Aktenzeichen 28 W (pat) 84/09
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 305 05 529
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 vom 10. August 2007 und 16. April 2009 aufgehoben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen worden ist.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 958 325 wird die Löschung der Marke 305 05 529 in vollem Umfang angeordnet.
Gründe
I.
1
Gegen die am 20. Mai 2005 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke
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quadroGRÜN
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als Kennzeichnung für die Waren
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„Pflastersteine und Bodenplatten aus Beton“
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wurde Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren Wortmarke 958 325
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quadro
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die seit dem Jahr 1977 für die Waren
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„Pflastersteine; Bauelemente aus Beton für Mauern und Treppen“
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geschützt ist.
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Nachdem die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung erhoben hatte, ist die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts von der Benutzung der Widerspruchsmarke ausgegangen, hat aber zunächst den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat sie die teilweise Löschung der jüngeren Marke – nämlich für die Waren „Bodenplatten aus Beton“ – angeordnet, im Übrigen aber eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, „quadro“ habe in der italienischen Sprache die sachbezogene Bedeutung „quadratisch, viereckig“ mit der Folge, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bezogen auf die Ware „Pflastersteine“ geschwächt sei, da diese auch Produkte aus Naturstein umfassen könnten. Dies gelte nicht für die weiteren aus Beton hergestellten Waren der Widersprechenden, da insoweit ein Import aus Italien nach Deutschland ausgeschlossen sei und somit die beschreibende Verwendung der italienische Bezeichnung für die beteiligten Verkehrkreise nicht ernsthaft in Betracht komme.
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Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde und führt aus, es sei nicht nachzuvollziehen, warum der Widerspruch nicht insgesamt erfolgreich sein solle. Die einander gegenüberstehenden Waren seien sämtlich aus Beton, so dass sich die Diskussion über Natursteinprodukte erübrige. Für alle Waren sei jedenfalls eine Beschreibungseignung ausgeschlossen mit der Folge, dass von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen und insgesamt eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen sei.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen wurde und die angegriffene Marke auf den Widerspruch hin für alle Waren im Register zu löschen.
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Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist ihrer schriftsätzlichen Ankündigung folgend im Termin nicht erschienen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Die Löschung der angegriffenen Marke ist nicht nur im Umfang des angefochtenen Beschlusses, sondern darüber hinaus für sämtliche Waren anzuordnen, da zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
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In Übereinstimmung mit der Markenstelle geht der Senat von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für die geschützte Ware „Pflastersteine“ aus, da die Widersprechende die Verwendung ihrer Marke in branchenüblicher Weise im Zusammenhang mit der Ware sowie in erheblichem Umfang und bezogen auf beide nach § 43 Abs. 1 MarkenG relevanten Benutzungszeiträume glaubhaft gemacht hat.
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Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist auf die Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren und Dienstleistungen sowie auf die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken abzustellen. Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen, die sich auf die Gefahr von Verwechslungen auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Die einzelnen Faktoren sind dabei zwar zunächst voneinander unabhängig zu beurteilen, dann aber in der kollisionsrechtlichen Gesamtwürdigung in einer Art von Wechselbeziehung zu bewerten, so dass beispielsweise bei einem höheren Grad der Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr auch dann zu bejahen sein kann, wenn nur ein geringerer Grad der Markenähnlichkeit vorliegt und umgekehrt (vgl. BGH WRP 2006, 92, 93, Rdn. 12 – coccodrillo; sowie Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32 m. w. N.).
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Der Senat geht im vorliegenden Fall von einem von Haus aus allenfalls leicht eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da im Ergebnis konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Schwächung ihrer Kennzeichnungskraft nicht vorliegen. So ist das Wort „quadro“ in der italienischen Sprache lexikalisch (vgl. www.leo.org) zwar auch als Adjektiv für „quadratisch, viereckig“ nachweisbar, doch dürfte es hauptsächlich in der Bedeutung als Substantiv (Bild, Gemälde) Verwendung finden, was insbesondere die dort angeführten Wortverbindungen mit „quadro“ zeigen sowie weitere an erster Stelle stehende italienische Ausdrücke für „quadratisch“ (
quadratico
,
quadrato
) bzw. „viereckig“ (
quadrangolare
,
quadrato
) nahelegen. Im Zusammenhang mit den hier einschlägigen Waren weist das Online-Lexikon jedenfalls für „Quaderstein“ die Begriffe „bozza“ sowie „
pietra squadrata
“ aus, für „viereckig zuschneiden“ das Verb „
squadrare
qc.“ auf. Hinzu kommt, dass nach den Internet-Recherchen des Senats, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, die Bezeichnung „quadro“ im Zusammenhang mit Baumaterialien aus Kalksandstein, auch im Fließtext, überwiegend nach Art einer Marke verwendet wird. In diesem Zusammenhang hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung überzeugend und unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Widerspruchsmarke seit vielen Jahren an praktisch alle führenden Kalksandsteinhersteller in Deutschland für den Vertrieb bestimmter Kalksandsteine lizenziert. Soweit im Internet im Zusammenhang mit Steinsägen (www.brema-baugeraete.de) bzw. Trennscheiben (Katalog 2008 der Firma Diamant-Hemming unter www.produkt24.com) von Anwendungsempfehlungen für „
Quadrostein
(e)“ die Rede ist, beruht dies in erster Linie auf dem seit Jahren bestehenden Vertriebssystem der Widersprechenden, so dass ein Verständnis ausschließlich als Gattungsbezeichnung zu kurz greift.
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Selbst wenn man zugunsten der Markeninhaberin eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke unterstellt, kommt die jüngere Marke der älteren vor dem Hintergrund identischer Waren unmittelbar verwechselbar nahe. Dabei kann der in der angegriffenen Marke enthaltene Zusatz „
GRÜN
“ die Unterscheidbarkeit nicht herbeiführen, denn im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren handelt es sich um eine glatt beschreibende Angabe nach Art einer „grünen Produktlinie“, wie dies auf zahlreichen Warengebieten der Fall ist, dem der Verkehr aber keinerlei produktkennzeichnenden Charakter beimisst. Der durch Versalien aus dem Gesamtwort hervorgehobene Bestandteil „
GRÜN
“ weist vorliegend etwa darauf hin, dass die so gekennzeichneten Waren im Garten- und Landschaftsbereich zum Einsatz kommen oder besonderen Umweltschutzanforderungen genügen. Wegen dieser glatten Sachangabe liegt der Schwerpunkt des jüngeren Kennzeichens im Wortanfang „Quadro“, so dass sich im Ergebnis identische Marken gegenüberstehen. Selbst wenn man vor diesem Hintergrund eine Schwächung der älteren Marke berücksichtigt, reichen deren Abwehrmöglichkeiten jedenfalls soweit, dass über den Bereich der vollständigen Identität hinaus auch solche Verwechslungsfälle mitumfasst werden, bei denen in der jüngeren Marke lediglich eine glatt beschreibende Angabe dem identischen Markenwort hinzugefügt wird (vgl. schon Senat Beschluss vom 29.11.2000, 28W(pat)94/00 „
SANA
“ / „
SANABACK
“).
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Die angefochtenen Beschlüsse waren somit antragsgemäß aufzuheben und die vollständige Löschung des angegriffenen Zeichens anzuordnen.
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Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG).