Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung.; Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Kodierung von Videofarbbildern” – zur Patentfähigkeit;

Aktenzeichen  2 Ni 49/16 (EP)

Datum:
25.10.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:251018U2Ni49.16EP.0
Normen:
Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG
Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk
Art 54 EuPatÜbk
Art 56 EuPatÜbk
Spruchkörper:
2. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 754 393
(DE 696 07 529)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und der Richter Dipl.-Phys. Dr. Forkel, Dipl.-Ing. Hoffmann und Dr. Himmelmann
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Nichtigkeitsklage betrifft das am 26. Januar 1996 in englischer Sprache international angemeldete, mit Datum 5. April 2000 veröffentlichte und am 26. Januar 2016 durch Zeitablauf erloschene europäische Patent EP 0 754 393 mit der Bezeichnung „VIDEO IMAGE COLOUR ENCODING“ (KODIERUNG VON VIDEOFARBBILDERN), das auf die PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 96/25010 A2 zurückgeht, die Prioritäten der englischen Anmeldungen GB 9502172 vom 3. Februar 1995 und GB 9503063 vom 16. Februar 1995 in Anspruch nimmt und dessen deutscher Teil vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 696 07 529.6 geführt wird.
2
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils des europäischen Patents in vollem Umfang.
3
Das Streitpatent umfasst 12 Patentansprüche. Der Patentanspruch 1, auf den die Unteransprüche 2 bis 10 direkt oder indirekt rückbezogen sind, ist auf ein „Verfahren zum Codieren von Pixelfarbwerten für ein digitales Videobildframe“ gerichtet, der nebengeordnete Patentanspruch 11 auf eine „Videobildcodierungseinrichtung zum Codieren von Pixelfarbwerten für ein digitales Videobildframe“ und der nebengeordnete Patentanspruch 12 auf eine „Videobildwiedergabeeinrichtung zum Empfangen und Decodieren eines Videobildsignals mit codierten Frames von Pixelfarbwerten“.
4
Patentanspruch 1 lautet in der englischen Fassung gemäß EP 0 754 393 B1 (mit einer an die Gliederung aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 14. Oktober 2016 angelehnten Gliederung):
5
M1 A method of encoding pixel colour values for a digital video image frame in which each different colour within the image is assigned a colour value,
6
characterized in that
7
M1.1 a predominant colour is identified for the image frame, and
8
M1.2 runs of at least three successive pixels of the predominant colour are encoded as a first code word indicating a run and a second code word indicating the run length, and
9
M1.3 wherein pixels having colours other than the predominant colour are encoded as codes containing at least the respective colour values.
10
In Anlehnung an die von der Klägerin vorgeschlagene Merkmalsgliederung lautet der erteilte Patentanspruch 1 in der deutschen Übersetzung:
11
N1 Verfahren zum Codieren von Pixelfarbwerten für ein digitales Videobildframe, wobei jeder verschiedenen Farbe innerhalb des Bildes ein Farbwert zugeordnet ist,
12
dadurch gekennzeichnet, dass
13
N1.1 eine vorherrschende Farbe für das Bildframe identifiziert wird und
14
N1.2 Läufe von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe werden als erstes Codewort codiert, das einen Lauf angibt, und ein zweites Codewort, das die Lauflänge angibt, und
15
N1.3 wobei Pixel mit Farben anders als die vorherrschende Farbe als Codes mit wenigstens den betreffenden Farbwerten codiert werden.
16
Wegen des Wortlautes der auf Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogen Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Patentschrift EP 0 754 393 B1 verwiesen.
17
Der unabhängige Patentanspruch 11 lautet in der englischen Fassung gemäß EP 0 754 393 B1 (mit hinzugefügter Gliederung):
18
M11 Video image encoding apparatus arranged to encode pixel colour values for a digital video image frame by assigning to each different colour within the image a respective colour value;
19
characterised in that,
20
M11.1 a predominant colour being identified for the image frame,
21
M11.2 the apparatus includes means operable to identify runs of at least three successive pixels of the predominant colour and encode each such run as a first code word indicating a run and a second code word indicating the run length, and
22
M11.3 means operable to determine pixels having colours other than the predominant colour and encode these as codes containing at least the respective colour values.
23
In der deutschen Übersetzung lautet der Patentanspruch 11:
24
N11 Videobildcodierungseinrichtung zum Codieren von Pixelfarbwerten für ein digitales Videobildframe durch Zuordnung eines betreffenden Farbwertes zu jeder anderen Farbe innerhalb des Bildes:
25
dadurch gekennzeichnet, dass
26
N11.1 eine vorherrschende Farbe für das Bildframe identifiziert wird, wobei
27
N11.2 die Einrichtung Mittel aufweist zum Identifizieren von Läufen von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe und zum Codieren jedes Laufes als ein erstes Codewort, das einen Lauf angibt und ein zweites Codewort, das die Lauflänge angibt, und das[s]
28
N11.3 Mittel vorgesehen sind zum Bestimmen von Pixeln mit Farben, anders als die vorherrschende Farbe und zum Codieren dieser als Codes mit wenigstens den betreffenden Farbwerten.
29
Der unabhängige Patentanspruch 12 lautet in der englischen Fassung gemäß EP 0 754 393 B1 (in Anlehnung an die von der Klägerin vorgeschlagenen Gliederung):
30
M12 Video image display apparatus arranged to receive and decode a video image signal comprising encoded frames of pixel colour values, wherein
31
M12.1 runs of three or more successive pixels of a predetermined predominant colour for the frame have been encoded in the form of a first code word indicating a run and a second code word indicating the run length, and
32
M12.2 pixels of colours other than the predetermined colour have been encoded in the form of a code containing at least the respective colour value,
33
M12.3 said apparatus including at least one look-up table of pixel colours, including the predominant colour, for the digital video image frames addressed by the encoded pixel colour values, and
34
M12.4 means operable to generate for display runs of at least three successive pixels of the predominant colour as well as individually generated pixels having colours other than the predominant colour.
35
Der nebengeordnete Patentanspruch 12 lautet in deutscher Übersetzung:
36
N12 Videobildwiedergabeeinrichtung zum Empfangen und Decodieren eines Videobildsignals mit codierten Frames von Pixelfarbwerten, wobei
37
N12.1 Läufe von drei oder mehr aufeinanderfolgenden Pixeln einer vorbestimmten vorherrschenden Farbe für das Frame in Form eines ersten Codewortes codiert worden sind, das einen Lauf angibt, und ein zweites Codewort, das die Lauflänge angibt, und
38
N12.2 Pixel mit Farben, anders als die vorbestimmte Farbe, in Form eines Codes codiert worden sind, der wenigstens den betreffenden Farbwert aufweist, wobei
39
N12.3 die genannte Einrichtung wenigstens eine Nachschlagtabelle von Pixelfarben aufweist, welche die vorherrschende Farbe enthält, für die digitalen Videobildframes, die durch die codierten Pixelfarbwerte adressiert werden, und
40
N12.4 Mittel zum Erzeugen von Wiedergabeläufen von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe, sowie einzeln erzeugten Pixeln mit einer Farbe, anders als die vorherrschende Farbe.
41
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend. Der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Stützung ihres Vorbringens verweist sie auf folgende Unterlagen:
42
NK1 Schreiben der Philips Intellectual Property & Standards an die Klägerin vom 17. Juni 2014
43
NK2 EP 0 754 393 B1 (Streitpatent)
44
NK3 WO 96/25010 A2
45
NK4 DE 696 07 529 T2
46
NK5 Registerauszug des deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Oktober 2016
47
NK6 Merkmalsgliederung
48
NK7, NK8, NK9 Schriftsätze der Nichtigkeitsbeklagten im früheren Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Mannheim
49
NK10 Merkmalsgliederungen zu den Hilfsanträgen I bis IV
50
D1 US 4 843 466 A
51
D2 NEWMAN, W. M.; SPROULL, R. F.: Principles of Interactive Computer Graphics; International Student Edition, 1981, pp 275-289, pub McGraw-Hill, ISBN 0-07-066455-2
52
D3 MURRAY, J. D.; vanRYPER, W.: Encyclopedia of Graphics File Formats, O´REILLY & ASSOCIATES, INC. 1994, pp 27-59, 132-141, 192-207
53
D3a James D. Murray und William vanRyper: Encyclopedia of Graphics File Formats, O´Reilly&Associates, Inc. 1994 (Belegexemplar dieses Fachbuchs nebst der diesem Buch beigefügten Begleit-CD);
54
D3b Utah RLE, in Encyclopedia of Graphics File Formats, O´Reilly&Associates, Seiten 698 bis 701;
55
D3c Spencer W. Thomas: Design of the Utah RLE Format, als PostScript-Datei auf der o. g. Begleit-CD gespeichert (Verzeichnis: FORMATSUTAHRLESPEC);
56
D3d Choudhry S.I., Pagendarm H.G. (1992) A Low Cost Approach to Animated Flow Visualization Using High Quality Video. In: Post F.H., Hin A.J.S. (eds) Advances in Scientific Visualization. Focus on Computer Graphics (Tutorials and Perspectives in Computer Graphics). Springer, Berlin, Heidelberg;
57
D3e J. Tisdale, David. (1992). Methods for Viewing Radar Cross Section Data in Three Dimensions, Masterarbeit;
58
D3f Peterson, John W. et al.: The Utah Raster Toolkit, Proceedings USENIX Association, Third Computer Graphics Workshop, Monterey 1986;
59
D3g WordPerfect Graphics Metafile, in Encyclopedia of Graphics File Formats, O´Reilly&Associates, Seiten 746 bis 757
60
D3h MURRAY, J. D.; vanRYPER, W.: Encyclopedia of Graphics File Formats, O´REILLY & ASSOCIATES, INC. 1994, pp xx-xxiii, 32, 33, 107, 132-140, 177-179
61
D4 US 4 698 672 A
62
D4a DE 37 89 273 T2
63
D5 WO 82/04154 A1
64
D6 US 4 847 677 A
65
D7 US 4 914 508 A
66
D8 US 5 212 565 A
67
D9 EP 0 488 400 A2
68
Die Beklagte verweist in ihrem Vorbringen u. a. auf die folgenden Unterlagen:
69
NB1 Ausdruck der Webseite
70
https://www.lemkesoft.de/en/products/graphicconverter/key-features/import-and-export-formats/
71
NB2 Ausdruck der Webseite
72
http://www.fileformat.info/format/atari/egff.htm.
73
Die Klägerin ist der Ansicht, die Druckschrift D3 nehme die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1, 11 und 12 neuheitsschädlich vorweg. Außerdem seien die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 11 gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift D4 nicht neu. Entsprechendes gelte für das Utah RLE-Format gemäß den Druckschriften D3b bis D3e sowie das Utah Raster Toolkit, welches in das Utah RLE-Format implementiert sei gemäß Druckschrift D3f. Jedenfalls aber fehle es an einem erfinderischen Gehalt gegenüber diesen Entgegenhaltungen. Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 11 und 12 seien auch nicht neu gegenüber dem „WordPerfect Graphics Metafile“-Format gemäß Druckschrift D3g.
74
Außerdem beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 12 ausgehend von der Druckschrift D4 und dem allgemeinen Fachwissen nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ferner seien die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1, 11 und 12 dem Fachmann durch die Druckschrift D8 im Hinblick auf die Lehre der Druckschrift D9 nahegelegt.
75
Die Klägerin führt insbesondere aus, das Utah RLE-Format gemäß den Druckschriften D3b bis D3e, das in das Utah Raster Toolkit implementiert sei, sei geeignet zur Speicherung von Videobildern und verwende eine Lauflängencodierung der Hintergrundfarbe entsprechend der Lehre des Streitpatents. Dass ein Unix-Computer und ein geeigneter Bildschirm verwendet würden, sei (zumindest stillschweigend) offenbart oder ergebe sich für den Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit.
76
Auch das „WordPerfect Graphics Metafile“-Format, das als Container für mehrere Bilder einer Videosequenz dienen könne und für Bitmaps verwendet werde, die digitale Videobildframes im Sinne des Streitpatents darstellten, bei denen jeder verschiedenen Farbe innerhalb des Bildes ein Farbwert zugeordnet sei, offenbare alle Merkmale der Hauptansprüche des Streitpatents.
77
Die Hilfsanträge II bis IV der Beklagten seien unzulässig erweitert und deren Gegenstände durch das Utah RLE-Format neuheitsschädlich vorweggenommen oder jedenfalls nahegelegt.
78
Die Klägerin stellt den Antrag,
79
das europäische Patent 0 754 393 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
80
Die Beklagte stellt den Antrag,
81
die Klage abzuweisen,
82
hilfsweise unter Klageabweisung im Übrigen das europäische Patent 0 754 393 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 11 teilweise für nichtig zu erklären,
83
weiter hilfsweise, das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung des Hilfsantrages
84
II vom 12. Oktober 2018 bzw. der Hilfsanträge III und IV vom 24. Oktober 2018, in dieser Reihenfolge, erhalten.
85
Die Beklagte, die das Streitpatent mit Hauptantrag in vollem Umfang und mit vier Hilfsanträgen beschränkt verteidigt, tritt der Argumentation der Klägerin in vollem Umfang entgegen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich auf die Patentansprüche 1 bis 11 bezieht, da die Beklagte sich gegenüber der Klägerin lediglich bezüglich der von ihr vertriebenen Set-Top-Boxen auf das Streitpatent berufen habe, die aber kein Verfahren oder eine Videobildcodierungseinrichtung gemäß Patentanspruch 1 bis Patentanspruch 11 beträfen. Die Beklagte hält außerdem die Einführung der neuen Entgegenhaltungen D3b bis D3g nach dem qualifizierten Hinweis für rechtsmissbräuchlich.
86
Darüber hinaus sei – so die Beklagte weiter – die Klage auch unbegründet. Die Veröffentlichung der Unterlagen D3c bis D3f vor dem maßgeblichen Prioritätstag werde bestritten. Das Utah RLE-Format codiere jeden der drei RGB-Farbkanäle einzeln, so dass für jedes Pixel die Werte von allen drei Kanälen herangezogen werden müssten, um die Farbe des Bildes im RGB-Farbraum zu bestimmen; dagegen codiere das Streitpatent für jedes Pixel nur einen Farbwert. Keines der Dokumente offenbare eine Videobildwiedergabeeinrichtung, die zum Empfangen und Decodieren eines Videobildsignals mit codierten Frames geeignet wäre. Es gebe für den Fachmann somit auch keine konkrete Veranlassung ausgehend vom Utah RLE-Format zur Lösung des Streitpatents zu kommen. Das „WordPerfect Graphics Metafile“-Format betreffe nur Einzelbilder, aber keine Videos. Mit dem WPG-Format werde stets nur eine einzige WPG-Datei (und zwar ein Einzelbild) gespeichert, kein Videobildsignal mit codierten Frames, und zwar auch dann, wenn zwei oder mehr Bilder in einer WPG-Datei gespeichert würden. Außerdem erfolge im WPG-Format die Kanalcodierung byteweise und völlig unabhängig davon, welche Bits ein Pixel (oder irgendeine andere Information) repräsentierten.
87
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
88
1. Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Abs. 1, 2 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist zulässig.
89
Das nach Erlöschen des Streitpatents durch Zeitablauf am 26. Januar 2016 erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der Vernichtung des Streitpatents mit Wirkung für die Vergangenheit liegt vor. Die rückwirkende Nichtigerklärung würde der Klägerin einen rechtlichen Vorteil bringen, denn es besteht die Besorgnis, möglicherweise Ansprüchen für die Vergangenheit ausgesetzt zu sein (vgl. zu den Voraussetzungen Schulte/Voit, PatG, 10. Aufl. 2017, § 81 Rn. 40, 41 m. w. N.). Das Rechtsschutzbedürfnis würde nur fehlen, wenn eine Rechtsverfolgung offensichtlich nicht schutzwürdig wäre, wobei die Rechtsprechung bei der Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses relativ großzügig ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995 – X
ZB 19/94 – GRUR 1995, 342-344 – Tafelförmige Elemente).
90
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 17. Juni 2014 (Anlage NK1 der Klägerin) neben einer Lizenzierung ausdrücklich die weiteren Rechte aus dem Streitpatent vorbehalten (s. NK1, Seite 2; das Streitpatent wird auf Seite 6 angeführt) und diese Forderung nach Angabe der Klägerin mehrmals wiederholt. Einen zwischenzeitlichen Verzicht auf diese Rechte hat die Beklagte weder erklärt noch behauptet. Dies gibt der Klägerin ausreichenden Anlass, eine Inanspruchnahme zu befürchten (vgl. Schulte/Voit, a. a. O.; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995 – X ZB 19/94 – GRUR 2010, 1084 – Windenergiekonverter).
91
Es ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis an der Vernichtung sämtlicher Ansprüche des Streitpatents gegeben. Zwar ist zumindest bei nebengeordneten Patentansprüchen das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf jeden Anspruch gesondert zu prüfen und darzutun (BGH, Urteil vom 19. Mai 2005, X ZR 188/01, GRUR 2005, 749-753 – Aufzeichnungsträger). Aber auch wenn das parallele Verletzungsverfahren sich unmittelbar nur auf TV-Geräte und Set-Top-Boxen beziehen und auf Patentanspruch 12 des Streitpatents gestützt sein mag, kann durch die Set-Top-Boxen der Beklagten auch das Verfahren bzw. die Einrichtung der Patentansprüche 1 ff. und 11 benutzt sein. Denn es kann sich um Geräte handeln, die als Festplattenrecorder ausgestaltet sind und bei denen das analoge Fernsehsignal digitalisiert, codiert und dann auf der Festplatte gespeichert wird. Insofern ist eine Inanspruchnahme auch aus den Patentansprüchen 1 bis 11, hinsichtlich derer die Beklagte sich ihre Rechte vorbehalten hat, zu befürchten, was ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Nichtigerklärung des Streitpatents trotz dessen Erlöschens durch Zeitablauf am 26. Januar 2016 begründet.
92
2. Die Klage ist indes in der Sache nicht begründet.
93
Das Streitpatent hat in der erteilten Fassung Bestand, da den Gegenständen des Patents in der erteilten Fassung der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nicht entgegensteht; denn die darin beanspruchte Lehre ist für den Fachmann durch den Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt.
II.
94
1. Das Streitpatent betrifft die Codierung und Decodierung digitaler Videobilder und insbesondere die Codierung von Pixelfarbwerten (Streitpatent, Absatz [0001]).
95
Bei der Codierung digitaler Bilder muss jedem Pixel der Wiedergabevorrichtung eine bestimmte Farbe zugewiesen werden. Dies erfolgt dadurch, dass jeder Farbe ein bestimmter Code, ein sogenannter Farbwert (colour value) zugewiesen wird und für jedes Pixel angegeben wird, welchen Farbwert es hat. Auf diese Weise wird beschrieben, welches Pixel welche Farbe darstellen soll.
96
Ausweislich der Beschreibung des Streitpatents (Streitpatent, Absatz [0002]) stellt die Lauflängencodierung (run length encoding) eine bekannte Technik zur Datenkompression dar, die u. a. im Compact Disc Interactive (CD-i) Standard verwendet wird. Das Codierverfahren sieht vor, Serien von Pixeln mit dem gleichen Farbwert als Lauflängen (run lengths) zu codieren. Anstelle denselben Farbwert mehrmals zu wiederholen, werden aufeinanderfolgende Pixel, die jeweils den gleichen Farbwert aufweisen, so codiert, dass der Farbwert lediglich einmal spezifiziert und sodann die Anzahl n der identischen Pixel angegeben wird.
97
Im Streitpatent wird die Lauflängencodierung insbesondere anhand der Figur 3 erläutert. In Figur 3 ist eine Folge von Farbwerten (colour codes) gezeigt, die jeweils den Farbwert eines Pixels eines digitalisierten Bildes angeben. Statt jeden dieser Werte in eine binäre Zahl zu codieren, werden Läufe von aufeinanderfolgenden gleichen Farbwerten als eine Lauflänge codiert, in der nach einem Lauflängenpräfix unmittelbar der eigentliche Farbwert und die Angabe der Lauflänge folgen.
98
Das Streitpatent geht insbesondere von einem Stand der Technik aus, wie er in der Druckschrift D1 beschrieben wird. Diese offenbart ein Verfahren und System zum Dekomprimieren von Farbvideodaten in einem Videoinformations-Kommunikationssystem unter Verwendung einer Mehrzahl von digitalisierten Signalen, welche Lauflängen und Farben von Pixeln in den Abtastzeilen eines Videobildframes darstellen (Streitpatent, Absatz [0002]). Als Hintergrundinformation zur Lauflängencodierung wird im Streitpatent noch auf den Fachbuchauszug D2 hingewiesen (Streitpatent, Absatz [0003]).
99
Ein Nachteil der Lauflängencodierung besteht laut Streitpatent darin, dass diese zwar eine effiziente Komprimierung bei langen Läufen ermöglicht, die Effizienz sich aber verringert, je kürzer die Abfolge von Pixeln mit dem gleichen Farbwert sei. Bei Frames mit einer großen Anzahl kurzer Läufe bedarf es mitunter eines erheblichen Rechenaufwandes für die Codierung (Streitpatent, Absatz [0004]).
100
2. Ausgehend vom bekannten Stand der Technik adressiert das Streitpatent das Problem, ein Codierungsschema bereitzustellen, das einen angemessenen Komprimierungsgrad erzielt, ohne dass ein großer Rechenaufwand infolge übermäßiger Komplexität in Kauf genommen werden muss (Streitpatent, Absatz [0004]).
101
3. Die oben genannte Aufgabe soll durch das Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 sowie die Videobildcodierungseinrichtung bzw. Videowiedergabeeinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 11 bzw. 12 gelöst werden.
102
4. Den erteilten Patentansprüchen 1, 11 und 12 lässt sich in Verbindung mit der Beschreibung und den Figuren 1 bis 13 folgende Lehre entnehmen:
103
Zusammengefasst lehrt der Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Codieren von Pixelfarbwerten eines digitalen Videobildframes, wobei jeder verschiedenen Farbe innerhalb des Bildes ein Farbwert zugeordnet ist (Merkmal M1). Bei den Pixeln handelt es sich um die Bildpunkte eines Einzelbildes bzw. Frames einer Videosequenz. Der Videobildframe liegt in digitaler Form vor, d. h. die jeweiligen Farben der Bildpunkte werden durch eine Abfolge diskreter Informationen bzw. Daten repräsentiert. Jeder Farbe innerhalb des Frames ist ein eindeutiger Farbwert zugeordnet, um diese Farbe von anderen Farben unterscheiden zu können.
104
Im Streitpatent wird ein Pixelfarbwert durch vier Bits – ein sogenanntes nibble – ausgedrückt, wodurch 16 verschiedene Farben codiert werden können (Streitpatent, Absätze [0019], [0020]).
105
Gemäß Merkmal M1.1 wird zunächst die vorherrschende Farbe
(predominant colour) des digitalen Bildframes identifiziert.
106
Anschließend werden Lauflängen von mindestens drei Pixeln dieser vorherrschenden Farbe codiert, indem ein erster Code angibt, dass nun eine Lauflänge folgt und ein darauffolgender zweiter Code die genaue Länge dieses Laufes angibt (Streitpatent, Absatz [0005] – Merkmal M1.2). Dementsprechend ist es nicht mehr notwendig, bei Abfolgen mehrerer Pixel der vorherrschenden Farbe jeweils erneut den Farbwert anzugeben.
107
Merkmal M1.3 besagt, dass die Codes für Pixel mit einer anderen Farbe als die vorherrschende Farbe zumindest den jeweiligen Farbcode enthalten.
108
Der auf eine Videobildcodierungseinrichtung gerichtete nebengeordnete Patentanspruch 11 geht inhaltlich nicht über den Patentanspruch 1 hinaus. Seine jeweiligen Merkmale M11 bis M11.3 entsprechen den Merkmalen M1 bis M1.3.
109
Der nebengeordnete Patentanspruch 12 lehrt eine Videobildwiedergabeeinrichtung, welche geeignet ist, ein Videobildsignal mit codierten Frames von Pixelfarbwerten zu empfangen und zu decodieren (Merkmal M12). Das Videobildsignal ist dabei so beschaffen, dass die Pixel der vorherrschenden Farbe gemäß dem Codierungsschema aus Merkmal M1.2 codiert worden sind, wobei Läufe von drei oder mehr aufeinanderfolgenden Pixeln einer vorbestimmten vorherrschenden Farbe für ein Frame in Form eines ersten Codeworts, das einen Lauf angibt, und eines zweiten Codeworts, das die Lauflänge angibt, codiert worden sind (Merkmal M12.1). Weiterhin ist das Videobildsignal so beschaffen, dass Pixel einer anderen als der vorherrschenden Farbe in Form eines Codes codiert worden sind, der wenigstens den betreffenden Farbwert aufweist (Merkmal M12.2).
110
Entsprechend der deutschen Übersetzung von Merkmal M12.3 soll die Videobildwiedergabeeinrichtung wenigstens eine Nachschlagtabelle von Pixelfarben aufweisen, „welche die vorherrschende Farbe enthält, für die digitalen Videobildframes, die durch die codierten Pixelfarbwerte adressiert werden.“ Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass die deutsche Übersetzung den Relativbezug in Hinblick auf die Adressierung der Nachschlagtabelle nicht korrekt wiedergibt. Nach Auffassung des Senats ist in der englischen Fassung gemeint, dass die Nachschlagtabelle adressiert wird und nicht die digitalen Videobildframes. Merkmal M12.3 ist daher so zu verstehen, dass die Videobildwiedergabeeinrichtung für die digitalen Videobildframes wenigstens eine Nachschlagtabelle von Pixelfarben aufweist, welche die vorherrschende Farbe enthält und die durch die codierten Pixelfarbwerte adressiert wird.
111
Die Nachschlagtabelle ermöglicht die Zuordnung von Pixelfarbwerten zu den eigentlichen Farben, so dass die Farben der einzelnen Pixel nicht mitübertragen werden müssen.
112
Auch in Hinblick auf Merkmal M12.4 ist nach Auffassung des Senats ein Übersetzungsfehler unterlaufen. So soll die beanspruchte Einrichtung Folgendes enthalten: „Mittel zum Erzeugen von Wiedergabeläufen von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe, sowie einzeln erzeugten Pixeln mit einer Farbe, anders als die vorherrschende Farbe“. Ausgehend von der englischen Fassung ist Merkmal M12.4 so auszulegen, dass die Videobildwiedergabeeinrichtung zum Zwecke einer Wiedergabe Läufe erzeugt, die aus wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe bestehen und zugleich die Anzeige einzelner Pixel in anderen Farben als der vorherrschenden Farbe erlaubt.
113
5. Zur Auslegung des Patentanspruchs 1
114
5.1 Erläuterungsbedürftig ist die Interpretation des Begriffs vorherrschende Farbe (predominant colour):
115
Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der vorherrschenden Farbe offenbar um diejenige Farbe in dem Bildframe, „deren Farbwert am häufigsten in dem Bildframe vorkommt.“ Dies könne beispielsweise die Hintergrundfarbe sein (Schriftsatz der Klägerin vom 14. Oktober 2016, Seite 8, oben, rechte Spalte).
116
Dagegen führt die Beklagte im Rahmen der Würdigung des aus der Druckschrift D4 Bekannten aus, dass im dort offenbarten Verfahren keineswegs der vorherrschende Farbwert im Sinne des Streitpatents identifiziert werde (bei dem es sich keineswegs zugleich um den am häufigsten vorkommenden Farbwert handeln müsse) (Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2017, Seite 27, letzter Absatz).
117
Für die Auslegung des Patentanspruchs ist das gesamte Streitpatent heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; BGH GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport).
118
Einerseits könnten die Ausführungen in den Absätzen [0008] (Spalte 2, Zeilen 24-26: „Also, as the predominant colour, the efficiency is improved as the likelihood of runs is generally highest“) und [0030] (Spalte 6, Zeilen 33-36: „… whilst still using the identification of a predominant colour to produce savings for the most common occurence, that is to say relatively short runs of background colour pixels“) des Streitpatents darauf hindeuten, dass die encoderseitig „vorzubestimmende/zu identifizierende/zu spezifizierende“ vorherrschende Farbe jene Farbe eines Frames meint, bei der die größte Häufigkeit der Anzahl von – insbesondere kurzen und mittleren – Läufen (von drei oder mehr Pixeln) zu erwarten ist und nicht jene, welche absolut die meisten Pixel eines Frames kennzeichnet.
119
Andererseits werden im Streitpatent die Begriffe vorherrschende Farbe und „Hintergrundfarbe“ oft synonym verwendet. Nach Absatz [0027] kann sich die vorherrschende Farbe innerhalb eines Frames ändern, etwa wenn sich die Hintergrundfarbe in einem unteren Teil des Bildes ändert oder wenn in einem Bildteil ein großer Bereich einer anderen Farbe vorkommt.
120
Dies könnte wiederum darauf hindeuten, dass unter der vorherrschenden Farbe die überwiegende (häufigste) Farbe im Frame (bzw. im gerade betrachteten Teil des Frames) verstanden werden kann, welche insbesondere die Hintergrundfarbe ist.
121
Insgesamt betrachtet ist dem Streitpatent nicht eindeutig zu entnehmen, welche der beiden Interpretationen der vorherrschenden Farbe (häufigste Farbe oder Farbe mit den meisten Läufen) tatsächlich gemeint ist. Deshalb werden im Folgenden beide Interpretationen als von den Patentansprüchen des Streitpatents umfasst betrachtet.
122
Im Übrigen kommt es bei dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik hierauf nicht an.
123
5.2 Zu Merkmal M1.2:
124
Merkmal M1.2 gibt nicht explizit an, dass für Pixel der vorherrschenden Farbe die Codierung eines Laufs diesen Farbwert nicht enthalten darf. Dies steht auch in Einklang mit dem auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteranspruch 9, der im Fall mehrerer vorherrschender Farben für die Codierung eines solchen Laufs eine (verkürzte) Codierung des zugehörigen vorherrschenden Farbwerts vorsieht; dies gilt für jede der vorherrschenden Farben, vgl. Absatz [0013] und [0033].
125
Ein indirekter Hinweis darauf, dass die Codierung eines solchen Laufs weniger Bits als üblich, z. B. nur eine verkürzte (oder gar keine) Codierung des vorherrschenden Farbwerts enthält, ergibt sich aus der Angabe in Merkmal M1.2, dass Läufe von
mindestens drei
Pixeln unter Angabe eines Codes für den Lauf und eines Codes für die Lauflänge codiert werden; insbesondere werden somit auch Läufe von genau drei Pixeln entsprechend codiert.
126
Dies lohnt sich aber nur dann (und würde der Fachmann nur dann in Betracht ziehen), wenn der Code für einen Lauf von drei Pixeln kürzer ist als der Code für drei unter Angabe ihres Farbwerts codierte Einzelpixel.
127
5.3 Zum Begriff „Pixelfarbwert“ bzw. colour value
128
Laut Streitpatent wird jeder Pixelfarbwert bzw. colour value in vier Bits codiert, wodurch unter Verwendung einer look up table bzw. Farbnachschlagtabelle prinzipiell sechzehn verschiedene Farben adressiert werden können (Absatz [0019]). Demnach bestimmt jeder Farbwert eine Farbe und nicht etwa nur einen Farbanteil (z. B. Rot-, Grün- oder Blauanteil) mit zugehöriger Intensität.
129
6. Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zur Codierung von Pixelfarbwerten zu verbessern, ist ein Diplomingenieur der Elektrotechnik oder Informatik mit Universitätsabschluss anzusehen, der über eine mehrjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Videosignalverarbeitung, insbesondere im Bereich der Videobildcodierung und –decodierung verfügt.
III.
130
Der dem Streitpatent in der erteilten Fassung zu entnehmende Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Abs. 1, 2 und Artikel 56 EPÜ). Entsprechendes gilt für die nebengeordneten Patentansprüche 11 und 12 des Streitpatents sowie die abhängigen Patentansprüche.
131
Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die Unterlagen D3c bis D3f zum vorveröffentlichten Stand der Technik zählen und bei der Beurteilung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen sind. Auf die Frage, ob die Unterlagen D3c bis D3f tatsächlich vor dem frühesten Prioritätstag des Streitpatents vom 3. Februar 1995 veröffentlicht worden sind, kommt es daher letztlich nicht an.
132
1. Die Druckschrift D3c kann die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche des Streitpatents nicht vorwegnehmen oder nahelegen.
133
Die Druckschrift D3c zeigt die Reduzierung des Datenvolumens unbewegter Bilder unter Verwendung des Utah RLE Formats (Run Length Encoded Format). Das Format sieht vor, die Bilddaten als Scanline-Daten zu speichern und dabei das Konzept von Farbkanälen (channels) anzuwenden (Abschnitt „Introduction“, erster und zweiter Absatz). Zwar ist jeder Kanal einer einzigen Farbe zugeordnet, jedoch repräsentieren die pro Kanal codierten Pixelwerte keinen Farbwert bzw. colour value sondern lediglich einen Farbanteil im jeweils zugrunde gelegten Farbraum. So spezifiziert das Utah RLE Format die Farbe z. B. unmittelbar durch Angabe der entsprechenden Rot-, Grün- und Blau-Anteile im RGB-Farbraum (Abschnitt „Introduction“, erster Absatz). Da die Druckschrift D3c keine Codierung von Videobildrahmen vorsieht und auch nicht vorschlägt, Bilddaten derart zu codieren, dass unterschiedlichen Farben ein colour value zugewiesen wird, ist bereits Merkmal M1 nicht erfüllt.
134
Weiterhin geht das Utah RLE Format von der Bestimmung einer Hintergrundfarbe (background color) aus, die als predominant colour i. S. d. Streitpatents betrachtet werden kann (siehe oben, Abschnitt II. Punkt 5.1). Deren Farbanteile werden im Header einer RLE-Grafikdatei hinterlegt (Seite 2, zweiter Absatz; Figur 2-1) und werden gespeicherten Bilddaten, jedoch keinen Videobildrahmen zugewiesen. Demnach geht Merkmal M1.1 allenfalls teilweise aus der Druckschrift D3c hervor.
135
Das Codierverfahren der Druckschrift D3c sieht vor, mittels des SkipPixels-Befehls in der aktuellen Scanline Pixel zu überspringen, wobei den auf diese Weise „ausgelassenen“ Pixeln die Hintergrundfarbe zugewiesen bleibt. Die Wertangabe im operand bestimmt hierbei die Anzahl der zu überspringenden Pixel (Seite 3, oben; Erläuterung der opcodes) und kommt demnach einer Lauflänge zu deren Codierung in der Hintergrundfarbe gleich. In der in der Druckschrift D3c vorgeschlagenen Lösung werden Pixel nur dann übersprungen, wenn wenigstens zwei aneinander grenzende Pixel die Hintergrundfarbe besitzen (Seite 6, Abschnitt „Comments, issues, and directions“, letzter Absatz).
136
Mit anderen Worten: der SkipPixels-Befehl bewirkt, dass z. B. pro RGB-Kanal für eine entsprechende Anzahl von Pixeln keine Operation ausgeführt wird und der jeweilige Farbanteil, d. h. Rot, Grün oder Blau der Hintergrundfarbe bleibt.
137
Damit werden in der Druckschrift D3c pro Farbkanal Läufe von wenigstens zwei aufeinanderfolgenden Pixeln eines Farbanteils der Hintergrundfarbe als erstes Codewort codiert, das einen Lauf angibt (opcode SkipPixels) und ein zweites Codewort, das die Lauflänge (operand) angibt. Um alle Farbanteile der Hintergrundfarbe zu codieren, sind infolgedessen auch mehrere SkipPixels-Befehle und somit mehrere Codewörter erforderlich.
138
Die Codierung eines Laufs von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der Hintergrundfarbe (und nicht nur eines Farbanteils der Hintergrundfarbe) als ein erstes und zweites Codewort i. S. d. Streitpatents findet ersichtlich nicht statt. Damit ist Merkmal M1.2 in der Druckschrift D3c nicht offenbart.
139
Der aus der Druckschrift D3c bekannte opcode Run kennzeichnet einen Lauf von Pixeln, wobei ein erster operand die Lauflänge und ein zweiter operand den Pixelwert, d. h. einen Farbanteil kennzeichnet (Seite 3, oben). Damit werden Pixel zwar als Codes mit wenigstens den betreffenden Farbanteilen codiert, jedoch werden sie nicht – wie in Merkmal M1.3 gefordert – durch einen Code angegeben, der wenigstens den jeweils zugehörigen Farbwert (colour value) aufweist. In der Druckschrift D3c wird zur Kennzeichnung der Farben für die Pixel vielmehr pro Farbkanal nur ein Farbanteil ihrer Farbwerte im RGB-Farbraum gespeichert.
140
Nach allem gehen die Merkmale M1 bis M1.3 des erteilten Patentanspruchs 1 nicht aus dem Utah RLE Format der Druckschrift D3c hervor. Entsprechendes gilt für die jeweiligen Merkmale M11 bis M11.3 des nebengeordneten Patentanspruchs 11, der inhaltlich nicht über den Patentanspruch 1 hinausgeht.
141
Weiterhin führt bereits die fehlende Codierung von Farbwerten im Utah RLE Format, wo Farbanteile kanalweise verarbeitet werden, dazu, dass auch die jeweiligen Merkmale M12 bis M12.2 des nebengeordneten Patentanspruchs 12 nicht verwirklicht sind. Insbesondere offenbart die Druckschrift D3c keine Einrichtung zum Empfangen und Decodieren von Videobildsignalen mit codierten Frames von Pixelfarbwerten, weil sie sich mit der Verarbeitung von Videobildframes gar nicht befasst.
142
Ausgehend vom Utah RLE Format kann die Druckschrift D3c auch keine Lauflängencodierung einer vorherrschenden Farbe in ein erstes Codewort, das einen Lauf angibt und ein zweites Codewort, das die Lauflänge angibt, nahelegen.
143
So geht aus Druckschrift D3c insbesondere das Folgende hervor:
144
Laut Druckschrift D3c (Abschnitt 1. „Introduction“, vierter Absatz) ist ein Interface mit Programmen zum Lesen und Schreiben von Daten im Utah RLE Format vorhanden. Für die Eingabe- bzw. Ausgabe-Daten, die in das RLE Format konvertiert bzw. aus diesem zurück umgewandelt werden, existieren zwei verschiedene Formate, das row Format und das raw Format. Die Subroutinen sv_putrow bzw. sv_putraw konvertieren row-Daten bzw. raw-Daten in das RLE Format (Abschnitt 2.4 „Writing RLE Files“), die Subroutinen rle_getrow bzw. rle_getraw erzeugen aus RLE-formatierten Daten row-Daten bzw. raw-Daten, z. B. für eine Bildschirmdarstellung (Abschnitt 2.5 „Reading RLE Files“). Hierbei werden jeweils Daten einer Zeile (Scanline) konvertiert.
145
Im row Format sind einfach die Daten der Pixel einer Zeile hintereinander angeordnet (Abschnitt 1., vierter Absatz sowie Abschnitt 2.3, erster Absatz: „A simple „row“ interface communicates in terms of arrays of pixel values“). Das raw Format beinhaltet dagegen rle_op structures mit opcodes, wobei bereits eine Art von Lauflängencodierung verwirklicht ist (Abschnitt 1., vierter Absatz: „a list of „raw“ run and pixel data“; Abschnitt 2.3, erster Absatz: „the „raw“ interface, which uses a list of „opcode“ values as its communication medium“; Seite 5, Mitte: „sv_putraw … takes arrays of rle_op structures instead of just pixels“); diese einfache Lauflängencodierung enthält jedoch keine spezielle Codierung für eine vorherrschende Farbe (Seite 5, Mitte mit der Beschreibung der rle_op – Struktur), wie sie der SkipPixels Befehl im RLE-Format vorsieht (Seite 3, oben). Die rle_op-Strukturen sind kanalweise angeordnet und können in den einzelnen Kanälen unterschiedlich sein (Seite 5, Mitte: „there is no guarantee that the different color channels will require the same set of rle_ops to describe their data“).
146
Nach dem vorletzten Absatz auf Seite 7 der Druckschrift D3c wäre eine Funktion wünschenswert, die raw-Daten in einem einzigen Farbkanal vereinigt; z. B. würden dann getrennte Rot-, Grün- und Blau-Kanäle in einen einzigen RGB-Kanal konvertiert. Aus der in dem betreffenden Absatz angegebenen Anwendung
zur RLE-Interpretation
auf Geräten, die getrennte Kanäle nicht unterstützen,
wobei die Effizienz des raw-Interface erhalten bleibt
, geht jedoch hervor, dass es hier um die Darstellung von Daten auf Bildausgabegeräten geht, d. h.
nach
der im raw-Interface stattfindenden Konversion von RLE-Daten in raw-Daten. Bei der auf Seite 7, vorletzter Absatz genannten Vereinigung von Datenkanälen handelt es sich damit im Verständnis des Fachmanns um eine weitere Funktion, die im Anschluss an die Konversion von RLE-Daten in raw-Daten durchgeführt werden kann, die jedoch am RLE Format selbst und an den zum Schreiben und Lesen in diesem Format verwendeten Interface-Subroutinen nichts ändert (ebenso wie die im vorhergehenden Absatz der Seite 7 postulierte Konversion vom raw in das row Format und umgekehrt nichts am RLE Format und den Interface-Subroutinen ändert).
147
Die Ausführungen in Druckschrift D3c (Seite 7, vorletzter Absatz) gaben somit dem Fachmann keine Veranlassung, auch das RLE Format im Hinblick auf eine Vereinigung von Farbkanälen in einen einzigen Kanal abzuändern, was eine Vielzahl weiterer Änderungen nach sich ziehen würde. So musste er, um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden, noch den Schritt vollziehen, die in der Druckschrift D3c erläuterten Datenstrukturen rle_ops, die für jeden Farbkanal prinzipiell unterschiedlich sein können (Seite 5, Mitte), in geeigneter Weise zusammenzufassen. Gleichzeitig musste er dafür Sorge tragen, dass bei der Erzeugung der Scanline Daten bzw. deren opcodes (Seite 3, oben) die Codierung mehrerer Farbanteile eines Pixels in die Codierung eines einzigen Farbwerts überführt wird, der eine Farbpalette indexiert, und dass der RLE Header dementsprechend angepasst wird (z. B. in den Parametern Ncmap und background color). Ferner musste der Fachmann das Utah RLE Format auf ein Grafikformat für Bildsequenzen erweitern, um es überhaupt auf die Codierung von Videobildframes anwenden zu können (z. B. ähnlich dem Neochrome Format, NEOchrome Animation Format oder Cyber Paint Sequence Format der Druckschrift D3). Eine Anregung, das Utah RLE Format in derart weitreichender Weise zu ändern, ist in der Beschreibung des Utah RLE Formats nicht zu finden.
148
Zudem würde dies dem zentralen Konzept des RLE Formats zuwider laufen, wonach ein Kanal zu einer einzigen Farbe korrespondiert, vgl. Abschnitt 1., erster Absatz „The
central concept
is that of a
channel
. A
channel
corresponds to a
single color
…“; vgl. auch Seite 7, letzter Absatz „We expect to see continued development of capabilities and utility, but
expect very little change in the basic format
“.
149
Nach Auffassung des Senats sind mehrere gedankliche Schritte erforderlich, um ausgehend vom Utah RLE Format der Druckschrift D3c zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Solches gilt aber nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr als naheliegend, wenn es für diese Schritte im Stand der Technik keine konkrete Anregung gab (vgl. BGH GRUR 2006, 930 – Mikrotom).
150
Demgegenüber führt die Klägerin aus, dass das Utah RLE Format mit einer beliebigen Anzahl zwischen 0 und 254 Farbkanälen betrieben werden könne. Sie verweist hierzu auf eine Textpassage der Druckschrift D3c (Seite 1, drittletzter Absatz), die sich auf die ncolors-Angabe im Header einer Utah RLE-Datei bezieht. Folglich könne das Utah RLE Format auch nur mit einem einzigen Farbkanal betrieben werden. In diesem Fall müsse die SkipPixels-Operation zur Codierung von Pixelläufen, welche der Hintergrundfarbe entsprechen, nur ein einziges Mal verwendet werden, um diese Pixel zu codieren. Die Merkmale M1.2, M11.2 und M12.1 seien somit durch das Utah RLE Format offenbart.
151
Dem Einwand der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Bereits in der Einleitung der Druckschrift D3c (Abschnitt „1. Introduction“, erster Absatz) wird beschrieben, dass im Utah RLE Format ein Farbkanal einer einzigen Farbe entspricht, so dass üblicherweise ein roter, grüner und blauer Farbkanal vorliegen. Die Einträge jedes Farbkanals in der color map sind zusammenhängend im Header der RLE Datei hinterlegt (Seite 2, dritter Absatz; Fig. 2-1). Zwar erlaubt das Utah RLE Format prinzipiell die Verwendung auch nur eines einzigen Farbkanals (für Ncmap=1; Seite 1, letzter Absatz); jedoch würde dieser lediglich dazu dienen, die Intensitäten einer einzigen Farbe zu programmieren, so dass letztendlich nurmehr eine Codierung von einfarbigen bzw. Graustufenbildern unterstützt würde. Diese Auffassung steht u. a. im Einklang mit den Ausführungen zur Datenstruktur eines roten Farbkanals (red color map) unter Abschnitt 4.4 der Druckschrift D3f (Seite 5) sowie zu Farbkanälen und Graustufenbildern (gray-scale images) in Übersichtsartikel D3b (Seite 700, fünfter Absatz).
152
Weiterhin führt die Klägerin in Hinblick auf die Merkmale M1.3, M11.3, M12.2 und M12.3 aus, es sei unzutreffend, dass das Utah RLE Format keine colour values offenbare. So unterstütze des Utah RLE Format gemäß Druckschrift D3c (u. a. Seite 2, dritter Absatz; Fig. 2-1) die Verwendung einer color map. Was unter einer solchen color map zu verstehen sei, werde z. B. in der Druckschrift D3a bzw. D3h auf Seite 32 im ersten Absatz des Abschnitts „Specifying Color With Palettes“ anhand der Figur 2-4 auf Seite 33 erläutert. Anhand der Ausführungen sei ersichtlich, dass dort einzelne Pixelwerte bzw. colour values zur Indexierung einer Farbnachschlagtabelle (color map, look-up table) genutzt würden, um zugehörige Farben (z. B. codiert im RGB-Farbraum) auswählen zu können. Dementsprechend sehe das Utah RLE Format die Verwendung nicht nur von colour values sondern auch einer color map bzw. look-up table vor, um einzelne Werte, welche zur Codierung der Pixel des Bildes verwendet würden, in eigentliche Farben zu übersetzen. Dies entspreche exakt der durch die oben genannten Merkmale vorgegebenen Funktionsweise.
153
Der Einwand der Klägerin greift nicht durch. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die Druckschrift D3c u. a. die Verwendung einer color map, also einer Farbnachschlagtabelle lehrt (vgl. Fig. 2-1). Diese ist aber im Gegensatz zu einer color map nach dem Vorbild der Druckschrift D3a bzw. D3h so organisiert, dass die einzelnen Pixelwerte die Intensitäten nur eines Farbanteils (z. B. eines Rot-, Grün- oder Blauanteils) und nicht etwa Farbwerte im RGB-Farbraum adressieren (z. B. (255, 255, 255)). Dies steht auch im Einklang mit der Tatsache, dass in der Druckschrift D3c die Pixel pro Kanal unmittelbar nur mit einem Farbanteil gespeichert werden. In diesem Zusammenhang kann auch der Hinweis der Klägerin nicht weiterhelfen, dass das in der Druckschrift D3f beschriebene Tool Ldmap des RLE Toolkits (Seite 5, Abschnitt 4.4) in der Lage sei, „ganz normale“ Farbnachschlagtabellen gemäß Druckschrift D3a bzw. D3h zu erzeugen.
154
So ist in den Druckschriften D3c und D3f allenfalls die Rede von adressierbaren Intensitäten einzelner Farbkanäle (vgl. D3f Seite 5, Abschnitt 4.4) und von color maps, deren Farbkanäle in aufsteigender numerischer Folge im RLE Header gespeichert sind, wobei die jeweiligen Einträge der color map für jeden Farbkanal zusammenhängend abgelegt sind (vgl. D3c Seite 2, dritter Absatz). Im Ergebnis offenbart das Utah RLE Format keines der Merkmale M1.3, M11.3, M12.2 und M12.3.
155
Ferner argumentiert die Klägerin, das Utah RLE Format eigne sich nicht nur zur Codierung einzelner Bilder, sondern auch zur Codierung von Videobildern und sei vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents auch zur Codierung von Videobildern genutzt worden. Die Druckschriften D3c und D3f zeigten, dass das Utah RLE Format so konzipiert sei, dass innerhalb einer Datei mehrere Einzelbilder hinterlegt werden könnten. Sie verweist hierzu auf die Ausführungen zum opcode EOF auf der jeweiligen Seite 3 der Druckschriften D3c und D3f (vgl. D3c Abschnitt 2.2 bzw. D3f Abschnitt 3.2). Damit sei das Utah RLE Format geeignet, Einzelbilder eines Videos innerhalb einer einzigen Datei zu codieren. Diese Eignung des Utah RLE Formats mache sich die Druckschrift D3d zunutze, die ein Systems zur Visualisierung des Luftstroms um einen Flugzeugflügel offenbare. Die einzelnen Bilder der erzeugten Animationen würden auf Basis des Utah RLE Formats codiert und gespeichert. Im Übrigen beschreibe auch die Druckschrift D3e die Verwendung des Utah RLE Formats innerhalb des Utah Raster Toolkits zur Codierung von Videobildern.
156
Der Argumentation der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Aus den Druckschriften D3c und D3f geht ersichtlich nicht hervor, Pixelfarbwerte für digitale Videobildframes, d. h. für eine Anzahl von Einzelbildern, die pro Zeitspanne aufgenommen oder wiedergegeben werden, zu codieren bzw. zu decodieren. Vielmehr befassen sich die beiden Druckschriften einzig und allein mit der Speicherung von Einzelbildern in einem speziellen Grafikformat. An dieser Feststellung vermag auch die im Utah RLE Format vorgesehene Operation End of File (EOF) nichts zu ändern, die einer Anwendung zwar das Ende einer RLE Datei signalisiert und dadurch die korrekte Interpretation aneinander gehängter RLE Dateien ermöglicht, deren Gebrauch jedoch allein nicht ausreicht, eine Sequenz von Einzelbildern zu schaffen, die als Animation oder Video, u. a. mit Frameanzahl und Wiedergabegeschwindigkeit, angezeigt werden kann.
157
Die Frage, ob die Druckschriften D3d und D3e ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zum Codieren von Pixelfarbwerten offenbaren, welche ein digitales Videobildframe betreffen, kann an dieser Stelle dahinstehen, da sich auch deren Lehren auf die kanalweise Codierung von Pixelfarbwerten auf Basis des Utah RLE Formats stützen, weswegen eine Kombination der jeweiligen Lehren der Druckschriften D3c und D3d bzw. D3e das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 und 11 nicht in Frage stellen kann. Entsprechendes gilt für die im erteilten Patentanspruch 12 beanspruchte „Videobildwiedergabeeinrichtung zum Empfangen und Decodieren eines Videobildsignals mit codierten Frames von Pixelfarbwerten“.
158
Der Vorschlag der Druckschrift D3c, mehrere raw data Kanäle in einen einzigen Kanal zu verschmelzen (Seite 7, vorletzter Absatz), kann an dieser Beurteilung nichts ändern. So würde es einem solchen Format dennoch an der streitpatentgemäßen Codierung einer vorherrschenden Farbe mangeln, da ein SkipPixels Befehl für das raw data Format grundsätzlich nicht vorgesehen ist (Seite 5, Mitte). Ein solcher ist für das raw data Format auch nicht nahegelegt.
159
Die streitpatentgemäße Lehre ist weder durch die Druckschrift D3c offenbart, noch gelangt der Fachmann mit Rücksicht auf den in der D3c offenbarten Stand der Technik in naheliegender Weise zur anspruchsgemäßen Lehre.
160
2. Die Druckschrift D3g konnte den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht vorwegnehmen. Ausgehend von Druckschrift D3g war dieser für den Fachmann auch nicht naheliegend. Nichts Anderes gilt für die Patentansprüche 11 und 12.
161
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine unmittelbare Anwendung des WordPerfect Graphics Metafile auf die Codierung und Decodierung von Videobildframes nicht möglich. Der in der Druckschrift D3g gegebene Hinweis, dass eine WPG-Datei mehrere Bitmap Datensätze benutzen kann (Seite 754, sechster Absatz), bezieht sich lediglich auf die Möglichkeit, mehrere Bilder gleichzeitig auf dem Ausgabegerät positionieren und darstellen zu können.
162
Weiterhin ist nicht erkennbar, wo im WPG-Format eine vorherrschende Farbe für das codierte Bild identifiziert und codiert werden soll. Ein Zusammenhang zwischen dem Byte FFh aus dem WPG-Algorithmus (Seite 754, letzter Absatz) und irgendeinem Farbwert ist in der Druckschrift D3g nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Selbst wenn man aus der Angabe des Bytes FFh z. B. auf die Verwendung einer hexadezimalen Farbdefinition mit dem Wert FFh als Farbsättigung schließen würde, bleibt doch völlig offen, ob damit in der Druckschrift D3g der Farbwert einer vorherrschenden Farbe gemeint sein soll. Damit sind die jeweiligen Merkmale M1 bis M1.3, M11 bis M11.3 sowie M12 bis M12.4 durch die Druckschrift D3g weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt.
163
3. Auch die übrigen im Verfahren genannten, vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichten Druckschriften nehmen den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorweg und konnten diesen auch nicht nahelegen. Entsprechendes gilt für die nebengeordneten Patentansprüche 11 und 12 des Streitpatents.
164
3.1 Ausgehend von dem aus der Druckschrift D3 bekannten Stand der Technik war der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht nur neu sondern auch nicht nahegelegt.
165
In Druckschrift D3 werden die Grundlagen von Grafikformaten vorgestellt und anhand diverser ATARI-Formate näher erläutert. Den allgemeinen Ausführungen zur Lauflängencodierung auf den Seiten 132 bis 140 lässt sich zwar entnehmen, dass der Lauf eines beliebigen Wertes durch drei Codewörter angegeben werden kann (Run Indicator, Run count, Run value), jedoch ist keine Bestimmung und Verwendung eines vorherrschenden Werts und keinerlei Unterscheidung in der Codierung eines vorherrschenden Wertes und jedes anderen Wertes offenbart. Dementsprechend gehen die Merkmale M1.2, M1.3, M11.2, M11.3, M12.1 und M12.2 der erteilten unabhängigen Patentansprüche aus der allgemeinen Beschreibung der Lauflängencodierung von Druckschrift D3 nicht hervor.
166
Darüberhinaus kann insbesondere das auf den Seiten 204 und 205 beschriebene STAD Format (.PAC) die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche nicht vorwegnehmen. Zwar dienen die in der Druckschrift D3 angeführten Grafikformate Animatic Film Format (.FLM), Cyber Paint Sequence Format (.SEQ), DEGAS FORMAT und NEOchrome Animation Format (.ANI) der Codierung und Speicherung digitaler Videobildframes, deren Pixelwerte eine Farbpalette indizieren, jedoch ist das von der Klägerin angeführte Format des Atari ST Malprogramms STAD lediglich zum Speichern von Bildern geeignet, die monochrom vorliegen (also schwarze und weiße Flächen enthalten). Diese Auffassung wird u. a. durch die von der Beklagten benannte Anlage NB1 gestützt, in der Import- und Exportformate des Formatkonverters GraphicConverter gelistet sind. Der Seite 7 (Mitte) der NB1 ist zu entnehmen, dass das PAC STAD Grafikformat zur Verarbeitung monochromer, schwarz-weißer Bilddaten der Atari-Anwendung STAD mit einer Auflösung von 640×400 Pixeln verwendet wird (siehe „PAC STAD Black&white 640×400 pixel images of the ATARI application STAD“). Damit ist bereits an dieser Stelle klar, dass mit dem STAD Format der Druckschrift D3 kein Verfahren zur Codierung von Pixelfarbwerten eines digitalen Videobildframes offenbart ist, bei dem jeder im Bild auftretenden Farbe ein Farbwert zugeordnet ist, da das STAD Format weder auf Pixelfarbwerte noch auf Videobildframes abstellt (Merkmal M1). Infolgedessen wird im STAD Format auch kein vorherrschender Farbwert innerhalb eines Bildframes bestimmt, so dass auch Merkmal M1.1 nicht verwirklicht ist. Insbesondere zeigt das STAD Format aber eine besondere Art der Lauflängencodierung, bei der schwarze und weiße Bildpunkte codiert werden. Der PackByte run, auf den die Klägerin im Wesentlichen abzielt, sieht dabei vor, dass acht schwarz/weiß-Pixel (die durch die acht Bits des PackBytes beschrieben werden, z. B. 1111 0000) gemeinsam lauflängencodiert werden. In diesem Zusammenhang repräsentiert der in PackByte enthaltene Wert die in den Bilddaten am häufigsten auftretende Folge von schwarz/weiß-Pixeln. Zwar sieht der STAD RLE Algorithmus der Druckschrift D3 die Lauflängencodierung einer solchen Folge in zwei Codewörter vor (nämlich Id value und run count value), er unterscheidet sich aber von der streitpatentgemäßen Lehre vor allem darin, dass im STAD Format keine Läufe von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln einer vorherrschenden Farbe (angegeben durch einen z. B. vier-Bit-wertigen Adresscode einer Farbpalette) codiert werden. Ebensowenig findet im STAD Format die Codierung von Pixeln mit Farben anders als die vorherrschende Farbe statt, da das Format eine Codierung von Farbwerten prinzipiell nicht zulässt.
167
Nach allem ergeben sich auch die Merkmale M1.2 und M1.3 des erteilten Patentanspruchs 1 nicht aus dem STAD Format der Druckschrift D3. Entsprechendes gilt für die jeweiligen Merkmale M11 bis M11.3 des nebengeordneten Patentanspruchs 11, der inhaltlich nicht über den Patentanspruch 1 hinausgeht. Die fehlende Codierung von Farbwerten im STAD Format führt letztendlich auch dazu, dass die jeweiligen Merkmale M12 bis M12.4 des nebengeordneten Patentanspruchs 12 nicht verwirklicht sind. Insbesondere erscheint es in Hinblick auf Merkmal M12.3 wenig sinnvoll, im STAD Speicherformat eine Farbnachschlagtabelle vorzusehen, wenn das Format überhaupt keine Farbwerte kennt.
168
Ausgehend vom STAD Format legt die Druckschrift D3 auch keine Lauflängencodierung einer vorherrschenden Farbe nahe. Nach Auffassung des Senats sind mehrere gedankliche Schritte erforderlich, um ausgehend vom STAD Format der Druckschrift D3 zu den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 zu gelangen. Solches gilt aber nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr als naheliegend, wenn es für diese Schritte im Stand der Technik keine konkrete Anregung gab (vgl. BGH a. a. O. – Mikrotom). Um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden, musste der Fachmann den Schritt vollziehen, das STAD Speicherformat auf ein Grafikformat für Bildsequenzen zu erweitern und dieses zugleich als Farbformat auszugestalten (z. B. ähnlich dem Cyber Paint Sequence Format (.SEQ)). Weiterhin musste er den PackByte run der Druckschrift D3, der der Codierung eines Laufs der am häufigsten auftretenden Abfolge von schwarz/weiss Pixeln entspricht, derart abändern, dass er für die Codierung eines Laufs von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln eines vorherrschenden Farbwerts geeignet ist. Eine Anregung, diese Schritte durchzuführen, ist weder in der Beschreibung des STAD Formats (Seiten 204, 205) noch in den restlichen Teilen der Druckschrift D3 zu finden.
169
Somit ist die streitpatentgemäße Lehre weder durch die Druckschrift D3 offenbart, noch gelangt der Fachmann mit Rücksicht auf den in der Druckschrift D3 offenbarten Stand der Technik in naheliegender Weise zu den jeweiligen Lehren der unabhängigen Patentansprüche des Streitpatents.
170
3.2 Die Druckschrift D4 konnte den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht vorwegnehmen. Ausgehend von Druckschrift D4 war dieser für den Fachmann auch nicht naheliegend. Nichts Anderes gilt für die erteilten Patentansprüche 11 und 12.
171
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung befasst sich die Druckschrift D4 ersichtlich nicht mit der Codierung von Pixelfarbwerten. Vielmehr bezieht sie sich auf eine Codierung von Grau-Abstufungen bzw. Grauwerten eines digitalen Fernsehbildes, was bereits in der Einleitung der Druckschrift D4 zum Ausdruck kommt (Spalte 1, Zeilen 27 bis 44; siehe „… may be required to provide for an acceptable range of gray scale for each of the hundreds of thousands of separate picture elements (pixels) which form an image.“). Zusammengefasst sieht die Druckschrift D4 in einem ersten Schritt die Verarbeitung von Intensitätswerten der jeweiligen Pixel aufeinanderfolgender Frames vor, was zur Bildung von Koeffizienten-Differenzen (coefficient differences) führt (Spalte 9, Zeilen 25 bis 36 u. a.). In einem weiteren Schritt werden letztere blockweise zu Zahlenfolgen zusammengeführt, die dann entsprechend dem Ordered Redundancy Algorithmus mit Huffman Codes codiert werden (Spalte 13, Zeilen 45 bis 56; Spalte 14, Table 3). Da die Druckschrift D4 keine Farbcodierung bzw. keine Codierung von Pixelfarbwerten lehrt, ist im Ergebnis festzuhalten, dass sie auch keines der Merkmale der unabhängigen Patentansprüche 1, 11 und 12 offenbart. Insbesondere geht aus der Druckschrift D4 nicht hervor, im Bildframe eine vorherrschende Farbe zu identifizieren und Läufe von wenigstens drei Pixeln der vorherrschenden Farbe in ein erstes und zweites Codewort zu codieren. Der Fachmann entnimmt der Druckschrift D4 allenfalls, dass die dort angewandte Huffman Codierung (also eine Entropiecodierung) vorsieht, häufig auftretende Läufe von Koeffizienten-Differenzen mit kürzeren und weniger häufig auftretende Werte mit längeren Codewörtern zu versehen (Spalte 13, Zeilen 38 bis 44), was auf die Bestimmung eines am häufigsten auftretenden Laufs von Werten (die allerdings keine Farbwerte repräsentieren) schließen lässt (vgl. Spalte 14, Zeilen 9 bis 20). Weiterhin werden in der Druckschrift D4 die beiden Codierungsverfahren Scene Adaptive Coding SAC und Ordered Redundancy OR Codierung gegenübergestellt (Spalte 15, Table 5; Spalte 12, Zeilen 9 bis 28). Von den beiden Verfahren zeigt lediglich das SAC Verfahren die Verwendung von zwei Codewörtern, um einen Lauf zu codieren: ein Lauflängenpräfix RLP zeigt an, dass jetzt eine Lauflänge beginnt; ein Parameter R gibt die Lauflänge, z. B. R
19
codiert 19 Nullen. Die Druckschrift D4 bezeichnet die OR Codierung demgegenüber als vorteilhaft, da sie wesentlich kürzer als die SAC Codierung und somit auch effizienter als diese sei (Spalte 15, Zeilen 6 bis 8). Dementsprechend ist die Lehre der D4 darauf gerichtet, die Codierung von Grauwerten eines Fernsehbildes dadurch zu verbessern, dass anstelle der bekannten SAC Codierung die effizientere OR Codierung angewendet wird, um Läufe von Grau-Abstufungen (nicht etwa Pixelfarbwerten) zu codieren. Nach allem werden die jeweiligen Merkmale der erteilten Patentansprüche 1, 11 und 12 durch die Druckschrift D4 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.
172
Darüberhinaus werden die jeweiligen Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1, 11 und 12 durch die Druckschrift D4 weder in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen noch in Verbindung mit einer der Druckschriften D5, D6 oder D7 nahegelegt.
173
Um ausgehend von der Druckschrift D4 zur streitpatentgemäßen Lehre zu gelangen, müsste der Fachmann in der aus der Druckschrift D4 bekannte Lehre nicht nur eine Codierung bzw. Decodierung von Pixelfarbwerten vorsehen (falls mit dem dort geschilderten Verfahren überhaupt technisch möglich), sondern darüber hinaus die Bestimmung eines vorherrschenden Farbwerts sowie eine Codierung von Läufen dieses vorherrschenden Farbwerts in ein erstes und zweites Codewort in Betracht ziehen. Für eine solche aufwändige Vorgehensweise hätte es eines Anlasses bedurft. Nach Auffassung des Senats ist jedoch ausgehend von der Druckschrift D4 kein Anlass für den Fachmann zu erkennen, insbesondere eine vorherrschende Farbe zu ermitteln, um dann eine Codierung von Läufen eines vorherrschenden Farbwerts in ein erstes und zweites Codewort durchzuführen.
174
Selbst die Kombination der Druckschrift D4 mit D5, D6 oder D7 – sofern der Fachmann sie überhaupt vornehmen würde – ist nicht geeignet, um die beanspruchten Gegenstände nahezulegen, da keine der Druckschriften die Bestimmung und Codierung eines vorherrschenden Farbwerts i. S. d. Merkmale M1.1, M1.2, M11.1, M11.2, M12.1 und M12.2 offenbart. Nach alledem lag es für den Fachmann nicht nahe, ausgehend von der Druckschrift D4 zu den jeweiligen Gegenständen der Patentansprüche 1, 11 und 12 zu gelangen.
175
3.3 Auch die Druckschrift D8 in Verbindung mit der D9 kann die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche nicht vorwegnehmen oder nahelegen.
176
Die Druckschrift D8 zeigt die Reduzierung des Datenvolumens unbewegter digitaler Bilder, z. B. Navigationskarten, um deren Speicherung und verlustfreie Wiederherstellung zu ermöglichen (Spalte 1, Zeilen 18 bis 28). Die vorgestellte Komprimierung der Bilddaten beinhaltet eine Codierung von Pixelwerten (Spalte 2, Zeilen 55 bis 62 u. a.; pixel value (AAAA)), die der Fachmann aus dem Kontext heraus als Pixelfarbwerte auffassen wird, so dass jeder Farbe des unbewegten Bildes ein Farbwert zugeordnet ist. Allerdings sieht Druckschrift D8 keine Codierung von Videobildrahmen vor, weswegen Merkmal M1 nur teilweise erfüllt ist. Die Druckschrift D8 lehrt weiterhin, für jeden durch Aufteilung des unbewegten digitalen Bildes erhaltenen Unterblock einen „vorherrschenden Pixelwert“ (predominant pixel value), d. h. eine „vorherrschende Farbe“ zu bestimmen (Spalte 2, Zeilen 45 bis 52). In diesem Zusammenhang geht die Druckschrift D8 bei dem „vorherrschenden Pixelwert“ von dem in einem Unterblock am häufigsten auftretenden Pixelwert aus und nicht etwa von dem Pixelwert mit der größten Häufigkeit der Anzahl von Läufen. Da streitpatentgemäß die vorherrschende Farbe einem Videobildframe zugeordnet sein soll, ist aber auch Merkmal M1.1 in der Lehre der Druckschrift D8 allenfalls teilweise verwirklicht.
177
Das zweite Codierungsverfahren (code 1) der Druckschrift D8 sieht vor, dass die „vorherrschenden Pixelwerte“ am Anfang eines jeden Laufs als 4-Bit-Pixel ausgeschrieben und danach jeweils kurz als „1“ codiert werden. Damit die Lauflängen des Wertes „1“ richtig interpretiert werden können, wird die Verwendung der Codierungsmethode durch die Voranstellung von drei Bits „001“ gekennzeichnet (Spalte 2, Zeile 63 bis Spalte 3, Zeile 7; Fig. 6; Fig. 10). Anhand von Figur 10 der Druckschrift D8 ergibt sich damit zwar, dass die „vorherrschende Farbe“ eines Bildes festgestellt und nur einmal codiert wird (PRED.=1011), jedoch wird der Lauf dieser Farbe als Folge von Einsen dargestellt und nicht etwa mit zwei Parametern zur Anzeige eines Laufs und zur Angabe von dessen Länge codiert, wie es Merkmal M1.2 fordert. Dementsprechend werden in der D8 auch keine Läufe von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln der vorherrschenden Farbe in zwei Codewörter mit Laufindikator und –länge codiert.
178
Allerdings offenbart die Druckschrift D8, Pixel mit Farben anders als die „vorherrschende Farbe“ als Codes mit wenigstens den betreffenden Farbwerten zu codieren. So wird ein Pixel, dessen Wert nicht mit dem „vorherrschenden Pixelwert“ übereinstimmt, laut Spalte 3, Zeilen 4 bis 7 der Druckschrift D8 mit einem Binärbit 0, gefolgt vom 4-Bit-Wert dieses Pixels repräsentiert. Demzufolge geht Merkmal M1.3 aus der Druckschrift D8 hervor.
179
Eine Lehre, die insbesondere eine Codierung von wenigstens drei aufeinanderfolgenden Pixeln einer vorherrschenden Farbe in zwei Codewörter i. S. d. Merkmals M1.2 vorsieht, ist der Druckschrift D8 nicht zu entnehmen. Eine solche konnte auch durch die Druckschrift D9 nicht nahegelegt werden, welche im Rahmen der Lauflängencodierung bei Faxgeräten die Lehre gibt, Läufe von weißen oder schwarzen Pixeln mittels eines Codeworts bestehend aus einem Addresscode, einem Remaindercode und einem B/W Bit (black/white bzw. schwarz/weiss Bit) zu codieren (Fig. 4; Seite 3, Zeilen 45 bis 47). Eine Kombination der jeweiligen Lehren aus den Druckschriften D8 und D9 führt den Fachmann allenfalls zu einer Codierung eines Laufes eines „vorherrschenden Pixelwertes“ (d. i. des am häufigsten auftretenden Farbwerts), bei der zumindest drei Codewörter erforderlich sind: ein encryption code zur Interpretation der folgenden Bits (z. B. 001), ein Pixelwert (predominant pixel value), der den „vorherrschenden Pixelwert“ in einem Unterblock angibt sowie ein Codewort (addresscode, remaindercode, b/w 1-Bit), das die Zahl der Wiederholungen dieses Pixelwerts anzeigt.
180
Würde man die Lauflängencodierung betreffende Lehre der Druckschrift D9 (vgl. dort Fig. 4) auf die Lehre der Druckschrift D8 übertragen, so würde sich für einen nach der Codierungsart „code 1 (001)“ codierten Subblock der Druckschrift D8 konkret die folgende Codierung ergeben:
181
· eine Art Verfahrensauswahl Präfix mit „001“ sowie 4 Bits, die den vorherrschenden Pixelwert angeben (z. B. „1011“, vgl. D8 Fig. 10 unten ganz rechts),
182
· darauf folgend die Pixeldaten des Subblocks,
183
· wobei ein längerer Lauf (mehr als drei Pixel) des vorherrschenden Pixelwerts nach der Lehre der Druckschrift D9 durch einen Adresscode (mit dem ersten Bit „1“ für den Lauf ab run length=4) und einen Rest codiert wird, welche gemeinsam die Lauflänge angeben; darauf folgt ein B/W-Bit für den Pixelwert.
184
Eine solche Codierung erfüllt für den Subblock das Merkmal M1.2 fast vollständig, mit Ausnahme der Angabe „wenigstens
drei
Pixel“. Dies gilt insbesondere angesichts der im Streitpatent vorgesehenen Möglichkeit, die vorherrschende Farbe innerhalb eines Frames zu ändern (was prinzipiell eine Einteilung des Frames in Subblöcke mit unterschiedlichen vorherrschenden Farbwerten zulässt), vgl. den erteilten Unteranspruch 9. Gemäß Druckschrift D9 (siehe Fig. 4) wird erst für eine Anzahl von vier oder mehr Pixeln eine Lauflängencodierung durchgeführt, während bis zu drei Pixel einzeln als Rohdaten codiert werden. Merkmal M1.2 ist aus diesem Grund nicht erfüllt. Ein Naheliegen ist ebenfalls nicht erkennbar. Auch die anderen in der Druckschrift D8 beschriebenen Codierungsarten (Code 0, Code 2, Code 3) können Merkmal M1.2 weder vorwegnehmen noch nahelegen.
185
Außerdem sind im Hinblick auf Merkmal M1.3 für den Fall einer derartigen Codierung die Codes für einzelne Pixel mit anderen Farbwerten, für einzelne Pixel mit dem vorherrschenden Farbwert und für Läufe mit dem vorherrschenden Farbwert nicht mehr eindeutig (wäre z. B. das „Bit 0“ als address Bit zu 3 Bit-Raw Data, wie in Fig. 4 der D9
, oder als Indikator für einen 4 Bit-Farbwert, wie in Fig. 6 und 10 der D8, zu interpretieren?).
186
Damit führt die Kombination der jeweiligen Lehren der Druckschriften D8 und D9 nicht zu einem Codierungsverfahren, welches sowohl eine Lauflängencodierung gemäß Merkmal M1.2 als auch eine Einzelcodierung gemäß Merkmal M1.3 vorsieht.
187
Die Kombination der Druckschriften D8 und D9 – sofern der Fachmann sie überhaupt vornehmen würde – ist nach allem nicht geeignet, die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 nahezulegen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 11 ist nicht günstiger zu beurteilen.
188
Weiterhin ist die Kombination der Druckschriften D8 und D9 nicht dazu geeignet, die Lehre des erteilten Patentanspruchs 12 nahezulegen. Genauso wie die Merkmale M1.2 und M11.2 ergibt sich auch Merkmal M12.1 nicht in naheliegender Weise aus dem den beiden Druckschriften entnehmbaren Stand der Technik. Die Frage, ob die in den beiden Druckschriften nicht unmittelbar und eindeutig offenbarte Nachschlagtabelle von Pixelfarben (vgl. Merkmal M12.3) zum Prioritätstag des Streitpatents zum fachmännischen Wissen und Können gehörte, kann demnach zurücktreten, da die Lehre des Patentanspruchs 12 bereits aus dem zuvor genannten Grund durch die Druckschriften D8 und D9 nicht nahegelegt ist.
189
3.4 Auch ausgehend von einer der übrigen im Verfahren genannten Druckschriften waren der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 und ebenso die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 11 und 12 nicht naheliegend.
190
Es ist kein Weg zu erkennen, wie der Fachmann ausgehend von einer der übrigen Druckschriften (die alle weiter vom Streitpatent abliegen als D3c, D3g, D3, D4 und D8) in naheliegender Weise zu einem der Gegenstände der selbständigen Patentansprüche des Streitpatents hätte führen können.
191
Auch in Bezug auf die unselbständigen, auf den bestandsfähigen Hauptanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche ist ein Nichtigkeitsgrund nicht ersichtlich.
192
Das Streitpatent ist somit in der erteilten Fassung rechtsbeständig. Auf die Hilfsanträge kam es darum nicht mehr an.
IV.
193
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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