Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “P2 Value/P 5” – Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit – keine unmittelbare und mittelbare Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  33 W (pat) 135/08

Datum:
12.4.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
33. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 68 627
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender, der Richterin am OLG Dr. Hoppe und des Richters Kätker
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I
1

Gegen die Eintragung der Wortmarke 305 68 627

2
P2 Value
3

für

4

Klasse 36: Finanzwesen, insbesondere Effektengeschäfte und Investmentgeschäfte, einschließlich Ausgabe und Vermittlung von Investmentfonds; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Vermögensverwaltung; Versicherungswesen

5

ist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 305 32 528

6
P 5
7

für

8

Klasse 35: Vermietung von Werbeflächen; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht;

9

Klasse 36: Immobilienverwaltung; Vermittlung, Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Immobilien; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht;

10

Klasse 42: Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in technischer Hinsicht;

11

Klasse 43: Betrieb von Hotels und Gaststätten.

12

Mit Beschluss vom 19. September 2008 hat die Markenstelle für Klasse 36 den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle liegt trotz Identität bzw. hochgradiger Ähnlichkeit der Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Vergleichsmarken vor. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Für eine verminderte Kennzeichnungskraft von Buchstaben-Zahlenkombinationen gebe es keine Hinweise. Insbesondere sei für „P 5“ im Immobilienbereich keine beschreibende Bedeutung ermittelt worden, so dass von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei.

13

Das angegriffene Zeichen sei eine mehrteilige Marke, bestehend aus der Buchstaben-Zahlen-Kombination „P2“ und dem englischen Wort „Value“. Dieses habe die Bedeutung „schätzen, bewerten, Wert, Substanz“, und stelle damit für die beanspruchten Dienstleistungen aus den Bereichen Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen, Vermögensverwaltung und Versicherungswesen einen beschreibenden Hinweis dar. Die Widerspruchsmarke bestehe aus dem Buchstaben „P“ und der Zahl „5“, die durch ein Leerzeichen getrennt seien. Wegen des Bestandteils „Value“ der jüngeren Marke bestehe weder in klanglicher noch schriftbildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr.

14

Zwar bestehe wegen des beschreibenden Bedeutungsgehaltes des Wortbestandteils „Value“ der jüngeren Marke die Möglichkeit, dass der Verkehr diese auf „P2“ verkürze, so dass sich nur noch die Bezeichnungen „P2“ und „P 5“ gegenüber stünden. Bei solchen „Kurzwörtern“ fielen Abweichungen jedoch stärker ins Gewicht, so dass eine Verwechslungsgefahr aufgrund des unterschiedlichen Schriftbildes und Bedeutungsgehalts der jeweils unterschiedliche Werte verkörpernden Zahlen ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei eine weitere Verkürzung der angegriffenen Marke von „P2“ auf „P“ sehr unwahrscheinlich, da weder „P“ noch die Zahl „2“ eine Bedeutung hinsichtlich der Dienstleistungen habe und es sich somit bei „P2“ um eine Fantasiebezeichnung handele. Damit bestehe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Im Übrigen seien keine Anhaltspunkte für eine mittelbare oder assoziative Verwechslungsgefahr erkennbar oder vorgetragen worden.

15

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

16

Nach ihrer Auffassung besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen. Die beiderseitigen Dienstleistungen seien hochgradig ähnlich, da sie sich üblicherweise an Personen richteten, die ihr Vermögen sinnvoll und gewinnbringend anlegen wollten. Die Dienstleistungen würden zumeist von Unternehmen erbracht, die im Finanzdienstleistungsbereich aktiv seien, wie etwa Banken, Immobilien- und Kapitalanlagegesellschaften. Die Widerspruchsmarke weise von Haus aus zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Zudem seien die Marken jedenfalls schriftbildlich ähnlich. Der Bestandteil „Value“ trete wegen seines beschreibenden Charakters hinter den nicht beschreibenden Bestandteil „P2“ zurück, so dass sich allein die Zeichen „P2“ und „P 5“ gegenüber stünden.

17

Beide Zeichen wiesen den Buchstaben „P“ und eine nachfolgende Ziffer auf. Die Ziffern „2“ und „5“ seien optisch sehr ähnlich, da beide einen horizontalen Strich und eine offene Punze, beide miteinander verbunden, enthielten. Spiegele man die Zahl 2 horizontal, so weise das Ergebnis nur minimale Unterschiede zur Ziffer 5 auf. Die Marken seien weiterhin auch dadurch verwechselbar, dass sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Durch die Kombination des Buchstabens „P“ mit einer nachfolgenden Ziffer werde beim Verbraucher der Eindruck erweckt, es handele sich bei der Ziffer um eine Typbezeichnung als Hinweis auf das Vorhandensein mehrerer miteinander verwandter und aus einem Hause stammender Dienstleistungen, die mit „P“ sowie einer nachfolgenden Ziffer gekennzeichnet seien. Die Leerstelle zwischen den Bestandteilen „P“ und „5“ in der Widerspruchsmarke mindere die Ähnlichkeit nicht. Der Verbraucher messe dem (Nicht-)Vorhandensein eines Leerzeichens keine Bedeutung bei. Insbesondere in der Erinnerung würden sich die sprechbaren Markenbestandteile durchsetzen. Angesichts der hochgradig ähnlichen, teilweise identischen Dienstleistungen und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke den notwendigen Abstand zur Widerspruchsmarke demnach nicht ein, so dass eine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

18

den Beschluss der Markenstelle vom 19. September 2008 aufzuheben und die Marke 305 68 627 wegen des Widerspruchs aus der Marke 305 32 528 zu löschen.

19

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

20

die Beschwerde zurückzuweisen.

21

Nach ihrer Auffassung ist die Beschwerde nicht begründet. Zwischen den Zeichen „P2 Value“ und „P 5“ bestehe keine klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit. Selbst bei einer Reduzierung der jüngeren Marke auf „P2“ bestehe keine Ähnlichkeit zu „P 5“. Die Zahlen 2 und 5 seien klar unähnlich, zumal es sich insoweit um Kurzzeichen handele, die sich zu 50 % unterschieden. Insbesondere das vom Verbraucher zu erwartende Verständnis von „2“ und „5“ als Zahlen reduziere mögliche Verwechslungen erheblich. Die von der Widersprechenden angeführten Gründe für eine angebliche schriftbildliche Ähnlichkeit seien nicht überzeugend. Alle Zahlen bestünden aus Strichen, offenen oder geschlossenen Punzen, Ovalen etc., dennoch seien sie voneinander unterscheidbar. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr Zahlen horizontal spiegeln und einen entsprechenden Vergleich anstellen werde. Vielmehr werde er Zeichen und Zahlen so betrachten, wie sie ihm gegenüber träten.

22

Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr liege nicht vor. Soweit die Widersprechende hierzu ausführe, die Kombination des Buchstabens „P“ mit einer nachfolgenden Ziffer erwecke den Eindruck von Typenbezeichnungen aus demselben Betrieb, lasse sie zunächst den weiteren Bestandteil „Value“ der jüngeren Marke außer Acht. Zudem weise der Bestandteil „P 5“ eine Leerstelle auf. Gerade bei Kurzzeichen werde der Verkehr jedoch auf jedes Detail achten, was insbesondere bei der Beurteilung einer assoziativen Verwechslungsgefahr ins Gewicht falle. Die unterschiedliche Zeichenbildung spreche gegen eine solche Art der Verwechslungsgefahr. Zudem stünden die Zahlen 2 und 5 in keiner logischen Reihenfolge; die Verkehrskreise würden nicht annehmen, dass auf ein Produkt „2“ bzw. „2 Value“ ein Produkt „5“ folge. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr hätte hier auch zur Folge, dass allein durch die Anmeldung der Widerspruchsmarke „P 5“ der Buchstabe „P“ für jegliche Kombinationen mit einer Ziffer gesperrt sei, was dem Grundsatz widerspreche, dass es keinen Elementenschutz gebe. Die zu vergleichenden Zeichen seien demnach unähnlich. Eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II
24

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet.

25

Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu Recht verneint. Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rdn. 28 – THOMSON
LIFE
; GRUR 2008, 343, Nr. 33 – Il Ponte
Finanziaria
Spa/HABM („
BAINBRIDGE
“), jew. m. w. N.).

26

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als durchschnittlich zu beurteilen.

27

Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen liegen bei den immobilienbezogenen Dienstleistungen im Identitätsbereich. Hinsichtlich der übrigen finanz- und versicherungsbezogenen Dienstleistungen der jüngeren Marke, die häufig enge Berührungspunkte zur Verwertung von Immobilien haben, liegen sie im Bereich einer zumindest noch mittelgradigen Ähnlichkeit.

28

Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke in jeder Hinsicht ein. In ihrer Gesamtheit sind die Marken „P2 Value“ und „P 5“ schon wegen des nur in der Widerspruchsmarke vorhandenen Wortes „Value“, das klanglich eine Verdoppelung, schriftbildlich sogar eine Verdreifachung gegenüber der Länge der Widerspruchsmarke bewirkt, ohne weiteres voneinander unterscheidbar, was keiner näheren Darlegung bedarf.

29

Eine Gefahr unmittelbarer Verwechslungen könnte sich daher allenfalls ergeben, wenn der Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein vom Bestandteil „P2“ geprägt oder dieser in ihr zumindest eine selbständig kennzeichnende Stellung aufweisen würde. Dies kann vorliegend indes offen bleiben, da keine ausreichende Ähnlichkeit zwischen den Markenbestandteilen „P2“ und „P 5“ besteht. In klanglicher Hinsicht sind die Lautfolgen „pee-zwei“ und „pee-fünf“ klar voneinander unterscheidbar, insbesondere da der Sinngehalt des jeweils zweiten Elements als Zahl (-wort) die Gefahr des Verhörens zusätzlich vermindert. In schriftbildlicher Hinsicht beginnen zwar beide Buchstaben-Zahlenkombinationen mit „P“ und enden mit einer einstelligen Zahl, schon die Kürze der Zeichen (vgl. insoweit Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdn. 139 zu Buchstaben- und Zahlenmarken) und die Bedeutung des jeweils zweiten Elements als Darstellung eines bestimmten einfachen Zahlwerts verhindern aber zuverlässig die Verwechslungsgefahr. Zudem nimmt der Verkehr – jedenfalls kurze – Buchstaben- und/oder Zahlenkombinationen nach der Lebenserfahrung mit einer etwas höheren Aufmerksamkeit für deren Einzelelemente wahr. Denn während komplette Wörter auch beim Überlesen oder Überhören einzelner Buchstaben bzw. bei Sprech- oder Schreibfehlern häufig noch erkannt bzw. kombiniert werden können, so dass ein Wort bei kleineren Änderungen häufig noch als solches erhalten bleibt, ist dies bei (kurzen) Zahlen- und Buchstabenkombinationen regelmäßig nicht der Fall. Eine Fehlwiedergabe eines einzelnen Buchstabens oder einer einzelnen Zahl kann daher zu einer falschen Waren- oder Dienstleistungsauswahl führen, was dem Verkehr auch bewusst sein wird. Dies wirkt der Gefahr von Verwechslungen zusätzlich entgegen. Etwas anderes ließe sich nur bei längeren, unübersichtlichen Zahlen- und/oder Buchstabenfolgen oder bei schriftbildlich sehr ähnlichen Kombinationen wie „P1“/„P7“ oder „P5/P6“ diskutieren, insbesondere wenn angesichts der Art der Waren oder Dienstleistungen (z. B. Arzneimitteln) eine u. U. schlechte handschriftliche Wiedergabe als verkehrsübliche Wiedergabeform zu berücksichtigen wäre. Vorliegend kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr damit nicht festgestellt werden.

30

Auch für eine mittelbare Verwechslungsgefahr ergeben sich hier keine zureichenden Anhaltspunkte. Soweit eine mittelbare Verwechslungsgefahr nur aufgrund der Übereinstimmung im Einzelbuchstaben „P“ samt angehängter Zahl in Betracht kommen könnte, spricht zunächst der andere Aufbau der jüngeren Marke mit einem zusätzlichen Wort gegen eine solche Art der Verwechslungsgefahr. Angesichts der Häufigkeit von einfachen Buchstaben-Zahlenkombinationen als beschreibende wie auch als kennzeichnende Kürzel im täglichen Leben wäre für eine mittelbare Verwechslungsgefahr vor allem aber die Gewöhnung des Verkehrs durch intensive Benutzung einer entsprechenden „P“-Zeichenserie der Widersprechenden erforderlich. Hierfür bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte.

31

Damit kann eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden, so dass der Widerspruch von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden ist.

32

Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.

33

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, einem der Verfahrensbeteiligten aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.


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