Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “rosch/ROSCH INNOVATIONS AG Leading Technology Solutions (Wort-Bild-Marke)” – Warenidentität – Dienstleistungsähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  28 W (pat) 596/17

Datum:
5.4.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:050419B28Wpat596.17.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke DE 30 2013 003 279
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 5. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 15. Mai 2013 angemeldete Wortmarke DE 30 2013 003 279
2
rosch
3
ist am 24. März 2014 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:
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Klasse 6:
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Montagesysteme oder Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen aus Metall, zur Aufnahme und Befestigung (Verbindung) von Photovoltaikanlagen mit einem Dach; unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Schienenbaumaterial aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten; Profilbleche, insbesondere Stehfalzprofilbleche zur Dacheindeckung; Metallschienen sowie metallische Befestigungsmittel für Aufbauten von Metalldächern;
6
Klasse 9:
7
Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung; elektrische Verbindungen zum Anschluss von Photovoltaikanlagen; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität;
8
Klasse 37:
9
Errichtung von Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Errichtung von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Aufstellung von Montagesystemen oder Unterkonstruktionen von Photovoltaikanlagen; Wartung von Photovoltaikanlagen und Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen; Bauberatung im Zusammenhang mit Montagesystemen oder Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen, insbesondere bei der Auswahl der anzubringenden Montagesysteme oder Unterkonstruktion unter Beachtung der Dachkonstruktion.
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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Inhaberin der am 31. Januar 2013 angemeldeten und am 10. April 2013 eingetragenen Wort-/Bildmarke DE 30 2013 014 649
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11
am 30. Mai 2014 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen eingetragen:
12
Klasse 9:
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wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; bespielte Trägermedien (Datenträger); Computerhardware und -firmware; Computer-Software; vom Internet herunterzuladende Software; herunterladbare elektronische Publikationen; CDs; digitale Musik; Telekommunikationsapparate; Mausunterlagen; Zubehör für Mobiltelefone; Kontaktlinsen, Brillen und Sonnenbrillen; Unfall-, Strahlen- und Feuerschutzkleidung; Möbel für Laborzwecke; Produkte für Schweißarbeitsplatz, nämlich elektrische Kabel, Elektrodenhalter, Kabelkupplungen, Unfallschutzausrüstungen für Schweißer, nämlich Schweißschutzschilder, Schweißer-Masken und Schweißer-Handschuhe;
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Klasse 42:
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Dienstleistungen von Designern; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen, insbesondere Konstruktion von neuen Produkten, soweit in Klasse 42 enthalten; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Ingenieurdienstleistungen, einschließlich technisches Design, technische Beratung, Projektmanagement und Qualitätskontrolle; Durchführung technischer Machbarkeitsstudien in Bezug auf Energieerzeugung, Energienetze, Energieübertragung und -verteilung sowie Wasserversorgung; damit zusammenhängende Beratungs- und Informationsdienste; Recherche- und Entwicklungsdienste bezüglich neuer Produkte für Dritte; Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte, insbesondere Patentrecherchen, Markenrecherchen, Literaturrecherchen, wissenschaftliche Recherchen, Marktrecherchen; Edieren von Daten; Formatieren und Übertragen von Daten auf CD-Rohlinge (Premastering); Betrieb von Suchmaschinen für das Internet; elektronische Datenspeicherung; technische Beratung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software.
16
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 6, hat auf Grund des vorgenannten Widerspruchs mit Beschluss vom 7. September 2017 die teilweise Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke für folgende Waren und Dienstleistungen angeordnet:
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Klasse 9:
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Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität;
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Klasse 37:
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Errichtung von Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Errichtung von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Aufstellung von Montagesystemen oder Unterkonstruktionen von Photovoltaikanlagen; Wartung von Photovoltaikanlagen und Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen.
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Im Übrigen hat die Markenstelle den Widerspruch zurückgewiesen. Sie hat zur Begründung der Teillöschung der Eintragung der angegriffenen Marke ausgeführt, dass die Waren „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ (Klasse 9) identisch in beiden Waren-/Dienstleistungsverzeichnissen enthalten seien. Ferner seien die für die jüngere Marke geschützten Dienstleistungen
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„Errichtung von Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Errichtung von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Aufstellung von Montagesystemen oder Unterkonstruktionen von Photovoltaikanlagen; Wartung von Photovoltaikanlagen und Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen“ (Klasse 37)
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und die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen
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„Durchführung technischer Machbarkeitsstudien in Bezug auf Energieerzeugung, Energienetze, Energieübertragung und -verteilung“ (Klasse 42)
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ähnlich. Das angesprochene Publikum könne davon ausgehen, dass die beiderseitigen Dienstleistungen von demselben Auftragnehmer angeboten würden. Bei der Errichtung und Aufstellung von Photovoltaikanlagen müssten nämlich auch technische Berechnungs- und Planungsleistungen erbracht werden. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine normale Kennzeichnungskraft. Für das Vorliegen der behaupteten Erhöhung fehlten tatsächliche Anhaltspunkte. Die erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände ergebe, dass die angegriffene Marke den zu fordernden Abstand zur Widerspruchsmarke im Hinblick auf die von der Löschungsanordnung umfassten Waren und Dienstleistungen nicht einhalte. Die jüngere Marke sei zwar von der älteren Marke in der Gesamtheit ausreichend zu unterscheiden. Allerdings werde der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke durch den kennzeichnenden Bestandteil „ROSCH“, der mit der angegriffenen Marke klanglich übereinstimme, geprägt. Die Wortelemente „INNOVATIONS AG“ verfügten dagegen über eine lediglich beschreibende und erklärende Bedeutung, da sie im Sinne von „Innovationsgesellschaft“ verstanden würden.
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Dagegen hat der Inhaber der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt. Die Markenstelle sei rechtsfehlerhaft von einer Ähnlichkeit zu den vorgenannten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ausgegangen. Auch andere Dienstleistungen oder Waren der Widerspruchsmarke wiesen keine erhebliche Ähnlichkeit auf. Ferner bestehe keine verwechslungsbegründende Zeichenähnlichkeit. Beschreibende oder kennzeichnungsschwache Elemente dürften im Rahmen des Zeichenvergleichs nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Die Widerspruchsmarke werde als ein zusammengehöriger Herkunftshinweis mit sechs Wortbestandteilen verstanden. Es könne daher nicht angenommen werden, dass sie auf den Bestandteil „ROSCH“ verkürzt wird.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 6, vom 7. September 2017 aufzuheben, als die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke DE 30 2013 003 279 auf Grund des Widerspruchs aus der Marke DE 30 2013 014 649 angeordnet worden ist, und den Widerspruch auch insoweit zurückzuweisen.
29
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
30
die Beschwerde zurückzuweisen.
31
Die Markenstelle habe mit zutreffenden Erwägungen das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr festgestellt. Im Übrigen seien die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke und auch die Dienstleistungen „Ingenieurdienstleistungen, einschließlich technisches Design, technische Beratung, Projektmanagement und Qualitätskontrolle“ der Widerspruchsmarke ähnlich. Diese Leistungen würden praktische Ingenieurtätigkeiten im Bereich der Installation und des Betriebs von Photovoltaikanlagen umfassen.
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Ergänzend wird auf den angegriffenen Beschluss, das Vorbringen der Beteiligten sowie auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.
II.
33
Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke bleibt ohne Erfolg. Zwischen den Streitmarken besteht im beschwerdegegenständlichen Umfang Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die teilweise Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG angeordnet.
34
1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR Int. 2000, 899, Rdn. 40 – Marca Mode; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – BARBARA BECKER; BGH GRUR 2012, 64, Rdnr. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2016, 382, Rdnr. 22 – BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.
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Nach diesen Grundsätzen besteht für das Publikum in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen.
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a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Waren- bzw. Dienstleistungsidentität sowie -ähnlichkeit von den eingetragenen Waren und Dienstleistungen auszugehen.
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(1) Beide Streitmarken sind für die Waren
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„Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“
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eingetragen. Insoweit besteht Warenidentität.
40
(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bewertung der Markenstelle zutrifft, dass zwischen den Dienstleistungen der jüngeren Marke
41
„Errichtung von Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Errichtung von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Flächen, insbesondere Dachflächen; Aufstellung von Montagesystemen oder Unterkonstruktionen von Photovoltaikanlagen; Wartung von Photovoltaikanlagen und Unterkonstruktionen für Photovoltaikanlagen“
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und den Dienstleistungen der älteren Marke
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„Durchführung technischer Machbarkeitsstudien in Bezug auf Energieerzeugung, Energienetze, Energieübertragung und -verteilung“
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Ähnlichkeit besteht. Denn jedenfalls sind die für die Widerspruchsmarke registrierten Dienstleistungen
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„Ingenieurdienstleistungen, einschließlich technisches Design, technische Beratung, Projektmanagement und Qualitätskontrolle“
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und die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke zumindest durchschnittlich ähnlich.
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Dienstleistungen sind untereinander ähnlich, wenn die beteiligten Verkehrskreise angesichts objektiver Kriterien wie Art, Erbringung, Einsatzzweck und wirtschaftlicher Bedeutung der Auffassung sein können, die beiderseitigen Dienstleistungen würden üblicherweise von denselben Unternehmen erbracht werden (vgl. BGH GRUR 2016, 383, Rdnr. 21 – BioGourmet; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 9, Rdnr. 115). Die „Ingenieurdienstleistungen“ auf Seiten der Widerspruchsmarke umfassen Tätigkeiten im Bereich des Bauwesens, das zu den klassischen technischen Disziplinen rechnet (vgl. auch die Einordnung von „Dienstleistungen im Bereich des Bauingenieurwesens“ und von „Technische Beratungsdienstleistungen im Bauingenieurwesen“ in Klasse 42 der „Einheitlichen Klassifikationsdatenbank“ des Deutschen Patent- und Markenamts unter „https://www.dpma.de/marken/klassifikation/waren_dienstleistungen/index.html“). Zu Bauingenieurdienstleistungen gehören insbesondere die Beratung, Begutachtung und auch die Kontrolle sowie Aufsicht im Rahmen der Baurealisierung (vgl. ergänzend die erläuternden Anmerkungen zu Klasse 42 der Klassifikation von Nizza). Solche Tätigkeiten sind ihrem Inhalt nach typischerweise eng mit Bauausführungsmaßnahmen verknüpft und werden in der Praxis häufig aus einer Hand angeboten. Dementsprechend werden Ingenieurdienstleistungen auch im Rahmen der Errichtung bzw. Aufstellung von Unterkonstruktionen, Montagesystemen und Photovoltaikanlagen erbracht (vgl. Anlagen 1 – 4 zur gerichtlichen Mitteilung vom 19. Juni 2018). Die gilt gleichermaßen für die Wartung von Photovoltaikanlagen und deren Unterkonstruktionen, da in diesem Zusammenhang durch Ingenieure Kontrollen durchgeführt und Reparaturen veranlasst werden. Die in Rede stehenden „Ingenieurdienstleistungen, einschließlich technisches Design, technische Beratung, Projektmanagement und Qualitätskontrolle“ der älteren Marke und die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke weisen daher auf Grund ihrer Art, wirtschaftlichen Bedeutung und tatsächlichen Erbringung beachtliche Berührungspunkte auf.
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b) Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen wenden sich vornehmlich an Fachleute und fachlich interessierte Laien, die sich eine Photovoltaikanlage zulegen möchten oder eine solche bereits besitzen. Demzufolge ist von einer erhöhten Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung der Vergleichsmarken auszugehen.
49
c) Der Widerspruchsmarke kommt von Hause aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, da konkrete Anhaltspunkte für eine Steigerung durch umfangreiche Benutzung nicht vorliegen.
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d) Zwischen der jüngeren Wortmarke
51
rosch
52
und der älteren Wort-/Bildmarke
53
besteht in klanglicher Hinsicht eine jedenfalls überdurchschnittliche Ähnlichkeit.
54
Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift-) Bild und im Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (vgl. BGH MarkenR 2008, 393, Rdnr. 21 – HEITEC; GRUR 2011, 824, Rdnr. 26 – Kappa).
55
Zwar unterscheiden sich die Vergleichszeichen in der Gesamtheit auf Grund der Wortbestandteile „INNOVATIONS AG“ und „LEADING TECHNOLOGY SOLUTIONS“ der Widerspruchsmarke deutlich. Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist indessen der im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufene Gesamteindruck der Vergleichsmarken (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 843, Rdnr. 32 – Matratzen Concord; BGH GRUR 2012, 64, Rdnr. 15 – Maalox/Melox-GRY). Im Gesamteindruck eines zusammengesetzten Zeichens können ein oder mehrere Bestandteile eine prägende Stellung einnehmen. Hiervon ist auszugehen, wenn die anderen Elemente weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2013, 833; Rdnr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria). Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, ist eine derartige Fallgestaltung hier gegeben. Der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke wird – jedenfalls in klanglicher Hinsicht – durch ihre Komponente „ROSCH“ geprägt.
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(1) Die in der angegriffenen Marke enthaltene Wortfolge „INNOVATIONS AG“ bezeichnet in verständlicher Weise eine Aktiengesellschaft, die mit der Entwicklung oder Umsetzung von Innovationen befasst ist (vgl. zu entsprechenden Angaben die bereits in der gerichtlichen Mitteilung vom 8. Mai 2018 genannten Beispiele „1789 Innovations AG“, „Pyrum Innovations AG“, „HMW Innovations AG“, „Zen Innovations AG“ und „Innovations AG Siemens“). Der Aufbau der Wortkombination „ROSCH INNOVATIONS AG“ entspricht typischen Firmenbezeichnungen, bei denen dem Personennamen eines Gesellschafters Angaben zur Art des Geschäftsbetriebs und zur Rechtsform der Gesellschaft nachgeordnet sind. Eine besondere kennzeichnende Funktion kommt den Elementen „INNOVATIONS“ und „AG“ im Unterschied zu dem als Personen- oder Fantasienamen wirkenden Wort „ROSCH“ nicht zu.
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Zwischen den Wortbestandteilen „ROSCH“ und „INNOVATIONS AG“ besteht auch kein gesamtbegrifflicher Zusammenhang, der einer isolierten Artikulation des Elements „ROSCH“ entgegenwirken würde. Vielmehr entspricht es der allgemeinen Übung, eine vollständige Unternehmensbezeichnung im Interesse einfacher, aber aussagekräftiger klanglicher Wiedergabe auf die kennzeichnende Komponente, hier also „ROSCH“ zu verkürzen.
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Schließlich wird die bereits von ihrer Gestaltung her zurücktretende Wortfolge „LEADING TECHNOLOGY SOLUTIONS“, die darüber hinaus in Verbindung mit den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einen ersichtlich rein anpreisenden Inhalt hat, nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden. Sie tritt daher im klanglichen Gesamteindruck gegenüber dem Wortelement „ROSCH“ zurück.
59
(2) Auch die besondere grafische Ausgestaltung des Buchstabens „S“ verleiht der Wortfolge „INNOVATIONS AG“ im Gesamtzusammenhang keine kennzeichnende Funktion. Denn es handelt sich hierbei lediglich um einen üblichen werbegrafischen Effekt, der im Gesamteindruck nur unwesentlich hervortritt.
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Die prägende Stellung des Bestandteils „ROSCH“ innerhalb der Widerspruchsmarke ist selbst dann zu bejahen, wenn die Grafik am Ende der Buchstabenfolge „INNOVATION“ als unübliche Gestaltung des Buchstabens „S“ oder gar als Fantasiegebilde aufgefasst wird. In klanglicher Hinsicht ist nämlich von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung gegenüber einem Bildelement beimisst (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 455).
61
Damit stehen sich die identischen Begriffe „rosch“ und „ROSCH“ gegenüber, was unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein zusammengesetztes Zeichen handelt, eine hochgradige Ähnlichkeit der beiden Marken begründet.
62
e) Die gebotene Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass selbst unter Zugrundelegung einer erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise eine unmittelbar klangliche Verwechslungsgefahr zu befürchten ist, da die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen identisch bzw. zumindest durchschnittlich ähnlich sind, die Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist und sich die Vergleichsmarken hochgradig ähnlich gegenüber stehen.
63
Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke war daher zurückzuweisen.
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2. Zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass. Derartige Billigkeitsgründe wurden von den Beteiligten nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
65
3. Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren über die Beschwerde entscheiden. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 6. Juni 2018 zurückgenommen. Der entsprechende Antrag der Beschwerdegegnerin war nur für den Fall gestellt, dass die Beschwerde nicht zurückgewiesen wird (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Aus Sachdienlichkeit war eine Verhandlung ebenfalls nicht veranlasst (§ 69 Nr. 3 MarkenG).


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