Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung.

Aktenzeichen  1 Ni 5/18 (EP)

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:141119U1Ni5.18EP.0
Spruchkörper:
1. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 354 553
(DE 50 2010 012 718)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2019 durch die Präsidentin Schmidt, den Richter Dr.-Ing. Baumgart, die Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier und Dipl.-Ing. Körtge
für Recht erkannt:
I. Das Patent EP 2 354 553 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 354 553 (im Folgenden: Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2010 012 718 geführt wird. Die Beklagte ist Inhaberin des Streitpatents mit der Bezeichnung „Pumpenaggregat“, das am 19. Januar 2010 angemeldet und dessen Erteilung am 16. November 2016 veröffentlicht worden ist.
2
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung 15 Ansprüche mit einem unabhängigen Patentanspruch 1 und mit auf diesen zumindest mittelbar rückbezogene Unteransprüchen 2 bis 15. Der Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung – mit hinzugefügter Merkmalsgliederung des Senats – wie folgt:
3
„Pumpenaggregat mit einem Antriebsmotor (14) und einem ersten polyedrisch ausgebildeten Gehäuse (2), in welchem eine Steuerelektronik (18) für den Betrieb des Antriebsmotors (14) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Bedieneinheit (20) mit zumindest einem Anzeige- und/oder Bedienelement (26, 28, 30) vorhanden ist, welche an zumindest zwei, vorzugsweise drei verschiedenen Seitenwandungen des ersten Gehäuses positioniert mit diesem verbindbar ist.“
4
M1 Pumpenaggregat mit
5
M2 einem Antriebsmotor (14) und
6
M3 einem ersten polyedrisch ausgebildeten Gehäuse (2),
7
M3.1 in welchem eine Steuerelektronik (18) für den Betrieb des Antriebsmotors (14) angeordnet ist,
8
dadurch gekennzeichnet, dass
9
M4 eine Bedieneinheit (20) mit
10
M4.1 zumindest einem Anzeige- und/oder Bedienelement (26, 28, 30) vorhanden ist,
11
M4.2 welche an zumindest zwei, vorzugsweise drei verschiedenen Seitenwandungen des ersten Gehäuses positioniert mit diesem verbindbar ist.
12
Wegen des Wortlauts der zumindest mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
13
Die Klägerin greift das erteilte Streitpatent – und folgend alle von der Beklagten für eine hilfsweise Verteidigung eingereichten geänderten Fassungen – in vollem Umfang an und macht hierfür den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in seiner erteilten Fassung sowie in geänderter Fassung mit den Hilfsanträgen 1 bis 3.
14
In der Fassung der Hilfsanträge lautet der Patentanspruch 1 (Änderungen gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sind unterstrichen) – in der Merkmalsgliederung des Senats – wie folgt:
15
Hilfsantrag 1
16
M1H1
Dosierpumpenaggregat mit
17
M2 einem Antriebsmotor (14) und
18
M3 einem ersten polyedrisch ausgebildeten Gehäuse (2),
19
M3.1 in welchem eine Steuerelektronik (18) für den Betrieb des Antriebsmotors (14) angeordnet ist,
20
M3.2H1
wobei das erste Gehäuse (2) ein Motorgehäuse, in welchem der Antriebsmotor (14) angeordnet ist, oder ein Klemmenkasten ist,
21
dadurch gekennzeichnet, dass
22
M4 eine Bedieneinheit (20) mit
23
M4.1 zumindest einem Anzeige- und/oder Bedienelement (26, 28, 30) vorhanden ist,
24
M4.2H1 welche an zumindest drei verschiedenen Seitenwandungen des ersten Gehäuses in drei unterschiedlichen Positionen positioniert mit diesem verbindbar ist,
25
M4.3H1
wobei die Bedieneinheit (20) in den Positionen kraft- und/oder formschlüssig lösbar mit dem ersten Gehäuse (2) verbindbar ist, in denen das zumindest eine Anzeige- oder Bedienelement (26, 28, 30) in unterschiedliche Raumrichtungen gewandt ist.
26
Hilfsantrag 2:
27
entspricht Hilfsantrag 1 mit folgendem geändertem Merkmal M3.1 in Patentanspruch 1:
28
M3.1H2 in welchem eine Steuerelektronik (18) mit elektronischen Komponenten zur Drehzahlsteuerung für den Betrieb des Antriebsmotors (14) angeordnet ist,
29
Hilfsantrag 3:
30
entspricht Hilfsantrag 1 mit folgendem geänderten Merkmal M3.1 in Patentanspruch 1:
31
M3.1H3 in welchem eine Steuerelektronik (18) mit einem Frequenzumrichter zur Drehzahlsteuerung für den Betrieb des Antriebsmotors (14) angeordnet ist,
32
Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche wird auf die Fassung der Hilfsanträge 1 bis 3 in den Schriftsätzen vom 26. August 2019 und 4. November 2019 Bezug genommen.
33
Die Klägerin, die ihr Vorbringen auf folgende Dokumente stützt,
34
D1: DE 10 2008 033 859 A1,
35
D2: EP 0 553 935 A1,
36
D3: EP 1 204 194 A1,
37
D4: EP 1 429 034 A2,
38
D5: US 2006/0129088 A1,
39
D6: Katalog “sera Techno news” aus Dezember 2006,
40
D7: DE 44 18 271 A1,
41
D8: DE 33 42 967 A1,
42
D9: WO 2005/089834 A1,
43
D10: DE 10 2005 060175 A1,
44
D11: EP 1 427 942 B1,
45
D12: WO 2007/112928 A1,
46
D13: EP 1 598 558 A1 und
47
D14: DE 10 2005 031820 B4,
48
meint, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der Lehre insbesondere der Druckschriften D1 und D2 nicht neu sei. Zumindest mangele es ihm an erfinderischer Tätigkeit. Denn dessen Gegenstand ergäbe sich in naheliegender Weise u.a. aus den Druckschriften D2 oder D3 i.V.m. der Druckschrift D4. Das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge sei ebenfalls nicht patentfähig. Denn zum einen werde der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 sowohl von der Lehre der Druckschrift D1 wie auch von der Lehre der Druckschrift D2 neuheitsschädlich getroffen, weil das der Druckschrift D1 entnehmbare Pumpenaggregat auch als Dosierpumpenaggregat eingesetzt werden könne. Jedenfalls beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 insbesondere nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber der Druckschrift D5 i.V.m. der Druckschrift D4. Dies gelte gleichermaßen für die Fassung nach den Hilfsanträgen 2 und 3.
49
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 24. Juni 2019 übermittelt. In der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2019 hat der Senat den Parteien einen weiteren rechtlichen Hinweis erteilt.
50
Die Klägerin beantragt,
51
das europäische Patent 2 354 553 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
52
Die Beklagte beantragt,
53
die Klage abzuweisen,
54
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit den Schriftsätzen vom 26. August 2019 und 4. November 2019, erhält.
55
Sie tritt der Auffassung der Klägerin in allen Punkten entgegen. Das angegriffene Streitpatent sei bestandsfähig, insbesondere sei der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 15 neu und beruhe auf erfinderische Tätigkeit. Denn der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 unterscheide sich gemäß den kennzeichnenden Merkmalen vom vorveröffentlichten Stand der Technik dadurch, dass die Bedieneinheit mit zumindest einem Anzeige- und/oder Bedienelement wahlweise zwischen zumindest zwei verschiedenen Seitenwandungen des ersten Gehäuses definiert umsetzbar sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Begriff „verbindbar“ im Kontext des Merkmals M4.2 in Patentanspruch 1 des Streitpatents dahin auszulegen sei, dass die Bedieneinheit als separate Einheit einen ersten Zustand aufweisen müsse, in dem die Bedieneinheit getrennt, d.h. noch unverbunden, von dem ersten Gehäuse ist und einen zweiten Zustand, bei dem die Bedieneinheit mit dem ersten Gehäuse nach dessen Verbindung verbunden ist. Nur wenn es einen solchen unverbundenen Zustand gäbe, liege eine Verbindbarkeit, d.h. eine verbindbare Bedieneinheit vor. Die von der Klägerin eingereichten Druckschriften offenbarten keine umsetzbare Bedieneinheit im Sinne des Merkmals M4.2 und könnten daher den Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruhe ferner gegenüber den von der Klägerin eingereichten Druckschriften auf erfinderischer Tätigkeit. Jedenfalls sei das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 3 patentfähig. Mit den Beschränkungen gemäß Hilfsantrag 1 auf ein Dosierpumpenaggregat in einer Ausführungsform, bei der die Bedieneinheit an zumindest drei verschiedenen Seitenwandungen des ersten Gehäuses in drei unterschiedlichen Positionen positioniert mit diesem verbindbar sei, sei die Patentfähigkeit gegeben, da keines der Dokumente des Standes der Technik dies offenbare oder nahelege. Jedenfalls führe die weitere Einschränkung nach den Hilfsanträgen 2 und 3 zur Bejahung der Patentfähigkeit, weil die Druckschriften D1 und D2 weder eine Steuerelektronik mit elektronischen Komponenten zur Drehzahlsteuerung noch einen Frequenzumrichter zur Drehzahlsteuerung offenbarten.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung 14. November 2019 Bezug genommen.


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