Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – „Schlossdealer“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 614/11

Datum:
20.2.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 030 200.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. Februar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Jacobi beschlossen:
1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 06, vom 5. September 2011 wird auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses aufgehoben.
2. Der Gegenstandswert wird auf … EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen 30 2011 030 200.6
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Schlossdealer
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ist am 31. Mai 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 06:
Schlösser aus Metall (ausgenommen elektrische), Schlüssel, Eisen- und Metallwaren;
Klasse 40:
Schlüsselkopierdienst, Metallbearbeitung;
Klasse 45:
Öffnen von Türschlössern;
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angemeldet worden.
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Die Markenstelle für Klasse 06 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 5. September 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen „Schlossdealer“ benenne lediglich Art und Anbieter der beanspruchten Produkte, indem es auf einen „Schlosshändler“ oder einen „Händler für Schlösser“ hinweise. Von einem solchen erwarteten die angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Möglichkeit des Erwerbs der so gekennzeichneten Metallschlösser und Schlüssel und der damit in Zusammenhang stehenden Eisen- und Metallwaren. Darüber hinaus sei es für den Verkehr nahe liegend, dass ein „Händler für Schlösser“ entsprechend den Leistungen eines Schlüsseldienstes, dazugehörige Dienstleistungen erbringe, wie das Kopieren von Schlüsseln, die Bearbeitung von Metallschlüsseln und –schlössern oder das Öffnen von Türschlössern. Die Kombination des deutschen Wortes „Schloss“ mit dem englischen oder eingedeutschten Begriff „dealer“ sei sprachüblich und eigne sich nicht als Unterscheidungsmittel. Es bestehe deshalb auch ein Freihaltebedürfnis.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Begriff „Schlossdealer“ sei nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Das Anmeldezeichen löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine produktbezogene Vorstellung dahingehend aus, es müsse sich um einen Händler von Metallschlössern und Schlüsseln bzw. von Eisen- und Metallwaren handeln. Unter den Begriff „Schlossdealer“ lasse sich auch ein Händler von „Schlössern im architektonischen Sinn“ verstehen. Das Anmeldezeichen sei deshalb unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 hat der Anmelder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis beschränkt auf die Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 06: Eisen- und Metallwaren, nämlich Geländer, Zäune und Türen;
9
Klasse 40: Metallbearbeitung für Geländer, Zäune und Türen;
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und im Hinblick auf den Gegenstandswert vorgetragen, das Anmeldezeichen werde bereits seit zwei Jahren benutzt.
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Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 06, vom 5. September 2011 aufzuheben und
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den Gegenstandswert festzusetzen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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Der Eintragung des Anmeldezeichens „Schlossdealer” steht nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
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1. Dem Anmeldezeichen kann für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953, Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. – FUSSBALL WM 2006).
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b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens zu bejahen; denn „Schlossdealer“ weist für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.
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Das in seiner Kombination lexikalisch nicht erfasste Anmeldezeichen setzt sich zusammen aus den Worten „Schloss“ und „Dealer“. Ein „Schloss“ bezeichnet in der deutschen Sprache zum einen ein architektonisches Gebilde im Sinne eines meist mehrflügeligen (den Baustil seiner Zeit und den Prunk seiner Bewohner repräsentierenden) Wohngebäudes des Adels. „Schloss“ ist auch der Begriff für eine (an Türen und bestimmten Behältern angebrachte) Vorrichtung zum Verschließen. Schließlich bezeichnet „Schloss“ ein bewegliches Teil an Handfeuerwaffen (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim, 2006, CD-ROM). Der Begriff „dealer“ entstammt dem englischen Grundwortschatz und bezeichnet einen „Händler“ (Langenscheidts Schulwörterbuch Englisch, 1986). Hiervon abgeleitet ist ein „Dealer“ in der deutschen Jargon-Sprache eine Person, die mit Rauschgift handelt (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).
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Der neben dem Fachverkehr von den beanspruchten Produkten auch angesprochene normal informierte Durchschnittsverbraucher wird das Anmeldezeichen „Schlossdealer“ ohne weiteres als Hinweis auf einen „Schlosshändler“ verstehen.
22
Hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klasse 06 „Eisen- und Metallwaren, nämlich Türen“ wäre insoweit ein Verständnis von „Schloss“ als Schließvorrichtung denkbar, da Türen an ihrem Einbauort üblicherweise mit Schlössern ausgestattet werden. Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise das Anmeldezeichen in dieser Weise und deshalb insgesamt als Hinweis auf eine Person, die mit Schlössern im o. g. Sinn handelt, verstehen sollten, wird die Ware „Eisen- und Metallwaren, nämlich Türen“ mit „Schlosshändler“ nicht unmittelbar beschrieben. Der Begriff „Schlossdealer“ stellt insoweit auch keinen für die Annahme der fehlenden Unterscheidungskraft ausreichend engen beschreibenden Bezug zu der fraglichen Ware her. Ein denkbarer beschreibender Gehalt ist für die angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls nicht ohne weiteres ersichtlich (BGH a. a. O., Rdnr. 10 – Starsat; a. a. O., Rdnr. 12 – Link economy).
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Hinsichtlich der Waren der Klasse 06 „Eisen- und Metallwaren, nämlich Geländer, Zäune“ drängt sich eine beschreibende Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise schon deshalb nicht auf, weil diese Waren nicht mit Vorrichtungen zum Verschließen ausgestattet sind.
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Für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 40 „Metallbearbeitung für Geländer, Zäune und Türen“ ist ein beschreibender Bezug ebenfalls nicht erkennbar.
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2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen steht dem Anmeldezeichen auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
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3. Der Gegenstandswert war auf Antrag des Anmelders gemäß §§ 33, 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG auf … EUR festzusetzen.
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Dem Interesse eines Anmelders an der Eintragung seiner Marke kommt das gleiche wirtschaftliche Gewicht zu, wie dem Interesse des Inhabers einer bereits eingetragenen Marke daran, einen Widerspruch gegen die Eintragung seiner Marke abzuwehren (BPatG 24 W (pat) 18/10 – Festsetzung des Gegenstandswertes im Anmeldebeschwerdeverfahren; Knoll, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, 2012, § 71 Rdnr. 34). Das zuletzt genannte Interesse ist bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, regelmäßig auf … EUR zu schätzen (vgl. BGH GRUR 2006, 704 – Markenwert; BPatG 28 W (pat) 13/11, Beschluss vom 21. Januar 2013 – Churruca); somit auch hier. Dieses Ergebnis entspricht auch der aktuellen Entscheidungspraxis des Bundesgerichtshofs in markenrechtlichen Anmelde-Beschwerdeverfahren (BGH GRUR 2012, 272 – Rheinpark-Center Neuss; GRUR-RR 2012, 135 – Rheinpark-Center).
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Gesichtspunkte dafür, das wirtschaftliche Interesse des Anmelders an der Eintragung seines angeblich seit zwei Jahren benutzten Anmeldezeichen mit einem Betrag über oder unter … EUR zu bewerten, sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, insbesondere fehlen nähere Ausführungen des Anmelders zum Umfang und der Intensität der geltend gemachten Benutzung des Zeichens.


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