Sozialrecht

B 8 SO 14/19 R

Aktenzeichen  B 8 SO 14/19 R

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:230321UB8SO1419R0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Stuttgart, 29. Juli 2019, Az: S 16 SO 279/18, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Tenors des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2019 wie folgt gefasst wird:
“1. Die Beklagte wird in Abänderung des Bescheids vom 29. August 2017, in der Fassung der Bescheide vom 17. November 2017, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2017 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. September 2017 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 109,93 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.”
Die Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1
Im Streit ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) im Zeitraum vom 1.7.2017 bis 30.9.2017.
2
Bei dem Kläger besteht eine autistische Persönlichkeitsstörung; neben einem Grad der Behinderung von 100 ist das Merkzeichen B festgestellt. Er bewohnt im (abbezahlten) Haus seiner Eltern einen 30 qm großen Wohnbereich im Dachgeschoss mit Schlaf- und Wohnraum und einem weiteren, überwiegend als Abstellfläche genutzten Zimmer mit (Rest-)Teilen einer alten Küche. Der Kläger nutzt dort noch einen Kühlschrank, nimmt die Mahlzeiten aber gemeinsam mit seinen Eltern ein. Ein förmlicher Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Eltern wurde nicht abgeschlossen.
3
Die Beklagte bewilligte ihm zunächst Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem SGB XII bis 30.9.2017 in Höhe von zuletzt monatlich 390,03 Euro (Bescheid vom 24.4.2017). Für die Zeit vom 1.7.2017 bis 30.9.2017 bewilligte sie im Hinblick auf den mit Wirkung vom 1.7.2017 eingefügten § 42a SGB XII monatlich 418,84 Euro und berücksichtigte dabei erstmals Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 19,40 Euro (Änderungsbescheid vom 29.8.2017; zwei Bescheide vom 17.11.2017 wegen Berücksichtigung von Einkommenszufluss, darin jeweils enthalten Heizkosten in Höhe von 7,40 Euro und Nebenkosten in Höhe von 12 Euro; Widerspruchsbescheid vom 11.12.2017). Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger im streitigen Zeitraum weitere Unterkunftskosten in Höhe von 109,93 Euro monatlich zu gewähren und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen (Urteil vom 29.7.2019). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, mit der gesetzlichen Neuregelung zum 1.7.2017 und der pauschalierten Gewährung eines typisierten Unterkunftsbedarfs sei abweichend von § 35 SGB XII ein Loslösen von dem Erfordernis des Nachweises tatsächlicher Aufwendungen beabsichtigt. Zu Unrecht habe die Beklagte unter Hinweis auf das abbezahlte Hauseigentum der Eltern die Gewährung von Unterkunftsleistungen mit der Begründung abgelehnt, dass tatsächliche Aufwendungen nicht anfielen.
4
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Sprungrevision und macht eine Verletzung von § 42a Abs 3 Satz 2 und 3 SGB XII in der ab 1.7.2017 geltenden Fassung geltend. Maßgeblich für die Berechnung der Unterkunftskosten müssten nach dem Bedarfsdeckungsgrundsatz tatsächlich anfallende Aufwendungen sein. Der Kläger unterfalle zwar dem Grunde nach dem in § 42a Abs 3 SGB XII genannten Personenkreis. Da er keine mietvertraglichen Verpflichtungen habe und das Haus der Eltern abbezahlt sei, fielen aber keine mit dem Netto-Kaltmietzins vergleichbaren Kosten (Schuldzinsen), sondern nur kalte Betriebskosten sowie Heizkosten an. Die fehlerhafte Berechnung von Unterkunftsbedarfen durch das SG schlage auf die Heizkosten durch.
5
Die Beklagte beantragt,das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2019 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.


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