Steuerrecht

Abfindungsklausel und Eindeutigkeitsgebot

Aktenzeichen  XI R 48/17

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:U.230719.XIR48.17.0
Normen:
§ 6a Abs 1 Nr 2 EStG 2002
§ 6a Abs 1 Nr 3 Halbs 2 EStG 2002 vom 20.12.2001
§ 3 Abs 2 BetrAVG
§ 4 Abs 5 BetrAVG
§ 17 Abs 1 BetrAVG
EStG VZ 2007
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

Pensionszusagen sind auch nach Einfügung des sog. Eindeutigkeitsgebots (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG) anhand der geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht klar und eindeutig ist. Lässt sich eine Abfindungsklausel nicht dahin auslegen, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel und der maßgebende Abzinsungssatz ausreichend sicher bestimmt sind, ist die Pensionsrückstellung unter dem Gesichtspunkt eines schädlichen Vorbehalts (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG) steuerrechtlich nicht anzuerkennen.

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 21. Februar 2017, Az: 1 K 141/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21.02.2017 – 1 K 141/15 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob die Bilanzierungsvoraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) –jeweils in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung– mit Blick auf eine gegenüber einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft erteilten Versorgungszusage erfüllt sind.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, sagte ihrem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer A, geboren am …, erstmals durch Vertrag vom 04.01.1993 eine betriebliche Altersversorgung zu, die u.a. eine Abfindungsklausel enthält.
3
In der geänderten Zusage vom 24.12.1999 heißt es unter § 16 dazu: “(1) Endet das Dienstverhältnis des Geschäftsführers unter Mitnahme unverfallbar erdienter Versorgungsanwartschaften, so ist die GmbH berechtigt, die Versorgungsanwartschaften ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzufinden. (2) Die GmbH ist berechtigt, laufende Pensionen ganz oder teilweise durch eine Kapitalzahlung abzufinden. (3) Die Kapitalabfindung ist unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen zu berechnen. (4) Gilt für diesen Pensionsvertrag im Zeitpunkt einer Abfindung das Betriebsrentengesetz, so sind die im § 3 Betriebsrentengesetz genannten Abfindungsverbote zu beachten. (5) Etwaige gesetzliche Abgaben trägt der Pensionsberechtigte.” Im Jahresabschluss zum 31.12.2007 setzte die Klägerin einen Rückstellungsbetrag von … € an.
4
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) erließ unter dem 05.12.2013 einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer des Streitjahres, mit dem er eine Einkommenserhöhung von … € berücksichtigte. Zur Begründung bezog er sich auf eine Stellungnahme des Fachprüfers für betriebliche Altersversorgung: “Gem. § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist eine Pensionsrückstellung mit steuerlicher Wirkung u.a. nur dann und soweit zulässig, wenn die Pensionszusage schriftlich erteilt ist. Die Pensionszusage muss danach eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten. Sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist, sind auch die Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Verpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende biometrische Ausscheidewahrscheinlichkeit) schriftlich festzulegen (BMF vom 28.08.2001, BStBl. 2001 I S. 594). Gem. BMF vom 06.04.2005, BStBl. 2005 I S. 619, gelten diese Regelungen für in Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklauseln entsprechend. Wird danach das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe nicht eindeutig und präzise schriftlich fixiert, scheidet die Bildung einer Pensionsrückstellung insgesamt aus. Im vorliegenden Fall ist die in der Pensionszusage vom 24.12.1999 vereinbarte Kapitalabfindung unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen zu berechnen. Unabhängig von der Frage, ob aus dem Begriff ‘der im Zeitpunkt der Abfindung gültigen Rechnungsgrundlagen’ auf die jeweiligen Richttafeln nach Dr. Heubeck abgestellt werden kann/muss, ist darüber hinaus kein anzuwendender Rechnungszins vereinbart. Ebenfalls keine Erwähnung finden ggf. weitere Berechnungsparameter, die seit Inkrafttreten des BilMoG für handelsrechtliche Wertermittlungen geboten sind. Das o.g. Schriftformerfordernis ist danach nicht erfüllt. Die im Prüfungszeitraum bilanzierte Pensionsrückstellung ist mithin gewinnwirksam aufzulösen.”
5
Im Einspruchsverfahren erging am 06.05.2015 ein aus anderen Gründen geänderter Bescheid, mit dem die Körperschaftsteuer auf … € festgesetzt wurde.
6
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) gab der gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung erhobenen Klage statt und setzte die Körperschaftsteuer (unter steuerrechtlicher Anerkennung der Pensionsrückstellung in der von der Klägerin angesetzten Höhe) auf … € herab (Urteil vom 21.02.2017 – 1 K 141/15, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2017, 908).
7
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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