Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 32/13

Datum:
23.4.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent 10 2005 024 701
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richter Kätker und Dipl.-Chem. Dr. Jäger sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2005 024 701 wird im Umfang der Ansprüche 1, 2, 4 bis 9 für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. Mai 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 10 2005 024 701 (Streitpatent), dessen Erteilung am 12. April 2007 und dessen beschränkte Aufrechterhaltung am 24. Mai 2012 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent betrifft ein „Verfahren und (eine) Vorrichtung zum Ausformen eines Produktteppichs aus viskoser Süßwarenmasse” und weist in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung 10 Patentansprüche auf, die folgendermaßen lauten:
2
1. Verfahren zum Ausformen eines Produktteppichs (10) aus viskoser Süßwarenmasse (9), indem die Süßwarenmasse (9) auf ein horizontal ausgerichtetes angetriebenes Förderband (2) entsprechend der gewünschten Arbeitsbreite (16) ausgebracht und durch Seitenwände an einem seitlichen Verlaufen gehindert wird, worauf der ausgebrachte Produktteppich (10) unter Verfestigung der Süßwarenmasse (9) gekühlt und einer Weiterverarbeitung zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass zur Bildung der das seitliche Verlaufen gezielt begrenzenden Seitenwände die Ränder (18) des angetriebenen Förderbandes (2) unter Bildung eines Troges mit einer konstanten Schichtdicke des Produktteppichs (10) über die durch den Trog festgelegten Arbeitsbreite um etwa 90° hochgeklappt werden und in hochgeklapptem Zustand solange mitbewegt werden, bis eine hinreichende Verfestigung der Süßwarenmasse (9) eingetreten ist.
3
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Hochklappen der Ränder (18) des angetriebenen Förderbandes (2) vor dem Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) erfolgt.
4
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Förderband (2) nach dem Ausbringen der Süßwarenmasse (9) gerüttelt wird.
5
4. Vorrichtung zum Ausformen eines Produktteppichs (10) aus viskoser Süßwarenmasse (9) auf ein horizontal ausgerichtetes angetriebenes Förderband (2), mit einer Station (8) zum Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) entsprechend der gewünschten Arbeitsbreite (16) und mit Seitenwänden, die die auf das Förderband (2) ausgebrachte Süßwarenmasse (9) an einem seitlichen Verlaufen hindern, dadurch gekennzeichnet, dass das horizontal ausgerichtete angetriebene Förderband (2) zumindest in seinen beiden Randbereichen so elastisch-nachgiebig ausgebildet ist, dass die Ränder (18) während des Umlaufs des Förderbandes (2) bereichsweise unter Bildung der das seitliche Verlaufen gezielt begrenzenden Seitenwände und unter Bildung eines Troges mit einer konstanten Schichtdicke des Produktteppichs (10) über die durch den Trog festgelegten Arbeitsbreite hochklappbar sind, und dass zum bereichsweisen Hochklappen der Ränder (18) des Förderbandes (2) Leitelemente (22) vorgesehen sind.
6
5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass als Leitelemente (22) ortsfeste Schienen (23), mitlaufende Führungsbänder, Rollenbahnen (32) od. dgl. vorgesehen sind.
7
6. Vorrichtung nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Förderband (2) in Längsrichtung durchgehende Einkerbungen (29, 30) aufweist, die die Biegestellen darstellen, an denen die Ränder (18) des Förderbandes (2) gegenüber einem Mittelteil (19) hochgeklappt werden.
8
7. Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 4 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Förderband (2) doppellagig ausgebildet ist und eine außen liegende Schicht (26) aus Kunststoff und eine innen liegende Schicht (27) aus einem Gewebe aufweist.
9
8. Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 4 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Station (8) zum Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) ein Kühlkanal (11) nachgeordnet ist, und dass die Leitelemente (22) den Kühlkanal (11) durchsetzend angeordnet sind.
10
9. Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 4 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Leitelemente (22) Anlaufschrägen (25) aufweisen.
11
10. Vorrichtung nach mindestens einem der Ansprüche 4 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass unter dem Förderband (2) eine Rütteleinrichtung (21) vorgesehen ist.
12
Die Klägerin, die das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 2 und 4 bis 9, angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Zur Begründung ihres Vorbringens stützt sie sich u. a. auf folgende Dokumente:
13
NK2 DE 10 2005 024 701 C5 (Streitpatent)
14
D1 DE 697 04 058 T2
15
D2 DE 199 08 127 A1
16
D3 US 1 552 570
17
D4 GB 1 271 725
18
D5 EP 0 168 339 A1
19
D6 EP 1 067 065 A2
20
D7 US 5 060 787
21
Nach Auffassung der Klägerin sind die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 nicht neu. Beide seien durch die Druckschrift D2 neuheitsschädlich vorweggenommen. Außerdem nehme die Entgegenhaltung D1 den Gegenstand des Patentanspruchs 4 neuheitsschädlich vorweg.
22
Den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 4 des Streitpatents fehle im Hinblick auf eine Kombination der Druckschriften D3 und D2 auch die erfinderische Tätigkeit. Zudem sei der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 4 durch eine Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D2 nahegelegt.
23
Weiter ist die Klägerin der Ansicht, dass die abhängigen Patentansprüche 2 und 5 bis 9 im Hinblick auf die Druckschriften D1 bis D3 und D5 bis D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Dementsprechend sei die Klage auch im Hinblick auf die Hilfsanträge 1 bis 4 und die weiter verteidigten abhängigen Patentansprüche begründet.
24
Die Klägerin stellt den Antrag,
25
das deutsche Patent 10 2005 024 701 im Umfang der Ansprüche 1, 2 und 4 bis 9 für nichtig zu erklären.
26
Die Beklagte beantragt,
27
die Klage abzuweisen,
28
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 erhält,
29
weiter hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent eine Fassung erhält, in der die erteilten abhängigen Patentansprüche bestehen bleiben.
30
Gemäß Hilfsantrag 1 wird in den kennzeichnenden Teil der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 4 das Merkmal aufgenommen, dass die Ränder des Förderbandes „durch als ortsfeste Schienen (23) ausgebildete Leitelemente (22)“ um etwa 90° hochgeklappt werden (Patentanspruch 1) bzw. „durch als ortsfeste Schienen ausgebildete Leitelemente (22) um etwa 90°“ hochklappbar sind (Patentanspruch 4). Der erteilte Patentanspruch 5 wird gestrichen, die Nummerierung und die Rückbezüge der angegriffenen Patentansprüche 6 bis 9 entsprechend angepasst.
31
Gemäß Hilfsantrag 2 wird in die Patentansprüche 1 und 4 zusätzlich das Merkmal „und der Produktteppich (10) in der verfestigten Form durch eine Längsschneidestation (12) und eine Querschneidestation (13) zu einzelnen Produkten (14) weiterverarbeitet wird“ (Patentanspruch 1) bzw. „und eine Längsschneidestation (12) und eine Querschneidestation (13) vorgesehen sind, durch die der Produktteppich (10) in der verfestigten Form zu einzelnen Produkten (14) weiterverarbeitet wird“ (Patentanspruch 4) aufgenommen.
32
Gemäß Hilfsantrag 3 wird in die Patentansprüche 1 und 4 zusätzlich das Merkmal „das Hochklappen der Ränder (18) des angetriebenen Förderbandes (2) vor dem Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) erfolgt“ (Patentanspruch 1) bzw. „die ortsfesten Schienen (23) so angeordnet sind, dass das Hochklappen der Ränder (18) des angetriebenen Förderbandes (2) vor dem Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) erfolgt“ (Patentanspruch 4) aufgenommen. Der erteilte Patentanspruch 2 wird gestrichen.
33
Gemäß Hilfsantrag 4 wird in die Patentansprüche 1 und 4 zusätzlich das Merkmal „die Süßwarenmasse (9) in einem Kühlkanal (11) gekühlt wird, wobei die ortsfesten Schienen (23) den Kühlkanal (11) durchsetzend angeordnet sind“ (Patentanspruch 1) bzw. „der Station (8) zum Ausbringen der Süßwarenmasse (9) auf das Förderband (2) ein Kühlkanal (11) nachgeordnet ist, die ortsfesten Schienen (23) den Kühlkanal (11) durchsetzend angeordnet sind“ (Patentanspruch 4) aufgenommen. Der erteilte Patentanspruch 8 wird gestrichen und die Nummerierung und Rückbezüge des erteilten Patentanspruchs 9 werden entsprechend angepasst.
34
Bei allen o.g. Hilfsanträgen verbleiben die nicht angegriffenen Patentansprüche 3 und 10 in ihrer jeweiligen Rückbeziehung gemäß ihrer erteilten Fassung bestehen.
35
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verteidigt ihr Patent, soweit es angegriffen wird. Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 seien neu. Insbesondere offenbare die D2 kein Verfahren bzw. keine Vorrichtung zum Ausformen eines Produktteppichs aus einer Süßwarenmasse, welche alle Merkmale des Patentanspruchs 1 umfasse bzw. alle Vorrichtungsmerkmale des Patentanspruchs 4 aufweise. Sie offenbare auch keine ausführbare Lehre, wie die Ränder des Förderbandes unter Ausbildung eines Troges um etwa 90° hochgeklappt werden. Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 4 sei auch gegenüber der Lehre der D1 neu.
36
Der jeweilige Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 beruhe zudem auf erfinderischer Tätigkeit. Er sei weder durch eine Zusammenschau der D3 und der D2 noch der D1 und der D2 nahe gelegt. Insbesondere werde der Fachmann die D2, die das Fachgebiet der Transportförderbänder für die Verarbeitung von Metallschmelzen betreffe, nicht heranziehen und könne ihr auch nicht die Lehre des Streitpatents, das Hochklappen der Ränder des Förderbandes um etwa 90° und die Bildung eines Troges mit konstanter Schichtdicke des Produktteppichs über eine durch den Trog festgelegten Arbeitsbreite, entnehmen.
37
Aus den gleichen Gründen seien die Lehren der Hilfsanträge bestandsfähig, die Merkmale der erteilten Ansprüche und der Beschreibung kombinierten und das Wesentliche der erfindungsgemäßen Lehre aufzeigten.
38
Darüber hinaus seien die Gegenstände der erteilten abhängigen Patentansprüche 2 und 5 bis 9 neu und beruhten ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.


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