Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “SAFETYSOUND” – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 501/10

Datum:
24.3.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 045 435.3
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortmarke

2
SAFETYSOUND

3

als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 6, 7 und 9

4

„Metallrohre; Abgasanlagen für verbrennungsmotorgetriebene Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge; Teile dieser Abgasanlagen, insbesondere Metallrohre, Schalldämpfer, Abgaskatalysatoren, Rußfilter, jeweils für sich oder gehaltert im zugehörigen Gehäuse; Schallgeber, Lautsprecher, Schallsensoren und Mikrofone, jeweils für sich oder gehaltert im zugehörigen Gehäuse; elektrische Steuergeräte und Computerprogramme zur Steuerung dieser Abgasanlagen und Teile dieser Abgasanlagen, insbesondere Schalldämpfer, Abgaskatalysatoren, Rußfilter, Schallgeber, Lautsprecher, Schallsensoren und Mikrofone“.

5

Die Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handle es sich um eine in der Wortstruktur und Semantik sprachüblich gebildete Wortzusammenfügung aus den englischen Begriffen „
SAFETY
“ und „
SOUND
“. Beide Wörter seien auch in der inländischen Fach- und Werbesprache gebräuchlich, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Maschinen und Fahrzeugen. Der Gesamtbegriff „
SAFETYSOUND
“ werde vom angesprochenen Publikum ohne Weiteres im Sinne von „Sicherheitsklang“ oder „Sicherheitsgeräusch“ verstanden. In dieser Bedeutung besitze die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren einen unmittelbar beschreibenden Charakter, da diese dazu geeignet bzw. dazu bestimmt sein könnten, zu Sicherheitszwecken Klänge und Geräusche zu erzeugen. Der Verkehr werde die Marke daher im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich als Sachhinweis auffassen und ihr keine Herkunftsfunktion beimessen. Aus diesem Grund fehlt der Marke bereits die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Wegen ihrer Beschreibungseignung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG stehe der beantragten Eintragung der Marke zudem ein Freihaltungsbedürfnis entgegen.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, der angemeldeten Marke fehle weder die erforderliche Unterscheidungskraft noch sei sie wegen eines schutzwürdigen Freihaltungsinteresses von der Eintragung ausgeschlossen. Die Schutzfähigkeitsprüfung müsse sich immer auf die Marke in ihrer Gesamtheit beziehen, so dass sich eine zergliedernde Betrachtungsweise verbiete. Vom Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG würden nur unmittelbar beschreibende Angaben erfasst, nicht dagegen beschreibende Angaben, die unklar und missverständlich blieben. Da die angemeldete Wortkombination keinen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt aufweise, ermögliche sie auch keinerlei Rückschlüsse auf produktbezogene Eigenschaften der verfahrensgegenständlichen Waren. Bei der Wortkombination „
SAFETYSOUND
“ handle es sich um eine sprachunüblich gebildete und mehrdeutige Wortneuschöpfung, die bislang nicht verwendet werde. Hinreichende Feststellungen, dass sich das Markenwort i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Merkmalsbeschreibung eigne, seien nicht ersichtlich. Nicht zuletzt aufgrund der Zusammenschreibung der beiden Wortbestandteile bleibe der Gesamteindruck des Markenworts vage und diffus. Selbst die allenfalls erkennbare Aussage „Sicherheitsgeräusch“ mache hinsichtlich der beanspruchten Waren wenig Sinn, so dass der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden könnten.

7

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

8

den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 7, vom 19. Oktober 2009 aufzuheben.

9

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Senat der Anmelderin verschiedene Fundstellen zu den Branchengegebenheiten auf dem hier vorliegenden Produktsektor übermittelt. Zum Termin der mündlichen Verhandlung ist die anwaltlich vertretene Anmelderin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen und hat auf telefonische Nachfrage erklärt, den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzunehmen und beantragt, nach Aktenlage zu entscheiden. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 10. März 2010 ins schriftliche Verfahren übergegangen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.
11

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der beantragten Eintragung der Marke stehen die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.

12

Das zentrale Anliegen des Markenrechts ist es, einen freien Waren– und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten, wie dies bereits im 1. Erwägungsgrund der Europäischen Markenrichtlinie (MarkenRichtl) ausdrücklich hervorgehoben wird. In ihrer Konzeption geht die MarkenRichtl dabei davon aus, dass Marken im europäischen Wirtschaftssystem eine wichtige ökonomische Rolle zukommt, aufgrund ihrer Monopolwirkungen aber durchaus auch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen besteht. Aus diesem Grund sind die absoluten Schutzhindernisse darauf ausgerichtet, die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit, insbesondere die Interessen der Mitbewerber am Erhalt eines ausreichenden Gestaltungsfreiraums, und die berechtigten Individualinteressen der Anmelder an der Erlangung von Markenschutz miteinander in Einklang zu bringen. Insoweit kommt dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG die „Aufgabe“ zu, dem Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit beschreibender Zeichen oder Angaben Rechnung zu tragen und die Entstehung markenrechtlicher Monopole an solchen Bezeichnungen zu verhindern. Nach diesem Ausschlusstatbestand sind alle Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die dazu dienen können, im Verkehr relevante Produktmerkmale zu beschreiben (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 – BIOMILD; BGH GRUR 2000, 211, 212 –
FÜNFER
). Dies gilt sowohl für Begriffe, die bereits lexikalisch belegbar sind, wie auch für Wortneubildungen mit einem derart unzweideutigen Aussagegehalt, dass sie zur Produktbeschreibung dienen können. Bei fremdsprachigen Begriffen ist ein Freihaltebedürfnis allerdings nur dann zu bejahen, wenn davon auszugehen ist, dass ihre beschreibende Bedeutung von den angesprochenen, inländischen Verkehrskreisen auch erkannt werden kann (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413, Rdn. 26 – Matratzen Concord/Hukla).

13

Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist immer die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit, wie dies die Anmelderin zutreffend vorgetragen hat. Trotzdem ist es zulässig, zunächst die Bedeutungsgehalte der einzelnen Bestandteile einer Wortverbindung zu bestimmen, um ihren semantischen Gehalt ermitteln zu können (vgl. hierzu EuGH, MarkenR 2007, 204, Rdn. 78-80 – Celltech; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID). In einem weiteren Schritt bleibt dann aber stets zu prüfen, ob zwischen der Wortverbindung in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer beschreibenden Bestandteile ein merklicher Unterschied besteht, beispielsweise aufgrund vorhandener syntaktischer oder semantischer Besonderheiten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 – SAT.2).

14

Bei der hier konkret angemeldeten Wortfolge „
SAFETYSOUND
“ handelt es sich um keinen lexikalisch nachweisbaren Begriff. Dieser Umstand lässt jedoch für sich genommen noch keine sicheren Rückschlüsse darauf zu, ob die angemeldete Marke als schutzfähiger Gesamtbegriff oder als schutzunfähige Angabe zu werten ist. Vielmehr muss auch bei so genannten Wortneuschöpfungen ermittelt werden, welcher standardsprachlicher Bedeutungsgehalt ihnen zuzuordnen ist (vgl. hierzu EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID). Der sprach- und werbeüblichen Kombination der beiden englischen Substantive „
SAFETY
“ und „
SOUND
“ lässt sich nach den allgemeinen Sprachbildungsregeln (vgl. hierzu etwa technische Sachbegriffe wie „
safety
signal“ = Sicherheitssignal, „
safety
agent“ = Sicherungsmittel, „
safety
closure“ = Sicherheitsverschluss, sowie „
safety
lock“ = Sicherheitsverschluss) als naheliegendster Bedeutungsgehalt die Aussage „Sicherheitsgeräusch, Sicherheitston“ zuordnen (vgl. hierzu Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, 2001 – Stichworte: „
Safety
“ und „
Sound
“). Dieser Bedeutungsgehalt ist für den inländischen Verkehr auch ohne Weiteres verständlich, zumal nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen immer der mit den fraglichen Waren befasste Handel zu zählen ist, der über besonders qualifizierte Sprachkenntnisse verfügt (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 ff., Rdn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723, 725, Rdn. 29 – Chiemsee).

15

Die Markenstelle hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt, dass es schon seit langem auf zahlreichen Warengebieten üblich ist, mit Sicherheitstönen bzw. -geräuschen auf bestimmte Gefahrensituationen hinzuweisen, nicht zuletzt bei Fahrzeugen. Der Anwendungsbereich solcher akustischer Assistenzfunktionen umfasst ein breites Spektrum von Sachverhalten und reicht von der Verwendung von Sicherheitstönen als Gurtwarner, Abstandsmelder oder Einparkhilfen bei Pkws, über Warntöne beim Überschreiten bestimmter Entfernungsänderungen bei Schiffen, bis hin zu akustischen Signalen im Luftverkehr zur Unterstützung der Piloten, wie etwa Kollisionswarnungen oder Warnsignale für die Grenzwertüberwachung. Der Einsatz von akustischen Signalen für die Betriebssicherheit von Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen ist also allgemeiner Standard. Aktuell spielen „geräuschgebende Systeme“ darüber hinaus im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer, besonders geräuscharmer Motorentypen eine zentrale Rolle. Da diese Motoren, wie beispielsweise Elektromotoren, lediglich minimale Eigengeräusche erzeugen, soll hier über ein künstliches
Sound
design ein Mindest-Geräuschpegel geschaffen werden, der vor allem das Gefahrenpotenzial für Fußgänger minimieren soll (vgl. hierzu etwa unter http://www.derwesten.de/wp/region/Vorsicht-stille-Gefahr-id2445706.html). Diese Geräusch-Simulationen werden deshalb u. a. auch als „Sicherheits-Geräusche“ bezeichnet (vgl. hierzu unter http://www.wattgehtab.com/sonstige-komponenten/lotus-engineering-motorgerausch-simulator-fur-elektroautos-2119). Dies verdeutlicht die Eignung des angemeldeten Markenwortes „
SAFETYSOUND
“ zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen zu können, indem es darauf hinweisen kann, dass die betreffenden Waren mit akustischen Sicherheitsmechanismen ausgestattet sind bzw. für eine entsprechende, akustische Signalgebung bestimmt sind, wie bspw. die beanspruchten Schallgeber, Lautsprecher, Schallsensoren und Mikrofone. Das angemeldete Markenwort bleibt somit in seiner produktbezogenen Aussage keineswegs – wie die Beschwerdeführerin sinngemäß vorträgt – vage oder diffus, sondern ist im Hinblick auf sämtliche beanspruchten Waren als unzweideutiger Sachhinweis auf die Beschaffenheit bzw. den Bestimmungszweck der beanspruchten Waren zu werten. Soweit die Anmelderin sinngemäß geltend macht, die angemeldete Bezeichnung sei schon aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit schutzfähig, bleibt auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen, nach der ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es – wie hier – zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Waren bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT). Auch die sprachübliche Aneinanderreihung der beiden Wortelemente „
SAFETY
“ und „
SOUND
“ weist keinerlei schutzbegründendes Merkmal auf. Die Verwendung solcher, grammatikalisch inkorrekter Schreibweisen in einem einheitlichen Wort zählt seit langem zur allgemeinen Werbepraxis und nimmt dem Zeichen nicht die dargestellte Eignung zur Merkmalsbeschreibung.

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Als sprachübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Wortelemente, aus der sich eine ebenfalls beschreibende Gesamtbezeichnung ergibt, steht der Eintragung der Marke ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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Der angemeldeten Marke fehlt zudem jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Angesichts des im Vordergrund stehenden, produktbezogenen Sinngehalts der angemeldeten Marke ist davon auszugehen, dass sie die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich als Hinweis auf Art bzw. Bestimmungszweck der beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffassen werden, nicht aber als unternehmensbezogenen Herkunftshinweis. Die gewählte, grammatikalisch inkorrekte Schreibweise der Marke in einem einheitlichen Wort entspricht einer weit verbreiteten Werbepraxis, an die der angesprochene Verkehr seit langem gewöhnt ist, weshalb er der konkreten Schreibweise keine betriebskennzeichnende Eigentümlichkeit, sondern allenfalls einen mehr oder weniger starken Werbeeffekt beimessen wird (vgl. EuG Mitt. 2004,436 –
bestpartner
). Die angemeldete Marke verfügt somit nicht über die Eignung, für die angesprochenen Verbraucher die Ursprungsidentität der fraglichen Waren und Dienstleistungen zu garantieren. Bei dieser Sachlage widerspricht es dem im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigenden Allgemeininteresse, die Marke der ungehinderten Verwendung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen.

18

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.


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