Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “People WEAR ORGANIC (Wort-Bild-Marke)” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 607/10

Datum:
10.1.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 037 268.0
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Markenabteilung für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wort-/Bildmarke
2
mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 teilweise, nämlich für die Waren
3
„Bekleidungsstücke für Erwachsene, Kinder und Babys, Bademäntel, Babywindeln aus textilem Material; Schals; Handschuhe (Bekleidung); Sportbekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Felle, Schaffelle, Tierfelle, Schaf- und Lammfelle für Babys; Topflappen, Topfhandschuhe, Haushaltshandschuhe; Textilwaren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Tragetücher aus textilem Material; Stofftaschen; Stofftäschchen, Stoffbeutel; Tücher aus textilem Material“,
4
wegen fehlender Unterscheidungskraft und einem Freihaltungsbedürfnis zurückgewiesen. Die Marke habe in ihrer Gesamtheit die Bedeutung von „Menschen, das Volk tragen/trägt aus biologischem Anbau stammende Waren“. Es handle sich hierbei lediglich um warenbeschreibende Bestimmungsangaben.
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Auch wenn hier grammatikalisch kein vollständiger Satz wiedergegeben sei, werde das angesprochene Publikum die hierin enthaltene Warenanpreisung ohne weiteres erkennen. Dem Publikum bleibe dieser Aussagegehalt trotz einer gewissen syntaktischen Verkürzung unmittelbar verständlich, denn solche Wortbildungen seien in der allgemeinen Umgangssprache seit langem gebräuchlich. Auch die Werbesprache orientiere sich in immer stärkerem Maße an umgangssprachlichen Entwicklungen und Trends. Vor diesem Hintergrund komme der Bezeichnung keinerlei schutzbegründende Originalität oder Interpretationsbedürftigkeit zu.
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Der beschreibende Aussagegehalt „das Volk trägt aus biologischem Anbau stammende Waren“ sei dabei so deutlich und unmissverständlich, dass eine Funktion als sachbezogener Begriff nahegelegt sei und die beteiligten Verkehrskreise, die den Waren nahezu täglich im Alltagsleben begegneten, in dem Zeichen lediglich eine werbeschlagwortartige Anpreisung der Waren, nicht jedoch einen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen würden. Eine Mehrdeutigkeit, die unter Umständen für die Schutzfähigkeit sprechen könne, dränge sich hier nicht auf.
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Alle angeführten Bedeutungen (Menschen tragen aus biologischem Anbau stammende Waren; das Volk trägt aus biologischem Anbau stammende Waren) stünden im Zusammenhang mit einer werbeschlagwortartigen Anpreisung der Waren, nämlich in dem Sinn, dass es sich bei den Waren um eine besondere Qualität oder Art von Waren, nämlich solche aus biologischem Anbau handle, welche jeder (das Volk, die Menschen) trage.
8
Die graphische Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens begründe keine Schutzfähigkeit. Die konkret gewählte graphische Ausgestaltung des angemeldeten Zeichens erschöpfe sich in einer üblichen und in allen Bereichen des täglichen Lebens verwendeten Schreibweise, welche der bloßen Hervorhebung oder Ausschmückung, nicht aber der Kennzeichnung diene. Das in normaler Schreibschrift in seiner Größe hervorgehobene Wort „People“ dominiere die Marke und werde in zweizeiliger Anordnung durch die Druckbuchstaben in Großschrift „WEAR ORGANIC“ ergänzt. Diese führe in der Gesamtbetrachtung des angemeldeten Zeichens nicht zu einer ausreichenden bildhaften Verfremdung der nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteile.
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Auf die Eintragung von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken könne die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren nicht erfolgreich stützen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle in dem Umfang aufzuheben, in dem die Anmeldung zurückgewiesen wurde und die angemeldete Marke in vollem Umfang einzutragen.
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Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin weiterhin die Auffassung, die angemeldete Bezeichnung sei unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Dem Wort „People“ und seiner deutschen Übersetzung sei kein beschreibender Sachbezug zu den beanspruchten Waren zu entnehmen. Die Anmelderin verweist hierzu auf bereits im Amtsverfahren vorgelegte Nachweise über zahlreiche vom Deutschen Patent- und Markenamt und vom HABM eingetragene Marken mit dem Bestandteil „People“ und auf eine Senatsentscheidung in dem Verfahren 27 W (pat) 332/03, wonach die Bezeichnung „BEAUTIFUL PEOPLE“ für Waren der Klasse 25 schutzfähig sei. Ebenso wie bei „BEAUTIFUL PEOPLE“ werde das Publikum mit „People WEAR ORGANIC“ keinen bestimmten Abnehmerkreis assoziieren. Anhaltspunkte dafür, dass es auf dem Modesektor einen bestimmten Modestil gebe, der sich gezielt an Personen richte, die „biologisch angebaute“ Waren tragen, gebe es nicht.
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Für die Schutzfähigkeit spreche auch, dass die Bezeichnung eine in Deutschland nicht gebräuchliche Wortneuschöpfung sei, die auch im Englischen ungenau und auslegungsbedürftig sei, da es sich um keinen vollständigen Satz handle. Außerdem könne die Wortfolge auch im Zusammenhang mit verschiedenartigen Waren, z. B. aus dem Kosmetikbereich, Verwendung finden.
14
Schutzfähig sei die Marke auch wegen ihrer konkreten graphischen Ausgestaltung. Die Marke werde unverkennbar von dem Wort „People“ dominiert. Dieses sei deutlich größer als „WEAR ORGANIC“ und in einer auffälligen Handschrift dargestellt.
15
Die Annahme des Prüfers, bei der für die Darstellung des Wortes „People“ verwendeten Schriftart handle es sich um eine übliche und in allen Bereichen des täglichen Lebens verwendete Schreibweise, sei nicht richtig. Vielmehr sei die gewählte Schreibschrift mit den geschwungenen und nach rechts geneigten Buchstaben, der großen Unterlänge des „p“ in der Zeichenmitte sowie des diagonal geschwungenen Bogens des „P“ am Zeichenanfang individuell und eigentümlich und verleihe der Darstellung des Wortes „People“ einen sehr speziellen Eindruck.
16
Im vorliegenden Fall sei gerade die Darstellung des Wortes „People“ für die Beurteilung der Schutzfähigkeit von besonderer Bedeutung, da die unterschiedlichen Größenverhältnisse im Gesamtzeichen sowie die Verwendung von Schreibschrift im Gegensatz zur Druckschrift für den Zusatz „WEAR ORGANIC“ zu einer klaren Zweiteilung der Gesamtbezeichnung führten. Gerade aufgrund dieser Ausgestaltung werde das Publikum in dem Wort „People“ die eigentliche Marke erkennen.
17
Die Anmelderin beanstandet außerdem den Umfang der Zurückweisung, da ein Großteil der Waren nicht „getragen“ werde. „Felle, Schaffelle, Tierfelle, Schaf- und Lammfelle für Babys“ seien nicht weiterverarbeitete behaarte Tierhäute. Diese würden üblicherweise nicht „getragen“, sondern erst zu Kleidungsstücken oder anderen Waren weiterverarbeitet. Ebenso verhalte es sich mit den Waren „Topflappen, Topfhandschuhe, Haushaltshandschuhe; Textilwaren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Tücher aus textilem Material“, bei denen es sich jeweils nicht um Bekleidungsstücke handle.
II.
18
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
19
1. Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG) und ohne zeitliche Bindung. Die Anmelderin hat eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Nach Wertung des Senats ist diese auch nicht sachdienlich.
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2. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der angemeldeten Marke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat dies zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.
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a) Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Nrn. 27 ff. – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 FUSSBALL WM 2006). Die Schutzfähigkeit als Marke ist dabei stets anhand der angemeldeten Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.
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Ist – wie hier – die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (vgl. z. B. BGH BlPMZ 2000, 161 – Radio von hier).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren jegliche Unterscheidungskraft, da sie bezüglich dieser Waren einen ohne weiteres erkennbaren Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird. Die graphische Ausgestaltung überwindet dies nicht.
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Das hier angesprochene breite inländische Publikum wird ohne weiteres in der Lage sein, die zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wörter „People WEAR ORGANIC“ mit „Menschen tragen organisch“ zu übersetzen. In Bezug auf sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren enthält die Marke in ihrer Gesamtheit die Sachaussage, dass diese für Menschen bestimmt sind, die aus biologischem Anbau stammende Produkte tragen, dass “man organische Produkte“ tragen sollte bzw. dass es „in“ ist, dies zu tun.
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Ein entsprechendes Verständnis steht bei sämtlichen beschwerdegegenständlichen Waren im Vordergrund des Verständnisses, da diese entgegen der Auffassung der Anmelderin jeweils von Menschen getragen werden können. Dies gilt z. B. auch für die unterschiedlichen Tierfelle, die zu Bekleidungsstücken weiterverarbeitet werden können und die nach dem Warenverzeichnis für Babys bestimmt sind.
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Im Zusammenhang mit Fellen als Unterlagen und mit Topflappen wird das „wear“ im Sinn von „benutzten“ verstanden, so dass keine Differenzierung zu „tragbaren“ im Sinn von „anziehbaren“ Waren und Stoffen, die dazu verarbeitet werden, geboten ist.
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Neben einem Sachhinweis kann die angemeldete Wortfolge auch als werbeübliche Anpreisung der Waren verstanden werden, nämlich dass der Träger der so gekennzeichneten Waren darauf hinweise, er trage umweltverträgliche Produkte bzw. dass diese Waren für Menschen geeignet seien, die auf organische Eigenschaften Wert legen.
28
Dass es sich bei der Wortfolge nicht um einen vollständigen Satz handelt, weil an ihrem Ende ein Substantiv fehlt, begründet entgegen der Auffassung der Anmelderin keine Unterscheidungskraft. Das angesprochene Publikum wird nämlich auch der insoweit verkürzten Wortfolge den aufgezeigten beschreibenden Bedeutungsgehalt bzw. die aufgezeigte Werbebotschaft entnehmen.
29
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Anmelderin, bei dem angemeldeten Zeichen handle es sich um eine Wortneuschöpfung, die keine übliche und in Deutschland gebräuchliche Aussage sei. Selbst wenn ein Zeichen bislang für die beanspruchten Waren nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, fehlt ihm die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn es nur eine Sachaussage vermittelt aber keinen Hinweis auf den Hersteller. In Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren wird das Publikum der Bezeichnung in ihrer Gesamtheit den aufgezeigten Sachhinweis bzw. die aufgezeigte Werbebotschaft entnehmen.
30
Auch die graphische Ausgestaltung vermag die Schutzfähigkeit der Wortelemente nicht zu begründen. Zwar kann ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis durch eine besondere bildliche oder graphische Ausgestaltung nicht unterscheidungskräftiger Wortbestandteile erreicht werden. An diese Ausgestaltung sind aber umso größere Anforderungen zu stellen, je kennzeichnungsschwächer die fragliche Angabe ist (BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK).
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Die verwendete zweizeilige Schreibweise der Wortbestandteile in Handschrift und Druckbuchstaben sowie unterschiedlicher Größe sind einfache graphische Gestaltungsmittel, an die das Publikum gewöhnt ist. Die graphische Ausgestaltung ist nicht geeignet, den beschreibenden Charakter der Wortelemente zu überwinden.
32
Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nicht aus der Senatsentscheidung in dem Verfahren 27 W (pat) 332/03 – BEAUTIFUL PEOPLE und der Eintragung von Drittmarken mit dem Bestandteil „People“ durch das Deutsche Patent- und Markenamt und das HABM. Abgesehen davon, dass der Senat die Marken für nicht vergleichbar hält, kann die Anmelderin aus der Schutzgewährung für andere, ihrer Ansicht nach ähnlich gebildete Marken keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen – selbst identischer Marken – führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben (BGH BlPMZ 1998, 248 – Today). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (Markenrichtlinie, GMV) gilt nichts Abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. MarkenR 2009, 201 – Schwabenpost; GRUR 2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 428 – Henkel).
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3. Ob der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.


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