe und nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 3: Wasch und Bleichmittel; Putz, Polier, Fettentfernungs- und Schleifmittel; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 17: Isolieranstrichmittel, Kunstharzdispersionen; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 19: Baumaterialien (nicht aus Metall); Mörtel, Putze, Kalk, Zement; Spachtelmassen; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, auch beschichtet, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen;
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Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material); alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen.
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Widerspruch erhoben, der sich nur gegen die Waren der Klassen 3 und 21 richtet.
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Mit Beschluss vom 3. März 2017 hat die Markenstelle für Klasse 3 des DPMA eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klassen 3 und 21 angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widerspruchsmarke verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, weil sie einen Gesamtbegriff mit eigenschöpferischem Gehalt und einer gegenüber dem beschreibenden Begriff “Lotus” bzw. “Lotuseffekt” hinreichenden Verfremdung darstelle. Die Vergleichswaren der Klasse 3 seien aufgrund begrifflicher Überlagerung identisch. Ähnlichkeit bestehe auch zu den Produkten der Klasse 21 der jüngeren Marke, da diese verwendungsgemäß mit Reinigungsmitteln ausgestattet würden, so dass sie als sich ergänzende Produkte aufeinander abgestimmt seien. Die Vergleichswaren seien zudem für ein breites Publikum bestimmt, dass ihnen mit normaler Aufmerksamkeit begegne. Den hiernach zu fordernden deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke nicht ein. Die Marken stimmten in der wesentlichen Laut und Buchstabenfolge L O T – S A N sowie im Sprech und Betonungsrhythmus sowie der Silbenstruktur überein. Die alleinige Differenz betreffe die Laute “O/U”, bei denen es sich aber um klangverwandte Vokale im Wortinneren handele, wo die Unterschiede allgemein weniger deutlich hervorträten. Ein sicheres Auseinanderhalten sei bei eher ungünstigen Übermittlungsbedingungen, wie z. B. am Telefon, wegen der Möglichkeit des Verhörens nicht gewährleistet. Der akustisch wahrnehmbare Unterschied im weniger auffälligen Wortinneren sei aufgrund der deutlich überwiegenden Gemeinsamkeiten zu gering, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Die Markenähnlichkeit werde auch nicht durch einen erkennbaren abweichenden Sinngehalt neutralisiert. Zudem bestehe aufgrund der Übereinstimmung bei den Wortkonturen auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke. Er ist der Ansicht, der Wortlaut der jüngeren Marke “Lotosan” sei ein anderer gegenüber der älteren Marke “LOTUSAN”. Die Ausdrucksweise unterscheide sich deutlich, weil die Vokale “o” und “U” nicht verwechselbar seien. Weiterhin entsprächen sich die Vergleichsprodukte nicht.
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Er beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 3. März 2017 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
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Die Widersprechende beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, die beiderseitigen Waren der Klassen 3 und 21 seien identisch oder als einander ergänzende Produkte ähnlich. Die Differenz im Wortinneren reiche weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht aus, um die Gefahr von Verwechslungen zu verhindern.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. Februar 2019 hat der damals zuständige, mit Ablauf des 31. Dezember 2019 aufgelöste 27. Marken-Beschwerdesenat darauf hingewiesen, dass die Beschwerde voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit Schriftsatz vom 14. März 2019, bei Gericht eingegangen am 18. März 2019, hat der Inhaber der angegriffenen Marke mitgeteilt, dass er die Beschwerde aufrechterhalte. Am 5. Februar 2020 hat der 26. Senat das Verfahren übernommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Zwischen der angegriffenen Marke “Lotosan” und der Unionswiderspruchsmarke “LOTUSAN” besteht im Umfang der Waren der Klassen 3 und 21 der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Markenstelle hat daher zur Recht und mit zutreffender Begründung die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang angeordnet.
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1. Da es sich vorliegend um ein Verfahren über einen Widerspruch handelt, der nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, ist die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
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2. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
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a) Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage können sich die Vergleichsmarken im verfahrensgegenständlichen Umfang auf teilweise identischen, teilweise weit überdurchschnittlich und teilweise überdurchschnittlich ähnlichen Waren begegnen.
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aa) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM).
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bb) Soweit die für die jüngere Marke in Klasse 3 eingetragenen Waren selbst Reinigungsmittel darstellen, nämlich
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“Alkoholische Lösungsmittel als Reinigungsmittel; Bodenbehandlungsmittel [Reinigungsmittel]; Desodorierte Reinigungsmittel für Katzentoiletten; Lösungsmittel für Fußbodenwachs [Reinigungsmittel]; Reinigungsmittel; Reinigungsmittel für Abflussrohre; Reinigungsmittel für Abflussrohre mit zeitversetzter Wirkung; Reinigungsmittel für den Haushalt; Reinigungsmittel für den persönlichen Gebrauch; Reinigungsmittel für die Hände; Reinigungsmittel für Fliesen; Reinigungsmittel für Glas; Reinigungsmittel für Golfschläger; Reinigungsmittel für Herde; Reinigungsmittel für Katzentoiletten; Reinigungsmittel für Leder; Reinigungsmittel für Mauerwerk; Reinigungsmittel für Metall; Reinigungsmittel für Pflanzenblätter; Reinigungsmittel für Schuhe; Reinigungsmittel für Stein; Reinigungsmittel für Teppiche; Reinigungsmittel für Textilien; Reinigungsmittel für Tiefkühltruhen; Reinigungsmittel für Weißwandreifen; Reinigungsmittel für Windschutzscheiben; Reinigungsmittel für Zahnprothesen; Reinigungsmittel in Schaumform; Reinigungsmittel zum Reinigen von Glas; Reinigungsmittel zur Fleckenentfernung; Reinigungsmittel zur Verwendung im Haushalt; Reinigungsschaum [Reinigungsmittel]; Salmiakgeist als Reinigungsmittel; Verstärkungszusätze für Reinigungsmittel; Ätzende Reinigungsmittel”,
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werden sie von den für die Widerspruchsmarke in Klasse 3 geschützten Warenoberbegriffen “Putz, Fettentfernungsmittel” umfasst, so dass Identität vorliegt. Dem steht der bei diesen Widerspruchsprodukten eingetragene und den Schutzgegenstand einschränkende Disclaimer “alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen” nicht entgegen, weil die Waren der angegriffenen Marke nicht auf diese im Disclaimer genannten Stoffe und Produkte beschränkt sind. Windschutzscheiben gibt es nicht nur bei Automobilen, sondern auch bei Motorrädern und Flugzeugen. Auch Weißwandreifen finden bei anderen Fahrzeugen, z. B. Motorrädern, Verwendung.
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cc) Die übrigen für die angegriffene Marke in Klasse 3 geschützten Waren, nämlich
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“Mit einem Reinigungsmittel für Brillen imprägnierte Wischtücher; Mit einem Reinigungsmittel imprägnierte Putztücher; Mit Reinigungsmitteln getränkte Feuchttücher; Mit Reinigungsmitteln getränkte Pads; Mit Reinigungsmitteln getränkte Tücher; Mit Reinigungsmitteln imprägnierte Papierhandtücher; Mit Reinigungsmitteln imprägnierte Wischtücher”
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enthalten Reinigungsmittel als wesentliche wert- und funktionsbestimmende Substanz(en) und weisen mit den Widerspruchsprodukten “Putz, Fettentfernungsmittel; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen” der Klasse 3 eine weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit auf. Denn sie richten sich an dieselben Abnehmerkreise und dienen demselben Verwendungszweck. Die Imprägnierung von Tüchern und Pads mit einem Reinigungsmittel stellt gleichsam eine besondere Darreichungsform des Reinigungs- bzw. Putzmittels dar.
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dd) Die für die angegriffene Marke in Klasse 21 eingetragenen Waren “Bürsten mit der Möglichkeit zur Aufnahme eines Reinigungsmittels; Reinigungsmitteldosierer; Spender für Reinigungsmittel” sind Gegenstände, die Reinigungsmittel aufnehmen und dieses beim Einsatz gezielt zum Erreichen des Reinigungszwecks abgeben. Sie stehen daher in engem funktionellen Zusammenhang mit den für die Widerspruchsmarke geschützten “Putz, Fettentfernungs-, Schleifmitteln; alle diese Waren nicht zur Verwendung in Verbindung mit Automobilen”, verfolgen den gleichen Verwendungszweck und werden in den gleichen Fachgeschäften bzw. Haushaltsabteilungen von Kaufhäusern vertrieben. Wegen dieser wirtschaftlichen Berührungspunkte besteht damit auch insoweit eine überdurchschnittliche Warenähnlichkeit.
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b) Mit den teilweise im Identitäts- und teilweise im (sehr) hohen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren werden sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch der Haushaltswarenfachhandel, insbesondere Drogerien, sowie gewerbliche Kunden angesprochen. Sie begegnen diesen Waren des täglichen Bedarfs regelmäßig mit einer im Vergleich zum Durchschnitt leicht verminderten Aufmerksamkeit.
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c) Die Unionswiderspruchsmarke “LOTUSAN verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
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aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – Wunderbaum II).
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bb) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchswortmarke “LOTUSAN” ist von Haus aus normal.
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Sie enthält das Wort “Lotus”. Dabei handelt es sich um eine häufig verwendete Bezeichnung für die Lotosblume (Nelumbo nucifera), die auch Lotos genannt wird. Ihre Blätter haben eine flüssigkeitsabweisende Eigenschaft. Nach ihr ist der sogenannten Lotoseffekt benannt, bei dem Wasser infolge der besonderen mikro- und nanoskopischen Oberflächenarchitektur und der dadurch verursachten geringen Benetzbarkeit einer Oberfläche in Tropfen abperlt und dabei auch alle Schmutzpartikel auf der Oberfläche mitnimmt (https://de.wikipedia.org/wiki/Lotosblumen). Der Umstand, dass das Markenwort “LOTUSAN” daher auf diesen “Lotuseffekt”, mit dem die Selbstreinigungsfähigkeit wasserabweisender Oberflächen zum Ausdruck gebracht wird, anspielen könnte, führt jedoch nicht zu einer originären Kennzeichnungsschwäche. Mangels Doppel-s erlaubt der Gesamtbegriff “Lotusan” keine Trennung in für sich genommen sinngebende Bestandteile wie beispielsweise das Wort “Lotus” und den Wortstamm “san”, der auf das lateinische Adjektiv “sanus, -a, -um” mit der Bedeutung “gesund” zurückgeht. Ein beschreibender Anklang an den Begriff “Lotus” erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht ohne mehrere gedankliche Zwischenschritte, da die sprachübliche Silbenbildung “Lo-tu-san” und die Betonung der Endsilbe “san” den Wortbestandteil “Lotus” nur noch begrenzt erkennen lassen. Aufgrund der ausreichenden Verfremdung des Begriffes “Lotus” in dem phantasievollen Gesamtbegriff “Lotusan” wird der Verkehr die Widerspruchsmarke dementsprechend als Kunstwort auffassen (vgl. BPatG 24 W (pat) 88/14 – Mr. Multi® Lotusan/Lotusan; BPatG 24 W (pat) 51/13 – Lotusan/LOTUSAN).
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cc) Anhaltspunkte für eine durch intensive Nutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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d) Die jüngere Marke hält den bei identischen, weit überdurchschnittlich sowie überdurchschnittlich ähnlichen Vergleichswaren, geringer Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke gebotenen deutlichen Abstand wegen weit überdurchschnittlicher Markenähnlichkeit nicht mehr ein.
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aa) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – Limoncello/LIMON-CHELO; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet).
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bb) Die Vergleichsmarken “Lotosan” und “LOTUSAN” sind klanglich weit überdurchschnittlich ähnlich.
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Sie stimmen in sechs – L O T S A N – von insgesamt sieben Buchstaben überein. Bei gleicher Anzahl von drei Silben sind die erste Silbe “LO”, also der stärker beachtete Wortanfang, und die letzte Silbe “SAN” identisch. Dies gilt auch für den Betonungs- und Sprechrhythmus. Die Anfangs- und Endvokale “O-A” stimmen ebenfalls überein. Dies gilt auch für sämtliche Konsonanten. Damit liegt eine weitgehende Identität bei den für den klanglichen Gesamteindruck maßgebenden Kriterien vor. Der einzige Unterschied besteht im zweiten Vokal bzw. vierten Buchstaben in der weniger beachteten Wortmitte. Dabei handelt es sich um die beiden dunkel klingenden Vokale “O” und “U”, die eine enge Klangverwandtschaft aufweisen. Zudem befindet sich dieser einzige Unterschied an einer unbetonten Stelle in der Wortmitte, so dass er dort auch bei günstigen Übertragungsverhältnissen kaum auffällt.
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cc) Auch schriftbildlich ist von einer hohen Ähnlichkeit auszugehen.
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Aufgrund fast identischer Wortlänge und Buchstabenanzahl und des Umstands, dass sich der einzige abweichende vierte Buchstabe, nämlich das “o” bei der angegriffenen Marke und das “U” bei der Widerspruchsmarke wegen der Rund- bzw. Ovalform in der Umrisscharakteristik nicht außergewöhnlich voneinander unterscheiden, wird diese Abweichung im Wortinneren dieser relativ langen Markenwörter nur schwer bemerkt werden.
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dd) Eine Verwechslungsminderung durch einen abweichenden Sinngehalt kommt ebenfalls nicht in Betracht.
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aaa) Denn bei hochgradig klanglichen oder bildlichen Übereinstimmungen kommt ein Ausschluss der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt regelmäßig nicht mehr in Betracht, da der Verkehr die Vergleichsmarken infolge des Verlesens oder Verhörens von Vornherein identisch wahrnehmen kann, und so die Markenwörter nicht mehr anhand eines unterschiedlichen Sinngehalts voneinander abzugrenzen vermag (vgl. EuGH MarkenR 2011, 22 Rdnr. 47 – Clina/CLINAIR; BGH GRUR 1986, 253, 255 – Zentis; BPatG 29 W (pat) 537/15 – qonsense/conlance; 27 W (pat) 208/05 – Chrisma/CHARISMA).
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bbb) Hinzu kommt, dass die jüngere Marke “Lotosan” ein fast identisch gebildetes Kunstwort darstellt, so dass gar keine abweichenden Sinngehalte vorliegen.
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Denn beide Schreibweisen “Lotus” und “Lotos” sind zur Benennung der Lotosblume üblich. Soweit verschiedentlich darauf hingewiesen wird, dass nur die Schreibweise “Lotos” korrekt sei, während “Lotus” die botanische Bezeichnung für Hornklee und eine britische Sportwagenmarke darstelle (https://www.korrekturen.de/beliebte_fehrler/lotus; https://de.wiktionary.org/wiki/Lotos; http://www.konjugation.de/posts/list/859_lotus_lotos.page), dürften die im Bereich der Reinigungsmittel angesprochenen Verkehrskreise über solche speziellen Kenntnisse der korrekten Orthografie botanischer Wörter nicht verfügen.
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Damit besteht im beantragten Umfang eine unmittelbare Verwechslungsgefahr.
III.
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Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.