Sozialrecht

Kein Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte

Aktenzeichen  L 19 R 567/15

Datum:
13.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 118444
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3
SGB VI § 34 Abs. 4, § 236b

 

Leitsatz

1. Bezieher einer bestandskräftig bewilligten Altersrente mit Abschlägen können nicht in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte wechseln.
2. Gegen die Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Verfahrensgang

S 7 R 812/14 2015-07-03 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Bayreuth vom 03.07.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte hat.
Der Senat folgt der Entscheidung des Sozialgerichts Bayreuth im Gerichtsbescheid vom 03.07.2015, nimmt hierauf ausdrücklich Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass zwischenzeitlich weitere Entscheidungen vorliegen, in denen die Rechtmäßigkeit der Anwendung von § 34 Abs. 4 SGB VI auf den beantragten Wechsel von einer Bestandsrente mit Abschlägen auf eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte bejaht wird (so etwa LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.08.2015, Az. L 6 R 114/15 und zugehöriger Beschluss des BSG vom 30.12.2015 über die Nichtzulassungsbeschwerde; Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 16.12.2015, Az. 1 BvR 2408/15).
Eine Stichtagsregelung ist nicht nur dann verfassungskonform und stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) dar, wenn ab einem bestimmten Stichtag für zukünftige Sozialleistungen eine Verschlechterung der Rechtslage eingeführt wird, sondern auch wenn eine verbesserte Sozialleistung erst für zukünftige Leistungsfälle und nicht für den am Stichtag schon bestehenden Leistungsbezug eingeführt wird. Aus Sicht des Senates ist es gerichtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit Einschränkungen beim Rentenbezug durch die Einführung von Abschlägen vorgenommen hatte und dies nun teilweise durch neue Rentenformen wieder rückgängig macht, ohne dass dies nahtlos auf den Zeitpunkt der Einführung der Einschränkungen zurückwirken würde. Die Rückabwicklung bestehender Renten würde einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, so dass die diesbezügliche Positionierung des Gesetzgebers begründet erscheint. Der betroffene Personenkreis ist auch nicht so klein, dass es sich um ein nicht zu vertretendes Sonderopfer handeln würde, wie dies etwa der Fall sein könnte, wenn zwischen Verschlechterung und Wiederherstellung des früheren Zustandes nur wenige Monate liegen würden und die kurze Aufeinanderfolge von Stichtagen zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung derjenigen, die in den Zwischenzeitraum fallen, führen würde. Eine solche Situation ist vorliegend nicht gegeben, da zwischen der Einführung von Rentenabschlägen und der Neuschaffung der Rente für besonders langjährige Versicherte mehrere Jahre liegen und es sich auch nicht um unmittelbar gegensätzliche rechtliche Regelungen handelt.
Die Zahlung einer Rente mit Abschlägen nur für eine kurze Bezugszeit und die anschließende abschlagsfreie Zahlung sind dem Rentensystem fremd, da die Abschlagsberechnung auf einer versicherungsmathematischen Grundlage die Streckung des Bezugszeitraums umsetzt.
Zur Argumentation des Klägers, dass sich sein Anspruch jedenfalls aus dem hilfsweise geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe, ist anzumerken, dass – wie im Gerichtsbescheid vom 03.07.2015 zutreffend dargestellt – keinerlei Beratungspflicht der Sozialleistungsträger im Hinblick auf zukünftige Gesetzesvorhaben, deren Zustandekommen und Wortlaut noch nicht bekannt ist, besteht. Selbst wenn schon Ende 2013 eine gewisse Erwartung geherrscht haben mag, dass eine zusätzliche Altersrente für besonders langjährig Versicherte eingeführt werden könnte, ist aus dem parlamentarischen Beratungsprozess ersichtlich, dass konkretere Pläne erstmals im Januar 2014 vorgestellt wurden und danach noch bis in den Mai und Juni 2014 vielzählige Änderungsvarianten diskutiert wurden, insbesondere was die Berücksichtigung von Zeiten für die zugehörige Wartezeit betraf. Eine Beratung war daher nicht nur abstrakt nicht geboten, sondern auch bei der konkret unklaren Lage schlichtweg nicht möglich. Zusätzlich wäre aber auch die Kausalität des behaupteten Beratungsmangels auf die Rentenbeantragung fraglich, da bereits bei der seinerzeit geltenden Gesetzeslage durch einen späteren Rentenbeginn geringere Abschläge zum Tragen gekommen wären, ohne dass der Kläger – warum auch immer – von einer späteren Rentenantragstellung Gebrauch gemacht hätte. Auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Rente für besonders langjährige Versicherte nicht begründen.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind somit nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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