Aktenzeichen 7 Ni 22/19 (EP)
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das europäische Patent 0 925 686
(DE 698 26 099)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterinnen Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und Dr. Schnurr, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel und der Richterin Dipl.-Phys. Zimmerer
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 925 686 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass
1. in dem Patentanspruch 1
a) nach den Worten “when suitable key information (S) is available,” die Worte “characterized in that” durch das Wort “wherein” ersetzt werden und
b) nach den Worten “when a playing authorization for said reproduced encrypted information signal being received is absent” folgende Worte hinzugefügt werden: “, and wherein control means (62) have been provided which are adapted to supply, in the absence of a playing authorization, pause information to the reproducing device (2, 3) via interface means (13) in order to interrupt the reproduction of an encrypted information signal, and the control means (62) are adapted to supply, when subsequently a playing authorization for the encrypted information signal is available, end-of-pause information to the reproducing device (2, 3) via the interface means (13) in order to continue reproduction of the encrypted information signal”;
2. sich die Patentansprüche 2 bis 8 bei gegenüber ihrer erteilten Fassung unverändertem Wortlaut auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen;
3. der Patentanspruch 9 entfällt.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 1/4, die Beklagte 3/4.“
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Hinweis: Der Berichtigungsbeschluss vom 19. Mai 2020 wurde von juris in den oben stehenden Text eingearbeitet
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auf die internationale Anmeldung PCT/IB98/00986 vom 25. Juni 1998 (veröffentlicht als Druckschrift WO 99/03277) zurückgehenden, in englischer Verfahrenssprache mit der Bezeichnung “Arrangement for independently requesting a playing authorization for a reproduced encrypted information signal” (Anordnung zur unabhängigen Beantragung einer Abspielberechtigung für ein reproduziertes verschlüsseltes Nachrichtensignal) u. a. für den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 925 686, das die Priorität einer europäischen Voranmeldung vom 11. Juli 1997 in Anspruch nimmt. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Patent unter dem Aktenzeichen 698 26 099.6 geführt. Das Streitpatent umfasst neun Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 9 sind als Unteransprüche auf Patentanspruch 1 unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogen.
2
Der Patentanspruch 1 hat in seiner erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
3
1. An arrangement (1) for verifying a playing authorization for a reproduced encrypted information signal – which is reproduced by means of a reproducing device (2, 3) adapted to cooperate with the arrangement (1) – and for supplying a decrypted information signal when a playing authorization is available, comprising
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verification means (19) arranged to receive a reproduced encrypted information signal (I) and adapted to supply key Information (S) suitable for correctly decrypting the reproduced encrypted information signal when a playing authorization is available, and
5
decryption means (32) arranged to receive key information (S) and adapted to decrypt the reproduced encrypted information signal (I) when suitable key information (S) is available,
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characterized in that
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the arrangement (1) is equipped with interrogation means (35, 43) for automatically and independently requesting a playing authorization from a playing authorization allocation means (5) when a playing authorization for said reproduced encrypted information signal being received is absent.
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Die deutsche Übersetzung wird in der Streitpatentschrift wie folgt wiedergegeben:
9
1. Anordnung (1) zum Überprüfen einer Abspielberechtigung für ein reproduziertes verschlüsseltes Informationssignal – das mit Hilfe einer Wiedergabeanordnung (2, 3) wiedergegeben wird, die dazu vorgesehen ist, mit der Anordnung (1) zusammenzuarbeiten, – und zum Liefern eines verschlüsselten Informationssignals, wenn eine Wiedergabeberechtigung verfügbar ist,
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wobei diese Anordnung die nachfolgenden Elemente umfasst:
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– Überprüfungsmittel (19) vorgesehen zum Empfangen eines reproduzierten verschlüsselten Informationssignals (I) und vorgesehen zum Liefern von Schlüsselinformation (S) geeignet zum einwandfreien Entschlüsseln des reproduzierten verschlüsselten Informationssignals, wenn eine Wiedergabeberechtigung verfügbar ist, und
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– Entschlüsselungsmittel (32) vorgesehen zum Empfangen von Schlüsselinformation (S) und vorgesehen zum Entschlüsseln des reproduzierten verschlüsselten Informationssignals (I), wenn geeignete Schlüsselinformation (S) verfügbar ist,
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dadurch gekennzeichnet, dass
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die Anordnung (1) ausgebildet ist mit Abfragemitteln (35, 43) zum automatischen und unabhängigen Beantragen einer Wiedergabeberechtigung von einem Wiedergabeberechtigungszuordnungsmittel (5) wenn eine Wiedergabeberechtigung für das genannte reproduzierte verschlüsselte Informationssignal, das empfangen wird, fehlt.
15
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 9 in englischer bzw. deutscher Sprache wird auf die Streitpatentschrift EP 0 925 686 B1 Bezug genommen.
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Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzulässigen Erweiterung geltend (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), c) EPÜ).
17
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei im Erteilungsverfahren unzulässig erweitert worden. Die nachfolgend durch Unterstreichung kenntlich gemachten Ergänzungen
18
“……die Anordnung ausgebildet ist mit Abfragemitteln (35, 43) zum automatischen und unabhängigen Beantragen einer Wiedergabeberechtigung von einem
Wiedergabeberechtigungszuordnungsmittel, wenn eine Wiedergabeberechtigung für das genannte reproduzierte verschlüsselte
Informationssignal, das empfangen wird, fehlt.”
19
habe der Prüfer im Erteilungsverfahren zur Abgrenzung gegenüber der US-Patentschrift 5,497,420 (D3) vorgenommen. In der ursprünglichen Anmeldung sei jedoch von einer automatischen Anfrage nicht die Rede; dies gelte insbesondere auch für die vom Prüfer für die Ergänzung in Anspruch genommenen Textstellen NK4, Seite 9, Zeile 31, bis Seite 10, Zeile 2; Seite 12, Zeile 26, bis Seite 13, Zeile 8; Seite 15, Zeilen 30 bis 34.
20
Zur Begründung des Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit beruft sich die Klägerin auf folgende Publikationen:
21
D1 US-Patentschrift 5,054,064
22
D2 US-Patentschrift 4,890,322
23
D3 US-Patentschrift 5,497,420
24
D4 Gary N. Griswold, A Method for Protecting Copyright on Networks, IMA Intellectual Property Project Proceedings, Volume 1, Issue 1, Januar 1994, Seiten 169-178
25
D5 EBU Project Group, Functional model of a conditional access System, EBU (= European Broadcasting Union) Technical Review No. 266 – Winter 1995, Seiten 64-77
26
D6 internationale Patentanmeldung WO 93/01550 A1
27
D7 internationale Patentanmeldung WO 97/14087 A1
28
D8 US-Patentschrift 4,658,093
29
D9 internationale Patentanmeldung WO 96/05700 A1.
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Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D1, D2, D3 und D4. Zudem sei er dem Fachmann durch eine Kombination von D5 mit dem allgemeinen Fachwissen, wie es z. B. in D2 offenbart werde, nahegelegt gewesen.
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Auch die Merkmale der Unteransprüche weisen der Klägerin zufolge keinen erfinderischen Gehalt auf.
32
Die Klägerin beantragt,
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das europäische Patent 0 925 686 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 20. November 2019 eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge I und II richtet.
37
Gemäß Hilfsantrag I erhält der Patentanspruch 1 folgende Fassung (Änderung gegenüber der erteilten Fassung durch Unterstreichung kenntlich gemacht):
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1. An arrangement (1) for …, comprising
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verification means (19) arranged to receive a reproduced encrypted information signal (I) and adapted to supply key Information (S) suitable for correctly decrypting the reproduced encrypted information signal when a playing authorization is available, wherein the playing authorization differs from the key information (S), and
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decryption means (32) arranged to receive key information (S) and adapted to decrypt the reproduced encrypted information signal (I) when suitable key information (S) is available,
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characterized in that
42
….
43
Die in ihrem Wortlaut gegenüber der erteilten Fassung unveränderten Ansprüche 2 bis 9 beziehen sich auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurück.
44
Gemäß Hilfsantrag II werden der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 9 hinzugefügt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 durch Unterstreichung bzw. Streichung kenntlich gemacht):
45
1. An arrangement (1) for ….., comprising
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verification means (19) …., and
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decryption means (32) arranged to receive key information (S) and adapted to decrypt the reproduced encrypted information signal (I) when suitable key information (S) is available,
48
characterized in that
wherein
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the arrangement (1) is equipped with interrogation means (35, 43) for automatically and independently requesting a playing authorization from a playing authorization allocation means (5) when a playing authorization for said reproduced encrypted information signal being received is absent, and
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wherein control means (62) have been provided which are adapted to supply, in the absence of a playing authorization, pause information to the reproducing device (2, 3) via interface means (13) in order to interrupt the reproduction of an encrypted information signal, and the control means (62) are adapted to supply, when subsequently a playing authorization for the encrypted information signal is available, end-of-pause information to the reproducing device (2, 3) via the interface means (13) in order to continue reproduction of the encrypted information signal.
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Unter Wegfall des Patentanspruchs 9 beziehen sich die in ihrem Wortlaut gegenüber der erteilten Fassung unveränderten Patentansprüche 2 bis 8 auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurück.
52
Die Beklagte hält die von ihr mit Haupt- und Hilfsanträgen verteidigten Patentansprüche für zulässig und deren Gegenstände auch für patentfähig.
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Der Klägerin zufolge ist die Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I unzulässig. Aus den Unterlagen der ursprünglichen Anmeldung zum Streitpatent gehe die Unterscheidung von Abspielberechtigung und Schlüsselinformation in der mit Hilfsantrag I beanspruchten Allgemeinheit nicht hervor. Im Übrigen sei der Anspruchsgegenstand auch unter Einbeziehungen der gemäß den Hilfsanträgen vorgesehenen Änderungen nicht patentfähig.
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Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 10. September 2019 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.