Aktenzeichen 24 W (pat) 87/08
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 303 33 440
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung…
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Mai 2006 und vom 6. Juni 2008 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 2 510 105 wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Widersprechenden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Markeninhaberin aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die am 3. Juli 2003 von M. G… T… angemeldete Wortmarke
2
Noor
3
ist am 20. November 2003 unter der Nr. 303 33 440 für folgende Waren in das Markenregister eingetragen worden:
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“03: Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege;
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14: Juwelierwaren und Schmuckwaren, Uhren und Zeitmessinstrumente;
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25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.”
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Die Veröffentlichung erfolgte am 9. Januar 2004.
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Widerspruch erhoben ist aus der am 7. März 2002 angemeldeten und am 10. Juni 2003 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 2 510 105
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die für folgende Waren Schutz genießt:
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“14: Juwelier- und Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren; Accessoires aus Edelmetall bzw. mit Metalllegierung, insbesondere Schlüsselanhänger, Figuren, Ansteck- und Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Büroaccesoires”.
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Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren der jüngeren Marke.
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Der (damalige) Markeninhaber hat mit Schreiben vom 30. Juni 2004 die Anmeldung bezüglich der Waren in Klasse 14 zurückgenommen. Die Widersprechende hat ihren Widerspruch hinsichtlich der Waren in den Klassen 3 und 25 aufrechterhalten.
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Seitens der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts ist in einem ersten Beschluss vom 3. Mai 2006 die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke angeordnet worden. Warenähnlichkeit sei unter dem Gesichtspunkt einander ergänzender Waren (z. B. Krawatten mit Krawattennadeln, Hemden mit Manschettenknöpfen) gegeben. Auch vor dem Hintergrund von Marken- und Lizenzstrategien im Mode- und Luxusgüterbereich seien aufeinander abgestimmte und einander ergänzende Angebote in den betroffenen Warengruppen nicht auszuschließen.
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Der (damalige) Markeninhaber hat Erinnerung eingelegt. Am 15. August 2006 ist die angegriffene Marke auf die M. G. D… H… AG umgeschrieben worden.
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In einem zweiten Beschluss der mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzten Markenstelle vom 6. Juni 2008, zugestellt am 13. Juni 2008, ist die Erinnerung zurückgewiesen worden. Trotz eines deutlichen Abstands wiesen die sich gegenüberstehenden Waren wirtschaftliche Berührungspunkte auf. Zahlreiche Designer und Hersteller modischer Bekleidung würden unter ihren Marken auch andere Produkte wie Parfüm, Kosmetika, Schmuckwaren, Lederwaren, Taschen und Schuhe vertreiben (unter Hinweis auf einige Belege aus dem Internet). Aufgrund solcher im gesamten Mode- und Luxusgüterbereich feststellbarer Marken-, Lizenz- und Verkaufsstrategien müsse von Warenähnlichkeit hinsichtlich der im vorliegenden Fall betroffenen Waren, auch aufgrund gemeinsamer Vertriebsstätten, ausgegangen werden.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie beantragt (sinngemäß),
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Mai 2006 sowie vom 6. Juni 2008 aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 2 510 105 zurückzuweisen.
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Mit einem am 15. Januar 2009 beim Bundespatentgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben.
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Zur Glaubhaftmachung einer (rechtserhaltenden) Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 28. September 2009 sowie ergänzende Unterlagen (Produktkataloge, Internetauszüge, Anzeigenkopien, Werbezettel, Listen von Juwelieren in Deutschland, den Beneluxstaaten und der Schweiz, die ihre Produkte vertreiben) vorgelegt.
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Sie stellt die Anträge,
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die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Markeninhaberin aufzuerlegen.
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Die Markeninhaberin ist in ihrer schriftsätzlichen Erwiderung dem Kostenantrag entgegengetreten. Sie hat die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten. Im Übrigen ist sie weiterhin der Auffassung, dass keine Warenähnlichkeit vorliegt.
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Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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1. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig (§ 66 MarkenG). Diese war – wie auch die Widersprechende – am Verfahren vor dem Patentamt beteiligt (§ 66 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Ob bereits die Umschreibung der angegriffenen Marke auf die (jetzige) Markeninhaberin zu einem Wechsel der Beteiligtenstellung im patentamtlichen Verfahren geführt hat (vgl. § 28 Abs. 2 MarkenG), kann dahingestellt bleiben. Denn die Markenstelle ist, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass die M. G. D… H… AG im Erinnerungsbeschluss eingangs als Beteiligte genannt ist, von einem konkludenten Eintritt dieses Unternehmens in das Verfahren anstelle des ursprünglichen Anmelders ausgegangen; weder die Widersprechende noch die Markeninhaberin selbst sind dieser Beurteilung insoweit entgegengetreten.
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2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b MarkenG unterliegen (wobei § 42 Abs. 2 Nr. 1 hier noch in der alten, bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung anzuwenden ist; vgl. § 165 Abs. 2 MarkenG n. F.).
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Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist an sich im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 – BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 – SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 RdNr. 32, 33). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 – Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 RdNr. 27 u. 57 m. w. Nachw.).
27
Im vorliegenden Fall sind die für die jüngere Marke (jetzt noch) registrierten Waren in den Klassen 3 und 25 mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren in Klasse 14 – deren (teilweise) Benutzung unterstellt – unter keinem Gesichtspunkt ähnlich.
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Auf die im Beschwerdeverfahren seitens der Markeninhaberin zulässigerweise erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke (gem. § 125b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) – die sog. Benutzungsschonfrist der Gemeinschaftsmarke 2 510 105 war zu diesem Zeitpunkt (15. Januar 2009) abgelaufen – hat die Widersprechende den Versuch einer Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke unternommen. Ob die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers (i. V. m. den ergänzenden Unterlagen) eine rechtserhaltende Benutzung der betreffenden Gemeinschaftsmarke in ausreichender Weise darzulegen geeignet ist – Bedenken ergeben sich zum einen, weil an keiner Stelle gesagt wird, dass sich die Angaben ausschließlich auf eine Benutzung im Gebiet der Gemeinschaft beziehen (vgl. § 125b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 GMV), und zum anderen, weil keine Aufschlüsselung der Umsatzangaben bezüglich einzelner Erzeugnisse erfolgt ist (vgl. Kliems, MarkenR 2001, 185) -, kann dahingestellt bleiben, da eine Benutzung jedenfalls nur für folgende Erzeugnisse behauptet wird:
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“Ringe, Colliers, Ohrringe, Hals- und Armreifen”.
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Somit können allenfalls diese, unter die registrierten Oberbegriffe “Juwelierwaren, Schmuckwaren” fallenden Einzelwaren gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auf Seiten der Widersprechenden berücksichtigt werden.
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Nach Art, Beschaffenheit, Verwendungszweck und Nutzung weisen “Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege” sowie “Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen” einerseits und “Ringe, Colliers, Ohrringe, Hals- und Armreifen” andererseits keine hinreichenden Berührungspunkte auf. Die Vergleichswaren stammen regelmäßig nicht aus denselben Herkunftsbetrieben – selbst wenn insoweit nicht nur auf Produktionsstätten im engeren Sinne abgestellt wird – und werden auch nicht unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt. Sofern – wohl eher in Ausnahmefällen – ein gemeinsamer Vertrieb in räumlicher Nähe erfolgen sollte, käme dem für sich gesehen keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 RdNr. 73).
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Die sich gegenüberstehenden Waren können auch nicht als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Erzeugnisse angesehen werden. Ob – wie der Erstbeschluss der Markenstelle angenommen hat – ein Ergänzungsverhältnis zwischen Krawatten und Krawattennadeln sowie zwischen Hemden und Manschettenknöpfen besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die Widersprechende eine Benutzung entsprechender Waren in Klasse 14 nicht glaubhaft gemacht hat. Selbst wenn man den Begriff der einander ergänzenden Waren nicht nur in einem funktionalen Sinn versteht, sondern in den Bereichen der Mode und der Produkte für die Pflege des äußeren Erscheinungsbildes auch auf ein ästhetisches Ergänzungsverhältnis abstellt (vgl. EuG GRUR-RR 2007, 347, Nr. 35 bis 37 – TOSCA BLU), kann im vorliegenden Fall nicht von Warenähnlichkeit ausgegangen werden. Denn Voraussetzung wäre, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, dass die Verbraucher es als üblich und normal empfinden, die fraglichen Erzeugnisse zusammen zu benutzen, und dass sie die Vermarktung dieser Waren unter derselben Marke als gängig ansehen, was normalerweise impliziert, dass die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte großteils dieselben sind (vgl. EuG GRUR-RR 2005, 344, Nr. 63 – SISSI ROSSI). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
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Entgegen der Ansicht der Markenstelle lässt sich eine Ähnlichkeit von Juwelier- und Schmuckwaren zu Kosmetika sowie Bekleidungsstücken und Schuhen auch nicht mit den im Mode- und Luxusgüterbereich z. T. feststellbaren Vermarktungsstrategien und Lizenzpraktiken begründen. Denn wie der Bundesgerichtshof mehrfach festgestellt hat (vgl. GRUR 2004, 594, 596 reSp – Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941, Nr. 12, 14 – TOSCA BLU), lässt sich aus der Erteilung von Lizenzen für andere als diejenigen Waren, für die der Markenschutz gilt, kein Anhaltspunkt für eine Warenähnlichkeit ableiten. Eine an sich bestehende (absolute) Warenunähnlichkeit – wie sie vorliegend gegeben ist – kann mit einer solchen Praxis, die auf der Erfahrung beruht, dass sich die positiven Assoziationen, welche bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen, nicht überwunden werden.
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Zwar steht eine entsprechende Verwertungsmöglichkeit einer (bekannten) Marke durchaus unter dem Schutz des Markenrechts, das die Wertschätzung und die Unterscheidungskraft bekannter Marken auch außerhalb der Warenähnlichkeit vor einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung schützt (bisher schon § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG; vgl. jetzt auch § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG n. F. i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3). Durch die Erteilung von Vermarktungsrechten zum Zweck der Verkaufsförderung (unabhängig davon, ob die Widersprechende derartige Rechte hinsichtlich der fraglichen Waren in den Klassen 3 und 25 tatsächlich vergeben hat) bleibt der Warenähnlichkeitsbereich aber grundsätzlich unberührt. Ein Ausnahmefall, in dem der Verkehr bei funktionsverwandten Produkten nicht nur von einem Image-, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgeht, liegt hier ersichtlich nicht vor.
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Mangels Warenähnlichkeit scheidet daher jede Verwechslungsgefahr aus, ohne dass die Fragen nach dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke und nach der – hier unproblematisch gegebenen – Zeichenidentität bzw. -ähnlichkeit einer Prüfung bedürften.
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3. Der Kostenantrag der Widersprechenden ist zurückzuweisen. Eine Kostenüberbürdung zu Lasten eines Beteiligten – insbesondere der Markeninhaberin -, die nach der Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ohnehin nur ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit erfolgen kann, ist nicht geboten, da für ein Abweichen von der Grundregel, wonach jeder Beteiligte eines markenrechtlichen Beschwerdeverfahrens die ihm entstandenen Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), kein Anlass besteht. Diese Beurteilung gilt erst recht in Anbetracht des für die Markeninhaberin günstigen Ausgangs des Verfahrens.