Sozialrecht

Keine Umdeutung einer unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde

Aktenzeichen  L 10 AL 142/16

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 73424
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGB III § 154

 

Leitsatz

1 Ein eindeutig als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Allein die Verwendung der für die zulassungsfreie Berufung üblichen Rechtsmittelbelehrung stellt keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung dar; die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Berufungszulassung (ebenso BSG BeckRS 2010, 71870). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 17 AL 103/16 2016-06-16 GeB SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.06.2016 wird verworfen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht 750 EUR und die Berufung wurde nicht zugelassen (§ 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt.
Der Kläger begehrt allein Alg für die Zeit vom 01.01.2016 bis 20.01.2016. Ab 21.01.2016 – zunächst bis 08.03.2016, wegen einer Beschäftigungsaufnahme ab 09.03.2016 (Bescheid vom 09.03.2016) – hat die Beklagte dem Kläger Alg in Höhe von täglich 37,60 EUR bewilligt. Würde die Klage des Klägers Erfolg haben, so wären ihm Leistungen ab 01.01.2016 zu bewilligen und ihm stünde der Anspruch auf Alg für den gesamten Monat Januar 2016 zu. Da dem Kläger für die Zeit vom 21.01.2016 bis 31.01.2016 (11 Tage) bereits 413,60 EUR (11 x 37,60 EUR) geleistet worden sind, käme nur noch ein offener Leistungsanspruch für 19 Tage in Betracht, da – trotz des Umstandes, dass der Monat Januar 31 Tage umfasst – nach § 154 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in den Fällen, in denen für einen gesamten Monat Anspruch auf Zahlung von Alg besteht, dieses nur mit 30 Tagen zu berechnen ist. Damit ergibt sich für den gesamten Monat Januar 2016 ein Zahlbetrag von 1.128,00 EUR (30 Tage x 37,60 EUR). Die Beschwer des Klägers im Hinblick auf die Vorenthaltung von Leistungen für die Zeit vom 01.01.2016 bis 20.01.2016 beträgt demnach 714,40 EUR (1.128,00 EUR – 413,60 EUR).
Dieser Betrag übersteigt damit aber nicht die für eine Berufung geltende Wertgrenze von 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Es sind auch keine wiederkehrendenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, so dass eine Berufungszulassung sich nicht aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG ergeben kann.
Für die Umdeutung eines eindeutig als “Berufung” bezeichneten Rechtsmittels in einer Nichtzulassungsbeschwerde ist vorliegend kein Raum. Der Kläger hat sein Rechtsmittel eindeutig als “Berufung” bezeichnet und sich offensichtlich an der – unzutreffenden – Rechtsmittelbelehrung des SG orientiert. Erst mit seinen Schreiben vom 27.07.2016 und 04.08.2016 hat der Kläger daneben eine Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG eingelegt.
Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 HS 1 SGG). Allein die Verwendung der für die zulassungsfreie Berufung üblichen Rechtsmittelbelehrung durch das SG stellt keine Entscheidung über die Zulassung, sondern eine falsche Rechtsmittelbelehrung dar, die den Senat nicht bindet (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2004 – B 11 AL 53/03 R). Das SG hat die Berufung weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen zugelassen. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Berufungszulassung (vgl. BSG, Beschluss vom 22.07.2010 – B 4 AS 77/10 B). Folge ist jedoch, dass der Kläger binnen Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG) seit Zustellung des Gerichtsbescheides des SG vom 16.06.2016 die Möglichkeit hat, gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde beim LSG einzulegen (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 145 SGG) bzw. eine mündliche Verhandlung beim SG zu beantragen (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Insofern hat der Kläger zwischenzeitlich auch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG eingelegt.
Demnach war die Berufung als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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