Aktenzeichen 24 W (pat) 519/10
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 306 42 106
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Susanne Werner sowie der Richter Viereck und Paetzold in der Sitzung vom 8. Februar 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 2010 aufgehoben, soweit die Marke 306 42 106 wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 2 109 312 für die Waren
„16: Almanache; Briefmarken; Eintrittskarten;
18: Dokumentenmappen, Brieftaschen; Dokumentenkoffer; Geldbörsen (Geldbeutel)“
gelöscht worden ist. Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das am 5. Juli 2006 als Marke angemeldete Wort
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Lotto
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ist am 29. Oktober 2007 unter der Nr. 306 42 106 für eine Vielzahl von Waren unterschiedlicher Klassen, u. a. für
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„03: Kosmetika; Kosmetiknecessaires (gefüllt); Moschus (Parfümerieartikel); Parfümeriewaren; Parfums;
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16: Almanache; Atlanten; Bilder; Briefmarken; Comic-Hefte; Eintrittskarten; Füllfederhalter; Landkarten; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Lithografien (Steindrucke); Öldrucke; Portraits; Radierungen; Schreibgarnituren; Schreibgeräte; Stiche (Gravuren);
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18: Aktentaschen; Dokumentenmappen; Brieftaschen; Dokumentenkoffer; Geldbörsen (Geldbeutel); Handtaschen; Kosmetikkoffer; Rucksäcke; Taschen mit Rollen;
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25: Karnevalskostüme; Lätzchen, nicht aus Papier;
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28: Angelgeräte; Angelgerätekästen; Billardtische; Bogenschießgeräte; Boxhandschuhe; Brettspiele; Bumerangs; Drachen; Fahrrad-Heimtrainer; Fahrzeugmodelle (verkleinert); Federballspiele; ferngesteuerte Fahrzeuge (Spielzeuge); geldbetätigte Spielautomaten (Maschinen); Gleitschirme (Paraglider); Golfhandschuhe, -schläger und -taschen, mit oder ohne Räder; Kopfschützer (Sportartikel); Marionetten; Puppen (Spielwaren); Puppenbetten; Puppenfläschchen; Puppenhäuser; Puppenkleider; Puzzles; Rodelschlitten; Roller (Kinderfahrzeuge); Rollschuhe; Schießscheiben; Schlitten (Sportartikel); Schlittschuhe; Schwimmbecken (Spielwaren); Skateboards; Skier; Surfbretter (Segelbretter); Surfbretter (Wellenreiten); Tischtennistische; Trampolins (Sportartikel); Wasserskier; Wurfscheiben“
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in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 30. November 2007.
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Widerspruch erhoben ist aus der am 28. Februar 2001 angemeldeten und am 27. Juli 2006 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 2 109 312
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die u. a. für folgende Waren registriert ist:
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„03: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel.
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16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Drucke; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke.
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18: Sporttaschen für Fußball, Basketball, American Football, Rugby, Leichtathletik, Golf, Tanz, Karate, Gymnastik, Schwimmen, Skilaufen.
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25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
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28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck.“
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Der Widerspruch ist auf die vorgenannten Waren gestützt und richtet sich (nur) gegen die o. a. Waren der jüngeren Marke.
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Seitens der Markenstelle für Klasse 3 ist die Marke 306 42 106 mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 3. Februar 2010 im angegriffenen Umfang wegen Verwechslungsgefahr gelöscht worden.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass teilweise Warenidentität, teilweise Warenähnlichkeit vorliege. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich, da die einschlägigen Waren keinerlei Bezug zum Glücksspielbereich aufwiesen und somit kein Anhaltspunkt für eine Kennzeichnungsschwäche bestehe. Der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke werde – zumindest klanglich – vom Wort „lotto“ geprägt; mithin stünden sich phonetisch identische Zeichen gegenüber.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Eine – zunächst angekündigte – Begründung ist nicht zur Gerichtsakte gelangt.
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Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
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Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne vorherige Erinnerung gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässig und in der Sache teilweise – in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang – begründet. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich der sonstigen widerspruchsbefangenen Waren der jüngeren Marke, bleibt sie ohne Erfolg, weil die sich gegenüberstehenden Marken insoweit der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b MarkenG unterliegen (wobei § 42 Abs. 2 Nr. 1 hier noch in der alten, bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung anzuwenden ist; vgl. § 165 Abs. 2 MarkenG n. F.).
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Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 – BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 – SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren siehe auch Hacker in: Ströbele/ Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32, 33). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 – Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 27, 57 m. w. Nachw.).
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In Anbetracht des gegenständlich beschränkten Widerspruchs steht die Marke 306 42 106 für die Waren in den Klassen 9, 12, 14, 20, 21, 25, 30, 32 und 34 im vorliegenden Verfahren außer Streit.
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Im Blick auf die verfahrensgegenständlichen Waren hat die Beschwerde nur in einem geringen Umfang Erfolg, da ganz überwiegend Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und somit – in Übereinstimmung mit der Auffassung der Markenstelle – in Verbindung mit den sonstigen relevanten Faktoren Verwechslungsgefahr besteht.
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Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind – zumindest klanglich – völlig identisch und stimmen auch begrifflich überein.
28
Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist von Haus aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, für sämtliche registrierten Waren mit Ausnahme von „28: Spiele“ durchschnittlich, da insoweit kein inhaltlicher Bezug des Wortbestandteils „lotto“ zu diesen Produkten vorhanden ist. Da Lotto die allgemein geläufige Bezeichnung eines Glückspiels, nicht nur im Rahmen staatlicher oder sonstiger Lotterien, darstellt (vgl. BGH GRUR 2006, 760 – LOTTO), ist allerdings unerfindlich, dass die Widerspruchsmarke für „Spiele“ registriert wurde. Jedoch kann der nun einmal registrierten Marke auch für diese Waren nicht jeglicher Schutz versagt werden. Da die sonstigen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren – Zeichen- und Warenidentität – für die Annahme von Verwechslungsgefahr sprechen, kann sich die insoweit große Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke letztlich nicht zu Lasten der Widersprechenden auswirken, so dass die jüngere Marke auch für die mit Spielen identischen bzw. ähnlichen Waren „Brettspiele; geldbetätigte Spielautomaten (Maschinen)“ zu löschen ist.
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Von den Waren der jüngeren Marke in Klasse 3 sind „Moschus (Parfümerieartikel); Parfümeriewaren; Parfüms“ mit „Parfümeriewaren“ identisch und „Kosmetika; Kosmetiknecessaires (gefüllt)“ mit diesen ähnlich.
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In der Klasse 25 fallen „Karnevalskostüme, Lätzchen, nicht aus Papier“ unter den Oberbegriff „Bekleidungsstücke“, so dass insoweit Warenidentität gegeben ist.
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Sämtliche Einzelwaren der jüngeren Marke in Klasse 28 finden in den allgemeiner gehaltenen Produktbezeichnungen der Widerspruchsmarke „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel“ ihre Entsprechung, so dass auch insoweit Warengleichheit vorhanden ist. Darüber hinaus sind „Golfhandschuhe“ mit „Bekleidungsstücken“ identisch sowie „Golftaschen“ mit „Sporttaschen für Golf“.
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Hinsichtlich der in den Klassen 16 und 18 sich gegenüberstehenden Waren ist demgegenüber eine differenzierende Beurteilung angebracht.
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Bezüglich „16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“ besteht Warenidentität. „Atlanten“ und „Landkarten“ werden regelmäßig im (Schul-)Unterricht eingesetzt, gelegentlich aber auch „Comic-Hefte“, so dass auch insoweit Warenidentität bzw. -ähnlichkeit gegeben ist. Den Waren „Bilder; Lithografien (Steindrucke); Öldrucke; Portraits; Radierungen; Stiche (Gravuren)“ in der jüngeren Marke entsprechen die „Drucke; Fotografien“ im Verzeichnis der Widerspruchsmarke. „Füllfederhalter; Schreibgarnituren; Schreibgeräte“ sind mit „Schreibwaren“ teils identisch und teils ähnlich. Von den angegriffenen Waren der jüngeren Marke finden demgegenüber „Almanache; Briefmarken; Eintrittskarten“ im Verzeichnis der Widerspruchsmarke keine – auch nur entfernte – Entsprechung, insbesondere nicht mit (unbedrucktem) Papier und Pappe (vgl. auch Richter/ Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 14. Aufl., S. 228, 229, 231).
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Von den Waren der jüngeren Marke in Klasse 18 können – schon ihrer Größe wegen – „Aktentaschen; Handtaschen; Rucksäcke“ auch zum Transport von (kleineren) Sportgeräten und Sportbekleidung Verwendung finden, so dass insoweit Warenähnlichkeit zu den „Sporttaschen …“ der Widerspruchsmarke vorhanden ist. „Taschen mit Rollen“ sind zu „Sporttaschen für Golf“, die entweder ebenfalls mit Rollen versehen sind oder jedenfalls zusammen mit fahrbaren Golftaschenhaltern zum Einsatz kommen, zumindest ähnlich. Eine – wenn auch entfernte – Ähnlichkeit besteht auch im Verhältnis von „Kosmetikkoffern“ zu „Sporttaschen“, da Frauen und Mädchen im Allgemeinen zumindest einige Kosmetikartikel stets mit sich führen, auch wenn sie sich sportlich betätigen. Demgegenüber liegen „Dokumentenmappen; Brieftaschen; Dokumentenkoffer; Geldbörsen (Geldbeutel)“, teils ihrer geringen Größe wegen, teils wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung, nicht mehr im Ähnlichkeitsbereich zu „Sporttaschen“. Wenn der 28. Senat des Bundespatentgerichts, noch unter der Geltung des Warenzeichengesetzes, demgegenüber in einem weitergehenden Umfang von „Gleichartigkeit“ ausgegangen ist (vor allem aufgrund gemeinsamer Materialbeschaffenheit und gemeinsamer Vertriebsstätten; Beschluss vom 31. Januar 1985, 28 W (pat) 1/84 – Bildzeichen einer Raubkatze), so kann dieser Beurteilung unter der Geltung des MarkenG, das den eigenständig auszulegenden Begriff der „Warenähnlichkeit“ enthält (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 46), nicht mehr in vollem Umfang gefolgt werden.
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Der Beschwerde der Markeninhaberin ist deshalb teilweise – soweit keine Warenähnlichkeit vorhanden ist – stattzugeben, teilweise ist sie wegen bestehender Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen zurückzuweisen.
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Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.