Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – zur Rechts- und Parteifähigkeit einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Partei – Marke als vermögenswertes Recht – Verteidigung des Widerspruchsrechts als sonstige Abwicklungsmaßnahme – Widerspruch wird nicht auf Marke mit älterem Zeitrang gestützt – Unzulässigkeit – Aufhebung der Entscheidung des DPMA – Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen

Aktenzeichen  26 W (pat) 531/16

Datum:
4.7.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:040718B26Wpat531.16.0
Normen:
§ 394 Abs 1 FamFG
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
§ 6 Abs 2 MarkenG
§ 71 Abs 3 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke…
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Juli 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Jacobi und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
2. Der Widerspruch aus der Marke … als unzulässig verworfen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Die Wort-/Bildmarke (schwarz/weiß)

2
ist am 4. Oktober 2012 angemeldet und am 18. April 2013 unter der Nummer … in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren der Klassen 3 und 34 eingetragen worden.
3
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 24. Mai 2013 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus der Wortmarke
4

5
die am 8. November 2012 angemeldet und am 19. Februar 2013 unter der Nummer … in das beim DPMA geführte Register für Waren der Klassen 5, 11 und 34 eingetragen worden ist.
6
Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 hat die Markenstelle für Klasse 34 des DPMA eine unmittelbare Verwechslungsgefahr gemäß §§ 43 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei hochgradiger Ähnlichkeit der Vergleichswaren hielten die Kollisionsmarken den erforderlichen Abstand wegen Identität der Wortbestandteile nicht ein.
7
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit der Begründung, dass der Widerspruch bereits mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 zurückgenommen worden sei.
8
Sie beantragt sinngemäß,
9
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 34 des DPMA vom 18. Juni 2015 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke … zurückzuweisen.
10
Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Sie ist ausweislich des Handelsregisters des Amtsgerichts Wuppertal (HRB …) seit dem 19. Februar 2016 gemäß § 394 Abs. 1 FamFG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
11
Der Schriftsatz vom 8. Januar 2014 mit der Rücknahmeerklärung hatte sich auf den ebenfalls erhobenen, unzulässigen Widerspruch aus dem gleich lautenden Unternehmenskennzeichen, nicht aber auf den beschwerdegegenständlichen Widerspruch aus der Wortmarke … bezogen, worauf der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 9. Juni 2016 hingewiesen hat.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
13
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
14
1. Dass die Inhaberin der angegriffenen Marke seit dem 19. Februar 2016 gemäß § 394 Abs. 1 FamFG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht wurde, ist ohne Einfluss auf die Rechts- und Parteifähigkeit der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren.
15
a) Die Löschung der Widersprechenden hätte nämlich nur dann den Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft zur Folge, wenn kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden wäre (vgl. BGH NJW 2015, 2424 Rdnr. 19) oder keine Abwicklungsmaßnahmen mehr durchgeführt werden müssten.
16
b) Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn eine solche Abwicklungsmaßnahme ist in Passivprozessen auch die Wahrnehmung der Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten (BPatG 26 W (pat) 13/10 – EVONIC; 33 W (pat) 264/98 – copal/ICOPAL). Ferner existiert nach wie vor die für die Widersprechende registrierte Marke „…“ (…) als vermögenswertes Recht. Die Verteidigung des Widerspruchsrechts aus dieser Marke im anhängigen Beschwerdeverfahren ist eine sonstige Abwicklungsmaßnahme. Deshalb ist die Widersprechende ungeachtet ihrer Löschung nach wie vor rechts- und parteifähig.
17
2. Der Widerspruch ist unzulässig, weil er nicht auf eine Marke mit älterem Zeitrang gestützt wird.
18
a) Nach §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann von dem Inhaber einer Marke mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung einer Marke Widerspruch erhoben werden, der darauf gestützt wird, dass die Marke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann.
19
Nach § 6 Abs. 2 MarkenG ist für die Bestimmung des Zeitrangs von angemeldeten oder eingetragenen Marken der Anmeldetag (§ 33 Abs. 1 MarkenG) oder, falls eine Priorität nach § 34 MarkenG oder nach § 35 MarkenG in Anspruch genommen wird, ein (früherer) Prioritätstag maßgeblich.
20
b) Die Widerspruchsmarke, die keine Priorität nach §§ 34, 35 MarkenG in Anspruch nimmt, ist am 8. November 2012, also über einen Monat nach der Anmeldung der angegriffenen Marke, die am 4. Oktober 2012 erfolgt ist, angemeldet worden. Sie verfügt also nicht über einen älteren Zeitrang, was aber Voraussetzung für eine Löschung wegen Verwechslungsgefahr nach §§ 43 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist. Der Tag der Eintragung, die bei der Widerspruchsmarke am 19. Februar 2013, also vor der erst am 18. April 2013 registrierten angegriffenen Marke erfolgt ist, spielt keine Rolle, weil die Priorität der Registermarke vor dem Recht selbst entsteht (vgl. Kur/v. Bomhard/Albrecht/Weiler, Markenrecht, 1. Aufl., § 6 MarkenG Rdnr. 11).
21
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG aus Gründen der Billigkeit anzuordnen, weil die Markenstelle bei ihrer Beschlussfassung eindeutige gesetzliche Vorschriften unbeachtet gelassen hat (BPatG GRUR-RR 2008, 261 – Markenumschreibung; 24 W (pat) 530/11 – Goldeneye PERMANENT SYSTEM) und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.

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