Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Verfahren zur Darstellung und Lieferung von Daten an einen Nutzer eines Netzwerks” – zur Beurteilung der Patentfähigkeit

Aktenzeichen  5 Ni 53/16 (EP)

Datum:
17.7.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:170719U5Ni53.16.0
Normen:
Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG
Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk
Art 54 EuPatÜbk
Art 56 EuPatÜbk
Spruchkörper:
5. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 126 674
(DE 600 31 088)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2019 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens, den Richter Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer, den Richter Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny sowie durch den Richter Dipl.-Phys. Univ. Bieringer
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 126 674 (Streitpatent), das am 12. Juli 2000 angemeldet wurde und die Prioritäten zweier deutscher Patentanmeldungen (DE 199 62 937 vom 24.12.1999 und DE 100 23 843 vom 16.5.2000) in Anspruch nimmt. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter der Nummer DE 600 31 088 geführt.
2
Es trägt die Bezeichnung „Method and device for presenting data to a user (Verfahren und Gerät zur Bereitstellung von Daten für einen Benutzer)“ und umfasst 31 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
3
Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 16 und 17 lauten nach der Streitpatentschrift EP 1 126 674 B1 wie folgt:
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4
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift haben diese Ansprüche folgenden Wortlaut:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
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5
Wegen der Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
6
Mit ihrer Klage vom 29. Juli 2016 macht die Klägerin geltend, die Gegenstände des Streitpatents seien gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 a iVm Art. 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig, da sie gegenüber dem Stand der Technik nicht neu seien, jedenfalls aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
7
Ihren Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf folgende Druckschriften:
8
K5 WO 99 / 38 080 A1
9
K6 US 5 612 897 A
10
K7 WO 98 / 31 115 A2
11
K8WO 98 / 49 617 A2
12
K9 US 5 442 749 A
13
K11 TISCHER, M. & JENNRICH, B.: Internet, intern, Technik & Programmierung. Data Becker GmbH & Co. KG : Düsseldorf. Titelseite und Impressum, S. 234 – 237 und S. 642. ISBN 3-8158-1160-0
14
K12 WO 98 / 31 116 A2
15
K13 KR 10-020 59 54 B1
16
K13a US 6 222 536 B1
17
K13b nicht beglaubigte englische Übersetzung der Druckschrift K13
18
Die Klägerin beantragt,
19
das europäische Patent 1 126 674 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
20
Die Beklagte beantragt,
21
die Klage kostenpflichtig abzuweisen,
22
hilfsweise nach Maßgabe eines der Hilfsanträge gemäß Schriftsätzen vom 18.04.2019 und 05.07.2019 in folgender Reihenfolge: I, Ia, II, III, IV, IVa, V, Va, VI, VIa, VII, VIIa, VIII, VIIIa, IX, X, Xa, XI, XIa.
23
Wegen der Fassungen der Hilfsanträge wird auf die Anlagen zu den Schriftsätzen vom 18.04.2019 (Hilfsanträge I bis XI) und vom 05.07.2019 („a-Hilfsanträge“) Bezug genommen.
24
Die Klägerin hält die Nichtigkeitsklage auch gegenüber den hilfsweise verteidigten Fassungen aufrecht.
25
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie ist der Auffassung, die Erfindung sei durch den Stand der Technik nicht vorweggenommen oder nahegelegt. Jedenfalls in einer der Fassungen nach den Hilfsanträgen habe das Streitpatent Bestand.
26
Der Senat hat den Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 14. März 2019 die Gesichtspunkte mitgeteilt, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.

Entscheidungsgründe

A.
27
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet, da der von der Klägerin behauptete Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit, insbesondere ausgehend von der Druckschrift K5, nicht vorliegt.
28
Der Senat hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung durch die Klage abweisendes Endurteil entschieden und damit dem Antrag der Klägerin auf Vertagung, hilfsweise auf Schriftsatznachlass nicht entsprochen. Zuvor hatte der Vorsitzende als Ergebnis einer Zwischenberatung den Parteien mitgeteilt, dass die Druckschrift K5 entgegen der vorläufigen Auffassung im Hinweis vom 14.03.2019 dem Streitpatent nicht neuheitschädlich entgegengehalten werden könne und damit nochmals die bereits nach einer vorangegangenen Zwischenberatung geäußerte geänderte Ansicht des Senats bestätigt. Die unter dem Eindruck der Ausführungen der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung erfolgte Änderung der rechtlichen Beurteilung durch den Senat rechtfertigt weder die Vertagung noch eine Schriftsatzfrist für die Beklagte, zumal auch in den zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nach Zustellung des Hinweises vom 14.03.2019 die Diskussion schwerpunktmäßig und kontrovers über die behauptete Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift K5 geführt wurde. Mit Schriftsatz vom 18.04.2019 hatte die Klägerin im Übrigen weitere Angriffslinien sowohl zur fehlenden Neuheit als auch zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit dargelegt sowie mit Schriftsatz vom 27.05.2019 nochmals zur Druckschrift K5 vorgetragen.
29
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
30
1. Das Streitpatent betrifft laut Absatz [0001] ein Verfahren und ein Gerät zur Darstellung und Lieferung von Daten für bzw. an einen Nutzer (“user”) eines Netzwerks. Ein Beispiel eines solchen Netzwerks sei das Internet oder World Wide Web und das Verfahren der Erfindung in Servern implementiert, die mit dem Netzwerk verbunden sind. Weiter betrifft die vorliegende Erfindung ein Verfahren zum Speichern von Datenelementen in einer Datenbank und eine dazugehörige Datenbank.
31
In herkömmlichen Verfahren zur Darstellung und Lieferung von Daten im Internet werde eine Anordnung verwendet, die schematisch in den Figuren 2a und 2b gezeigt werde. Ein User richte mit Hilfe von Protokollen in einem Server 3 eine Verbindung zu einer Applikation 1 ein, wobei diese Zugriff auf eine Datenbank 2 habe. Die Daten würden als Seiten dargestellt, wobei einzelne Seiten über Links miteinander verbunden sind. Diese Seiten würden an den User geliefert und durch Treffen einer Auswahl auf den gezeigten Seiten könne er direkt oder indirekt einen Link so bestimmen, dass die Auswahl eines Links von einer Seite zu einer anderen führe. So könne sich der User durch die Daten in der Datenbank 2 bewegen. Ein Nachteil dieses Konzepts sei, dass der User keinen Einfluss auf die vorbestimmte Datenstruktur habe und gezwungen sei, sich entlang der vorbestimmten Links zu bewegen. Ein weiterer Nachteil sei, dass hiermit ein hohes Sicherheitsrisiko verbunden sei, denn die durch die Seitenhierarchie offenkundig gemachte Anordnung könne analysiert werden und dadurch Information über die Anordnung der Datenbank 2 nach außen gelangen. Mit dieser Information und durch Ausnutzen des Zugangs der Applikation 1 zu der Datenbank 2 könne ein böswilliger User das System “zurückverfolgen”, um Zugang zu der Datenbank zu erlangen und Zugriff auf darin befindliche sensible Daten zu erlangen. So sei es möglich, einen Web-Server oder eine Website zu “kapern” und die Inhalte und die Darstellung gegen den Willen des Server-Bedieners zu verändern. Aus dem Stand der Technik sei als Gegenmaßnahme bekannt, ein Dokumentenveröffentlichungssystem im Internet vorzusehen, das ein spezielles, “Dienst” genanntes, Protokoll zum Finden bzw. Ermitteln und Analysieren von Dokumenten verwende. Jedes Dokument in dem “Dienst” weise einen einzigartigen, DocID genannten Identifikator auf. Die DocID weise drei Komponenten auf: eine Namenskonvention, einen Herausgeber und eine Nummer. Um sicherzustellen, dass jede DocID einzigartig ist, garantiere jede Komponente, dass die nächste Komponente einzigartig sei (Streitpatent, Abs. [0002] bis [0006]).
32
Als Aufgabe wird im Streitpatent genannt, ein verbessertes Konzept der Darstellung und Lieferung von Daten für bzw. an einen User über ein Netzwerk vorzusehen, das unter anderem die Sicherheit verbessere (Streitpatent, Abs. [0007]).
33
2. Gelöst sieht das Streitpatent diese Aufgabe durch die nebengeordneten Patentansprüche 1, 16 und 17, die sich wie folgt gliedern lassen:
34
Patentanspruch 1
35
M       
englisch
deutsche Übersetzung gem. Streitpatentschrift
1.a     
A method of presenting data that are stored in a data storage device (2) of a data server (3) to a user,
Verfahren zum Darstellen von Daten, die in einer Datenspeichervorrichtung (2) auf einem Datenserver (3) gespeichert sind, für einen Anwender,
1.b     
said user accessing said data server over a network, where
wobei der Anwender auf dem Datenserver über ein Netzwerk zugreift, wobei
1.b1   
in the process between accessing the server and presenting the data
im Prozess zwischen dem Zugriff auf den Server und dem Darstellen der Daten
1.b2   
at least one data path is used over which control data associated with the selection of data is sent,
zumindest ein Datenpfad verwendet wird, über den Kontrolldaten, die mit der Auswahl von Daten assoziiert sind, gesendet werden,
1.b3   
said at least one data path being unidirectional.
wobei der zumindest eine Datenpfad unidirektional ist.
36
Patentanspruch 16
37
M       
englisch
deutsche Übersetzung gem. Streitpatentschrift
16.a   
A computer program product
Computerprogrammprodukt,
16.b   
comprising a computer program
das ein Computerprogramm umfasst,
16.c   
arranged to perform the method of one of claims 1 to 15 when executed on a computer.
ausgelegt für das Durchführen des Verfahrens eine[s]r der Ansprüche 1 bis 15, wenn auf einem Computer ausgeführt.
38
Patentanspruch 17
39
M       
englisch
deutsche Übersetzung gem. Streitpatentschrift
17.a   
A data server (3) for presenting data that are stored in a data storage device (2) of said data server (3)
Datenserver (3) zum Präsentieren von Daten, die in einer Datenspeichervorrichtung (2) auf dem Datenserver (3) gespeichert sind,
17.b   
to a user over a network, where said data server (3) is arranged in such a way that
einem Anwender über ein Netzwerk, wobei der Datenserver (3) in solch einer Weise ausgelegt ist, dass
17.b1 
in the process between accessing the server and presenting the data,
im Prozess zwischen Zugreifen auf den Server undPräsentieren der Daten
17.b2 
at least one data path is used over which control data associated with the selection of data is sent,
zumindest ein Datenpfad verwendet wird, über welchen mit der Auswahl von Daten assoziierte Kontrolldaten gesendet werden,
17.b3 
said at least one data path being unidirectional.
wobei der zumindest eine Datenpfad unidirektional ist.
40
3. Der Gegenstand des Streitpatents richtet sich an einen Diplom-Informatiker mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption und praktischen Umsetzung des Datenaustausches und der Kommunikation zwischen Clients und Servern in digitalen Netzwerken.
41
4. Der Senat legt den nebengeordneten Patentansprüchen 1, 16 und 17 folgendes Verständnis zu Grunde:
42
Beim Gegenstand des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 handelt es sich um ein softwarebasiertes Verfahren zur nutzerangeregten („user“) Darstellung von auf einem Server („server 3“) abgelegter Information („data“), welcher Speichermittel („data storage device 2“) für digitale Daten aufweist, ohne jedoch festzulegen, welcher Art und Natur der Nutzer, der Server, der Speicher oder die gespeicherten und darzustellenden Daten sind, und in welchem konkreten technischen Umfeld das Verfahren verwirklicht ist (Merkmal 1.a).
43
Als Nutzer ist gemäß Streitpatent ausdrücklich auch ein anderer Rechner zugelassen, so dass dieser Begriff im Sinne eines beliebigen Datenempfängers anzusprechen ist (vgl. K1 = Streitpatentschrift, Abs. [0010], insb.: ,,… the term “user” in the context of the present application is not restricted to a human user, but relates to any entity seeking to have data supplied, such as another computer. … the term “user” extends to any data recipient.”). Darüber hinaus ist das Darstellen von Daten („presenting“) nicht auf das rein gegenständliche Anzeigen von Daten etwa auf einer Anzeigeeinrichtung beschränkt, sondern besagt allgemein, dass die Daten dem Nutzer (,,user”) zur Verfügung gestellt werden.
44
Ein Nutzer erlangt Zugriff („accessing“) auf die oben genannten Daten im Server via eines ebenfalls nicht weiter bestimmten Netzwerkes („over a network“) (Merkmal 1.b); lediglich als Beispiel nennt das Streitpatent das Internet oder World Wide Web (vgl. K1, Abs. [0001]).
45
Der Server („data server 2″) besteht gemäß Streitpatent funktional aus verschiedenen Einheiten (vgl. K1, Fig. 1, „Application 1″, „input module 4″, „main module 5″, „database 2″, „module 6″), die datentechnisch über so genannte Datenpfade miteinander verbunden sind (vgl. K1, z.B. Abs. [0011], Abs. [0022] – [0030]). Wie diese einzelnen Einheiten (Module) örtlich angeordnet und die entsprechenden Datenwege technisch im Einzelnen realisiert werden, lässt das Streitpatent offen. Unter solche Datenwege fällt mithin sowohl eine direkte Datenverbindung als auch eine Verbindung über ein Netzwerk zwischen den unterschiedlichen Einheiten.
46
Der der Daten-Darstellung vorgelagerte Prozess, dem die nutzerseitige Ansprache
47
des Servers – eine Anforderung an den Datenserver zum Abruf von Daten – vorausgeht (Merkmal 1.b1), setzt mindestens einen Datenpfad („at least one data path”) voraus, über den so genannte Kontrolldaten („control data”) gesendet werden können, die unmittelbar mit der nutzerseitigen Auswahl der Daten zusammenhängen (Merkmal 1.b2). Worum es sich bei diesen Kontrolldaten konkret handelt, bleibt im Anspruch offen; als Beispiel werden im Streitpatent Identifikationsdaten des Nutzers genannt (vgl. K1, Abs. [0023], [0024]), jedoch sind für den Fachmann auch andere Realisierungen denkbar und technisch möglich; laut Streitpatent kann mit dem vorgeschlagenen Verfahren unter Nutzung dieser Kontrolldaten ein unerlaubter Zugriff auf Daten im Datenserver unmöglich gemacht werden (vgl. K1, Abs. [0009]).
48
Der oben genannte mindestens eine Datenpfad soll unidirektional ausgeführt sein, (K1, Fig. 1 i.V.m. Abs. [0024] – [0026], insb.: „impossibility of sending data from module 4 to application 1″ und Abs. [0185] bis [0189], insb.: „One of the main aspects of this cycle of data flow is that it is unidirectional, i.e. it can only be run with a predefined sequence of modules and stations that must be encountered, no matter what boundary conditions may appear. This one-way processing is strict, i.e. there is no stop in between, no skipping of steps, no bypasses. There is only one entry point and only one exit. This concept ensures that no malicious intruding is possible, be it in the middle of the chain of progress or from behind.“ (Unterstreichungen hinzugefügt); Merkmal 1.b3). Die Begrifflichkeit „unidirektionaler Datenpfad” beschreibt daher eine Einbahnstraße für einen Datenverkehr, auf dem ohne Ausnahme kein wechselseitiger Datenaustausch ermöglicht ist, sondern Daten nur in eine Richtung transportiert bzw. transferiert werden können (vgl. hierzu auch den Schriftsatz der Beklagten vom 05.07.2019, S.3, Abs.3 und 4). Seine konkrete Umsetzung wird mit diesem Merkmal nicht thematisiert, denn es bleibt beispielsweise offen, über wie viele Einzel-/Zwischenstationen dieser Pfad verläuft, und welche eventuell weiteren Schritte davon beeinflusst werden und/oder abhängig sind. Jedenfalls ist ein streitpatentgemäßer Datenpfad ausdrücklich von einem Datenfluss zu unterscheiden, der lediglich den Transfer von Daten in eine Richtung – meist in technischen Druckschriften durch einen Pfeil angedeutet – anzeigt, nicht jedoch die Natur bzw. konkrete technische Umsetzung des dafür vorgesehenen Transferweges von der einen zu einer anderen Netzwerk-/Serverkomponente beschreibt.
49
Das so genannte „Computerprogrammprodukt” („computer program product”) des erteilten Patentanspruchs 16 stellt letztlich nur in selbsterklärender Weise einen Platzhalter für die mit dem Verfahren von Anspruch 1 verknüpfte Software dar, die auf einem Rechner ausgeführt wird; folglich bedarf es hier keiner weiteren Auslegungen.
50
Da der Datenserver („data server”) gemäß dem erteilten Patentanspruch 17 nur Merkmale zeigt, die als geeignet angepasste Verfahrensmerkmale des Patentanspruchs 1 zu werten sind, gilt für diesen die obige Auslegung zu den jeweils entsprechenden Merkmalen des Patentanspruchs 1.
51
II. Zum Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit
52
1. Der Senat konnte nicht feststellen, dass aus einem der Dokumente, mit denen die Klägerin die Neuheit von Patentanspruch 1 angreift, dessen sämtliche Merkmale unmittelbar und eindeutig hervorgehen (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a), Art. 54 EPÜ).
53
1.1 Zur Druckschrift WO 99 / 38 080 A1 (K5)
54
Aus der Druckschrift K5 ist ein Verfahren zum Darstellen von Daten für einen Anwender in einem sicherheitsrelevanten Kontext bekannt (K5, S. 1, Abs. 1: „This invention relates to protecting confidential information. In particular, the invention prevents insiders with high levels of computer access from accessing sensitive data.“); hierbei sind die entsprechenden Daten für den Anwender in einer Datenspeichervorrichtung auf einem Datenserver gespeichert, denn es läßt sich dieser Schrift entnehmen, dass Daten von einem Anwender (K5, Fig. 1 oben rechts: „User“), die in einer Datenbank (K5, Fig. 1, links unten: „Data Request Database 152“) – welche funktionsbedingt in einem Datenserver liegt – gespeichert sind, angefordert und angezeigt werden (vgl. K5, Fig 1 i.V.m. S.1, letzter Abs. bis S. 2, Abs. 2, insb.: „method for retrieving sensitive stored data”, „second data base … transmits the requested information to the receiving terminal” und Fig. 2B i.V.m. S. 9, letzter Abs., insb.: „The encrypted data is then transmitted back to the source terminal in block 268. The source terminal decodes the data and displays it to the authorized user.”; Merkmal 1.a).
55
Der Anwender greift über ein Netzwerk auf einen Datenserver zu (K5, vgl. Zugriffsweg gemäß der Fig. 1 ausgehend von „User“ (oben rechts), der unter Einbindung eines ,,Source Terminal 104“ eine Datenanfrage mittels eines „Data Packet 116″, das einen so genannten „Data Access Request 124“ beinhaltet, über das „Source Subnetwork 106″ an ein „Subnetwork 130″ (links Mitte) sendet, welches eine „Identifier Database 128“ aufweist und bei dortiger Zulassung der Anforderung weiter von dort mittels des „Data Packet 148“ – wieder den „Data Access Request 124“ beinhaltet, zum „Subnetwork 154“ in dem auch die „Data Request Database 152“ liegt; Merkmal 1.b).
56
Zwar wird im Prozess zwischen dem Zugriff auf den Server und dem Darstellen der Daten zumindest ein Datenpfad verwendet, über den Kontrolldaten, die mit der Auswahl von Daten assoziiert sind, gesendet, jedoch ist dieser zumindest eine Datenpfad nicht im Sinne des Streitpatentes unidirektional.
57
Die Figur 1 der Druckschrift D5 zeigt zunächst, wie bereits für das vorangegangene Merkmal 1.b im Detail beschrieben, einen möglichen Datenfluß vom „User“ bis zur „Data Request Database 152“, welche abzurufende und letztlich im Sinne des Streitpatents darzustellende Daten umfasst. Bei dem nutzerseitigen Versuch dort Daten abzurufen, läuft seine Abfrage samt ihn und seine Zugriffsmittel identifizierenden Kontrolldaten – „Subject ID 120“, „User ID 118“ und „Source Terminal ID 104“ als Paket im so genannten „Identifier 112“ – innerhalb des „Data Packet 116“, das den eigentlichen „Data Access Request 124“ umfasst, mit.
58
Die Figuren 2A und 2B zeigen im Einzelnen auf, welche Prozeduren in den „Subnetworks 106, 130, 154“ im Falle einer positiven bzw. einer negativen Beurteilung der nutzerseitigen bzw. -induzierten Kontrolldaten ablaufen. Insbesondere wird im „Subnetwork 130“ mittels der „Identifier Database 128″ überprüft, ob der Nutzer berechtigt ist, die von ihm angeforderten Daten zu empfangen (K5, Fig. 2A, Schritt „224″). Diese „Identifier Database 128″ entspricht funktional dem „input module 4″ im Ausführungsbeispiel des Streitpatents. Falls der Nutzer nicht berechtigt ist, erfolgt eine Meldung vom „Subnetwork 130“ über das „Source Terminal 104“ zurück an den „User“; folglich fließen Daten zwischen diesen beiden Netzwerken (106, 130) in beide Richtungen und der dafür genutzte Transferkanal ist im Sinne des Streitpatents als bidirektionaler Datenpfad anzusehen.
59
Ist der „User“ berechtigt, die angeforderten Daten auch zu empfangen, wird vom „Subnetwork 130“ zum „Subnetwork 154″ ein weiteres Datenpaket („Data Packet 148″) gesendet (vgl. K5, Fig. 2B, Schritt 244), das dieselbe ,,Source Terminal ID 104″ wie im Falle des „Data Packet 116“, eine „Subject Internal ID 140″ und die Datenbankabfrage („Data Access Request 124″) beinhaltet – folglich erneut Kontrolldaten im Sinne des Streitpatents, die mit der nutzerseitigen Auswahl von Daten assoziiert sind. Falls der Zugriff erlaubt ist, werden die angeforderten und aus der „Data Request Database 152“ gelesenen Daten direkt an das „Source Terminal 104“ gesendet (vgl. K5, Fig. 2B, Schritte „255″ bis „268″ i.V.m. Fig. 1, bzgl. des Datenpfades zwischen „Subnetwork 154″ und „Subnetwork 106; Merkmale 1.b1 und 1.b2).
60
Ist der Zugriff nicht erlaubt, wird das „Source Terminal 104″ darüber informiert (vgl. K5, Fig. 2B, Schritt “232” i.V.m. S. 8, letzter Satz bis S. 9, Abs.1, insb.: „lf the doctor and patient do not form a doctor-patient pair, access is not allowed in block 230 and the source terminal is notified that the information is not available in block 232.”). Dabei wird diese Information über einen nicht weiter definierten Weg transferiert und gelangt so vom „Subnetwork 154″ zum „Subnetwork 106″. Zwar zeigt Figur 1 zwischen dem „Subnetwork 130″ und dem „Subnetwork 154″, als auch zwischen dem „Subnetwork 154″ und dem ,,Subnetwork 106″ aufgrund der Skizzierung eines Pfeils einen Datenfluss in eine bestimmte Richtung an, jedoch ist damit kein unidirektionaler Datenpfad im Sinne des Streitpatents verbunden. Letztlich sind die Datenwege der Figur 1 als datentechnischer Ringschluss anzusehen, in dem vom „Subnetwork 106″ zum „Subnetwork 154″ und umgekehrt Datenflüsse realisiert sind, jedoch auf Wegen, die nicht als unidirektional verwirklichte Datenpfade im Sinne des Streitpatents anzusprechen sind. Ergänzend sei hierzu angeführt, dass die Bestandteile der „Subnetworks 130, 154″ integriert aufgebaut sind, wobei ein Netzwerk aus direkten Verbindungen genutzt wird (vgl. K5, S. 10, Abs. 1, insb.: „These systems may be integrated using a network of direct connections or if data transmissions are encrypted, using publicly available Internet connections”). Diese integrierten Einheiten der „Subnetworks 130, 154″ sind somit einem Datenserver gemäß Streitpatent gleichsetzbar. Folglich wird bei dem aus dieser Druckschrift bekannten Verfahren im Prozess zwischen dem Zugriff auf den Server und dem Darstellen der Daten auch kein Datenpfad verwendet, der im Sinne des Streitpatents unidirektional ist. Dies begründet sich aus der Natur des Servers – wie in der mündlichen Verhandlung ausführlich diskutiert und auch von beiden Verfahrensbeteiligten übereinstimmend bestätigt wurde – denn (sofern nicht wie im streitpatentgemäßen Fall explizit etwas anderes hierzu ausgeführt bzw. beansprucht wird) sind Server aufgrund ihrer Funktionalität zwangsläufig mit bidirektionalen Datenpfaden ausgestattet, da nach der initialen externen Ansprache eines Servers durch einen beliebigen Nutzer zwingend ein „acknowledgement“-Bit / –Datenpaket an diesen zurückgeschickt wird, bevor überhaupt ein Verbindungsaufbau zum Datentransfer von Nutzdaten zustande kommt; somit stellt die Realisierung einer Nutzer-Server-Ansprache gemäß Druckschrift K5 etwas anderes dar, als die mit dem Streitpatent beanspruchte und unter Schutz gestellte Form (Merkmal
1.b3
).
61
Somit sind nicht alle Merkmale des Patentanspruchs 1 aus der Druckschrift K5 bekannt. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit neu gegenüber der Druckschrift K5.
62
1.2 Zu den Druckschriften K6, K7, K11, K12, K13/K13a
63
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist auch neu gegenüber den weiteren Druckschriften, die seitens der Klägerin schriftsätzlich als neuheitsschädlich bezeichnet und im Rahmen des vorausgegangenen gerichtlichen Hinweises diesbezüglich bereits teils abschlägig beschieden wurden (US 5 612 897 A (K6); WO 98 / 49 617 A2 (K7); TISCHER & JENNRICH (1997) (K11); WO 98 / 31116 A2 (K12); KR 10-0205954 (K13); US 6,222,536 B1 (K13a)). In der mündlichen Verhandlung wurde klageseitig zu diesen nichts mehr vorgetragen.
64
Alle diese Druckschriften weisen zumindest nicht das Merkmal 1.b3 auf, mit dem beansprucht ist, dass der zumindest eine Datenpfad gemäß dem Merkmal 1.b2 für die Übermittlung von Kontrolldaten unidirektional im Sinne des Streitpatentes ist, also kein Datenfluß jedweder Art, in umgekehrter Richtung als der vom Nutzer zum Server möglich ist; im Einzelnen:
65
In der Druckschrift K6, die ein System für Multimedia-on-demand vorstellt, wird lediglich die Auslieferung von Multimedia-Daten an einen Nutzer thematisiert, nicht jedoch wie das Absetzen einer Anfrage desselben konkret realisiert wird (z.B. K6, Fig. 1 i.V.m. Sp. 1, Z. 29 – 55); insbesondere wird auch keine ausschließlich für diesen Weg unterhaltene Datenverbindung zwischen einem Nutzer (resp. einer nutzernahen „Stelle“) und einem von diesem angesprochenen Server(modul) vorgestellt oder gar ein Hinweis darauf gegeben, weshalb dieses als vorteilhaft anzusehen wäre (vgl. K6, Fig. 1, 7, 9 und Table 1 i.V.m. Sp. 7, Z. 56 bis Sp. 8). Aus dieser Druckschrift ist somit weder unmittelbar noch eindeutig zu entnehmen, einen Datenpfad vorzusehen, wie mit dem Merkmal 1.b3 beansprucht (vgl. K6, Figuren 1, 6 (vgl. dortige Halbduplex-Problematik) und 7).Ergänzend sei festgestellt, dass die mit dieser Druckschrift gestellte Aufgabe, bei der Auslieferung von Daten die Last geeignet auf ein vorhandenes Knotennetz zu verteilen und dieses auf geeignete verschaltungstechnische Weise stabil zu halten, einen verglichen mit dem streitpatentlich betonten Sicherheitsaspekt vollkommen anderen Schwerpunkt setzt, so dass in Frage steht, ob der Fachmann diese Druckschrift überhaupt in seine Überlegungen mit einbezogen hätte.
66
Die Druckschrift K7 stellt ebenfalls ein Multimedia-on-demand-System vor, das detailliert zu Datenwegen ausführt und insbesondere auch die Nutzerseite der Datenkommunikation ausführlich behandelt; dies spiegelt sich u.a. in der genannten Aufgabe wieder (vgl. K7, S. 2, Z. 26 – 29), die sich den interaktiven Informationsaustausch in Echtzeit zwischen einem Nutzer und dem Service-Provider zum Ziel setzt. Hierbei werden jedoch überwiegend bidirektionale Datenflüsse beschrieben, und wo dies ggf. anders interpretiert werden könnte, sind die Wege der Datenflüsse für die Lehre nicht von streitpatentgemäßer Bedeutung, da sie nicht in Richtung vom Nutzer zu einem Server verlaufen. Diese Wege können daher im übergreifenden Sinne auch nicht als Anregung für ein solches Vorgehen in einem speziellen Fall wie dem genannten Sicherheitsproblem des Streitpatents dienen, da dort gar kein sicherheitsrelevanter Anlass dezidiert benannt wird. Aus dieser Druckschrift ist somit weder unmittelbar noch eindeutig zu entnehmen, im streitpatentlichen technischen Kontext einen Datenpfad, wie mit dem Merkmal 1.b3 beansprucht, vorzusehen (vgl. K7, Fig.1bzgl. der in beide Richtungen genutzten Datenwege vom „SUBSCRIBER EQUIPMENT 124X“, „CABLE TRANSPORT SUBSYSTEM 110“, „VIDEO SESSION MANAGER 106“ und „INFORMATION SERVER 102“).
67
Die Form, in der die Druckschrift K11 dem Senat vorliegt, weist den Mangel auf, dass der erste Autorenname der eingereichten Kopie nicht vollständig zu entnehmen ist („…ISCHER“); auch aus den übrigen Auszügen dieses Fachbuchs lassen sich hierzu keine weiterführenden Informationen ermitteln; dieser Mangel kann jedoch senatsseitig behoben werden, so dass der Berücksichtigungsfähigkeit dieser Druckschrift nichts im Wege steht.
68
Dieser Auszug aus einem Lehrbuch beinhaltet jedoch aus technischer Sicht nur eine Grundlagenbeschreibung zu Client-Server (CS) Implementierungen im Internet. Es wird dort weder grundsätzlich die Darstellung von Daten im Sinne des Streitpatents explizit erwähnt (selbst die einführenden Seiten 234 bis 236 zum CS-Prinzip geben hierzu keinen Aufschluß), noch im Detail die Ausbildung von rein unidirektional arbeitenden Datenpfaden in einem CS-Umfeld thematisiert (vgl. K11, z.B. Abb. 81 und 154). Folglich sind auch hier grundsätzliche Zweifel angebracht, ob der Fachmann diese Druckschrift im gegebenen streitpatentlichen Kontext überhaupt zu Rate gezogen hätte. Jedenfalls vermag auch dieser Lehrbuchauszug keine Unidirektionalität von Datenpfaden in einem streitpatentgemäßen Umfeld zu lehren, insbesondere nicht, dass diese eigens für den Transport von sicherheitsrelevanten Kontrolldaten zwischen einem Nutzer und einem Server vorgehalten werden.
69
Auch die Druckschrift K12 kann dies nicht leisten. Sie stellt ebenfalls ein Multimedia-on-demand-System vor, das zu den hierbei genutzten Datenwegen ausführt und auch die Nutzerseite der Datenkommunikation behandelt; dies spiegelt ebenfalls die in dieser Druckschrift genannte Aufgabe wieder (vgl. K12, S. 2, Z. 32 – 35), die sich einen interaktiven Informationsaustausch zum Ziel setzt, jedoch ohne dort eine Echtzeitkommunikation zwischen einem Nutzer und dem Service-Provider weiter zu thematisieren, wenngleich dies im Abstract aufscheinen mag. Auch hier werden aber letztlich nur bidirektional genutzte Wege für einen Datentransport beschrieben, die folglich keine unidirektionalen Datenpfade im Sinne des Streitpatents darstellen (K12, Fig. 1, z.B. die in beiden Richtungen genutzten Datenwege zwischen „SUBSCRIBER EQUIPMENT 106n“, „CABLE TRANSPORT SUBSYSTEM 104“, „VIDEO SESSION MANAGER 122“ und „INFORMATION SERVER 108“).
70
Die klageseitig mit Schriftsatz vom 18.04.2019 eingereichte koreanischsprachige Druckschrift K13 kann der Senat mangels zweifelsfrei nachvollziehbar als dieser zugehörig zu wertender englischer Übersetzung so nicht berücksichtigen. Die Behauptung, dass es sich bei der ebenfalls eingereichten Druckschrift K13a um „eine englische Übersetzung“ der koreanischen Patentschrift K13 handle (vgl. Schriftsatz vom 18.04.2019, S. 15 unten), ist klageseitig nicht nachgewiesen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 15.07.2019, der zudem die „englische Übersetzung der Anlage K13 als Anlage K13b“ ins Verfahren einführt, spricht dagegen, kann jedoch ebenfalls nicht berücksichtigt werden, da aus diesem Dokument weder zweifelsfrei hervorgeht, dass es sich um eine beglaubigte Übersetzung der o.g. Druckschrift K13 handelt, noch aus welcher eindeutig nachvollziehbaren Quelle diese stammt. Zudem führt die Klägerin schriftsätzlich nur anhand der nachveröffentlichten Druckschrift K13a substantiiert zu den erteilten Merkmalen des Patentanspruchs 1 aus, so dass der Senat letztlich im Rahmen des Neuheitsangriffs die Druckschrift K13a nicht zu berücksichtigen hat, da diese keinen Stand der Technik bildet.
71
Selbst wenn man der Druckschrift K13 den Inhalt der Druckschrift K13a zugrundelegen würde, offenbart letztere jedenfalls in ihrem speziellen Kontext keinen unidirektionalen Datenpfad im Sinne des Streitpatents:
72
Im Einzelnen ist aus der Druckschrift K13a ein Online-Banking-System für verschiedene Nutzer bekannt (K13a, Sp. 1, Z. 55 – 59), für das aufgrund des technischen Einsatzgebietes sicherheitsrelevante Daten abgefragt werden. Als Aufgabe stellt sich die Druckschrift, ein Online-Banking-System anzubieten, mit dem mehrere Bankdienste an eine Vielzahl von Nutzern mit unterschiedlichen „banking systems“ zur Verfügung gestellt werden können (K13a, Fig. 1 i.V.m. Sp. 1, Z. 49 – 54). Jedoch gehen aus dieser Druckschrift keine als rein unidirektional zu bezeichnenden, streitpatentgemäßen Datenpfade für Kontrolldaten hervor, die von einem Nutzer an einen Server übermittelt werden. Vielmehr wird hier ein Datenflußsystem zwischen einem „SUBSCRIBER TERMINAL 11“ und einem „BANK SYSTEM 13“ offenbart, das offensichtlich einen Datentransfer in beide Richtungen zulässt und gerade keinen streitpatentgemäßen, unidirektionalen Datenpfad vorsieht (K13a, Fig. 1 und 2). Soweit klageseitig schriftsätzlich mit der Figur 3 dieser Druckschrift argumentiert wird, dass die in der „REQUEST PROCESSING UNIT 22“ auf der linken Seite derselben eingezeichneten Pfeile Datenpfade im Sinne des Streitpatents wären, kann dem nicht beigetreten werden, da diese lediglich schematisch einen prozessualen Programmablauf innerhalb der genannten Datenverarbeitungseinrichtung (22) wiedergeben und keinen Datentransfer über einen oder mehrere Datenpfade im Sinne des Streitpatents darstellen.
73
Somit ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 auch aus den weiteren hier besprochenen Druckschriften nicht bekannt. Er ist somit auch neu gegenüber diesen Druckschriften.
74
1.3 Zur Neuheit der Patentansprüche 16 und 17
75
Da das “computer program product” des erteilten Patentanspruchs 16 einen Platzhalter für die mit dem Verfahren von Patentanspruch 1 verknüpfte Software darstellt, die auf einem Rechner ausgeführt wird, ist auch dieses in analoger Weise wie für den Patentanspruch 1 ausgeführt als neu anzusehen.
76
Gleiches gilt für den “data server” gemäß dem erteilten Patentanspruch 17 der letztlich nur Merkmale zeigt, die als geeignet angepasste Verfahrensmerkmale des Patentanspruchs 1 für einen Server zu werten sind, weshalb auch dieser in der Konsequenz als neu gilt.
77
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt der Gegenstand des Streitpatents auch als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend, da er dem Fachmann am Prioritätstag nicht nahegelegen hat (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a), Art. 56 EPÜ).
78
Klageseitig wurde zur erfinderischen Tätigkeit des erteilten Anspruchssatzes im Rahmen des Klageschriftsatzes vom 29.07.2016 zum Patentanspruch 16 und des Schriftsatzes vom 18.04.2019 zu den Patentansprüchen 1, 16 und 17 substantiiert ausgeführt. Es wurde argumentiert, dass sich der Gegenstand des Patentanspruchs 16 ausgehend von der Druckschrift K5, K6 oder K7 (Klageschriftsatz, S. 46 ff) bzw. der des Patentanspruchs 1 ausgehend von der Druckschrift K6 (Schriftsatz vom 18.04.2019, S. 4 – 8) oder der der Patentansprüche 1, 16 und 17 ausgehend von der Druckschrift K13a (Schriftsatz vom 18.04.2019, S. 15 – 26) für den Fachmann in naheliegender Weise ergebe. In der mündlichen Verhandlung wurde klageseitig hierzu nicht mehr vorgetragen.
79
Weder ausgehend von den oben genannten, seitens der Klägerin auf einen der nebengeordneten Ansprüche bezogenen, Druckschriften noch ausgehend von einer der weiteren Druckschriften bzw. aus einer Zusammenschau von im Verfahren befindlichen Druckschriften gelangt der Fachmann zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 (und der weiteren nebengeordneten Patentansprüche 16 und 17). Dies begründet sich aus der Tatsache, dass keine der Druckschriften des Standes der Technik einen unidirektionalen Datenpfad im Sinne des Streitpatents für einen Kontrolldatentransfer „zwischen User und Server“ vorsieht, oder entsprechende Anregungen hierfür liefert, dass der Fachmann einen solchen in gegebenem technischen Kontext in naheliegender Weise einrichten würde.
80
Wie im Rahmen der Neuheitsbetrachtung im Einzelnen ausgeführt wurde, zeigt keine der Druckschriften K5, K6, K7, K11, K12 oder K13a einen unidirektionalen Datenpfad gemäß Merkmal 1.b3. Darüber hinaus thematisieren die genannten Druckschriften – selbst wenn in ihrem jeweiligen technischen Umfeld ein Transfer ggf. sicherheitsrelevanter Daten angeführt wird – weder die Möglichkeit, einen solchen Datenpfad für die eigene vorgestellte Erfindung, noch handeln sie etwa im Rahmen des dortigen relevanten Standes der Technik diese in irgendeiner Weise ab. Der Fachmann kann diesen Druckschriften folglich weder eine Anregung entnehmen, wie beansprucht vorzugehen, noch wird ihm mittels einer der genannten Druckschriften z.B. ein technisches Defizit aufgezeigt, das ihn in naheliegender Weise mittels seines Fachwissens zu dieser Maßnahme führt.
81
Daher ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch erfinderisch gegenüber dem im Verfahren genannten Stand der Technik. Dies gilt mit derselben Begründung wie für den Patentanspruch 1 auch für die nebengeordneten Patentansprüche 16 und 17.
82
3. Die erteilten abhängigen Unteransprüche 2 bis 15 und 18 bis 31 gestalten den Gegenstand der Patentansprüche 1 bzw. 17 zweckmäßig, in nicht nur trivialer Weise weiter aus. Mit den Patentansprüchen 1 und 17 sind auch die Gegenstände der auf diese rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 15 bzw. 18 bis 31 neu und erfinderisch. Sie sind daher ebenfalls patentfähig.
83
4. Im Ergebnis ist die Klage daher abzuweisen, da keines der Dokumente aus dem Stand der Technik, mit denen die Klägerin das Streitpatent angreift, dessen Patentfähigkeit allein oder mit dem Fachwissen bzw. in Kombination mit anderen Druckschriften des Standes der Technik in Frage stellen kann.
B.
84
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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