Sozialrecht

Keine Übernahme der Kosten für Schülerbeförderung

Aktenzeichen  B 3 K 16.273

Datum:
5.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 114 Satz 1
SchBefV SchBefV § 1 S. Nr. 2, § 2 Abs. 1 S. 3 u Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werde, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtene Widerrufs- und Ablehnungsbescheid vom 23.07.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, sodass sie keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegkosten durch den Beklagten ab dem Schuljahr 2014/15 haben (§ 113 Abs. 1 Satz, Abs. 5 VwGO).
Nach § 1 Satz Nr. 2 SchBefV ist die notwendige Beförderung der Schüler öffentlicher oder staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform), zweistufigen Wirtschaftsschulen und drei- bzw. vierstufigen Wirtschaftsschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 durch den Aufgabenträger sicherzustellen. Die Gesamtschule … und die Realschule in … sind schülerbeförderungsrechtlich vergleichbare Schulen, weil auch der Realschulzweig an der Gesamtschule … angeboten wird. Eine Beförderungspflicht ist also nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Die Beförderungspflicht besteht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV aber nur zur nächstgelegenen Schule. Für die Klägerinnen ist nicht die Gesamtschule Hollfeld, sondern die Realschule … die nächstgelegene Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV. Es handelt sich weder um die Pflichtschule der Klägerinnen (Nr. 1) noch sind sie der Gesamtschule … zugewiesen (Nr. 2). Auch kann nicht angenommen werden, dass die Gesamtschule … mit dem geringsten Beförderungsaufwand (Nr. 3) zu erreichen ist. Die Bestimmungen über die Kostenfreiheit des Schulwegs sollen nicht nur finanzielle Entlastungen der Schüler und ihrer Eltern bezwecken, sondern auch die optimale Organisation der Schülerbeförderung sicherstellen. Es sollen unzumutbar lange Schulwege verhindert werden. Diesem Interesse widerspräche es, eine Beförderungspflicht auch zu entfernten Schulen anzunehmen, ohne dass hierzu durchgreifende Gründe seitens des zu befördernden Schülers geltend gemacht werden. Es muss entscheidend auf den finanziellen und logistischen Aufwand ankommen (BayVGH, Beschluss vom 27.02.2015, Az. 7 ZB 14.2300; VG Würzburg, Urteil vom 01.10.2015, Az. W 2 K 15. 650).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Gesamtschule … nicht die nächstgelegene Schule, weil bereits eine eingerichtete Schulbuslinie existiert, mit der die Klägerinnen zur Realschule … befördert werden können, sodass dem Beklagten keine oder jedenfalls nur unerhebliche zusätzliche Kosten gegenüber einer Beförderung der Klägerinnen zur Gesamtschule … entstehen. Laut Beförderungsvertrag wird eine Haltestelle für die Klägerinnen bei Bedarf bedient, was bei der Bemessung der Höhe der Abrechnungspauschale bereits berücksichtigt wurde. Dagegen fallen für die Beförderung zur Gesamtschule … zusätzliche Kosten von mindestens 42 EUR/Monat und Kind an.
Ob die Gesamtschule … die Voraussetzungen einer Schule mit pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheiten im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV erfüllt, kann dahinstehen, weil in diesem Fall nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SchBefV die Beförderung zu Schulen besonderer Art mit schulartübergreifendem integrierendem Unterricht, worunter die Gesamtschule … fällt, ausgeschlossen ist.
Es steht nach § 2 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 SchBefV deshalb im Ermessen des Aufgabenträgers, ausnahmsweise die Schülerbeförderung zu übernehmen. Ermessensentscheidungen kann das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO nur auf Ermessensfehler des Beklagten überprüfen, die jedoch nicht erkennbar sind.
Es ist nicht unvertretbar, dem Kostenargument den Vorrang vor den Interessen der Klägerinnen zu geben, weil dem Beklagten jedenfalls keine übermäßig höheren Kosten durch die Beförderung der Klägerinnen aufgrund der bereits eingerichteten Schulbuslinie* … entstehen.
In angemessenem Umfang wurden auch die Interessen der Klägerinnen berücksichtigt. Die zusätzliche Zeit für den Schulweg der Klägerinnen zur Realschule … gegenüber dem Schulweg zur Gesamtschule … bewegt sich mit einer Differenz von in etwa einer Zeitstunde in keiner unzumutbaren Größenordnung und ist daher hinzunehmen. Selbiges gilt für einen mit einem Ortswechsel verbundenen Schulwechsel. Zum einen ist dies auch der Fall, wenn auf eine höhere Schule gewechselt wird, zum anderen steht nicht fest, dass dies bei den Klägerinnen überhaupt einmal der Fall sein wird.
Ein Ermessensfehler dahingehend, dass bei der Entscheidung des Beklagten zwischen den Schulartzweigen der Gesamtschule … differenziert wird, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Bisher wurde das Ermessen durch den Beklagten dahingehend ausgeübt, die Beförderung zu übernehmen, wenn die Gesamtschule … die nächstgelegene Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV war. Auch der Gesetzgeber stellt in § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV auf die gewählte Schulart ab, sodass diese Verwaltungspraxis auch dann nicht zu beanstanden ist, wenn an einer Schule mehrere Schulzweige existieren.
Nach alldem sind die Klägerinnen durch die ablehnende Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt und die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der -wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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