Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 31/12

Datum:
25.3.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 23. August 2016, Az: X ZR 81/14, Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache


betreffend das deutsche Patent 196 81 289
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth, sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer, Dipl.-Chem. Dr. Lange und Dipl.-Chem. Dr. Wismeth
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 196 81 289 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgenden Fassung erhalten:
“1. Verwendung eines Verbundwerkstoffs, umfassend einen Träger und eine darauf aufgebrachte photokatalytische Schicht, wobei die photokatalytische Schicht aus TiO
2
in der Anatas-Form und SiO
2
besteht, worin das Verhältnis von SiO
2
zur Summe von TiO
2
und SiO
2
10 bis 50 Mol-% beträgt und die photokatalytische Schicht eine Oberfläche hat, die durch Belichtung mit Sonnenlicht hydrophil gemacht wurde und die eine Wasserbenetzbarkeit von weniger als 10°, ausgedrückt durch den Kontaktwinkel mit Wasser, aufweist, worin der Träger aus Glas hergestellt ist, das alkalische Netzwerk-Modifizierungsmittel – Ionen enthält und worin ein dünner Film, welcher verhindert, dass die Ionen von dem Träger in die photokatalytische Schicht diffundieren, zwischen dem Träger und der Schicht angeordnet ist, als Material, von dem Ablagerungen und/oder Verunreinigungen, die auf der Oberfläche haften, durch gelegentlichen Kontakt mit Regen abgewaschen werden.
2. Verwendung nach Anspruch 1, worin die hydrophile Oberfläche eine Wasserbenetzbarkeit von weniger als 5°, ausgedrückt durch den Kontaktwinkel mit Wasser, aufweist.
3. Verwendung nach Anspruch 1, worin die hydrophile Oberfläche eine Wasserbenetzbarkeit von 0°, ausgedrückt durch den Kontaktwinkel mit Wasser, aufweist.
4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, worin die photokatalytische Schicht weiterhin mit einer Schutzschicht beschichtet ist, die hydrophil gemacht werden kann.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, worin die photokatalytische Schicht außerdem ein Metall, gewählt aus der Gruppe, bestehend aus Ag, Cu und Zn, enthält.
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, worin die photokatalytische Schicht außerdem ein Metall, gewählt aus der Gruppe, bestehend aus Pt, Pd, Os und lr, enthält.
7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, worin der Verbundwerkstoff ein Spiegel, ein Fensterglas, eine Fliese oder ein äußeres Paneel eines Gebäudes ist.
8. Verwendung nach Anspruch 1, worin der dünne Film, der verhindert, dass die Ionen aus dem Substrat in die photokatalytische Schicht diffundieren, eine Siliciumdioxidschicht ist.“
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu je 9/10, die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 1/10.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Nichtigkeitsklage richtet sich gegen das deutsche Patent 196 81 289, das aus der internationalen Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen PCT/JP96/00733 mit der Veröffentlichungsnummer WO 96/29375 A1 und dem 21. März 1996 als Anmeldetag hervorgeht, und das über die PCT-Anmeldung folgende Prioritäten japanischer Anmeldungen in Anspruch nimmt:
2
(1) JP 7/99425 vom 20.03.1995,
3
(2) JP 7/117600 vom 06.04.1995,
4
(3) JP 7/182019 vom 14.06.1995,
5
(4) JP 7/182020 vom 14.06.1995,
6
(5) JP 7/205019 vom 08.07.1995,
7
(6) JP 7/326167 vom 09.11.1995,
8
(7) JP 7/354649 vom 22.12.1995.
9
Es ist nach einem Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhalten worden.
10
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent jeweils beschränkt mit einem Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen. Das Streitpatent betrifft laut Bezeichnung die “Verwendung eines Verbundwerkstoffes als Material, von dessen Oberfläche anhaftende Ablagerungen durch Kontakt mit Regen abgewaschen werden“ und umfasst in seiner geltenden Fassung elf Patentansprüche, die folgendermaßen lauten:
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11
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf folgende Entgegenhaltungen:
12
 (1) JP 7/99425   vom 20.03.1995
13
 (2) JP 7/117600 vom 06.04.1995
14
 (3) JP 7/182019 vom 14.06.1995
15
 (4) JP 7/182020 vom 14.06.1995
16
 (5) JP 7/205019 vom 08.07.1995
17
 D1 WO 97/10186 A1
18
 D1’ FR 2 738 813 A1
19
 D2 WO 95/11751 A1
20
 D3 EP 0 590 477 A1
21
 D4 JP 63-100042 A in englischer Übersetzung
22
 D5 T. Saito et al, ”Mode of photocatalytic bactericidal action of powdered semiconductor TiO
2
on mutans streptococci”, J. Photochem. Photobiol. B: Biol., 14 (1992) 369-379
23
 D6 Roger I. Bickley et al, “A Structural Investigation of Titanium Dioxide Photocatalysts”, J. Sol. State Chem., 92 (1991) 178-190
24
 D7 K. Hashimoto et al, ”TiO
2
Photocatalysis: A Historical Overview and Future Prospects” Jap. J. Appl. Phys., 44 (2005) 8269-8285
25
Die Nebenintervenientin, die dem Verfahren auf der Seite der Klägerin beigetreten ist, verweist weiterhin auf folgende Entgegenhaltungen:
26
Anlage NI 1 zum Schriftsatz vom 5. März 2014: JP 5-253544 A sowie Übersetzung ins Deutsche
27
Anlage NI 2 zum Schriftsatz vom 5. März 2014: Korrespondenz der Patentinhaberin mit der Nebenintervenientin, 2 Seiten, mit Anlage, 6 Seiten
28
Die Klägerin und die Nebenintervenientin sind der Ansicht, Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4 sei unzulässig erweitert, denn in den ursprünglichen Unterlagen sei nicht offenbart, dass die photokatalytische Schicht des Verbundwerkstoffs ein photokatalytisches Material und außerdem SiO
2
oder Silikon enthält, was auch im Kontext der gesamten Anmeldung durch die Verwendung des Wortes “aus“ deutlich werde. So “bestehe die photokatalytische Schicht aus mit Siliciumdioxid gemischtem Titandioxid“ oder “aus mit Zinndioxid gemischtem Titandioxid“. Patentanspruch 1 sei auch unzulässig geändert, weil in den ursprünglichen Unterlagen die Merkmalskombinationen von TiO
2
in der Anatas-Form und/oder SnO
2
, Bestrahlung mit Sonnenlicht und gelegentlicher Kontakt mit Regen und außerdem SiO
2
oder Silikon nicht im Zusammenhang offenbart seien.
29
Dem Gegenstand des strittigen Patentanspruches gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 6 fehle im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß D1, D2 und D3 ferner die Neuheit. Außerdem beruhe dieser Patentanspruch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik im Hinblick auf die Dokumente D2 oder D3 in Verbindung mit D4 oder D5.
30
In Bezug auf die Patentfähigkeit des Hilfsantrags 7 verweist die Nebenintervenientin erstmals in der mündlichen Verhandlung auf die Druckschrift EP 0 684 075 (Übersetzung der WO 95/15816 A1) und trägt vor, die Druckschrift sei erst im Rahmen der Recherche aufgefunden worden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Nebenintervenientin sich erst seit Januar 2014 im Verfahren befinde und daher erst im Laufe des Verfahrens umfassend habe recherchieren können. Die Entgegenhaltung sei daher in das Verfahren einzubeziehen, obwohl die Beklagte erkläre, sie könne sich im Termin hierzu nicht einlassen.
31
Die Klägerin stellt den Antrag,
32
das deutsche Patent 196 81 289 für nichtig zu erklären.
33
Die Beklagte stellt den Antrag,
34
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags, hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 5, sämtliche gemäß Schriftsatz vom 05. März 2014, weiter hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 6 und 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, erhält.
35
Der Hauptantrag entspricht der geltenden Fassung des Streitpatents mit dem Unterschied, dass die hydrophile Oberfläche gemäß Patentanspruch 1 eine Wasserbenetzbarkeit von weniger als 10° aufweist, der erteilte Patentanspruch 2 gestrichen und die Nummerierung der neun übrigen Patentansprüche angepasst wird.
36
Hilfsantrag 1 entspricht dem Hauptantrag mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 1 zusätzlich das Merkmal “und wobei bei Verwendung von Silikon die an die Siliciumatome der Silikonmoleküle gebundenen organischen Gruppen unter der photokatalytischen Wirkung des photokatalytischen Material zumindest teilweise durch Hydroxygruppen ersetzt werden“ eingefügt wird.
37
Hilfsantrag 2 entspricht dem Hauptantrag, mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 1 das Merkmal, dass die photokatalytische Schicht auf dem Träger Silikon enthält, fehlt.
38
Hilfsantrag 3 entspricht Hilfsantrag 2, mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 1 nach “und außerdem SiO
2
enthält“ zusätzlich das Merkmal “worin das Verhältnis von SiO
2
zur Summe von TiO
2
und SiO
2
10 bis 50 Mol-% beträgt“ eingefügt wird.
39
Hilfsantrag 4 entspricht Hilfsantrag 3 mit dem Unterschied, dass die photokatalytische Schicht gemäß Patentanspruch 1 ausschließlich dadurch definiert ist, dass sie TiO
2
in der Anatas-Form und SiO
2
enthält.
40
Hilfsantrag 5 entspricht dem Hilfsantrag 3 mit dem Unterschied, dass die photokatalytische Schicht gemäß Patentanspruch 1 ausschließlich dadurch definiert ist, dass sie aus TiO
2
in der Anatas-Form und SiO
2
besteht. Patentanspruch 10 wird gestrichen.
41
Hilfsantrag 6 entspricht Hilfsantrag 5 mit dem Unterschied, dass das Merkmal “worin der Verbundwerkstoff ein Spiegel, ein Fensterglas, eine Fliese oder ein äußeres Paneel eines Gebäudes ist“ in Patentanspruch 1 nach dem Wort “aufweist“ eingefügt, Patentanspruch 8 gestrichen und die Nummerierung von Patentanspruch 9 angepasst wird.
42
Hilfsantrag 7 entspricht Hilfsantrag 5 mit dem Unterschied, dass das Merkmal “worin der Träger aus Glas hergestellt ist, das alkalische Netzwerk-Modifizierungsmittel – Ionen enthält und worin ein dünner Film, welcher verhindert, dass die Ionen von dem Träger in die photokatalytische Schicht diffundieren, zwischen dem Träger und der Schicht angeordnet ist“ in Patentanspruch 1 nach dem Wort “aufweist“ eingefügt, Patentanspruch 7 gestrichen und die Nummerierung der Patentansprüche 8 und 9 angepasst wird.
43
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente
44
Annex zum Schriftsatz vom 25. Juli 2013: “Experimente zu Dokument D2“, 9. April 2003, 15 Seiten, und “kurze Erläuterung der Experimente zu Dokument D2“, März 2009, 2 Seiten
45
Anlagen zum Schriftsatz vom 5. März 2014:
46
Anlage 1 Kopie eines Artikels aus “The Invention, Vol. 103, 2006 No. 8, Special Reports”, 4 Seiten
47
Anlage 2 7 Seiten einer englischen Übersetzung zum Artikel aus  Anlage 1
48
Anlage 3 Werbeanzeige in der japanischen Zeitung: Nihon Keizai Shimbun, 25. Juli 1996, 1 Seite
49
Anlage 4 Nature, Vol. 388 (1997) 431- 432
50
Anlage 5 T 0305/09, Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 19. Juli 2011, 17 Seiten
51
Anlage 6 Beschluss der Patentabteilung 1.43 des DPMA vom 21. Oktober 2008 zu Patent DE 196 81 289 B4, 10 Seiten
52
Anlage 7 Liste der im erstinstanzlichen europäischen Einspruchsverfahren zu EP 0 816 466 B1 zitierten Druckschriften, 24. November 2008, 4 Seiten
53
Anlage 8 “band gap”. In Wikipedia, the free encyclopedia. Bearbeitungsstand: unbekannt. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Band_gap [abgerufen am 05.03.2014]
54
Anlage 9 “Electronvolt“. In Wikipedia, the free encyclopedia. Bearbeitungsstand: unbekannt. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Electronvolt [abgerufen am 05.03.2014]
55
Anlage 10 “Ultraviolet”. In Wikipedia, the free encyclopedia. Bearbeitungsstand: unbekannt. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Ultraviolet [abgerufen am 05.03.2014]
56
Anlage 11 Versuchsbericht zur Hydrophilie, 3 Seiten
57
Anlage D5 M. Shimohigoshi et al., Research Institute, TOTO Ltd., Japan, ”Development of photocatalyst tile and commercial production”, RILEM Symposium 2004, Koriyama, Japan, S. 35-40
58
Die Beklagte ist der Ansicht, die in Patentanspruch 1 von Haupt- und Hilfsanträgen gelehrte Beschaffenheit der photokatalytischen Schicht des Verbundwerkstoffs sei u.a. durch die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 123, 148, 150, 157, 158, 159, 169, 179 und 180 offenbart.
59
Der Gegenstand des Streitpatents gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn in D2 seien nur hydrophobe Oberflächen offenbart, jedoch keine hydrophilen Oberflächen mit einer Wasserbenetzbarkeit von weniger als 10°, ausgedrückt durch den Kontaktwinkel mit Wasser wie im Streitpatent. D3 enthalte keine Information zur Zusammensetzung und den Kontaktwinkel der photokatalytischen Schicht. Es fehle auch an einer Anregung, in Kombination dieser Druckschriften mit D5, die keinen Hinweis auf die Verwendung der Anatas-Form, auf die Zusammensetzung mit TiO
2
und den daraus resultierenden Effekt enthalte oder in Zusammenhang mit D2, die eine völlig andere Lösung lehre, zum Gegenstand des Streitpatents zu kommen.


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