Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  6 Ni 32/14 (EP)

Datum:
24.6.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
6. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 601 167
(DE 697 37 778)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2015 durch die Richterin Martens als Vorsitzende, die Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller, die Richterin Dr. Hoppe sowie den Richter Dipl.-Ing. Matter
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 601 167 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 601 167 (Streitpatent), das am 27. Januar 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der finnischen Anmeldung 960 859 vom 23. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent ist durch Teilung aus der europäischen Anmeldung 97 101 190.3 hervorgegangen, die zum europäischen Patent 0 792 077 geführt hat. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung „Multi-service mobile station (Mobiltelefon mit einer Vielzahl von Servicefunktionen)“ und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 697 37 778.4 geführt. Es umfasst nach der Streitpatentschrift (EP 1 601 167 B1) fünf Ansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
2
Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung wie folgt:
3
1. A multi-service mobile station (1) which comprises means (42) for connecting the device by radio to the telecommunication network for using typical mobile communication services, such as speech and data services, wherein the multi-service mobile station comprises:
4
Means (41, 40, 47) for processing different information processing services (P1, P2),
5
a user interface (11, 12, 15, 16, 17, 21, 22, 23) for selecting an information processing service (P1, P2) between at least two processed services, a notebook service (P1) and a telephone service (P2),
6
a first memory (40) for storing information when using an information processing service;
7
a second memory (47) that is suitable for storing information without current; and
8
characterized by:
9
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first
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memory to the second memory, when an incoming call is detected.
11
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift lautet Patentanspruch 1 wie folgt:
12
1. Mehrfach-Dienst-Mobilstation (1), welche Mittel (42) zum Verbinden der Vorrichtung über Funk mit dem Telekommunikationsnetz umfasst, um typische Mobilkommunikationsdienste zu verwenden, wie etwa Sprache und Datendienste, wobei die Mehrfach-Dienst-Mobilstation umfasst:
13
Mittel (41, 40, 47) zum Verarbeiten unterschiedlicher Informationsverarbeitungsdienste (P1; P2),
14
eine Benutzerschnittstelle (11, 12, 15, 16, 17, 21, 22, 23) zum Auswählen eines Informationsverarbeitungsdienstes (P1, P2) aus mindestens zwei verarbeiteten Diensten: einem Notebook-Dienst (P1) und einem Telefon-Dienst (P2),
15
ein erstes Speicherelement (40) zum Speichern von Informationen bei Verwendung eines Informationsverarbeitungsdienstes;
16
ein zweites Speicherelement (47) das geeignet ist, stromlos Informationen zu speichern; und
17
gekennzeichnet durch
18
Mittel (40, 41, 47) zum automatischen Speichern von Informationen bezüglich der Informationen des Notebookdienstes, die von dem Benutzer verarbeitet werden, von dem ersten Speicherelement zu dem zweiten Speicherelement, wenn ein eingehender Anruf erfasst wird.
19
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
20
Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei bereits wegen unzulässiger Erweiterung des Gegenstands (Art. II  § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ) für nichtig zu erklären. Es sei ferner wegen fehlender Neuheit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 54 EPÜ) nicht patentfähig, jedenfalls aber durch den vorgelegten Stand der Technik für den Fachmann nahegelegt (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 56 Satz 1 EPÜ).
21
Hierbei stützt sie sich auf folgende Vorbenutzungen bzw. Entgegenhaltungen:
22
D1: PDA (= Personal Digital Assistant) „Apple Newton MessagePad 120”,
23
D1-1: „Apple MessagePad Handbook“, Benutzerhandbuch zur D1, Copyright 1995,
24
D1-2: „Important Late-Breaking Information“, Addendum zur D1-1, Copyright 1995,
25
D1-3: „Newton Programmers Guide for Newton 2.0“, Addison-Wesley Publishing Company, Copyright 1996,
26
D1-4: Veröffentlichung „Apple Facts 10.95“, Oktober 1995,
27
D1-5: Zeitschrift „Newton Technology Journal“, Bd. 1, Ausgabe 2, April 1995,
28
D2: PDA (= Personal Digital Assistant) „Motorola Envoy”,
29
D2-1:  Motorola Envoy, Wireless Communicator, User’s Guide, Copyright 1994
30
D2-2: Motorola Envoy, Informationsbroschüre, Copyright 1994
31
D2-3:  Motorola Envoy, 10 Fotos
32
D3: DE 44 96 561 T1,
33
D4: US 5 337 346 A,
34
D5: US 5 375 230 A,
35
D6: US 5 422 656 A,
36
D7: DE 33 23 435 C2.
37
Die Klägerin beantragt,
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das europäische Patent 1 601 167 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
39
Die Beklagte beantragt,
40
die Klage abzuweisen,
41
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der jeweiligen Fassung des Patentanspruchs 1 nach den Hilfsanträgen I bis VI, eingegangen mit Schriftsatz vom 2. April 2015, in dieser Reihenfolge richtet, mit der Maßgabe, dass sich Anspruch 1 jeweils die erteilten Ansprüche 2 bis 5 anschließen.
42
Sie hat in der mündlichen Verhandlung die weiteren Hilfsanträge IIa und IIb überreicht und erklärt, dass diese in der Reihenfolge nach dem bisherigen Hilfsantrag II und vor Hilfsantrag III zur Entscheidung gestellt werden sollen.
43
Die Beklagte beantragt ergänzend,
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hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der jeweiligen Fassung der Patentansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag IIa und IIb richtet.
45
In sämtlichen hilfsweise verteidigten Fassungen, die in den Akten teilweise auch mit arabischen Ziffern bezeichnet sind, ist jeweils der Oberbegriff gegenüber der erteilten Fassung unverändert, während der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 geändert ist (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung jeweils hervorgehoben).
46
Hilfsantrag I:
47
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when an incoming call is detected in an automatic answering mode in which mode the telephone service is automatically activated upon said incoming call.
48
Hilfsantrag II:
49
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when shifting from the notebook service to the telephone service, namely when an incoming call is detected.
50
Hilfsantrag IIa:
51
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when an incoming call is detected and when shifting from the notebook service to the telephone service.
52
Hilfsantrag IIb:
53
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when the telephone service is automatically activated upon an incoming call, namely when an incoming call is detected.
54
Hilfsantrag III:
55
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when shifting from the notebook service to the telephone service, namely when an incoming call is detected in an automatic answering mode in which mode the telephone service is automatically activated upon said incoming call.
56
Hilfsantrag IV:
57
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when an incoming call is connected, namely when an
the incoming call is detected.
58
Hilfsantrag V:
59
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when an incoming call is detected, namely when the incoming call is connected.
60
Hilfsantrag VI:
61
means (40, 41, 47) for automatically storing information related to said information of the notebook service processed by the user from the first memory to the second memory, when an incoming call is detected and connected.
62
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Das Streitpatent sei gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung der Stammanmeldung nicht unzulässig geändert. Sein Gegenstand sei patentfähig, da er zum Prioritätszeitpunkt durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder vorweggenommen gewesen sei noch demgegenüber nahegelegen habe.
63
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis nach § 83 PatG vom 26. Februar 2015 zugestellt und in der mündlichen Verhandlung einen ergänzenden Hinweis erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


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