Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “MIRACLEBODY” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  27 W (pat) 71/12

Datum:
26.2.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung
30 2010 056 154.8
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Kruppa und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 vom 2. Februar 2012 und vom 8. Mai 2012 werden aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
MIRACLEBODY
3
ist zunächst für:
4
„Bekleidung; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Jeans, Freizeithosen, Hosen, Röcke, Kleider, Blusen, Tops und Badebekleidung für Damen; und maßgefertigte Bekleidungsstücke, Anzüge, Freizeithosen, Jeans und Badebekleidung für Herren“
5
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
6
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat die Anmelderin das Warenverzeichnis eingeschränkt auf die Waren „Schuhwaren; Kopfbedeckungen“.
7
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat – auf der Grundlage des seinerzeit maßgeblichen Warenverzeichnisses – die Anmeldung in zwei Beschlüssen – einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen – wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass bei der angemeldeten Wortmarke lediglich eine schlagwortartige und werbeübliche Anpreisung im Vordergrund stehe. Die beteiligten Verkehrskreise würden die angemeldete Wortkombination in Verbindung mit den beanspruchten Waren ohne weiteres im Sinne von „Wunderkörper“ bzw. „wundervoller Körper“ verstehen. Mit dieser Bedeutung könne die angemeldete Bezeichnung die beanspruchten Waren der Klasse 25 in werbeüblicher Weise anpreisend beschreiben, indem sie z. B. darauf hinweise, dass die so gekennzeichneten Waren den Körper wunderbar zur Geltung bringen bzw. in kaum vorstellbarer Weise gut, besonders oder herausragend kleiden könnten.
8
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, an der angemeldeten Bezeichnung bestehe kein Freihaltebedürfnis. Es handle sich bei der angemeldeten Kombination um eine unübliche Zusammensetzung zweier englischer Begriffe, deren Bedeutung das Publikum nicht eindeutig und unmittelbar verstehen könne. Die Einzelbegriffe seien vieldeutig. Zu der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung könne man nur nach mehreren analysierenden Gedankenschritten kommen. Der Verbraucher könne der ungebräuchlichen Kombination keine in Bezug auf die angemeldeten Waren konkrete Bedeutung und unmittelbar eindeutige Information entnehmen.
9
Die Anmelderin beantragt – auf der Grundlage des eingeschränkten Warenverzeichnisses -,
10
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 aufzuheben.
II.
11
Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Sache begründet. Für die nunmehr noch beanspruchten Waren fehlt der angemeldeten Marke weder die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch unterliegt sie insoweit einem Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
12
Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 – BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 – ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 – City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 – EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 – STREETBALL).
13
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 – Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 – STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 – Bonus).
14
Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 – Libertel-Orange; a. a. O. – Postkantoor).
15
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „MIRACLEBODY“ in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft.
16
Die angemeldete Marke setzt sich aus den beiden Bestandteilen „miracle“ und „body“ zusammen. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 – BioID).
17
Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, bedeutet das englische Wort „miracle“ „Wunder, Wundertat“ und findet sich z.B. in den Zusammensetzungen „miracle cure“ (Wundermittel), „miracle drug“ (Wunderdroge), miracle weapon“ (Wunderwaffe), „miracle healer“ (Wunderheiler), „miracle worker“ (Wundertäter).
18
Das englische Wort „body“ hat die Bedeutung „Körper, Leib, Leiche, Gremium, Institut“ sowie im Textilbereich „Body“. In Zusammensetzungen wird der Begriff verwendet z. B. in „astral body“ (Astralleib) oder im Textilbereich z. B. in „lace body“ (Spitzen-Body) (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch 3. Aufl. Mannheim 2005 (CD-ROM); LEO-Online Lexikon der TU München unter dict.leo.org; PONS Großwörterbuch für Experten und Universität, 1. Aufl. 2001).
19
Die angemeldete Zusammensetzung „MIRACLEBODY“ reiht sich in die obengenannten vergleichbar gebildeten Zusammensetzungen ein und ist im Deutschen daher als „Wunderkörper, Wunderbody“ zu verstehen. Da die Bedeutung der Bestandteile nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen ist, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu sehen ist (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt), steht dieses Verständnis hier im Vordergrund.
20
In diesem Sinne werden die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke „MIRACLEBODY“ ohne weiteres verstehen. Sind sind in der Werbesprache an neue und auch schlagwortartige Wortkombinationen – gerade im Modebereich in englischer Sprache – gewöhnt, weshalb sich ihnen der genannte Sinngehalt von „MIRACLEBODY“ zwanglos erschließt.
21
Im Zusammenhang mit den von der Anmelderin ursprünglich beanspruchten Waren (mit Ausnahme von Schuhwaren und Kopfbedeckungen), die sämtlich zum Bekleidungsbereich zählen, enthält eine entsprechende Kennzeichnung dieser Waren keinerlei betrieblichen Hinweis, sondern bezieht sich ausschließlich auf deren Eigenschaft bzw. Verwendung oder Bestimmung. Wie aus dem der Anmelderin übersendeten Ergebnis einer Internetrecherche ersichtlich, wird der Begriff „Figurwunder“ bzw. „Figurwunder-Effekt“ verwendet, um Bekleidungsstücke anzupreisen, die eine die Figur formende und verschlankende Wirkung erzielen sollen. Die Bezeichnung „MIRACLEBODY“ wirkt daher in Bezug auf die ursprünglich angemeldeten Waren lediglich als Hinweis auf einen Textilbody mit Figur formendem Effekt sowie als werbemäßiger, anpreisender Hinweis auf einen Figur formenden, verschlankenden Effekt der so gekennzeichneten Waren (vgl. hierzu auch BPatG 27 W (pat) 166/10 – Figurzauber).
22
Die Anmelderin hat ihr Warenverzeichnis aber auf Schuhwaren und Kopfbedeckungen beschränkt. In Bezug auf diese Waren lassen sich keine Schutzhindernisse mehr feststellen. Zwar lassen sich auch bei Schuhwaren durch einen besonders geeigneten Schnitt ein optisch schlankeres Bein sowie durch die Absatzhöhe ein insgesamt gestreckteres und damit schlankeres Erscheinungsbild erreichen. Dies sind jedoch nur mittelbare Auswirkungen, die nicht auf einen unmittelbar körperformenden oder figurverschlankenden Effekt zurückzuführen sind. Hinsichtlich der Kopfbedeckungen ist ein figurformender oder verschlankender Effekt nicht nahe liegend.
23
Kann der angemeldeten Bezeichnung daher in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren kein hinreichend konkreter Sachhinweis auf bestimmte Eigenschaften und damit kein im Vordergrund stehender sachbezogener Aussagegehalt zugeordnet werden, fehlt es ihr weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG noch handelt es sich insoweit um eine beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
24
Die Beschwerde hat daher Erfolg.
25
Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ( § 71 Abs. 3 MarkenG) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde erst auf Grund der Beschränkung des Warenverzeichnisses Erfolg haben konnte.


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