Steuerrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung

Aktenzeichen  4 K 124/20

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 569
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 105 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

1. Die vollständige Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs iSd § 16 I Nr. 1 GrEStG erfordert neben der zivilrechtlich wirksamen Beseitigung des ursprünglichen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs auch, dass der Erwerbsvorgang vollständig und tatsächlich rückgängig gemacht wird. Dazu sind zum einen der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück sowie die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Verkäufers erforderlich, zum anderen muss der Veräußerer den empfangenen Kaufpreis in vollem Umfang dem Erwerber erstatten. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es liegt keine vollständige Rückgängigmachung iSd § 16 I Nr. 1 GrEStG vor, wenn zwar der Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren zivilrechtlich wirksam aufgehoben worden ist, dabei jedoch der gezahlte Kaufpreis nicht innerhalb von zwei Jahren an den Käufer zurückgezahlt, sondern in ein Darlehen des Käufers umgewandelt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.) Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, wird gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf Antrag die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.
Die vollständige Rückgängigmachung erfordert neben der zivilrechtlich wirksamen Beseitigung des ursprünglichen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs auch, dass Letzterer vollständig und tatsächlich rückgängig gemacht wird (vgl. Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 33, 61). Dazu sind zum einen der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück sowie die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Verkäufers erforderlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 25. August 2010 II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301 m.w.N.; Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 62). Zum anderen muss der Veräußerer den empfangenen Kaufpreis in vollem Umfang dem Erwerber erstatten (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1973 II R 22/68, BStBl II 1974, 362; BFH-Beschluss vom 10. Juni 1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61; Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 81).
2.) Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die zuletzt mit Bescheid vom 9. Juni 2016 erfolgte Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufhebt.
a) Der Klägerin ist zwar insoweit zuzustimmen, als mit der zwischen der Klägerin und Frau X am 15. März 2018 abgeschlossenen Vereinbarung der Kaufvertrag vom 21. März 2016 – innerhalb von zwei Jahren – zivilrechtlich wirksam aufgehoben worden ist. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist dadurch jedoch der Erwerbsvorgang nicht i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht worden, da der Klägerin der von ihr gezahlte Kaufpreis i.H.v. 600 T€ nicht erstattet worden ist. Zwar ist zivilrechtlich die aus dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises resultierende Forderung mit der aus dem Darlehensvertrag resultierenden Forderung auf Zurverfügungstellung der Darlehenssumme verrechnet worden. Die Klägerin hat jedoch dadurch den Kaufpreis nicht zurückerhalten. Sie hat lediglich einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe des Kaufpreises erhalten. Infolgedessen hat Frau X weiterhin die volle Verfügungsbefugnis über den seinerzeit erhaltenen Kaufpreis behalten. Die gewählte Gestaltung steht daher einer vollständigen Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs entgegen.
b) Die Einwendungen der Klägerin überzeugen im Ergebnis nicht. So sind entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin die Grundsätze zum sog. abgekürzten Zahlungsweg im Streitfall nicht anwendbar. Der Zahlungsweg wird abgekürzt, wenn ein Dritter im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt, statt ihm das Geld unmittelbar zu geben, damit der Steuerpflichtige seine Schuld selbst tilgen kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BHH/NV 2000, 1278). Aufwendungen des Dritten können dann als Aufwendungen des Steuerpflichtigen angesehen werden. Eine solche Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. Im Streitfall haben sich die Klägerin mit Frau X – ohne Zwischenschaltung Dritter – darauf geeinigt, dass die Rückerstattung des Kaufpreises durch eine neue vertragliche Regelung ersetzt wird. Die dadurch realisierte Schuldumwandlung (Novation) hat lediglich zu einer Verkürzung des Leistungswegs geführt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2018, VI R 17/16, BStBl II 2019, 496). Letztere hat jedoch keine Rückerstattung des Kaufpreises, wie sie von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gefordert wird, nach sich gezogen, weil Frau X den seinerzeit erhaltenen Kaufpreis einvernehmlich nicht aus der Hand gegeben hat. Der Streitfall ist auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, in der der Kaufpreis tatsächlich zurückgezahlt wird und anschließend aufgrund eines völlig eigenständigen Entschlusses ein Darlehen gewährt wird, weil vorliegend der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Anspruch auf Gewährung des Darlehens in gleicher Höhe ganz bewusst miteinander verknüpft worden sind. Soweit die Klägerin vorträgt, dass es ihr aufgrund der Vertragsfreiheit freistehe, den Kaufpreisrückerstattungsanspruch in ein Darlehen umzuwandeln, ist ihr insoweit zuzustimmen, als dies zweifellos zivilrechtlich zulässig ist. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die von der Klägerin gewählte zivilrechtliche Gestaltung zur Folge hatte, dass der Erwerbsvorgang dadurch nicht i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückabgewickelt worden ist. Beide Kriterien schließen sich nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 1973 II R 33/68, BStBl II 1974, 362). Der Streitfall ist nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der der Entscheidung des BFH vom 31. Mai 1972 (II R 92/67, BStBl II 1972, 836) zugrunde gelegen ist. Streitgegenstand ist damals die grunderwerbsteuerliche Beurteilung der Umgestaltung eines entgeltlichen in einen unentgeltlichen Erwerbsvorgang gewesen. Eine Vergleichbarkeit des streitgegenständlichen mit dem der Entscheidung des BFH vom 30. Juni 2008 (II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698) zugrunde-liegenden Sachverhalt ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Aufrechnung ist im Streitfall nicht erklärt worden. Die Klägerin und Frau X waren sich lediglich darüber einig, dass die aus dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises resultierende Forderung mit der sich aus dem Anspruch auf Zurverfügungstellung des Darlehens ergeben Forderung verrechnet werden sollte. Dadurch ist zwar zivilrechtlich der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises untergegangen. Die Kaufpreissumme ist jedoch – wie beabsichtigt – bei Frau X verblieben. Die Verknüpfung mit dem Darlehensvertrag hat gerade verhindert, dass Frau X die Kaufpreissumme an die Klägerin auszahlt. Die Klägerin hat somit den gezahlten Kaufpreis von Frau X nicht – wie von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gefordert – innerhalb von zwei Jahren zurückerhalten. Das Darlehen ist nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bis zum 12. Mai 2021 nicht zurückgezahlt worden.
c) Nach den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 20. Mai 2020 war Frau X schließlich nicht zahlungsunfähig, so dass die Rückzahlung des Kaufpreises nicht daran gescheitert ist.
d) Da der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits wegen der mangelnden Kaufpreisrückerstattung nicht erfüllt ist, ist die Frage, ob Frau X infolge der Vereinbarung vom 15. März 2018 ihre uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über das Grundstück wiedererlangt hat, nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher dahin gestellt bleiben.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.


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