Sozialrecht

Assistenzdienst im Arbeitgebermodell

Aktenzeichen  B 8 K 20.866

Datum:
23.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31155
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
CoBoR

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei darf die Vollstreckung der Beklagtenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Der Beklagte hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO einverstanden erklärt.
1. Die Klage ist zulässig. Obwohl ein ausdrücklicher Klageantrag fehlt, ist die Klage als Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, zu verstehen, da dieses Begehren der Klägerin eindeutig aus ihren Äußerungen hervorgeht (§ 88 VwGO, §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).
Das Gericht ist nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG örtlich zuständig. Der unanfechtbare Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 07.09.2020 ist entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 83 Rn. 12, 18).
2. Die Klage hat inhaltlich allerdings keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 05.08.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflegeund Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist auszuführen:
2.1 Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 23). Allein daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
Nach Nr. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen eine geförderte pflegerische Tätigkeit ausüben.
(1) Gefördert wird nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR die Tätigkeit in folgenden Einrichtungen:
– Krankenhäuser
– Rehabilitationskliniken
– Stationäre Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen
– Ambulante Pflegedienste
(2) Begünstigte Tätigkeiten sind nach Ziff. 2 Satz 1 und 2 insbesondere
– Pflegende
– tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist
– Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst
– Auszubildende in den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen
(3) Das Beschäftigungsverhältnis muss am 7 April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt werden.
Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
Dabei verbietet sich nach dem oben beschriebenen Maßstab der gerichtlichen Überprüfung insbesondere eine weite „Auslegung“ der Richtlinie. Die jeweilige Förderrichtlinie darf nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.).
Es ist vom Gericht nicht zu entscheiden, ob der Normgeber die praktikabelste oder gerechteste Lösung für die Gewährung des der jeweiligen Förderung gefunden hat, sondern ob der Normgeber sowie die tatsächliche Förderpraxis sich im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraumes insbesondere unter Beachtung des Willkürverbotes hinsichtlich dieser freiwilligen Leistung gehalten hat. Wenn danach gleiche Fallkonstellationen gefördert werden, besteht ein Anspruch auf Förderung, andernfalls nicht.
2.2 Die Klägerin war nicht in einer, der als begünstigt benannten Einrichtungen, tätig. Die Klägerin war letztlich in einem Privathaushalt angestellt, der nicht in der oben dargestellten Aufzählung erwähnt ist. Es handelt sich auch nicht um eine stationäre Behinderteneinrichtung. In Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität (PfleWoqG) ist näher ausgeführt, was als „stationäre Einrichtung“ in diesem Kontext verstanden werden kann. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Privathaushalt ausnahmsweise (auch) die Voraussetzungen für eine stationäre Einrichtung, insbesondere auch das Überlassen von Wohnraum unter Vorhaltung pflegerischer Dienste (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG), erfüllt. Sinn und Zweck des Arbeitgebermodells ist es, wie von der Arbeitgeberin auch in ihrem Schreiben beschrieben, unabhängig von entsprechenden Einrichtungen den Bedarf selbst zu bestimmen und zu bedienen.
2.3 Die Tätigkeit der Klägerin kann auch nicht als Tätigkeit in einem ambulanten Pflegedienst eingeordnet werden. Die Klägerin ist gerade nicht für einen Pflegedienst im klassischen Sinne, der auch die Voraussetzungen des § 71 Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) Soziale Pflegeversicherung SGB) erfüllt, tätig. Auch hier ist anzuführen, dass die Klägerin bei einem Privathaushalt angestellt ist und die Andersartigkeit zu einem sonstigen ambulanten Pflegedienst gerade Ausdruck des Arbeitgebermodells ist, mit dem für die Person mit Hilfebedarf mehr Individualität ermöglicht werden soll.
2.4 Die Klägerin könnte sich unabhängig davon auch nicht auf eine Förderung nach den Anlagen der CoBoR berufen. Hier wird ebenfalls auf eine Tätigkeit in einer genannten Einrichtung abgestellt. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach Aufforderung nicht dargelegt, im Rahmen welcher Qualifikation sie tätig wird.
2.5 Nach dem Wortlaut der Richtlinie kommt es entgegen der Argumentation der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin weder auf einen mit der Pandemie verbundenen Anfall von Mehrarbeit, höhere Arbeitslast, Einschränkungen im Privatleben, noch ein besonderes Infektionsrisiko an. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit, „tatsächlich in der Pflege Tätige“ in einer begünstigten Einrichtung abgestellt. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen und deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind. Anders als von der Klägerin befürchtet, werden, jedenfalls von der Bayerischen Regelung zum Corona-Pflegebonus, danach auch keine Reinigungskräfte erfasst.
2.6 Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte Beschäftigten im Arbeitgebermodell generell einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte. Die fehlerhafte Bewilligung des Pflegebonus bei einer einzelnen Kollegin kann vor diesem Hintergrund keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Gewährung des Bonus gegenüber der Klägerin unter Bezugnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Es obliegt dem Beklagten, erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen, um Gleichheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen wiederherzustellen. Dies will der Beklagte selbst auch in Anwendung von Ziff. 8 der CoBoR sicherstellen.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus.
Dabei wird das persönliche Engagement der Klägerin durchaus wahrgenommen und mit hohem Respekt gewürdigt; doch werden trotz allem die Fördervoraussetzungen der CoBoR unter Berücksichtigung der Bewilligungspraxis der Behörde nicht erfüllt.
Die Klage hat deshalb inhaltlich keinen Erfolg und ist abzuweisen.
3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO -.


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