Steuerrecht

Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft

Aktenzeichen  2 K 844/17

Datum:
5.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2018, 39
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
StAuskV § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 S. 1
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 6 S. 1, § 3a Abs. 4 S. 2 Nr. 3, § 4 Nr. 8 Buchst. f

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung einer verbindlichen Auskunft verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), da der Antrag nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.
1. Die Klage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger sein Vorbringen zu dem künftig zu verwirklichenden Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren ergänzt und erläutert hat. In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Der Verfahrensgegenstand des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens und der Streitgegenstand des Klageverfahrens müssen daher in objektiver und subjektiver Hinsicht übereinstimmen (BFH-Urteil vom 25.09.2014 III R 56/13, BFH/NV 2015, 206, Rz 10). Verbindliche Auskünfte sind in ähnlicher Weise sachverhaltsbezogen wie Grunderwerbsteuer- (vgl. BFH-Urteile vom 22.01.2003 II R 76/01, BFH/NV 2003, 1137, unter II.2.; vom 23.03.2011 II R 33/09, BFHE 233, 453, BStBl. II 2011, 980, Rz 15) oder Haftungsbescheide (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.04.2005 I B 140/04, BFHE 209, 473, BStBl. II 2006, 530; vom 04.07.2013 X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540, jeweils m.w.N.). Hieran gemessen, haben die Nachträge des Klägers nicht zu einer Auswechslung des dem Auskunftsbegehren zugrunde liegenden Sachverhalts geführt.
2. Die Klage ist aber unbegründet, da der Kläger den noch nicht verwirklichten Sachverhalt nicht umfassend und in sich abgeschlossen dargestellt hat. Dafür hätte er insbesondere den Ort der Übergabe des Flugzeugs an den Trust näher bestimmen sowie den Vertrag über die Übertragung der Begünstigtenstellung an dem Trust und den künftigen Betreibervertrag im vollen Wortlaut vorlegen müssen.
a) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können nach § 89 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Das Bundesministerium der Finanzen ist nach § 89 Abs. 2 Satz 5 AO ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft hat nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) unter anderem eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts zu enthalten.
b) Für eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts muss der Antragsteller dem Finanzamt sowohl alle tatsächlichen Merkmale mitteilen, auf deren Verwirklichung es ihm ankommt, als auch alle weiteren Merkmale, die nach der Rechtsauffassung der Finanzbehörde für die Beantwortung der vom Antragsteller gestellten Rechtsfragen von Bedeutung sind. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV und der Ermächtigungsgrundlage in § 89 Abs. 2 AO sowie aus dem Zweck der verbindlichen Auskunft.
aa) Das Erfordernis einer umfassenden und in sich abgeschlossenen Darstellung bedeutet nach allgemeinem Wortsinn, dass der Antragsteller den Sachverhalt vollständig und, soweit möglich, sinnvoll und zumutbar, im Einzelnen beschreiben muss. Er darf sich nicht auf eine Zusammenfassung beschränken oder nur ausgewählte Sachverhaltsausschnitte wiedergeben, weil er sie beispielsweise für rechtlich besonders problematisch oder für finanziell besonders bedeutsam hält. Dieses Verständnis entspricht auch der Ermächtigungsgrundlage in § 89 Abs. 2 AO. Genaue Bestimmtheit erfordert ein besonders hohes Maß an Bestimmtheit, das eine eindeutige Beurteilung ermöglicht, ob der später verwirklichte Sachverhalt dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt entspricht oder, wenn auch möglicherweise nur unwesentlich, abweicht (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV).
bb) Im Hinblick auf den Zweck der verbindlichen Auskunft muss die Sachverhaltsdarstellung alle tatsächlichen Angaben enthalten, die nach der Rechtsauffassung des Finanzamts für den Inhalt der Auskunft bedeutsam sind. Die verbindliche Auskunft hat die Funktion, dem Steuerpflichtigen Planungs- und Entscheidungssicherheit, d.h. Rechtssicherheit hinsichtlich der Einschätzung eines geplanten Sachverhalts bzw. Vertragsmodells durch die Finanzbehörde zu verschaffen. Sie regelt, wie die Finanzbehörde eine ihr zur Prüfung gestellte hypothetische Gestaltung gegenwärtig beurteilt, trifft aber keine endgültige Aussage über die materielle Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung (BFH-Urteile vom 29.02.2012 IX R 11/11, BFHE 237, 9, BStBl. II 2012, 651, Rz 12, 18; vom 14.07.2015 VIII R 72/13, Rz 22). Die Finanzgerichte haben lediglich zu prüfen, ob die Rechtsauffassung der Finanzbehörde in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist (BFH-Urteile in BFHE 237, 9, BStBl. II 2012, 651, Rz 15; vom 05.02.2014 I R 34/12, HFR 2014, 573, Rz 14). Dementsprechend muss die Sachverhaltsdarstellung der Finanzbehörde ermöglichen, auf Grundlage ihrer Rechtsauffassung eine abschließende Beurteilung zu treffen, und darf die Finanzbehörde die Auskunft verweigern, wenn ihr dies nicht möglich ist.
c) Gehört zu dem noch nicht verwirklichten Sachverhalt der Abschluss oder die Änderung eines Vertrags, muss der Antragsteller grundsätzlich den vollständigen Vertragsentwurf oder den vollständigen Vertrag und den vollständigen Entwurf des Änderungsvertrags vorlegen. Anderenfalls könnte das Finanzamt nicht abschließend beurteilen, ob der Vertrag den vom Kläger behaupteten Inhalt hat.
aa) Die Auslegung von Verträgen erfordert die vollständige Erfassung des Vertragstextes und – darauf fußend – die Einbeziehung der systematischen Stellung der zu betrachtenden Regelungen im jeweiligen Gesamtzusammenhang (BFH-Urteile vom 19.08.2015 X R 30/12, HFR 2016, 430, Rz 38, m. Anm. Ebner; vom 11.04.2017 IX R 46/15, HFR 2017, 830, Rz 19, m. Anm. Trossen). Eine Zusammenfassung des Vertragsinhalts aus Sicht des Antragstellers kann daher für das Verständnis des Antrags zweckmäßig sein, ist aber grundsätzlich nicht ausreichend. Ausnahmen sind nur bei ganz einfachen Sachverhalten denkbar, wenn etwa der abzuschließende Vertrag einem gesetzlich geregelten Vertragstyp entspricht und von den gesetzlichen Regelungen ersichtlich nicht abgewichen werden soll.
bb) Dagegen kann sich der Kläger nicht auf eine Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 12.12.2007 berufen. Die Gerichte sind an norminterpretierende Verwaltungsvorschriften nicht gebunden (vgl. BFH-Beschluss vom 28.11.2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl. II 2017, 393, Rz 107). Soweit sich die Finanzverwaltung zu den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 StAuskV äußert, handelt es sich um solche norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Verfügung den vom Kläger behaupteten Inhalt hat und ob die Verfügung einer hessischen Behörde auch ein bayerisches Finanzamt binden kann (vgl. dazu Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2013 Vf. 17-VII-12, VerfGHE 66, 6, BayVBl. 2013, 532, unter V.3.b).
d) Diese Anforderungen sind für keine der vom Kläger gestellten Fragen erfüllt. Für die Entscheidung über eine Verpflichtungsklage kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (BFH-Urteil vom 06.08.2013 – VII R 15/12, BFHE 243, 88, BStBl. II 2014, 69). Auch unter Berücksichtigung der Ergänzungen und Erläuterungen im Klageverfahren fehlen weiterhin Angaben zu Sachverhaltsmerkmalen, deren Bedeutung sich teils schon aus dem Gesetz, jedenfalls aber aus der schlüssigen und nicht evident fehlerhaften Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ergibt, so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn das Finanzamt sich zu einer Auskunft außerstande sieht.
aa) Für die erste Frage folgt dies daraus, dass der Kläger nicht erklärt hat, wo er das Flugzeug an den rechtlichen Eigentümer übergeben wird. Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e, 3f und 3g UStG nach § 3 Abs. 6 bis 8 UStG. Abhängig davon, ob der Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet wird, gilt die Lieferung als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG) oder wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Der Ort der Übergabe an den rechtlichen Eigentümer, dessen Beauftragten oder den Transporteur ist daher schon nach dem Gesetzeswortlaut für die Steuerpflicht von zentraler Bedeutung.
bb) Im Hinblick auf die zweite Frage ist die Sachverhaltsdarstellung lückenhaft, weil der Kläger nicht im Einzelnen angegeben hat, welche materiellen und immateriellen Güter in dem Trust zusammengefasst sind und welche Rechte und Pflichten mit der Begünstigtenstellung zusammenhängen.
Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Dies setzt nach Auffassung der Finanzverwaltung voraus, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Verkäufer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch tut (UStAE Abschn. 1.5. Abs. 1 Satz 2; ähnlich EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-444/10, Schriever, Slg 2011, I-11071, HFR 2012, 104, Rz 24 ff.). Ob dies – wie der Kläger meint – der Fall wäre, kann ohne Kenntnis der im Einzelnen zu übertragenden Sachen und Rechte nicht entschieden werden.
Ohne Kenntnis der Satzung des Trust und der genauen Merkmale der Begünstigtenstellung ist es auch nicht möglich zu entscheiden, ob die Übertragung der Begünstigtenstellung, wie der Kläger ebenfalls in Erwägung gezogen hat, als Umsatz von Anteilen an einer Gesellschaft (§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG) zu behandeln wäre, weil der Trust nach deutschem Verständnis einer Personenoder Kapitalgesellschaft (vgl. UStAE Abschn. 4.8.10 Abs. 1) und die Begünstigtenstellung mit einem Gesellschaftsanteil vergleichbar ist. Wäre die Übertragung der Begünstigtenstellung beispielsweise als Abtretung einzelner Gesellschafterrechte oder als Bestellung eines Nießbrauchsanteils an einem Gesellschaftsanteil anzusehen, könnte sie steuerpflichtig sein (vgl. Heidner in Bunjes, UStG, § 4 Rz 49).
cc) Unvollständig sind auch die Angaben zu der Änderung des Betreibervertrags. Ist der Empfänger einer der in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt. Zu diesen Leistungen gehören nach § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG unter anderem sonstige Leistungen aus der Tätigkeit als Ingenieur. Ingenieurleistungen sind nach Auffassung der Finanzverwaltung alle sonstigen Leistungen, die zum Berufsbild eines Ingenieurs gehören, also nicht nur beratende Tätigkeiten; die Ausübung von Ingenieurleistungen ist danach dadurch gekennzeichnet, Kenntnisse und bestehende Prozesse auf konkrete Probleme anzuwenden sowie neue Kenntnisse zu erwerben und neue Prozesse zur Lösung dieser und neuer Probleme zu entwickeln (UStAE Abschn. 3a.
9. Abs. 13 Satz 1, in Anlehnung an EuGH-Urteil vom 07. 10. 2010, C-222/09, Kronospan Mielec, Slg 2010, I-9277, HFR 2010, 1367 und BFH-Urteil vom 13.01.2011 V R 63/09, BFHE 233, 64 BStBl II 2011, 461, Rz 34 f.). Dabei muss es sich allerdings um die Hauptleistung handeln (UStAE Abschn. 3a.9. Abs. 9).
Hiervon ausgehend, war es für die Einordnung der Tätigkeit des Klägers nach dem neuen Betreibervertrag nicht ausreichend, auf Grundzüge eines neuen Vergütungsmodells zu verweisen. Der Kläger hätte jedenfalls auch angeben müssen, ob er neben der linearen Optimierung der Flugstrecken auch weitere Leistungen erbringen würde, die möglicherweise die Ingenieurleistung in den Hintergrund treten lassen, so dass die Vergütung des Klägers unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Realität (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 03.08.2017 V R 15/17, BFHE 258, 566, Rz 22) auch auf diese Leistungen zu beziehen wäre.
3. Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache wegen der Anforderungen an die Darstellung des noch nicht verwirklichten Sachverhalts (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV) grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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