Aktenzeichen 12 ZB 19.32
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz
1. Das Interesse eines Teilnehmers, die Rückforderung von Förderungsleistungen, mit der sie nach einer nicht regelmäßigen Teilnahme konfrontiert werden, durch nachträgliche Erklärungen von Abbruch oder Unterbrechung aus wichtigem Grund abzumildern, ist nicht schutzwürdig. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nachgeschobene Erklärungen ohne Darlegung, inwiefern ein schuldhaftes Zögern insoweit nicht vorliegt, rechtfertigen nicht das Absehen von einer Rückforderung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 3 K 18.532 2018-11-18 VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klägerin verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ihre Klage gegen die Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderungsleistungen durch den Beklagten weiter.
I.
1. Sie beantragte beim zuständigen Landratsamt im September 2017 für die Ausbildung zur staatlich geprüften Hotelbetriebswirtin an der Hotelfachschule P. Ausbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), die ihr mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 für den Zeitraum September 2017 bis Juli 2019 in Höhe von 1.100,- € (davon 440,- € Zuschussanteil) als Maßnahmebeitrag sowie in Höhe von monatlich 768,- € (davon 333,- € als Zuschussanteil) als Unterhaltsbeitrag bewilligt wurde. Der Bescheid erhielt den Hinweis, dass die Förderung hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet werde. Eine Unterbrechung der Maßnahme aus wichtigem Grund (z.B. Schwangerschaft oder Krankheit) sei umgehend mitzuteilen und nachzuweisen.
2. Am 5. Februar 2018 teilte die Klägerin dem Amt für Ausbildungsförderung telefonisch mit, dass sie die Ausbildung an der Hotelfachschule abbreche. Die Kündigung des Ausbildungsvertrages erfolgte zum 23. Februar 2018. Laut Auskunft des Konrektors der Hotelfachschule P. habe die Klägerin als Kündigungsgrund eine „Änderung der Lebensziele“, „eventuell Ausland oder Selbständigkeit“ angegeben. Nach dem von der Hotelfachschule erstellten Teilnahmenachweis hatte die Klägerin bis zum 23. Februar 2018 von insgesamt 666,4 Präsenzstunden an 605,2 teilgenommen, woraus sich eine Fehlzeitenquote von 9,18% errechnet.
3. Mit Bescheid vom 9. März 2018 forderte der Beklagte von der Klägerin infolge einer für diesen Monat eingetretenen Überzahlung 200,- € des Maßnahmebeitrags und 333,- € des Unterhaltsbeitrags zurück. Ihren gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin in der Folge zurück und leistete zugleich die geforderte Rückzahlung in Höhe von 533,- €.
Mit weiterem, nunmehr streitgegenständlichem Bescheid vom 27. April 2018 forderte der Beklagte von der Klägerin weitere 2.238,- € des bislang für die Ausbildung als Zuschuss geleisteten Maßnahme- und Unterhaltsbeitrags nach § 16 Abs. 2, Abs. 3 in Verbindung mit § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG zurück. Die in § 16 Abs. 3 AFBG geregelte Ausnahme von der Rückforderung der geleisteten Fördergelder, nämlich dass der Abbruch der Fortbildungsmaßnahe aus wichtigem Grund erfolgt sei und bis zum Abbruch eine regelmäßige Teilnahme vorgelegen habe, greife vorliegend nicht ein, da es nach Aktenlage zwar nicht an der regelmäßigen Teilnahme, jedoch an einem wichtigen Grund für den Ausbildungsabbruch gefehlt habe.
4. Gegen den Rückforderungsbescheid ließ die Klägerin Klage erheben. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass ein wichtiger Grund für den Abbruch der Ausbildung vorgelegen habe. Der Abbruch sei aus gesundheitlicher Sicht dringend erforderlich gewesen. Bei der Klägerin seien psychische und körperliche Probleme wie massive Schlafstörungen und eine chronische Gastritis nicht mehr lenkbar gewesen. Ein Verbleiben in dieser Lebenssituation hätte zur Steigerung dieser Symptomatik geführt. Weiterhin hätten die Klägerin an der Hotelfachschule Versagensängste und Leistungsdruck beeinträchtigt. Ihr sei aus ärztlicher Sicht nahegelegt worden, die Ausbildung zu beenden.
Im Verlauf des Klageverfahrens legte die Klägerin ein Attest von Dr. med. W. B. vom 14. Juni 2018 vor, indem dieser bestätigt, dass die Klägerin „wegen Überlastung ein zunehmendes Reizsyndrom vom Diarrhoe- und Schmerztyp entwickelte und aufgrund dessen ihre Fortbildung zur angehenden Hotelbetriebsfachwirtin Ende Februar 2018 abbrechen musste“. Mit weiterer ärztlicher Stellungnahme vom 18. August 2018 schilderte Dr. B. als von der gastroenterologischen Fachkollegin festgestellten Befund „ein Colon irritabile (Reizdarm) mit spastischen, schmerzhaften Darmkontraktionen, massiv wässrigen Diarrhöen (Durchfällen) sowie vermehrter Luftbildung“. Ursächlich hierfür sei „eine vermehrte Stressbelastung in den letzten Monaten denkbar, wobei die Erkrankung bei längerem Bestehen der Ursache chronifizieren kann.“
5. Mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2018 wies das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Rückforderungsbescheid ab. Dieser sei rechtmäßig ergangen. So habe der ursprüngliche Förderbescheid vom 4. Oktober 2017 unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer Rückforderung nach § 16 Abs. 3, Abs. 1 i.V.m. § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG gestanden. Weiterhin lägen auch die Voraussetzungen für dessen Aufhebung sowie die Rückforderung der geleisteten Fördermittel nach § 16 Abs. 3 1. Halbsatz AFBG vor, da die Klägerin nach dem Abbruch der Ausbildung am 23. Februar 2018 eine regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahem nicht mehr erreichen könne, da sie an lediglich 605,2 von insgesamt 2.680 Unterrichtsstunden teilgenommen habe.
Darüber hinaus seien auch die Ausnahmetatbestände des § 16 Abs. 3 2. Halbsatz AFBG sowie § 16 Abs. 5 AFBG nicht erfüllt. Da die Fortbildungsmaßnahme nicht aus mehreren Maßnahmeabschnitten bestanden habe, greife § 16 Abs. 5 AFBG nicht ein. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen des §§ 16 Abs. 3 2. Halbsatz AFBG vor. Zwar habe die Klägerin zum Abbruch der Ausbildung an dieser regelmäßig teilgenommen; ihre Fehlzeitenquote habe bis zum Abbruch lediglich 9,18% betragen. Es fehle jedoch an einem wichtigen Grund für den Abbruch der Maßnahme. Ein solcher liege dann vor, wenn die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Gesetzes erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden könne.
Soweit die Klägerin gegenüber dem Konrektor der Hotelfachschule als Grund für ihre Kündigung eine „Änderung ihrer Lebensziele“, „eventuell Ausland oder Selbständigkeit“ angegeben habe, handele es sich um einen Neigungswandel, der nicht zur Unzumutbarkeit der Ausbildung führe und daher auch keinen wichtigen Grund darstelle. Auch bilde die von der Klägerin angegebene Erkrankung, unabhängig davon, ob sie rechtzeitig geltend gemacht worden sei, keinen wichtigen Grund für den Abbruch der Fortbildungsmaßnahme. Zum einen habe die Klägerin sie selbst nicht für einen wichtigen Grund im Zusammenhang mit der Kündigung der Hotelfachschulausbildung erachtet, zum anderen belegten die Fehlzeiten in Höhe von 9,18%, dass die Erkrankung keine Auswirkungen auf die Ausbildung gehabt und insbesondere deren Fortsetzung nicht unzumutbar gemacht habe. Überdies sei weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der geltend gemachte Reizdarm mit Diarrhöen zukünftig zu erhöhten Ausfallzeiten geführt hätte. Soweit die Klägerin selbst angegeben habe, mindestens in zwei der sechs absolvierten Ausbildungsmonate an der Erkrankung gelitten zu haben, habe es in diesem Zeitraum keine nennenswerten Ausfallzeiten gegeben.
6. Gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die Klägerin nunmehr mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sie ernstliche Zweifel an der deren Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen lässt. Demgegenüber tritt der Beklagte der Zulassung der Berufung entgegen. Für den Abbruch der Ausbildung fehle es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen habe, an einem wichtigen Grund. Überdies sei die Erkrankung auch verspätet geltend gemacht worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bestehen.
1. Die Klägerin hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, die Ausbildung zur Hotelbetriebswirtin an der Hotelfachschule P. nicht aus „wichtigem Grund“ im Sinne von § 16 Abs. 3 2. Halbsatz AFBG abgebrochen. Die von ihr erstmals im Rahmen des Klageverfahrens vorgetragene Erkrankung führt, soweit sie durch entsprechende Atteste nachgewiesen ist, nicht zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ausbildung.
Die von der Klägerin vorgelegten Atteste von Dr. W. B. bescheinigen ihr die Entwicklung eines „zunehmenden Reizsyndroms vom Diarrhöe- und Schmerztyp“ (Attest vom 14.6.2018 Bl. 24 der Gerichtsakte) bzw. „Verdauungsprobleme“ die die Klägerin „mit allen ihr zur Verfügung stehenden diätischen und sonstigen Hausmitteln nicht in Griff bekam“ (Ärztliche Stellungnahme vom 18.8.2018, Bl. 44 der Gerichtsakte). Referiert wird weiterhin als Befund der gastroenterologischen Fachkollegin ein „Colon irritabile (Reizdarm) mit spastischen schmerzhaften Darmkontraktionen, massiv wässrigen Diarrhöen (Durchfällen) sowie vermehrter Luftbildung“. Ursächlich hierfür „ist eine vermehrte Stressbelastung in den letzten Monaten denkbar, wobei die Erkrankung bei längerem Bestehen chronifizieren kann“ (Hervorhebung durch den Senat). Schon die Art der Erkrankung als auch die mögliche Chronifizierung sei „für eine Tätigkeit in der Gastronomie“ undenkbar.
Angesichts dieser Befundlage bleibt unklar, ob ein gesicherter Zusammenhang zwischen der Ausbildung zur Hotelbetriebswirtin und der Erkrankung besteht; ein solcher ist ärztlicherseits lediglich „denkbar“. Weiter ergibt sich aus den ärztlichen Stellungnahmen auch nicht, dass die Erkrankung in der vorliegenden Form unbehandelbar wäre. Insoweit haben lediglich „diätische und sonstige Hausmittel“ keinen Erfolg gezeitigt. Schließlich strebt die Klägerin auch nicht eine Ausbildung in der „Gastronomie“, sondern zur Hotelbetriebswirtin an. Eine derartige Ausbildung mag zwar gastronomische Anteile besitzen; jedenfalls ist das Spektrum einer Tätigkeit im Hotel deutlich weiter, sodass der Klägerin jedenfalls Tätigkeiten im Hotelbereich außerhalb der Gastronomie als Hotelbetriebswirtin offen gestanden haben. Die Klägerin hat daher nicht darzulegen vermocht, dass ihre Darmerkrankung ihr die Fortsetzung der Ausbildung unzumutbar gemacht hat. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 2. Halbsatz AFBG haben daher nicht vorgelegen.
2. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Erkrankung als „wichtigen Grund“- wie die Landesanwaltschaft zutreffend ausführt – nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
So sieht § 7 Abs. 4a AFBG vor, dass der Abbruch einer Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund der ausdrücklichen Erklärung bedarf (Satz 1), ferner dass die Erklärung nur insoweit auf einen vor dem Eingang bei der zuständigen Behörde liegenden Zeitpunkt zurückwirkt, wie sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt ist (Satz 2). Ausweislich der Gesetzesbegründung zur Einfügung von § 7 Abs. 4a AFBG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (BT-Drucks. 18/7055, S. 34) geht der Gesetzgeber davon aus, dass beim Abbruch einer Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund die damit verbundenen „begünstigenden Rechtsfolgen“ erst zum Zeitpunkt der Erklärung des Teilnehmers gegenüber der Behörde eintreten. Unterbleibt eine derartige Erklärung gegenüber der Behörde durch schuldhaftes Zögern, „ergeben sich die Rechtsfolgen (…) eines Abbruchs aus den entsprechenden Bestimmungen“, im vorliegenden Fall aus § 16 Abs. 3 1. Halbsatz AFBG. Gerade nicht schutzwürdig sei „das Interesse mancher Teilnehmer oder Teilnehmerinnen, wenn sie mit den Konsequenzen der nicht regelmäßigen Teilnahme konfrontiert werden (in der Regel Rückforderung), durch die nachträglich Erklärung von Abbruch oder Unterbrechung aus wichtigem Grund diese Rechtsfolge abzumildern“.
Demnach hat die Klägerin im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4a AFBG nicht eingehalten. Die von ihr im Zusammenhang mit dem Ausbildungsabbruch am 23. Februar 2018 angegeben Gründe, nämlich „Änderung der Lebensziele“ und „eventuell Ausland oder Selbständigkeit“, stellen auch aus Sicht ihres Bevollmächtigten keine „wichtigen Gründe“ im Sinne von § 16 Abs. 3 2. Halbsatz AFBG dar. Demgegenüber wurde die Darmerkrankung erst im Klageverfahren als „wichtiger Grund“ gewissermaßen „nachgeschoben“, ohne darzulegen, inwiefern hier kein schuldhaftes Zögern vorliegt. Die Klägerin ist daher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Ausbildungsabbruchs nach § 16 Abs. 3 1. Halbsatz AFBG zu behandeln. Die Rückforderung der geleisteten Fördergelder war daher rechtmäßig.
Die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kommt demzufolge nicht in Betracht.
3. Die Klägerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.