Sozialrecht

Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung wegen Unterschreitens der Teilnahmequote

Aktenzeichen  AN 2 K 20.02202

Datum:
10.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11971
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AFBG § 7, § 9a, § 16, § 27a
SGB X § 24, § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 42

 

Leitsatz

1. Die Heilung einer unterbliebenen Anhörung durch Nachholung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geschehen, sofern dem Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis gebracht werden, so dass er auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde Einfluss nehmen kann, und die Widerspruchsbehörde das Vorbringen ausweislich des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis nimmt und erwägt.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG enthält für das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme eine definierte gesetzliche Pauschalierung, so dass die Aufstiegsfortbildungsförderung bei einer geringeren Teilnahmequote – unabhängig vom Grund dafür und vom erfolgreichen Abschluss der Fortbildung – zurückgefordert werden muss. (Rn. 36, 45 und 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Etwaige Härten aufgrund der Teilnahmequote sind dadurch abgemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offen steht und ohne weiteres zumutbar ist, ggf. gemäß § 7 Abs. 4a AFBG ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund zu erklären. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die nach Auslegung des klägerischen Begehrens gemäß § 88 VwGO als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthafte Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständliche Rückforderung in Höhe von 2.133,60 EUR beruht auf § 16 Abs. 2, Abs. 3 AFBG. Es handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt war.
a) Offen bleiben kann, ob das AFBG in seiner bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 geltenden Fassung (nachfolgend: AFBG a.F.) mit Ausnahme der hier nicht entscheidungserheblichen §§ 10, 12, 17a AFBG n.F. oder insgesamt in der neuen, ab dem 1. August 2020 geltenden Fassung Anwendung findet. Zunächst ist die Übergangsregelung nach § 30 Abs. 1 AFBG nicht einschlägig, wonach für Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung, die bis zum 31. Juli 2020 abgeschlossen wurden, das AFBG a.F. anzuwenden ist. Denn hier hat der Kläger die bis 30. September 2020 laufende Maßnahme erst mit den zeitlich nachfolgenden Prüfungen – also nach dem Stichtag des 31. Juli 2020 – (erfolgreich) abgeschlossen. Fraglich ist auch, ob die Übergangsregelung nach § 30 Abs. 2 AFBG einschlägig ist, wonach das AFBG a.F. mit Ausnahme der §§ 10, 12, 17a Anwendung findet, sofern die Maßnahme vor dem 31. Juli 2020 begonnen, aber noch nicht abgeschlossen wurde. Vorliegend ist letztlich unklar, ob und inwieweit der Kläger in dem für die Anfechtungsklage regelmäßig maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020, seine Abschlussprüfungen bereits abgeschlossen hatte bzw. inwieweit es in diesem Zusammenhang auf den Abschluss der Prüfungen oder des Prüfungsverfahrens ankommt. Allerdings stimmen die hier entscheidungserheblichen Vorschriften nach §§ 7, 9a, 16 Abs. 2, 3, 27a AFBG sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung weitgehend, jedenfalls inhaltlich überein. Da hier aus dem AFBG a.F. und n.F. dieselben Ergebnisse folgen, bedarf die Anwendbarkeitsfrage letztlich keiner Entscheidung.
b) Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die erforderliche Anhörung nachgeholt worden. Verfahrensrechtlich sind vorliegend nach § 27a Halbs. 1 AFBG a.F. die Vorschriften des SGB X anwendbar. Zwar hat die Beklagte den Kläger entgegen § 24 Abs. 1 SGB X nicht angehört, bevor sie den streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid erlassen hat. Auch sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die nach § 24 Abs. 2 SGB X ein Absehen von der Anhörung hätten rechtfertigen können. Zudem sieht § 42 Satz 2 SGB X im Unterschied zur Parallelvorschrift nach § 46 VwVfG ausdrücklich vor, dass sich die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 42 Satz 1 SGB X nicht auf unterbliebene und nicht nachgeholte Anhörungen erstreckt. Jedoch wird nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X der Verfahrensfehler einer unterbliebenen Anhörung geheilt, sofern diese nachgeholt wird. Dies kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geschehen, sofern dem Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchs zur Kenntnis gebracht werden, so dass er auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde Einfluss nehmen kann, und die Widerspruchsbehörde das Vorbringen ausweislich des Widerspruchsbescheids zur Kenntnis nimmt und erwägt (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 2020, § 41 SGB X Rn. 15 ff.). So liegt der Fall hier, da die Ausgangsbehörde dem Kläger in dem angegriffenen Bescheid mitgeteilt hat, die Rückforderung beruhe darauf, dass der geforderte Teilnahmenachweis zum 30. September 2019 nicht vorgelegt worden sei, der Kläger sodann im Widerspruchsverfahren unter Erläuterung seiner Erkrankung den fraglichen Teilnahmenachweis übersandt hat und schließlich der Widerspruchsbescheid hierauf eingegangen ist, etwa indem dort sinngemäß ausgeführt ist, eine Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten sei entbehrlich, auch chronische Erkrankungen rechtfertigten keine Erhöhung der förderungsunschädlichen Fehlzeitenquote von 30% bzw. dass eine Entscheidung des Klägers über eine etwaige Unterbrechung der Maßnahme nötig gewesen wäre.
c) Der angegriffene Bescheid erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.
aa) § 16 Abs. 2 AFBG sieht vor, dass der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben ist und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen insoweit zu erstatten hat, soweit Leistungen nach dem AFBG unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt wurden und der entsprechende Vorbehalt greift. Weiter bestimmt § 16 Abs. 3 Halbs. 1 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 1 AFBG n.F., dass der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen zu erstatten hat, wenn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin in einem Nachweis des Bildungsträger nicht die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nachweist und diese bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden kann. Dies gilt indes nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 2 AFBG n.F. nicht, sofern die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen wird und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen hat. Hinsichtlich der Rechtsfolge von § 16 Abs. 3 AFBG ist anerkannt, dass der Bewilligungsbescheid insgesamt – also hinsichtlich Maßnahme- und Unterhaltsbeitrag – aufzuheben ist, wobei die erhaltenen Leistungen zurückzuerstatten sind (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 16 Ziff. 2.3). Schließlich bestimmt § 16 Abs. 5 AFBG für den Fall, dass der Bewilligungsbescheid bei einer aus mehreren Maßnahmeabschnitten bestehenden Vollzeitmaßnahme insgesamt aufgehoben wird, dass der Unterhaltsbeitrag nur für die Maßnahmeabschnitte zu erstatten ist, an denen der Teilnehmer oder die Teilnehmerin nicht regelmäßig teilgenommen hat.
Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AFBG hat der Teilnehmer oder die Teilnehmerin regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift müssen die Leistungen des Teilnehmers oder der Teilnehmerin erwarten lassen, dass er oder sie die Maßnahme erfolgreich abschließt. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, ob Auszubildende die Fortbildungsmaßnahme tatsächlich erfolgreich abschließen oder aber eine etwaige Abschlussprüfung nicht bestehen (OVG Münster, B.v. 12.4.2012 – 12 A 236/12 – BeckRS 2012, 51121). Bewusst bürdet der Gesetzgeber Teilnehmern einer Förderungsmaßnahme nicht das Risiko des (endgültigen) Nichtbestehens einer Prüfung etwa am Ende einer mehrjährigen Ausbildung auf, um die mit dem AFBG verfolgte Anreizwirkung nicht zu konterkarieren und keine Hemmschwelle für Fortbildungsinteressierte aufzubauen (so BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Nach § 9a Abs. 1 Satz 3 AFBG wird regelmäßig von der Möglichkeit des erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme ausgegangen, solange Teilnehmer diese zügig und ohne Unterbrechung absolvieren und sich um einen erfolgreichen Abschluss bemühen. Nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG liegt eine regelmäßige Teilnahme vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden und bei Fernunterrichtslehrgängen an 70% der Leistungskontrollen nachgewiesen wird. Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme im Rahmen einer Pauschalierung gesetzlich definiert (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 9a Ziff. 2.1). Dies ergibt sich zudem aus der Begründung des Gesetzgebers. So war zum AFBG in seiner Fassung vor dem 1. August 2016 eine Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten anerkannt. Mit der Neufassung des Gesetzes in der Fassung ab dem 1. August 2016 wollte der Gesetzgeber gerade diese mit Abgrenzungs- und Auslegungsproblemen verbundene Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten mit Hilfe eines Systemwechsels dahingehend ablösen, dass pauschal lediglich auf eine Teilnahmequote abgestellt wird, die allerdings mögliche Fehlzeiten großzügig berücksichtigt. In diesem Sinne ist in der Gesetzesbegründung zur Novellierung des AFBG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des AFBG vom 16. Dezember 2015 ausgeführt, in der Vergangenheit sei eine komplizierte und einzelfallorientierte Kasuistik von Entschuldigungsgründen gebildet worden, deren Prüfung mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen sei (BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Die notwendige regelmäßige Teilnahme sei auf 70 Prozent der Präsenzunterrichtsstunden gesetzlich pauschaliert. Diese Pauschalierung sei zunächst in der Verwaltungspraxis erprobt worden. Sie habe sich als angemessen und interessengerecht erwiesen. Auf der einen Seite stehe das Interesse an einer vollständigen Teilnahme, die letztlich Grundlage der Förderung sei. Auf der anderen Seite bestehe die Notwendigkeit für eine zielorientierte und effektive Förderung, die die Lebensumstände der typischen Geförderten förderrechtlich ernst nehme. Diese Geförderten stünden „mitten im Leben“. Sie müssten oft Beruf, Familie und Aufstiegsfortbildung im Alltag miteinander vereinbaren. Dies führe zu einem gewissen Maß an objektiv nicht vermeidbaren Fehlzeiten, sei es etwa durch Krankheit – eigene oder von Kindern – oder durch Kinderbetreuungsengpässe aufgrund von Schließzeiten (so im Ganzen BT-Drucksache 18/7055, Seite 38).
Im Übrigen bestimmt § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG, dass die Förderung hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet wird. Schließlich hat nach § 9a Abs. 2 Satz 1 AFBG der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin insbesondere sechs Monate nach Beginn sowie zum Ende der Maßnahme einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme vorzulegen.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war der Beklagte hier – ohne dass ihm Ermessen eingeräumt gewesen wäre – gehalten, wie mit Bescheid vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2020 geschehen, bereits geleistete Maßnahmebeiträge in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 2.133,60 EUR zurückzufordern.
(1) Hier stand die gesamte geleistete Aufstiegsfortbildungsförderung gemäß §§ 9a Abs. 1 Satz 5, 16 Abs. 2 und 3 AFBG unter dem Vorbehalt der Rückforderung. So ergingen die Bewilligungsbescheide stets unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen ergangen, dass der Kläger jedenfalls zum 30. September bzw. 1. Oktober 2020 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt.
(2) Der Kläger kann gemäß § 16 Abs. 3 AFBG in einem Nachweis des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nicht nachweisen. Denn der Kläger hat jedenfalls zum 30. September bzw. 1. Oktober 2020 keinen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbracht. Auch aus dem zuletzt vorgelegten Teilnahmenachweis der Akademie vom 15. November 2019 geht hervor, dass er in der Zeit vom 1. April 2017 bis 30. September 2019 lediglich an 88 von insgesamt 350 Präsenzstunden und 2 von 4 Leistungskontrollen teilgenommen hat. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 35% hinsichtlich der Präsenzstunden und 50% betreffend die Leistungskontrollen, so dass die pauschalierte Teilnahmequote aus § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG von 70% jeweils deutlich unterschritten ist.
(3) Der Kläger kann die geforderte Teilnahmequote von 70% auch nicht mehr nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. erreichen. Da für die Fortbildungsmaßnahme insgesamt 490 Präsenzstunden vorgesehen sind, standen mit Blick auf den zuletzt vorgelegten Teilnahmenachweis vom 15. November 2019 nach dem 30. September 2019 noch 140 Präsenzstunden aus (490 Präsenzstunden abzüglich 350 Präsenzstunden bis 30. September 2019). Sofern unterstellt wird, der Kläger hätte noch alle ausstehenden 140 Präsenzstunden besucht, ergäbe sich eine Teilnahme an 228 (88 + 140) von insgesamt 490 Präsenzstunden, was einer Teilnahmequote von etwa 47% entspräche. Ähnliches gilt hinsichtlich noch zwei ausstehender Leistungskontrollen. Da im Gesamtzeitraum der Fortbildungsmaßnahme sechs Leistungskontrollen zu absolvieren sind, könnte der Kläger allenfalls noch eine Teilnahme an vier von insgesamt sechs Leistungskontrollen erreichen, was einer Teilnahmequote von etwa 67% entspräche, also ebenfalls die geforderte Teilnahmequote von 70% unterschreiten würde.
(4) Schließlich kann hier auch nicht von einem Maßnahmeabbruch oder einer Maßnahmeunterbrechung aus wichtigem Grund ausgegangen werden, die dem Kläger nach § 16 Abs. 3 Alt. 2 a.F., § 16 Abs. 3 Satz 2 n.F. bzw. § 7 Abs. 3a AFBG die Förderung jedenfalls bis zum Maßnahmeabbruch bzw. bis zur Maßnahmeunterbrechung für den Fall regelmäßiger Teilnahme bis dahin erhalten hätte.
Einen Abbruch der Fortbildungsmaßnahme hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Auch in der Sache liegt die Annahme eines Maßnahmeabbruchs fern. So wird von einem Maßnahmeabbruch ausgegangen, wenn Teilnehmer nach eigener Erklärung oder konkludent das Fortbildungsziel aufgeben (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 7 Ziff. 2.1). Hier belegt aber der Umstand, dass der Kläger die Abschlussprüfung angetreten und erfolgreich abgelegt hat, dass er das Fortbildungsziel gerade nicht aufgegeben, sondern wie beabsichtigt erreicht hat.
Auch die Annahme einer Unterbrechung bzw. von Unterbrechungen der Fortbildungsmaßnahme scheidet hier aus. Denn jedenfalls hat der Kläger etwaige Unterbrechungen nicht ausdrücklich angezeigt. Nach § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG ist eine Maßnahmeunterbrechung nur berücksichtigungsfähig, sofern dieser ausdrücklich erklärt wird. Gemäß § 7 Abs. 4a Satz 2 AFBG wirkt die Erklärung nur insoweit auf einen vor dem Eingang bei der zuständigen Behörde liegenden Zeitpunkt zurück, als sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Hier hat der Kläger etwaige Maßnahmeunterbrechungen jedenfalls nicht ausdrücklich erklärt. Auch können die Krankmeldungen des Klägers nicht als Erklärung einer etwaigen Maßnahmeunterbrechung verstanden werden. So ist schon fraglich, ob nach dem Systemwandel hin zur pauschalisierten Teilnahmequote von 70% überhaupt eher kurze, krankheitsbedingte Fehlzeiten als Unterbrechung verstanden werden können. Denn nach dem Systemwandel knüpfen Rückforderungstatbestände nicht mehr an unentschuldigten, etwa krankheitsbedingten Fehlzeiten, sondern allein an die (pauschalisierte) Teilnahmequote an. Jedenfalls können hier aber die Krankmeldungen des Klägers nicht als Unterbrechungserklärungen nach § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG verstanden werden. Vielmehr hat der Kläger stets seine Krankheit als solche geltend gemacht bzw. hiermit seine Abwesenheit von Präsenzstunden begründet. Damit sollen die Krankmeldungen allein die Nichtteilnahme an Präsenzstunden entschuldigen. So spricht der Kläger sinngemäß von der entschuldigten Nichtteilnahme, entschuldigten Fehlzeiten bzw. der Krankheitsmitteilung unter Versicherung, den Unterrichtsstoff zu Hause zu erarbeiten. Den Mitteilungen ist aber kein Unterbrechungswille dahingehend zu entnehmen, die Fortbildungsmaßnahme insgesamt – ggf. bis zu einer gesundheitlichen Besserung o.Ä. – unterbrechen zu wollen. Formulierungen, die Fortbildungsmaßnahme bis auf weiteres wegen Krankheit ruhen zu lassen, diese vorerst aufgeben oder pausieren zu müssen o.Ä. finden sich gerade nicht. Dass der Unterbrechungswille hinreichend zum Ausdruck kommt, ist aber schon deswegen erforderlich, weil die Unterbrechung gerade bei chronischen Erkrankungen mit erheblichen Nachteilen verbunden sein kann. So wird Aufstiegsfortbildungsförderung nach § 7 Abs. 3a, 4 AFBG im Fall der Unterbrechung wegen Krankheit lediglich für drei Monate weitergeleistet. Anschließend ruht der Anspruch auf Förderung.
(5) Rechtlich unerheblich ist, dass der Kläger die Fortbildungsmaßnahme erfolgreich beendet hat. Denn – wie bereits dargelegt – kann und soll Aufstiegsfortbildungsförderung gerade nicht deswegen zurückgefordert werden, weil Teilnehmer die Fortbildungsmaßnahme letztlich ohne Erfolg durchlaufen haben. Aufgrund der Erfolgsunabhängigkeit der Aufstiegsfortbildungsförderung in diesem Sinne kann Ausbildungsförderung spiegelbildlich nicht deswegen belassen werden, wenn zwar die Rückforderungsvoraussetzungen vorliegen, der Teilnehmer die Maßnahme aber dennoch erfolgreich beendet hat.
(6) Auch mit Blick auf die Rechtsfolge begegnet der angegriffene Rückforderungsbescheid keinen Bedenken. Zunächst handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt war. Mit Blick auf die Höhe der Rückforderung ist unstreitig geblieben, dass bis zum Erlass des Rückforderungsbescheids Maßnahmebeiträge in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 2.133,60 EUR angefallen waren. Zudem war der Maßnahmebeitrag nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. bzw. § 16 Abs. 3 Satz 1 AFBG n.F. – soweit angefallen – vollständig zurückzufordern. So erfasst die Rückforderungsausnahme gemäß § 16 Abs. 5 AFBG lediglich Unterhaltsbeiträge, die hier nicht bewilligt waren.
d) Die Rückforderung ist auch verhältnismäßig im Einzelfall.
Zunächst ist die Rückforderung geeignet, das legitime gesetzgeberische Ziel zu verfolgen, öffentliche Mittel der Aufstiegsfortbildungsförderung effektiv und sparsam zu verwenden. Auch ist die Rückforderung erforderlich, da mildere und vergleichbar wirksame Mittel zur Zweckerreichung nicht ersichtlich sind. Insbesondere würde die Rückforderung eines geringeren Geldbetrags öffentliche Mittel nicht in demselben Ausmaß schonen.
Die Rückforderung ist mit Blick auf das genannte gesetzgeberische Ziel auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn. Bedenken bestehen auch nicht deswegen, weil sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung des AFBG entschieden hat, die für die Förderung erforderliche Teilnahmequote gesetzlich zu pauschalieren, sodass es bei Unterschreitung dieser Teilnahmequote nicht mehr darauf ankommt, ob Fehlzeiten entschuldigt oder unentschuldigt entstanden sind. So ist dem Gesetzgeber schon nach allgemeinen Grundsätzen auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt, um abstrakt generelle und insoweit regelmäßig pauschalierende und typisierende Normen zu schaffen (Greszick in Maunz/Dürig GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 122). Dies gilt umso mehr im Bereich der hier einschlägigen Leistungsverwaltung. Etwaige Härten sind zudem dadurch abgemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offen steht und ohne weiteres zumutbar ist, ggf. gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG a.F. ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund zu erklären. Einen wichtigen Grund unterstellt kann die ausdrückliche Erklärung des Abbruchs bzw. der Unterbrechung die Förderung (auch) für die zurückliegende Zeit erhalten. So wäre es auch dem Kläger zumutbar gewesen, die Fortbildungsmaßnahme zu unterbrechen. Denn den Teilnahmenachweisen der Akademie kann entnommen werden, dass dem Kläger zunächst eine regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme möglich war, also auch gesundheitlich Gründe dem letztlich nicht entgegenstanden. So hat der Kläger etwa betreffend den Zeitraum 1. Oktober 2017 bis 1. Februar 2018 an 30 von insgesamt 36 Präsenzstunden teilgenommen, was einer Teilnahmequote von etwa 83% entspricht. Ausweislich der vorliegenden Teilnahmenachweise belief sich die Teilnahmequote insgesamt bis zum 1. Februar 2018 auf immerhin etwa 61%. Im erweiterten Gesamtzeitraum bis 31. März 2018 sank die Gesamtquote sodann auf etwa 54%. Jedenfalls nach dem 31. März 2018 besuchte der Kläger – wie aus dem Teilnahmenachweis der Akademie vom 15. November 2019 hervorgeht – allerdings keine einzige weitere Präsenzstunde und nahm an keiner einzigen weiteren Leistungskontrolle mehr teil. Hieraus folgt, dass es – naheliegend aus gesundheitlichen Gründen – zu einem drastischen Einbruch hinsichtlich der Fähigkeit des Klägers gekommen ist, an der Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Zumindest aufgrund dieses Einschnitts war es dem Kläger zumutbar, eine ausdrückliche Entscheidung hinsichtlich der Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme zu treffen und insoweit ggf. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme ausdrücklich zu erklären. Auf diese Weise hätte der Kläger die Maßnahme bei einer Verbesserung seines Gesundheitszustands wieder aufnehmen können und so insgesamt die geforderte Teilnahmequote von 70% noch erreichen können. Auch der grundsätzliche Verlust der Förderung für den Zeitraum der Unterbrechung sowie die damit verbundenen, nachvollziehbaren Schwierigkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, hätten eine ausdrückliche Unterbrechungserklärung nicht unzumutbar gemacht. Denn zum einen werden Härten dadurch gemildert, dass Aufstiegsfortbildungsförderung im Fall der Unterbrechung wegen Krankheit nach § 7 Abs. 3a, 4 AFBG drei Monate weitergeleistet wird. Zum anderen obliegt es Teilnehmern einer Fortbildungsmaßnahme, ggf. anderweitig Sozialleistungen zu beantragen (so für die hochschulrechtliche Beurlaubung mit Blick auf die Förderungshöchstdauer nach § 15 BAföG BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 12 ZB 16.1141 – BeckRS 2016, 113469). Nach alledem war dem Kläger, dem zunächst eine regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme möglich war, ggf. nach Intensivierung seiner bereits nach eigenem Vortrag seit 2014 bestehenden Grunderkrankung zumutbar, eine Entscheidung über eine etwaige Maßnahmeunterbrechung herbeizuführen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt strukturell nicht von Fällen, in denen Fortbildungsteilnehmer unverschuldet daran gehindert sind, ihre Fortbildungsmaßnahme fortzusetzen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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