Steuerrecht

7 V 3044/15

Aktenzeichen  7 V 3044/15

Datum:
31.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 7 V 3044/15
Beschluss
Stichwort: Die BFH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausländischer und im Ausland nicht mehr nutzbarer (finaler) Betriebstättenverluste ist durch die neue EuGH-Rechtsprechung überholt, wenn die Einkünfte im Inland aufgrund DBA von der Besteuerung freigestellt sind.
In der Streitsache

Antragsteller
prozessbevollmächtigt: …
gegen

– Antragsgegner
wegen Aussetzung der Vollziehung i. S. gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2011 als Beteiligter an der …
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … ohne mündliche Verhandlung
am 31. Mai 2016 beschlossen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist über eine Treuhänderin, die S GmbH, an der spanischen Gesellschaft A, einer Personengesellschaft spanischen Rechts, die mit der Rechtsform einer deutschen GmbH & Co. KG vergleichbar ist, beteiligt. A schloss am 18. Dezember 2007 mit der C einen Kauf- und Liefervertrag ab. Darin verpflichtete sich A zur Abnahme von insgesamt 5200 Stück sogenannter … zum Preis von 4600 € pro Stück zuzüglich Umsatzsteuer. Die Lieferung sollte in Tranchen erfolgen und zwar zunächst 250 Stück bis zum 31. Januar 2008 an ein inländisches Lager von A. Die übrigen 4950 Stück sollten jeweils in Tranchen von 50 Stück nach Abruf durch A (spätestens bis 31. Dezember 2009) geliefert werden. A verpflichtete sich des Weiteren – neben der Zahlung des Kaufpreises von 1.150.000 € für die Lieferung der 250 Geräte – zu einer Anzahlung i. H. v. 22.770.000 € für die vereinbarte Lieferung der restlichen 4950 Geräte bis 30. Dezember 2007. Die Anzahlung erfolgte vereinbarungsgemäß auf ein Sonderkonto bei der X-Bank, welches zur Absicherung des Anspruchs der X-Bank auf Rückzahlung des der Antragstellerin gewährten Kredits und weitere Ansprüche an diese verpfändet war.
Der Antragsteller hatte für seine Beteiligung, die treuhänderisch von der S GmbH gehalten wurde, im November/Dezember 2007 eine Kommanditeinlage i. H. v. 44.222 € geleistet sowie der A ein Darlehen i. H. v. 103.778 € gewährt und einen Betrag i. H. v. 59.200 € in die Kapitalrücklage der A eingezahlt.
Die A gab für ihre inländischen Beteiligten für das Jahr 2007 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von nach DBA steuerfreien Einkünften aus Gewerbebetrieb ab. Hierin wurden Einkünfte i. H. v. -25.443.057 € erklärt, die auf insgesamt 41 inländische Beteiligte, darunter den Antragsteller, verteilt wurden. Das Finanzamt stellte mit Feststellungsbescheid 2007 vom 12.12.2008 den (nach DBA steuerfreien) Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 0 € fest, da es von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht ausging (negativer Feststellungsbescheid). Im nachfolgenden Beschluss des FG München vom 5.5.2009 7 V 355/09 bestätigte das FG München die Auffassung des Finanzamts. Im Hauptsacheverfahren wurde die Klage mit Urteil des FG München vom 15.4.2013 7 K 2515/11 wegen fehlender Klagebefugnis (die Klage wurde von der S GmbH erhoben) abgewiesen. Das Urteil wurde nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH mit Beschluss vom 11.9.2013 I B 79/13 rechtskräftig.
Weitere Feststellungserklärungen für die A wurden beim Finanzamt nicht eingereicht.
Der Antragsteller gab für 2011 eine Erklärung zur gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung beim Finanzamt ab. Hierin erklärte er einen Veräußerungsverlust gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aus der Veräußerung seiner – treuhänderisch von der S GmbH gehaltenen – Kommanditeinlage an der A an seine Frau zum Preis von 1 €. Nach Abzug der Kommanditeinlage von 44.222 €, der Darlehensforderung von 103.778 € und der Kapitalrücklage von 59.200 € ergab sich ein Veräußerungsverlust von 207.199 €. Begründet wurde die Geltendmachung dieses Verlustes unter Hinweis auf die BFH-Urteile I R 100/09 und I R 107/09 damit, dass eine Berücksichtigung des mit dem Verkauf und Abtretung der Anteile realisierten Veräußerungsverlusts im Betriebsstättenstaat (Spanien) nicht erfolgen könne, da die betrieblichen Aktivitäten eingestellt worden seien. Da somit die im Ausland erzielten Verluste nicht mehr berücksichtigt werden könnten, trete der Ansässigkeitsstaat an die Stelle des Betriebsstättenstaates.
Das Finanzamt erließ am 9.10.2015 gegenüber dem Antragsteller einen negativen Feststellungsbescheid für 2011, der damit begründet wurde, dass bei der A niemals Gewinnerzielungsabsicht bestanden habe. Die Antragsteller legte dagegen Einspruch ein, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat. Den beim Finanzamt gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt mit Verwaltungsakt vom 20.11.2015 ab.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Aussetzung der Vollziehung des negativen Feststellungsbescheids vom 9.10.2015 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit mit der Maßgabe, dass für die Dauer des Einspruchsverfahrens vorläufig von einem Veräußerungsverlust des Antragstellers aus Gewerbebetrieb in 2011 in Höhe von 207.199 € auszugehen sei.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des Bescheids (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:
1. Es kann offen bleiben, ob wegen einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht der A, für die für das Jahr 2007 ein rechtskräftiger negativer Feststellungsbescheid erlassen wurde, die Entstehung eines Veräußerungsverlustes des Antragstellers im Zeitpunkt der Veräußerung seiner Beteiligung im Jahr 2011 nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) und damit auch der Erlass eines entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheids nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen ist. Denn unabhängig von der Frage der Gewinnerzielungsabsicht hat der Antrag bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil die Antragstellerin Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i. S. von Art. 7 Abs. 1 des im Streitjahr geltenden Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 14.3.1968 – DBA Spanien – (BStBl 1968 S. 544) erzielt hat, welches seine Tätigkeit in Spanien ausgeübt hat und dessen Einkünfte in Spanien besteuert werden und nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Spanien in Deutschland von der Steuer befreit sind. Nach Art. 13 Abs. 2 i.V.m Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Spanien sind auch die Einkünfte aus der Veräußerung dieses Unternehmens bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person in Deutschland von der Besteuerung befreit. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass nicht nur Betriebsstättengewinne, sondern ebenso Betriebstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 2014 I R 48/11, BFH/NV 2014, 963).
Soweit sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von finalen Betriebstättenverluste beruft, die der BFH im Urteil vom 9. Juni 2010 I R 107/09 (BFH/NV 2010, 1744) unter Berufung auf das Urteil des europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. Mai 2008 C-414/06 („Lidl Belgium“, Slg. 2008, I-3601, BStBl II 2009, 692) begründet hat und die er im Urteil vom 5. Februar 2014 I R 48/11 (BFH/NV 2014, 963) auch auf Veräußerungsverluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen aus der Veräußerung einer Betriebsstätte in Belgien erzielt hat, übertragen hat, ohne hierfür den EuGH gemäß Art.267 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der europäischen Gemeinschaft – AEUV – anzurufen, so ist diese Rechtsprechung nunmehr durch das Urteil des EuGH vom 17. Dezember 2015 – C-388/14 („Timac Agro“, IStR 2016, 74) überholt. Nach dieser Entscheidung besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung zur Berücksichtigung ausländischer und im Ausland nicht mehr nutzbarer Betriebsstättenverluste, wenn die Einkünfte im Inland aufgrund DBA von der Besteuerung freigestellt sind. Da im Streitfall die Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung des Antragstellers an der A, wie dargelegt, nach dem DBA Spanien in der Bundesrepublik Deutschland freigestellt sind, kommt eine Berücksichtigung unter unionsrechtlichen Aspekten nicht in Betracht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.


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